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Sie sind hier: MagazinMedien : „Ich weiß nicht, ob es realistisch ist, aber es fühlt sich so an.“

Spieleautor Friedemann Friese im Gespräch

„Ich weiß nicht, ob es realistisch ist, aber es fühlt sich so an.“

Von Christopher Bünte

In den Messehallen rauscht das Stimmengewirr kurz nach Einlass noch ruhig im Hintergrund. Zur SPIEL 05, Deutschlands größter Spielemesse, kommen an diesem Wochenende viele Familien. Friedemann Friese sieht müde aus. Messealltag bedeutet wenig Schlaf und nahezu ständigen Einsatz. In einer stillen Ecke der Cafeteria fährt sich der Bremer Spieleautor durch den grünen Haarschopf und erzählt von seiner Arbeit.

Was macht eigentlich ein gutes Spiel aus?
Man muss das Gefühl haben, auch wirklich das Thema des Spiels zu spielen. Wenn man die Regeln ansieht und sagt: „Ja, das fühlt sich genauso an.“ Die Minimalvoraussetzung ist natürlich, einen Mechanismus zu finden, der soweit ausgeglichen und gerecht ist, dass jeder, der mitspielt, eine Chance hat. Das macht für mich ein gutes Spiel aus.

Das klingt nach viel Persönlichkeit, die in einem Spiel liegen muss...
So viel Persönlichkeit ist es gar nicht. Man kann zwar einen guten mathematischen Mechanismus für ein Spiel erfinden, aber wenn ich das Gefühl habe, dass das Thema beliebig ist... Das macht’s noch nicht aus. Ich muss das Gefühl haben: Diese Regel hätte man rein mathematisch nicht erfinden können, sondern die kommt vom Thema her. Das findet man bei einem richtig guten Spiel.

Trifft das auf alle Ihre Spiele zu?
Fiese Freunde Fette Feten beispielsweise ist sehr nah am Thema. Aber auch Funkenschlag, denn es macht genau das, was auf dem Strommarkt passiert. Ich sitze da, bin Stromunternehmer und muss überlegen, welche Städte ich anschließe und welche Rohstoffe ich kaufe. Wenn die anderen auch auf den Bereich gehen, in dem ich gerade bin, habe ich ein Problem, weil es teurer wird. Ich weiß nicht, ob es realistisch ist, aber es fühlt sich so an. Ich denke, das macht den Erfolg von Funkenschlag auch aus, dass man wirklich das Gefühl hat, man spielt dieses Thema und nicht irgendwas anderes.

Worum geht’s bei Fiese Freunde Fette Feten?
Man spielt sein Leben, besser: den Teil seines Lebens zwischen Pubertät und ungefähr Dreissig. Am Anfang bekommt man Lebensziele in Form von Karten zufällig auf die Hand und muss dann versuchen, diese Ziele zu erreichen. Das können Sachen sein wie "Eine Familie gründen" - aber auch "Sich in die Psychatrie" einliefern. Um dahin zu kommen, wohin man will, muss man im Spiel an verschiedenen Ereignissen teilhaben. Der große Reiz des Spiels liegt darin, am Ende zu gucken, welche Ereignisse dazu geführt haben, dass ich meine Ziele erreicht habe. Man hat dann immer das Gefühl: Ja, okay, das passt. Logisch! Wenn ich das und das mache, dann muss ich irgendwann zum Kirchentag gefahren sein und meinen ersten Joint geraucht haben.

Wieviele Spiele haben Sie schon erfunden?
Schwer zu sagen, ich weiß das immer nicht. Im Augenblick bin ich gedanklich bei vierzehn. Genau gezählt habe ich’s aber nicht.

Sie sind hauptberuflicher Spieleautor. Kann man davon leben?
Ich habe eine Methode gefunden, wie ich davon gut leben kann und zwar indem ich die Spiele selbst veröffentliche. Dadurch habe ich natürlich auch den 100%igen Einfluss auf das Spiel. Da kommt keiner, der mir irgendwie reinredet. Es gibt viele Leute, die mir Tipps geben, aber im Endeffekt entscheide ich selber, was ich wie mache und muss dazu stehen.

