Ein Internet-Angebot von Klaus Graf
Der feuert auf dem strohen Dach,
Der auf der Welt Ruhm setzt sein Sach
Sebastian Brant: Narrenschiff (1494), Kapitel 92
Die eigene Homepage stellt, daran ist nicht zu zweifeln, eine medientechnisch besonders fortgeschrittene Spielart akademischer Eitelkeit dar.
Zugleich eröffnet das Internet Kommunikations- und Publikationsmöglichkeiten, die dem eingefahrenen Wissenschaftsbetrieb neue Impulse verleihen könnten. Allerdings können nur attraktive Angebote, wenn überhaupt, etwas an der (noch) allgemeinen Reserviertheit der HistorikerInnenzunft gegenüber dem Internet ändern.
Statt in die Zeit-Klage über das Internet als Müllhalde und spätpubertäre Veranstaltung einzustimmen und passiv abzuwarten, ob irgendjemand irgendetwas Brauchbares ins Netz stellt, möchte ich hier mehr und anderes bieten als die (bei deutschen Wissenschaftlern) üblichen knöchernen Inhalte: Curriculum vitae, Projekte, Veröffentlichungsliste (und alles am besten: "under construction").
Schwerpunkt meines Angebots sind (vorerst) Texte: Informationen über Internet-Angebote (Links), Bibliographisches, eigene Veröffentlichungen, historische Quellentexte. (Hinweis: Externe Links sind normal, interne fett dargestellt.)
Auf aufschnappende Briefkästen, flackernde Trennlinien und andere Scheußlichkeiten habe ich (hier) bewußt verzichtet.
Meine Tips für den oder die, die nur etwas Infotainment suchen:
Im Rahmen des Bielefelder Bürgertum-Sonderforschungsbereiches
arbeitete ich bis 31.12.1997 als Mitarbeiter an dem von Klaus Schreiner geleiteten
Projekt
Die Beziehung zwischen städtischer Identität und religiösem Ritual mag ein Quellentext aus der Zeit um 1500 verdeutlichen. Daß bei dem Einsturz der beiden Türme der Pfarrkirche in der Karfreitagnacht 1497 niemand ernsthaft verletzt wurde, betrachtete der Rat von Schwäbisch Gmünd als Wunder, das er der Patronin der Pfarrkirche, der Gottesmutter, zuschrieb. In einem städtischen Amtsbuch ließ er durch den Stadtschreiber einen ausführlichen Bericht eintragen. Mit einem Kreuzgang am folgenden Georgstag unter Beteiligung der Priesterschaft und der drei Bettelordenskonvente stattete das Stadtregiment Maria den schuldigen Dank ab. Zugleich stiftete der Rat - zuer gedächtnus solcher gnad unnd barmhertzigkeit - eine jährliche Prozession am Ostermontag. Man sieht: historiographische Aufzeichnung ("Stadtbuchchronistik") und wiederkehrendes Ritual griffen ineinander. Der Besuch dieser Prozession wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts im Ratsherrn-Eid der Stadt eigens eingeschärft. Beide Erinnerungsmedien, sowohl der Text als auch das Ritual, weisen die Pfarrkirche und damit auch Gmünd als besondere Gnadenstätte aus und demonstrieren so den Charakter der Stadt als Sakralgenossenschaft.
Bei der Frage nach vergleichbaren Ritualen, die für das städtische Selbstverständnis im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit wichtig waren, muß die besondere Aufmerksamkeit der Forschung den Schlachtengedenktagen gelten, also der jährlich wiederholten Erinnerung an Schlachten, Belagerungen oder Überfälle. Eine vergleichende Studie dazu habe ich 1989 veröffentlicht; eine 1991 publizierte Zusammenfassung ist hier im Volltext (mit Nachtrag) verfügbar.
