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Boden als Lebensraum für Bodenorganismen; bodenbiologische Standortklassifikation (Titelseite)
8. Klassifikation von Bodenbiozönosen (J. Römbke, B. Förster)
8.3 Klassifikation von Standorten mit zoologischen Parametern

8.3.4 Zersetzergesellschaften (GRAEFE)

Eine weitere Variante von Standortklassifikationen stammt von GRAEFE (1992). Er schlägt eine Klassifikation nach sogenannten "Zersetzergesellschaften" vor, die durch den jeweiligen Besatz an Regenwürmern und Enchytraeen charakterisiert werden. Dabei spielen die bereits oben erwähnten 'Schlüsselarten' eine erhebliche Rolle. Eine "Zersetzergesellschaft" ist demnach eine "typische, von Umweltbedingungen abhängige Artenkombination streuzersetzender Mikroorganismen und Tiere, die aufeinander angewiesen sind und miteinander konkurrieren" (BEYLICH et al. 1994). Formal lehnt sich seine Typisierung, die inzwischen um eine weitere Ordnung des Küstenbereichs erweitert wurde (GRAEFE, mündl. Mittl.), in ihrer Gliederung und Namensgebung eng an das pflanzensoziologische Schema an (Tab. 50).

Tab. 50: Beispiele für Zersetzergesellschaften in Mitteleuropa (in Klammern typische Standortbeispiele; BEYLICH et al. 1994)

Ordnung

Verband

Assoziation

1 Lumbricetalia (Regenwurmböden)

1.1 Lumbricion (Standorte mit guter
Durchlüftung im Oberboden)

1.2 Eiseniellion (durchnäßte, luftarme Böden)

1.11 Stercuto-Lumbricetum (Mullwälder)
1.12 Fridericio-Lumbricetum (Grünland)

1.21 Octolasietum tyrtaei (reichere Bruchwälder)
1.22 Eisenielletum (Gewässerufer)

2 Cognettietalia (Böden mit organischer Auflage)

2.1 Achaeto-Cognettion (Böden mit terrestrischen Auflagehumusformen)

2.2 Cognettion sphagnetorum (Torfböden)

2.11 Achaeto-Cognettietum (Sauerhumuswälder)

2.21 Cognettietum sphagnetorum (nährstoffreiche Moore)

3 Enchytraeetalia (oft gestörte Plätze)

3.1 Enchytraeion (umgelagerte Böden)

3.2 Eisenion (Rottedeponien)

3.11 Friederidio-Enchytraeetum (Äcker)
3.12 Buchholzio-Enchytraeetum (urbane Trittböden)

3.21 Eisenietum (Komposthaufen)

GRAEFE macht sich dafür das tendenziell antagonistische Verhalten der beiden Artengruppen zunutze: So nimmt bei niedrigem pH die Zahl der Regenwürmer ab, die der Enchytraeen zu. In Lehmböden sind Regenwürmer zahlreicher, auf Sandbodenflächen erreichen die Enchytraeen höhere Siedlungsdichten. Das Schema berücksichtigt außerdem die ökologischen Ansprüche (Einstufung der Arten relativ zu ihrem Vorkommen zur Bodenfeuchte sowie zur chemischen Bodenreaktion und zum Kalkgehalt), die verschiedenen Lebensformen (Horizontbindung, Ernährungsweise und Fortpflanzungsstrategien) sowie das Vorkommen (Charakterarten auf verschiedenen Klassifizierungsebenen, Konstanz am Standort) der beiden Tiergruppen. Diese Kriterien determinieren die Zuordnung von Arten zu einer bestimmten Zersetzergesellschaft, wobei jedem Faktor (z.B. Bodenfeuchte, pH-Wert, Stetigkeit in den Proben) analog zu den ökologischen Zeigerwerten der Pflanzensoziologie Werteklassen auf einer Skala (z.B. von 1 - 9) zugeordnet werden. Dabei stellen sowohl das oftmals indifferente (oder nicht bekannte) Verhalten der einzelnen Species gegenüber dem jeweiligen Faktor als auch die - nicht ganz einfache - Speziesdetermination der Enchytraeen ein Problem dar.

Insgesamt ist GRAEFE's Ansatz eine Ausweitung bestehender Überlegungen zur Einteilung von Bodenorganismen nach funktionellen Kriterien (vgl. Kap. 3.2; FABER 1991, BECK 1993, BELOTTI 1993) unter Einbeziehung der aus der Pflanzensoziologie entliehenen Terminologie. Dabei sind zwei Punkte besonders zu beachten:

Eine Fragestellung der vorliegenden Studie ist daher, ob sich das, soweit bisher einschätzbar, erfolgreiche Konzept der mit Oligochaeten definierten Zersetzergesellschaften auf andere Bodenorganismen bzw. nicht von Oligochäten besiedelte Standorte übertragen läßt. Außerdem ist unklar, in wie weit sich die ökologischen Ansprüche der einzelnen Bodentierarten, z.B. hinsichtlich ihrer Feuchte- oder pH-Präferenz, in Werteklassen (analog zum ökologischen Zeigerwertschema der Pflanzensoziologie) einpassen lassen; d.h. inwieweit sich die Zuordnung der einzelnen Arten quantifizieren läßt. In Hinsicht auf die Nutzung von Zersetzergesellschaften für die Beurteilung von Flächen, insbesondere in Hinsicht auf eine anthropogene Belastung, ist zudem zu fragen, ob ein aus 9 Typen (= Assoziationen) bestehendes System für die Detektion kleinerer Änderungen fein genug ist (vgl. Kap. 8.5).


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Boden als Lebensraum für Bodenorganismen; bodenbiologische Standortklassifikation
Stand: 1997
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