Sie haben für ihre Spiele einen eigenen Verlag gegründet, 2F-Spiele...
Ja, richtig, das bin ich in Person. Früher hieß der Verlag Spiele-Bau-Stelle Bremen. Weil es aber schon eine Spiele-Bau-Stelle in Süddeutschland gibt, habe ich den Namen 1994 in 2F-Spiele umgeändert. Je größer die Sache wird, desto mehr Leute sind natürlich mit dabei. Leute, die im Lager stehen, die Sachen verpacken und verschicken. Jemand, der die Pressearbeit macht. Maura, mein Grafiker, ist dabei. Grundsätzlich ist es aber eine Ein-Personen-Firma.

Gibt es eine grundsätzliche Idee, für die 2F-Spiele steht?
Ich versuche Themen zu finden, die sonst in Spielen keine Rolle spielen. Ich habe keine Lust, Antike, Mittelalter oder sonstwas zu machen. Auf der anderen Seite will ich auch nicht nur ein reines Fun-Spiel mit irgendeinem absurden Thema machen, wo man einfach nur Karten zieht und ausspielt, ohne dass etwas passiert. Es sollte eine Mischung sein.

Ist es ein Traumberuf?
Im Endeffekt ja. Ab und an ist es natürlich ein Alptraum, weil man viel lieber Spiele erfinden würde, aber mit dem Verlegen zu viel zu tun hat. Aber ansonsten ist es ein Traumberuf.

Sie sind an den 1. Deutschen Spieleautorentagen beteiligt. Worum geht es da?
Wir Spieleautoren sind sozusagen gezwungen, Autodidakten zu sein. Es gibt keine Literatur, es gibt keine Fortbildung, es gibt keine Ausbildung. Nur den klugen Ansatz von Ravensburger, mit Tom Werneck einen Leitfaden für Spieleerfindung zu machen. Der ist sicher sehr hilfreich. Alle Autoren, die ich kenne, haben ihn gelesen. Das geht uns aber nicht weit genug. Wir würden gerne dort weitermachen. Dafür treffen wir uns auf den Spieleautorentagen mit Autoren, die schon seit Jahren mit dabei sind. Wir möchten einen Erfahrungsaustausch, wir können ja nur voneinander lernen. Es wird Vorträge und Workshops geben, um herauszufinden, wie man das in Worte fassen und auf’s Papier bringen kann, was Spieleautorenschaft ausmacht.

Wie kam die Idee dazu?
Bei anderen kreativen Tätigkeiten - wenn ich ein Buch schreiben will oder so - kann ich mich ja auch über Fachliteratur und Fortbildung informieren, wie man schreibt und welche Stile es gibt. Unter Spieleautoren gibt’s so viele Leute, die gar nicht wissen, was sie machen. Sie machen das, wo sie das Gefühl haben, dass es richtig ist. Wenn ich aber mehr weiß, kann ich sagen: Ja, ich mache das, weil ich den anderen Weg nicht gut finde. Im Bücherbereich: Ich schreibe jetzt einen Krimi, weil ich Fantasy nicht mag. Oder ich benutze dieses oder jenes Stilmittel. Die Kreativität müssen die Leute noch selber bringen, aber das Handwerkszeug kann man soweit verallgemeinern, dass es jedem zugänglich ist.

Haben Sie selbst einen goldenen Weg beim Spieleerfinden? Gibt es klare Produktionsschritte?
Ganz schwer zu sagen. Das Wichtigste ist die Inspiration, die kann einem keiner nehmen. In den allermeisten Fällen stoße ich auf irgendein schönes Thema, das einen Mechanismus in sich produziert. Dann bin ich sehr motiviert daran zu arbeiten und meistens wird ein Spiel daraus. Eine wichtige Erkenntnis beim Spieleerfinden ist, sagen zu können: Ich habe eine Idee, über die bin ich zu diesem Spiel gekommen bin, eine Idee, die ich unwahrscheinlich mag. Aber wenn das Spiel nicht läuft, dann muss ich durchaus noch einmal darüber nachdenken, diese Idee in Frage zu stellen. Meistens macht das ein Spiel besser. Ärgerlich, aber es ist teilweise leider so. Wenn man den Anfang rausstreicht, dann hat man meistens das Spiel fertig.