Auch im Internet ist bereits ein Schlachtengedenktag präsent. Unter dem Titel
Die Bassewitzsage berichtet das Städtenetz Prignitz von dem am 4. März
(Montag nach Invocavit, dem ersten Fastensonntag) 1381 gescheiterten Sturm
auf die Stadt Kyritz, die damals, so will es eine Tradition, von einem Engel
beschützt wurde. Dem Angreifer Kurt von Bassewitz gelang es auch 1411 nicht, die Stadt einzunehmen.
Zum Gedenken an die Abwehr des mecklenburgischen Adeligen bäckt und verteilt man noch
heute am
Montag nach Invocavit
Rundstücke, große Semmeln von etwa 125 Gramm. Und die semmelartigen "Hedwecken"
sollen an die Tochter Hedwig des Bürgermeisters von 1411 erinnern, die den Bassewitz
angeblich mit heißer Grütze übergoß.
An die Belagerung der Stadt Bernau durch die Hussiten 1432 erinnert das
Bernauer Hussitenfest.
Was an stadtgeschichtlichen Angeboten im Internet des deutschsprachigen Raums bereits vorhanden ist, ist in der Regel eher dem Bereich Touristik zuzuordnen. Meine Heimatstadt, der ich eine eigene Seite (mit Bildern) gewidmet habe, macht da keine Ausnahme:
NEU: Feindbilder und Konflikte zwischen städtischem Bürgertum und landsässigem Adel im Rahmen der jeweiligen Erinnerungskultur des späten Mittelalters werden erörtert in meinem Vortrag Der adel dem purger tregt haß. (Volltext). Ein bezeichnendes Schlaglicht auf das gespannte Verhältnis zwischen Stadt und Adel wirft auch ein Ehrenhandel aus dem Jahr 1474, den ich in einem kurzen Artikel (Volltext) vorgestellt habe.
In dem Aufsatz Graf Heinrich von Württemberg (+1519) (Volltext) geht es um die Neubewertung der Person des Grafen Heinrich von Württemberg (um 1448-1519), eines Adeligen, der die Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard) von 1473 bis 1482 und anschließend bis zu seiner Gefangensetzung im August 1490 durch seinen Vetter Graf Eberhard im Bart von Württemberg die elsässische Grafschaft Horburg regierte. Nach einem Lebensabriß kommt die Verwicklung Heinrichs in die Burgunderkriege - er befand sich 1474 bis 1477 in burgundischer Gefangenschaft - zur Sprache. Das Problem von Heinrichs angeblicher Geisteskrankheit läßt sich aufgrund fehlender diagnostischer Daten nicht lösen. Zuletzt werden die aufschlußreichen geistigen Interessen des Grafen gewürdigt: Von seinem Bücherbesitz sind zwei Handschriften und zwei Inkunabeln erhalten geblieben, und im "Königssteiner Liederbuch" tragen drei Liebeslieder seinen Namen. Der Frühhumanist Stephanus Surigonus aus Mailand widmete ihm wohl um 1470 ein lateinisches Gedicht (Text).
Mit einer merkwürdigen historiographischen Fiktion aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, der im Bodenseeraum im Umkreis der Grafen von Montfort entstandenen Schwäbischen Chronik eines sich Thomas Lirer nennenden Autors habe ich mich in meiner 1987 erschienenen Dissertation (Summary) auseinandergesetzt. Es handelt sich um Adelsliteratur, deren restaurative Programmatik unverkennbar ist: ein Diskurs über das Land Schwaben und sein Herkommen, der im Medium einer erfundenen Frühgeschichte die alten ritterlichen Werte beschwört.
Eine bedeutsame Quelle der adeligen Bildungs- und Kulturgeschichte sind
noch existierende Adelsbibliotheken. Das Problem ihrer Bewahrung steht zur Debatte
hier in der Rubrik Kulturgut.
