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Die Waage – das
mysteriöse (?) Bindeglied Die Drachenwaage, häufig auch von
erfahrenen Piloten nicht verstanden oder unbeachtet, hat maßgeblichen
Einfluss auf die Flugeigenschaften des Drachens. So kann man einen noch so
attraktiven Kite mit den hochwertigsten Materialien bauen – wenn die
Waage nicht zum Drachen passt, wenn sie nicht perfekt auf ihn abgestimmt
ist, werden die Flugeigenschaften immer unbefriedigend, bestenfalls
durchschnittlich bleiben. Umgekehrt kann man gelegentlich aus einem
durchschnittlichen Drachendesign durch eine optimal ausgewählte und
angepasste Waage, noch jede Menge Leistung herauskitzeln. Dies ist für
uns Grund genug, einmal tiefer in die Geheimnisse um die Waage
einzutauchen und ihre grundlegenden Funktionsweisen klarzustellen. Es soll
hierbei weniger auf die Eigenarten der einzelnen Waagetypen
(Dreipunktwaage, Turbo- oder Dynamische-Waage, Cross-Over-Waage, Active
Bridle etc.) sondern vielmehr auf die allgemein gültigen, prinzipiellen
Wirkungsweisen und Gesetzmäßigkeiten rund um die Waage eingegangen
werden. Zunächst einmal stellen wir uns die
Frage, was die Waage denn bewirkt. Die Antwort darauf ist, auch wenn ihr
Hintergrund äußerst komplex ist, recht banal: Sie verhilft dem Drachen,
indem sie ihn in einem gewissen Winkel zum Wind anstellt, dazu, dass er
überhaupt Auftrieb erhält und vom Boden abheben kann. Zudem bestimmt sie
den Winkel, in dem Lenkimpulse des Piloten auf den Drachen treffen und
wirken. Prinzipiell kann die Waage in jede
Richtung verstellt werden. Wir wollen hier auf vier Trimmrichtungen
eingehen. Die verbreitetste Art einen Drachen einzustellen, ist, seinen
Waagepunkt näher zur Drachennase hin (flacher) oder von der Nase weg
(steiler) zu stellen. Weiterhin kann man die Waagepunkte näher Richtung
Kielstab (enger) oder Richtung Leitkante (weiter) verschieben. Welche
Trimmung welche Auswirkungen, welche Vor- und welche Nachteile hat, soll
im Folgenden näher erörtert werden. Im Zusammenhang mit dem Anstellwinkel
des Drachens sprechen wir von „steil" eingestelltem oder „flach"
getrimmtem Drachen. Flach wird ein Drachen dadurch gestellt, dass man
seinen Waagepunkt zur Drachennase hin verschiebt. Einen steil getrimmten
Drachen erhält man, indem man den Waagepunkt des Drachens von der Nase
weg Richtung Schleppkante verschiebt. Diese Begriffe – „steil"
und „flach" – sollten Sie sich merken. steiler Drachen : Waagepunkt weiter von der Nase weg, flacher Drachen: Waagepunkt näher zur Nase hin. Was bewirkt nun das Steiler- bzw.
Flacherstellen des Drachens? Bei welchen Windverhältnissen sollte man den
Drachen wie trimmen? Zunächst einmal, liebe Leser, sind wir heute in der
glücklichen Lage, dass nahezu jeder Drachen, der die Manufakturen
verlässt, so ausgereift ist und so gründlich und gewissenhaft gefertigt
wurde, dass die Waage im Normalfall bereits sehr gut voreingestellt ist.
Wenn Sie also beginnen Ihr individuelles Feintuning vorzunehmen, um den
Drachen perfekt auf Ihre eigenen Bedürfnisse anzupassen, sollten Sie drei
Grundregeln kennen und beherzigen:
Stellt man einen Drachen steiler, so hat
das mehrere, gleichzeitig auftretende Auswirkungen. Zunächst einmal wird
der Drachen mehr Druck aufbauen, was vor allem bei Powerdrachen ein sehr
erwünschter Effekt ist. Aber auch viele normale Zweileinerpiloten haben
gerne „etwas mehr in der Hand", so dass sie diese Auswirkung
begrüßen. Neben seinen stärkeren Zugkräften wird der Drachen mit einer
verlangsamten Fluggeschwindigkeit auf das Steilerstellen reagieren. Diese
Verlangsamung hat auch zur Folge, dass sich der Drachen leichter stallen (ein
Stall ist ein kontrolliert herbeigeführter Strömungsabriß, durch den
der Drachen zum Stillstand kommt und scheinbar schwerelos in der Luft
schwebt) lässt. Die Lenkbewegungen, die zum Steuern des Drachens
nötig sind, werden durch eine steile Einstellung der Waage kleiner, so
dass sich Tricks leichter und schneller auslösen lassen. Die Drehradien
des Drachens werden kleiner, der Kite wird allgemein mit erhöhter
Wendigkeit, aber auch mit größerer Sensibilität auf die steilere
Waageeinstellung reagieren. Wann stellt man also einen Drachen steiler?