Gibt es dabei Hilfe von außen?
Es gibt Leute, die einen darauf hinweisen, auf die man aber auf keinen Fall hören will. Es geht schließlich um die Idee, die das Spiel ausmacht, wegen der es so toll ist. Je mehr von Außen kommt, desto trotziger wird man. Es ist häufig so, dass es von einem selber kommen muss. Nachher hört man dann so Sätze wie: „Hab’ ich doch gesagt...“

Wie ist das Verhältnis auf dem deutschen Spielemarkt zwischen großen und kleinen Verlagen?
Die großen Verlage haben ein ganz anderes Ziel zu verfolgen. Ich habe ein Spiel, das über Rezensionen im Netz oder in Zeitschriften, aber auch bei Spielehändlern bestehen muss. Ich wende mich an eine andere Zielgruppe. Ich kann kein Spiel aus meinem Programm ziehen und es einer x-beliebigen Familie mit zwei Kindern in die Hand drücken. Das funktioniert einfach nicht. Wenn man solche Spiele wie ich macht, ist man sicherlich ganz woanders hin unterwegs.

Wie spielen Sie privat?
Ich spiele mindestens einmal die Woche. Früher war es aber einmal deutlich mehr.

Und mit wem spielen Sie da?
Ich habe jede Woche eine feste Runde mit meinen Haupttestern. Wir treffen uns seit acht Jahren jeden Dienstag. Das hilft natürlich sehr. Die Leute da wissen genau, was ich mache und wie ich es mache. Wir haben schon viel Erfahrung, was Prototypen angeht. Ich bekomme dort gutes Feedback. Mit Maura, meinen Grafiker, gibt’s auch noch eine WG, in der wir viel spielen. Dann bin ich ab und an auf Spielewochenenden unterwegs. Auf der einen Seite will man da Promotion machen, aber gleichzeitig auch die neuen Spiele kennen lernen.

Gibt’s schon Pläne für ein neues Spiel?
Zur Messe hatte ich ein Spiel angekündigt, das habe ich aber leider nicht geschafft, ein Spiel namens Fiji. Spieltechnisch ist alles fertig. Aber die Grafik ist noch nicht da. Die Anleitung ist noch nicht fertig geschrieben.

Also ist es nächstes Jahr soweit?
Ja, die Frage ist nur: Wann im nächsten Jahr? Ich würde Fiji gerne bald fertig machen, damit es im Frühjahr zur Messe in Nürnberg fertig ist. Denn eigentlich gibt es für nächstes Jahr schon eine andere Idee. Irgendwie ist diese Sache aber mathematisch sehr schwierig. Ich weiß nicht, woran es liegt... Es ist sehr widerspenstig. Der mathematische Mechanismus ist irgendwie noch nicht so geschmeidig, wie ich ihn gerne hätte.

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Zur Person:
Geboren wurde Friedemann Friese am 05.06.1970 in Stadthagen. Er begann, Mathematik zu studieren, wurde aber durch seine Leidenschaft für Spiele aus der Bahn geworfen. 1992 veröffentlichte er sein erstes Spiel. Wucherer erschien im eigens gegründeten Verlag Spiele-Bau-Stelle Bremen. Inzwischen ist Friese hauptberuflich als Spieleautor tätig. Im Regal der Spielehändler stechen die so charakteristischen grünen Schachteln aus dem Verlag 2F-Spiele hervor. Zu inzwischen bekannten Publikationen wie Funkenschlag, Fische Fluppen Frikadellen oder Finstere Flure gesellt sich seine jüngste Veröffentlichung: Fiese Freunde Fette Feten. Friedemann Friese wohnt, spielt und arbeitet in Bremen.

Ludographie Friedemann Friese:
Wucherer (1992)
Falsche Fuffziger (1994)
Paparazzo (1994, mit Wolfgang Panning)
Foppen (1995)
FrischFisch (1997)
Friesematenten (1998)
Landlord! (1998)
Frischfleisch (1999)
Flickwerk (2000)
Funkenschlag (2001)
Fische Fluppen Frikadellen (2002)
Fundstücke (2002)
Finstere Flure (2003)
Schwarzarbeit (2003, mit Andrea Meyer)
Power Grid (2004)
Turbo Taxi (2005)
Fiese Freunde Fette Feten (2005, mit Marcel-André Casasola-Merkle)

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