Geschichte

Gründerin und Namensgeberin | 1925-1939 | 1945-1949 | 1950-1963 | 1963-1989 | Wende und Neuorientierung

 

Linktipp: www.palucca-film.de

 

"Ich will gewiß keine Nachahmer erziehen"
Palucca

Gründerin und Namensgeberin

Die Geschichte der Palucca Schule Dresden ist vor allem geprägt durch die mehr als sechs Jahrzehnte währende pädagogische Arbeit ihrer Gründerin Gret Palucca (1902-1993).

Die eigene Tanzausbildung beginnt Gret Palucca als Zwölfjährige in Dresden bei Heinrich Kröller, Solotänzer an der Dresdner Oper, dem sie nach Abschluß der Schule nach München folgt, um ihre Ausbildung als Ballettelevin am dortigen Hof- und Nationaltheater fortzusetzen. Als sie jedoch 1920 eine Vorstellung der Ausdruckstänzerin Mary Wigman sieht, ist sie von ihrer neuen, freien Art des Tanzes so begeistert, daß sie ihre Schülerin wird. Doch schon 1924 trennt sie sich wieder von Mary Wigman, um eine eigene Karriere als Solotänzerin zu beginnen. Mit ihrer leichten, frohen Art des Tanzes, mit ihren technisch-virtuosen, abstrakten Tanzgestaltungen ist sie schon nach kurzer Zeit bei Publikum und Presse außerordentlich beliebt. Besondere Anerkennung finden dabei ihre technischen Improvisationen. Nun kommen auch zu Palucca junge Menschen, die bei ihr tanzen lernen möchten.

Gründung, Etablierung und Schließung 1925-1939

Ab Oktober 1924 nimmt Palucca Anmeldungen zum Tanzunterricht entgegen. Die Gründung der Palucca Schule Dresden wird auf das Jahr 1925 datiert. Die Schüler lernen bei Palucca und ihren Mitarbeitern Tanztechnik und Tanzgestaltung, bekommen darüber hinaus theoretische Unterweisungen. Das Ausbildungsziel ist, jedem Schüler den Weg zu eigenem, unverwechselbaren Ausdruck in der Sprache des Tanzes zu ebnen. Nicht Dozieren und Imitieren, sondern Anregen zu kreativer, schöpferischer Leistung stehen im Vordergrund. Ab 1933 nimmt die Politik des nationalsozialistischen Deutschlands auch Einfluß auf die Tanzausbildung. Inhalte und Strukturen werden von der Reichstheaterkammer zentral verfügt. Für die Ausbildung zum Theatertänzer wird neben der modernen Tanztechnik auch der Klassische Tanz gefordert.

Mit Verweis auf ihre jüdische Abstammung ist Palucca ab 1936 das weitere Unterrichten untersagt. Sie darf ihre Schüler nur noch bis zum Abschluß der dreijährigen Ausbildung führen. 1939 wird die Schule geschlossen.

Wiedereröffnung und Verstaatlichung 1945-1949

Nach dem Krieg beginnt Palucca am 1. Juli 1945 wieder zu unterrichten. Sie mietet Räume in verschiedenen Villen um den Großen Garten, in denen der Unterricht, anfangs unter abenteuerlichen Bedingungen, stattfinden kann. Den Aufbau der Schule finanziert sie durch die Einnahmen ihrer Auftritte. Die Währungsreform 1948 setzt diesem "Finanzierungsmodell" ein Ende. Palucca und ihre Schule sind von einem Tag auf den anderen mittellos, und Palucca sucht dringend nach einer neuen, gesicherten materiellen Basis für die Schule. Einvernehmlich einigen sich Palucca und die Landesregierung Sachsen schließlich darauf, die Palucca Schule Dresden zum 1. April 1949 zu verstaatlichen. Sie bekommt den Status einer Fachschule für künstlerischen Tanz. Die Ausbildungsdauer beträgt drei Jahre, Struktur und Inhalte der Ausbildung bestimmt Palucca. Zu dieser Zeit kann man die Schule - je nach individueller Interessenlage und Veranlagung - mit einem Abschluß als Tänzer/in, Pädagog/in oder auch Tanzregisseur/in verlassen.