Immer dann, wenn man einen der oben genannten Effekte erzielen will, aber
auch wenn der Wind etwas stärker wird. Vor allem im mittleren Windbereich
des jeweiligen Drachens wird man mit dieser Waageeinstellung gute
Ergebnisse erzielen und viel Spaß haben. Nachteil dieser Trimmung ist
neben der erhöhten Zugkraft, die nicht jedermanns Sache ist, vor allem
die erhöhte Tendenz des Drachens nach engen Loopings nachzudrehen oder
leicht verwackelt aus scharf und knackig geflogenen Ecken heraus zu
kommen. Verschiebt man den Waagepunkt zur
Drachennase hin, stellt man den Drachen flacher, wird der Kite mit
geringerem Zug aber besserem Auftrieb auf diese Maßnahme reagieren. Die
Fluggeschwindigkeit des Drachens wird zunehmen, so dass sich Stalls und
Sideslides schwerer ausführen lassen, da der Drachen nun die Tendenz
besitzt, nach einem Strömungsabriss wieder sofort in den dynamischen
Vorwärtsflug überzugehen.. Der Drachen wird größere Lenkbewegungen
für die einzelnen Moves benötigen, was ihn einerseits präziser macht,
was aber andererseits die Ausführung mancher Tricks erschwert. Auf der
Geraden wird der Drachen spurtreuer, in Loopings und engen Spins
kontrollierbarer - die Nachdrehneigung oder die Tendenz zu Verwackeln wird
geringer. Besonders Ecken werden, auch wenn man sie energischer fliegen
muss, sauberer und präziser geflogen. Diese verbesserte Präzision
erkauft man jedoch durch weitere Drehradien und ein insgesamt etwas
behäbigeres Manövrierverhalten des Drachens. Man stellt den Drachen
folglich flacher, wenn man die Leichtwindeigenschaften verbessern, Druck
aus dem Segel nehmen oder ein insgesamt etwas präziseres Flugverhalten
erhalten möchte. Notiz am Rande: Eine häufig diskutierte
Frage ist die Waageeinstellung bei extremem Starkwind. Hier gehen die
Meinungen ebenso weit auseinander wie die Vorlieben. Am Besten lässt sich
dies an den beiden ehemaligen Weltmeister-Teams „Airkraft" und „Skydance"
verdeutlichen. „Skydance" flogen ihre Drachen wenn es richtig
kachelte, extrem flach eingestellt, um Druck aus dem Segel zu nehmen.
Damit die Drachen nicht zu schnell wurden, bremste man sie mit
Gazebremsen, die man zwischen die Stand-Offs oder die Waagepunkte hängte.
„Airkraft" hingegen trimmten ihre Drachen so steil, dass sie kurz
vor dem Stallpunkt waren. Dies machte die Drachen zwar extrem
reaktionsfreudig, ermöglichte aber auch bei starkem Wind sichere Stalls
und Landungen sowie eine mäßige Fluggeschwindigkeit. Welche Lösung die
bessere ist? Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Ausprobieren!!! So wie man den Waagepunkt näher zur
Nase oder näher zur Schleppkante verschieben kann, ist es auch möglich,
ihn näher zum Kielstab oder näher zur Leitkante hin zu verstellen.
Bringt man die beiden Waagepunkte näher zusammen, verschiebt man sie zum
Kiel hin, wird der Drachen mit knackigeren Ecken, besserer Spurtreue im
Geradeausflug, engere Loopings aber auch erschwertem Auslösen mancher
Tricks darauf reagieren. Wählt man die Position des Waagepunktes so, dass
dieser zur Leitkante hin verstellt wird, erhält man einen Drachen, der
sich kontrollierter loopen lässt, der viele Tricks leichter ausführt,
der aber auch etwas unruhiger geradeaus fliegt oder der geringfügig
wackliger aus Ecken kommt. Man kann also die Positionen des
Waagepunktes und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Flugverhalten
des Drachens folgendermaßen in einer Tabelle zusammenfassen:
Sie sehen also: mit der Waage kann man
die Flugeigenschaften seines Drachens in nahezu jeder Hinsicht
beeinflussen. Seien Sie also mutig und experimentieren Sie getrost mit der
Waage Ihrer Drachen. Damit Sie alles, was Sie verstellt haben, wieder
rückgängig machen können, achten Sie bitte darauf, dass die
ursprüngliche Waageeinstellung markiert ist. Sollte dies nicht der Fall
sein, können Sie die Markierungen mit wasserfestem Stift problemlos
selbst anbringen. Also nur Mut! Es kann sich lohnen, und da Sie alles
rückgängig machen können, kann nichts schief gehen. Text
mit freundlicher Genehmigung von Paul
May, |
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