In einem Projekt "Adel, Stadt und Region. Ständische und regionale Diskurse und Traditionen im deutschen Südwesten (15./16. Jahrhundert)" möchte ich das Verhältnis ständischer Identitätskonstruktion (Selbstverständnis des Adels und der Städte, territorialer Diskurs) und regionaler Identitätskonstruktion (Landesdiskurs, regionaler Diskurs) thematisieren. Angesiedelt ist es am Sonderforschungsbereich 541 (Identitäten und Alteritäten) an der Universität Freiburg im Breisgau im Rahmen des von Dieter Mertens geleiteten Teilprojekts B 5: Ausbildung kollektiver Identitäten im Renaissance-Humanismus (hier auch meine Veröffentlichungsliste). Dabei soll das Wechselspiel von Abgrenzung (Feindbild) und Aneignung (Vorbild) und die Rolle historischer Traditionsbildung im Vordergrund stehen. Zu fragen wird sein: Welche Bedeutung besaß der gentile (Schwaben) bzw. regionale Diskurs (Kraichgau, Breisgau, Allgäu usw.), also das "landsmannschaftliche" Moment, für die Ausbildung der kollektiven Identität von Territorien, adeligen Herrschaftsträgern und Städten? Wie verhielt sich die Zusammenarbeit im regionalen Rahmen zur "Feindschaft" zwischen Adel und Städten? Welche ideologischen Allianzen und Gemeinsamkeiten gab es andererseits (nationaler bzw. Reichs-Diskurs, Tugendadel-Konzept)?
Vielleicht die aufschlußreichsten Beobachtungen gestattet in Südwestdeutschland der Blick auf das seit dem Untergang der Staufer als Territorium nicht existente Land Schwaben . Am Ausgang des Mittelalters erlebt die Berufung der Fürsten und des Niederadeligen, aber auch der Städte und der Humanisten auf diese vermeintlich ganz überlebte gentile Einheit eine erstaunliche Renaissance. Eine Auswahlbibliographie Schwaben (mit Bild) ist mein Beitrag zur Stuttgarter Alamannen-Ausstellung 1997. (Im Begleitbuch "Die Alamannen" findet man allerdings leider nur wenig verläßliche Informationen zum "Nachleben" der Alamannen als "Schwaben".)
NEU: Ein Aufsatz (Volltext) skizziert, was es mit der "Schwäbischen Nation" in der frühen Neuzeit auf sich hat. Gefragt wird nach dem Raum, der als Schwaben galt, nach dem historischen Diskurs über Schwaben und den Versuchen im 18. Jahrhundert, die schwäbische Ehre gegen Anfeindungen anderer Landsmannschaften zu verteidigen. Eine besonders bösartige Geschichte berichtet, eine Landgräfin von Hessen hätte einmal einen Schwaben sehen wollen, da sie schon viel von ihnen gehört habe. Als ihr ein Höfling einen solchen im ledernen Kleid zeigte, wunderte sie sich und sprach: Ich habe mein Lebtag kein Ding gesehen, das dem Menschen so wohl gleichet als ein Schwab. Wann das Tier reden könte, so könte man es wohl zum Krieg gebrauchen.
Ein (nicht ganz bierernst
gemeinter ;-) Vortrag von mir zum Thema
Regionale
Identität als Forschungsproblem ist auf den Seiten des
Brackweder
Arbeitskreises für Mittelalterforschung nachzulesen.
Was wäre das Rheinland ohne seine romantischen Sagen? In einem Vortrag
(Volltext) gehe ich quellenkritisch der Frage
nach, ob es sich dabei tatsächlich um "Volkspoesie"
handelt. Nicht wenige Rheinsagen sind ursprünglich
mehr "fakelore", also
literarische Fabrikate, als Folklore, und der
Sagen-Kommerz erweist sich denn auch eher
als ein Folklorismus-Phänomen. Angesprochen wird auch
die enge Wechselwirkung zwischen Sagenproduktion und
Geschichtskultur im 19. Jahrhundert, die sich im Kontext der
Heimatbewegung in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts
fortgesetzt hat.
