Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Oldenburg/Oldenburger Land e.V.

Radfahrer dürfen doch auf die Fahrbahn

Zum Urteil des Amtsgerichtes Oldenburg vom 2003-02-20.

Das Gericht verurteilte den Beklagten zu einem Bußgeld von 15 €.  Die Polizei hatte ihn angehalten, nachdem er auf der Alexanderstraße die Fahrbahn benutzt, auch bei "Im Dreieck" nicht auf den Radweg wechselte, und dann über den Linksabbiegerstreifen nach der Autobahn direkt in den "Schulweg" abbog.  Das Bußgeld wurde fällig, weil das Gericht auch nach "Im Dreieck" eine Möglichkeit zum Wechseln auf die Fahrbahn sah.

Doch um diesen Punkt ging es nur am Rande.  Entscheidend war, dass der Richter mit Hinweis auf das Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 1989 noch einmal deutlich betonte, dass das direkte Linksabbiegen trotz vorhandener benutzungspflichtiger Radwege erlaubt ist.

Kein Blau nach Einmündung "Feldstraße"Ebenfalls, und dazu gab es bislang noch kein Urteil, darf der Radfahrer den Radweg verlassen und auf der Fahrbahn weiter fahren, wenn von links eine Straße einmündet und die Benutzungspflicht nicht wiederholt wird.  In diesem Fall endet die Benutzungspflicht.  Dieses hatte die Oldenburger Stadtverwaltung bislang bestritten und behauptet, die Benutzungspflicht gelte weiter, weil der rechte Radweg von der Einmündung auf der linken Seite nicht betroffen sei.  Mit dieser Meinung dürfte die Stadtverwaltung ziemlich alleine da stehen, denn es ist nicht möglich, dass nur Teile einer Straße betroffen sind.  Wäre dies wirklich so, wie die Verwaltung behauptet, wäre der Radweg nicht mehr Straßenbegleitend und damit nicht mehr benutzungspflichtig.  Eine Betroffenheit des rechten Radweges liegt zudem auch direkt vor, wenn z.B. ein Radfahrer von diesem Radweg links in die einmündende Straße einbiegt oder ein Radfahrer aus dieser einmündenden Straße in die Hauptstraße einbiegt.

Dieses Urteil ist ein weiterer Schritt zur Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht:  Obwohl es sich bei der betroffenen Alexanderstraße um eine Hauptverkehrsstraße handelt, sind auf dem Teilstück Feldstraße — Im Dreieck seit Jahren keine Konflikte geschweige denn Unfälle aufgetreten.  Das beweist klar und deutlich, dass die Anordnung einer Benutzungspflicht zumindest in diesem Teilbereich nicht erforderlich, eine Anordnung daher sogar rechtswidrig ist.  Wer einwendet, dass das nur daher komme, das niemand auf der Fahrbahn fahre, liegt wahrscheinlich richtig.  Wenn trotz Erlaubnis niemand den Radweg verläßt, ist das blaue Schild ganz offensichtlich sinnlos.  Schilder ohne Sinn dürfen jedoch nicht aufgestellt werden.

Die Alexanderstraße ist nicht alleine:  Alle Hauptverkehrsstraßen weisen Abschnitte mit "anderen" Radwegen auf.  Da auch in diesen Teilbereichen keine Konflikte aufgetreten sind, die ursächlich auf das Fahren auf der Fahrbahn zurückzuführen sind, ist auch hier die Anordnung einer Benutzungspflicht nicht nur nicht erforderlich, sondern rechtswidrig.  Und wenn ein Fahren auf der Fahrbahn in diesen Abschnitten seit fast 4,5 Jahren gefahrlos möglich und auch erlaubt ist, stellt sich natürlich umgehend die Frage, warum das auf den anderen Abschnitten nicht auch möglich sein sollte, zumal das Verkehrsaufkommen und damit auch das Gefährdungspotential an den freigegebenen Abschnitten nicht geringer ist als an den benutzungspflichtig beschilderten.

So kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass die Benutzungspflicht insgesamt gar nicht oder nur in sehr seltenen Fällen erforderlich ist.  Eine Benutzungspflicht für Radwege darf nur angeordnet werden, wenn dadurch die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöht wird.  Dieses ist nicht der Fall.  Das kann nicht der Fall sein, denn bislang ist noch nicht einmal der Nachweis gelungen, dass Radwege für Radfahrer sicherer wären als Fahrbahnen.  Selbstverständlich gibt es Untersuchungen:  Auf Radwegen ist man einem 3 bis 12 mal höheren Unfallrisiko ausgesetzt.

Die Verwaltung hat bereits angekündigt, diese bisher nicht benutzungspflichtigen Teilstücke der Hauptverkehrsstraßen benutzungspflichtig zu machen.  Ein neues Schild bedeutet eine neue Widerspruchsfrist von einem Jahr.  Sollten sich Radfahrer finden, die gegen alle neuen Schilder mit Widersprüchen vorgehen, hätte die Stadt nicht nur viel zu tun, es kämen wahrscheinlich auch alle alten Schilder ins Blickfeld, denn Benutzungspflicht Stückchenweise ist ebenfalls nicht zulässig.

Stephan Popken, 2003-02-24

→ Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht
→ Bei Glätte dürfen Radwege gemieden werden