Umgestaltung zu einer Ballettschule 1950-1963

Aufgrund der Orientierung der DDR an der Sowjetunion kommt es wie in vielen anderen Bereichen auch auf dem Gebiet des Tanzes und der Tanzausbildung zu tiefgreifenden Veränderungen. Eine mit Deutschland vergleichbare Entwicklung des Modernen Tanzes hatte es in der Sowjetunion nicht gegeben. Dafür blickt man dort auf eine lange Tradition im Klassischen Tanz zurück. Aus der Bitte nach einer Aufnahme der Fachs Klassischer Tanz in die Tanzausbildung wird auf diese Weise bald die Anweisung, diesen Zweig zum Hauptfach der Ausbildung zu erklären. Gegen die zentral verfügten Stundenpläne, die eine starke Zurückdrängung des von Palucca unterrichteten Neuen Künstlerischen Tanzes vorsehen, setzt sie sich in den 50er Jahren auf die ihr mögliche Weise zu Wehr: Sie legt die Leitung ihrer Schule nieder (1952), zieht ihren Namen zurück (1953) und schreckt auch vor einer vorgeblichen Flucht in den Westen zur Bekräftigung ihrer Forderungen (1959) nicht zurück.

Nach diesen Kämpfen einigen sich Palucca und die Kulturpolitiker der DDR auf ein besonderes Ausbildungsmodell an der Palucca Schule Dresden, das neben dem Klassischen Tanz auch dem Neuen Künstlerischen Tanz Berechtigung zugesteht. Man verzichtet damit auf die bis dahin geforderte Vereinheitlichung der Dresdner Stundenpläne mit denen der anderen Ausbildungseinrichtungen für Tanz. Die Ausbildungsdauer wird ab 1954 auf fünf Jahre verlängert. Zwischen 1953 und 1957 entsteht am Basteiplatz das Gebäude, das die Schule noch heute beherbergt. Pädagogen aus der Sowjetunion sorgen ab 1960 im Fach Klassischer Tanz dafür, daß die Qualität in diesem Bereich stetig steigt. Ab 1961 wird die Ausbildungszeit nochmals um zwei Jahre auf sieben Jahre erweitert, so daß die Tanzausbildung nun bereits mit dem 12. Lebensjahr beginnt.

Die Palucca-Schüler zeichnen sich in dieser Zeit durch ihre solide Ausbildung im Klassischen Tanz und ihre besonderen gestalterischen Fähigkeiten aus. Sie werden so zu unverkennbaren und an den Theatern der DDR begehrten Tänzerdarstellern. Nicht wenige Palucca-Schüler sind noch während oder nach ihrer Tänzerlaufbahn als Choreographen erfolgreich.

Konsolidierung 1963-1989

Ab 1963 werden Kinder im Alter von 10 Jahren für die 7jährige Ausbildung an der Palucca Schule Dresden aufgenommen und in einem integrativen Unterrichtsmodell gleichzeitig in den allgemeinbildenden Fächern unterrichtet. 1977 beträgt die Ausbildungszeit erstmals acht Jahre. Mit dieser Verlagerung und Verlängerung wächst auch die Gesamtanzahl der Schüler, so daß eine räumliche Erweiterung der Schule notwendig wird. 1982 entsteht deshalb ein Neubau mit fünf Ballettsälen.

Wende und Neuorientierung

Auf der Suche nach einem zeitgemäßen Ausbildungsprofil besann man sich nach der Wende auf die eigene im Modernen Tanz verwurzelte Tradition. 1991 übernahm der belgische Tänzer und Choreograph Paul Melis die künstlerische Leitung der Schule.

Ihm folgte 1993 die Palucca-Schülerin Prof. Hanne Wandtke als Direktorin.

1994-1997 leitete Prof. Dr. Peter Jarchow, langjähriger Pianist in Paluccas Unterricht, die Schule. Er stabilisierte das neue Ausbildungsprofil, das - sich sowohl an der Geschichte der Schule als auch an den Erfordernissen der heutigen Tanzszene gleichermaßen orientierend - eine gleichberechtigte Lehre von Modernem und Klassischem Tanz ermöglicht.

Von August 1997 bis Juli 2006 leitete Prof. Enno Markwart die Schule. In seiner Ära erhielt die Schule den Hochschulstatus und wurden die Studiengänge Bühnentanz, Choreografie und Tanzpädagogik konzentriert. Ein Hochschulneubau konnte zum Ende seiner Amtszeit übergeben werden.

Seit August 2006 ist Jason Beechey als Rektor tätig.

Die Palucca Schule Dresden ist heute die einzige eigenständige Tanzhochschule in Deutschland. Im Sächsischen Hochschulgesetz wurde sie 1993 als Einrichtung eigener Art den Kunsthochschulen im Freistaat Sachsen gleichgestellt. In der Neufassung dieses Gesetzes wird sie 1999als Hochschule für Tanz geführt.

Heute existieren an der Palucca Schule Dresden die Diplomstudiengänge Bühnentanz, Choreographie und Pädagogik.

1. September 2006

Ralf Stabel