"Eine Sage für den Pinsel eines Ovids" - so nannte ein
Gelehrter am Anfang des 19. Jahrhunderts die Siebenjungfrauensage von
Oberwesel. Eine
poetische Anthologie von
Gedichten (unter anderem von dem Romantiker Achim von Arnim)
und Prosatexten aus dem Zeitraum 1811 bis 1928 dokumentiert die Geschichte dieser Rheinsage. Vielleicht hat sich auch Heinrich Heine von diesem
Stoff anregen lassen, als er sein Gedicht
Pfalzgräfin Jutta (aus dem
"Romanzero" von 1845/46) schrieb.
***
Kritisches zu Rheinsagen
Eine kleine Sagensammlung
Artikel "Sage" im Lexikon des Mittelalters
Sagen - kritische Gedanken zu Erzählungen
aus dem Raum Kirchheim/Teck (Volltext 99 K)
(ZIP-Format)
Überlegungen zu Schwäbisch Gmünder "Sagen"
NEU:
Der Stadtrichter von Gmünd - Eine erfundene
Sage von 1845
Seriöse historische Angebote zum Thema Hexen sind im Internet
äusserst selten. Eine exzellente Bibliographie
findet man auf der Seite des
Wann der "Arbeitskreis Interdisziplinäre Hexenforschung (AKIH)", der seit 1985 besteht, seine geplante Netz-Präsenz realisiert, steht derzeit noch nicht fest. Die jährlichen Arbeitstagungen finden im Tagungshaus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Stuttgart-Hohenheim statt (Ansprechpartner: Dieter R. Bauer, e-mail: AkademieRS@t-online.de). Eine sehr empfehlenswerte eigene Homepage (mit einschlägiger Veröffentlichungsliste und Volltexten!) besitzt ein Mitglied des Arbeitskreises: Rainer Decker. Einen Blick lohnt auch die Homepage von Thomas Becker (Volltexte!).
NEU: Ein Buchtip: AKIH-Mitglied Wolfgang Behringer hat in der Reihe "Wissen" des Verlags C. H. Beck eine instruktive und preisgünstige Einführung Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung auf dem neuesten Stand der Forschung vorgelegt, die guten Gewissens allen am Hexenthema Interessierten empfohlen werden kann (München 1998, 115 Seiten, DM 14,80).
Eines der einflußreichsten Bücher der letzten Jahre zum Thema
"Hexen" stellt sicher das 1989 erschienene Werk Hexensabbat von
Carlo Ginzburg dar. Die bislang im deutschsprachigen Raum ausgebliebene Debatte
über den theoretischen Ansatz Ginzburgs als Herausforderung für die
Methodendiskussion der Geschichtswissenschaft hofft meine
Über die Hexenverfolgungen in der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd,
die zwischen 1613 und 1617 knapp 50 Menschen (fast nur Frauen) das Leben
kosteten, unterrichtet ein Quellentext, ein Auszug
aus der Chronik des Friedrich Vogt (1674).
Kurz vor ihrem Tod hat meine Mutter Hertha Graf (1911-1996) ihre Lebenserinnerungen
vollendet. Diese beginnen mit der Zeit in Moskau während des Ersten Weltkrieges,
berichten von Kindheit, Jugend und erster Arbeitsstelle in Riga bei der
Baltendeutschen Rußlandarbeit und schließen
mit dem Exodus von 1939. Eine Verlagspublikation ist beabsichtigt.
Ausgewählt habe ich Kapitel VI, eine Schilderung lettischen Landlebens um 1920:
Letzte Änderung: 26.01.1999
Erstveröffentlichung: 15.04.1997
Vielen Dank für die Bildbearbeitung:
b 12 Grafik & Design
Kornelia Erlewein, Stuttgart
Und natürlich vielen Dank an die Universität Koblenz-Landau!
Eine Bitte um Nachsicht:
Allen Brausern rechtgetan,
Ist eine Kunst, die niemand kann
Kritik, Kommentare usw. bitte an:
Dr. Klaus Graf
Friedrichstraße 26
56333 Winningen
e-mail: graf@uni-koblenz.de