Journal Ansichtskarten

   
  ,,Ich habe da eine Karte aus dem Jahr 1900. Was ist die denn wert?" Anfänger wundern sich, wenn sie auf diese einfache Frage meist eine komplizierte Antwort erhalten. Etwa: ,,20 Pfennig oder 100 Mark. Das kommt ganz darauf an." Worauf denn nun? Zehn Kriterien für den Marktwert:
   
1. Alter: Wirklich selten sind Karten vor 1895 - kurz vor der Jahrhundertwende begann die Massenproduktion. Moderne Massenware ist fast alles ab 1955. Nur zur Orientierung: Ein Tauschfreund kauft jede Karte bis 1945 für 14 Pfennig, alles andere für 3,5 Pfennig an. Karten, die mehr Ertrag bringen sollen, muss schon irgendeine Besonderheit auszeichnen.
2. Erhaltung: Wie viele Ansichtskarten sind gedankenlos ihrer Frankatur beraubt worden! Da löst jemand die Marke, meist Massenware, ab und zerstört so oft zwei- oder gar dreistellige Werte. Ein Jammer! AK ohne Marken, mit Rissen und Knicken oder mit Lochung sind nur noch einen Bruchteil bis gar nichts wert. Wertmindernd bei älteren Karten ist auch allzu üppiger Text auf der Bildseite.
3. Ort I: Was selten ist, lässt sich am besten über den Umkehrschluss beschreiben. Häufig und damit billig sind die meisten Großstädte (zumindest Motive aus dem Zentrum), Orte in touristischen Zentren von der See über die Mittelgebirge bis zu den Alpen und Bäder - eingeschlossen national bekannte Punkte wie das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald oder das Deutsche Eck in Koblenz. Landschaftsbilder von der Heide über Seen und Talsperren bis zu Höhlen oder Gebirgszügen sind fast immer Massenware.
4.Ort II: Unabhängig von der tatsächlichen Seltenheit gibt es wie bei Marken gängige und unbeliebte Gebiete. Gesucht sind die ehemaligen deutschen Gebiete, aber stark auch zum Beispiel Unterfranken, Rheinland-Pfalz, das Saarland, das Ruhrgebiet oder das Emsland. Hier scheinen einfach mehr Sammler zu Hause zu sein als in anderen deutschen Regionen.
5. Motiv I: Was sind die Wahrzeichen eines Ortes? Kirche, Rathaus, Markt, Denkmäler, idyllische Stellen. Diese Motive finden sich häufig auf AK. Selten ist alles, was ungewöhnlich ist: einzelne Straßenzüge, Häuser, Gasthöfe, Hotels, die Post oder der Bahnhof, wenn er von den Gleisen aus aufgenommen ist. Je mehr Leben auf einer Karte zu erkennen ist - von den Autotypen über die Mode bis zu Schaufensterauslagen -, umso besser. Gesucht sind Darstellungen aus der Arbeitswelt (Fabriken, Handwerk, Landwirtschaft) und aus dem schulischen, studentischen oder theologischen Bereich.
6. Motiv II: Immer wieder werden Ereigniskarten besonders gesucht - Karten etwa vom Umzug anläßlich des Stadtjubiläums, von der Stadt im Festkleid während eines kulturellen, sportlichen oder politischen Großereignisses. Ein Kapitel für sich ist die Zeit von 1933 bis 1945. Manche Menschen sammeln Andenken an das 3. Reich vom kaum erkennbaren Hakenkreuzfähnchen im Freibad bis zu Nürnberger Massenaufmärschen derart verbissen, dass es mir schon verdächtig vorkommt.
7. Herstellung: Lithos - das Zauberwort. Lithographien, vor allen bis 1900, sind ein beliebtes Gebiet für sich, zum Beispiel die "Gruß aus..."-Karten. Die später aufkommenden Kupferstichdrucke und Fotokarten gehören dagegen eher zur Masse, gesucht sind eher schon Steindruck- und Prägedruck-Karten.
8. Philatelie: Fast jeder AK-Sammler kennt sich auch mit Marken aus. So sind besondere Stempel (etwa Bahnpost, Feldpost, Sonderstempel) ebenso zu beachten wie Versendungsformen oder Post ins Ausland. Klar, daß unruhige Zeiten für spannende Belege gesorgt haben, man denke an die Hochinflation 1923 oder die Besatzungsjahre nach 1945, in denen die Leute meist ganz andere Sorgen als Ansichtskarten hatten.
9. Der persönliche Geschmack: Der Erlös beim Verkauf von gängigen Briefmarken ist relativ gut absehbar. Eine Karte dagegen ist so viel wert, wie jemand dafür bezahlen will - das können mal 2, mal 20 Mark sein. So werden Sie für ein wunderschönes, seltenes Litho aus der Oberpfalz auf einem Flensburger Flohmarkt kaum einen guten Preis bekommen.
10. Zum Schluss: Sammlungen sind, wie auch in bei Marken, dann gut realisierbar, wenn sie aus seltenem Material in überdurchschnittlicher Qualität bestehen. Doch für wirkliche Liebhaberstücke muss man, wenn man nicht gewaltig viel Glück hat, auch mindestens 15 bis 20 Mark einplanen, für Seltenheiten 100 Mark und mehr. Ansichtskarten als Kapitalanlage? Nur für den, der sich auskennt und viel Zeit und Gelegenheit hat, Lots auf ihren Inhalt zu prüfen.