Lokales / Euregio

Böses Konkursende für Schinzel

Von unserem Redakteur Manfred Kutsch | 19.12.2006, 19:30

Aachen. Kaum zu glauben: Der Konkursfall Dieter Schinzel ist beendet. Nach zwölf Jahren schlossen Rechtspfleger Hans-Peter Kasper und Konkursverwalter Rolf Zumbaum am Dienstag die Akte, die von leeren Versprechen, Finanzjonglagen und Haftbefehlen geprägt ist.

Bilanz des Amtsgerichtes Aachen: Forderungen über 2.872.562,23 Euro bleiben gegen den einstigen Europaabgeordneten, Aachener SPD-Vorsitzenden und Präsidenten der Deutsch-Arabischen Gesellschaft bestehen.

Damit droht dem schillernden Ex-Politiker und Diplom-Physiker Ungemach: Jeder der über 50 Gläubiger kann jetzt mit Zwangsvollstreckungen bzw. Titeln gegen ihn vorgehen. «Herr Schinzel ist ein intelligenter Mann, der genau weiß, wie günstig dieses Verfahren für ihn war», sagt Zumbaum. Kasper: «Da der Fall noch unter die alte Konkursordnung fiel, konnten wir auf seine laufenden Bezüge nicht zurückgreifen.» Dazu zählt unter anderem seine Politiker-Pension von rund 4000 Euro.

Die Quote der Ausschüttung an die Gläubiger liegt bei mageren 1,27 Prozent. Abzüglich der Gerichtskosten können 36.437,88 Euro verteilt werden. Wenn dies geschehen ist, hat das Konkursende Rechtskraft. Doch dann können noch die privatrechtlichen Forderungen auf Schinzel zukommen. Der heute 64-jährige, weltweit agierende Unternehmensberater reagierte am Dienstag gegenüber unserer Zeitung gewohnt cool: «Ich gehe frohen Mutes ins neue Jahr und werde mit meinen Gläubigern einen privatrechtlichen Vergleich abschließen.»

«100 Prozent»

Zahlungsankündigungen aus Schinzels Munde sind den Verfahrensbeteiligten freilich so geläufig wie dessen frühere Immobilien-Transaktionen und Casinobesuche, die die steile politische Karriere des einstigen Schützlings von Willy Brandt jäh stoppte. «Meine Gläubiger haben Anspruch auf 100 Prozent, also sollen sie die kriegen», sagte er am 13. Februar 1995.

Oder: «Kein Problem, ich habe gerade fünf Millionen verdient, ich bin rundum glücklich» (10. Juni 1995). «In den nächsten Tagen werde ich 150.000 Mark zahlen» (17. Mai 1998). Avisiert waren in jenen Jahren Zahlungen von klangvoll klingenden Unternehmen wie «Racefield Investements Limited» auf den Bahamas oder «Distri Afrique» im damaligen Zaire. Noch im Sommer dieses Jahres kündigte der Schuldner dem Amtsgericht an, fortan monatlich 10.000 Euro zu leisten. Kasper: «Nach einer einzigen Zahlung war wieder Ende.»

Doch Schinzel wäre nicht er selbst, würde ihn all das irritieren: «Ich bin dankbar, dass ich so lange Zeit hatte, wieder ins Geschäft zu kommen. Heute stehe ich ganz anders da als damals.» Damals, das war auch jener 27. Mai 1994, als er und vier serbische und polnische Männer in Aschaffenburg mit einem Koffer mit zehn Millionen Mark «Blüten» verhaftet wurden, Schinzel später aber vom Verdacht des Falschgelddeals freigesprochen wurde.

Tatsache scheint zu sein: Der Mann, der ehedem in Saddam Husseins Präsidentenpalast ein- und ausging und in Kuwait Millionengeschäfte abwickelte, verfügt weiter über beste Kontakte im arabischen Raum und öffnet deutschen Firmen die Türen zu Königs- und Herrschaftshäusern. Ob das seinen Gläubigern helfen wird, bleibt abzuwarten: Zwölf Jahre wurden sie mit allen möglichen Rechtsmitteln hingehalten.

Kaspers: «Herr Schinzel hat die ganze Klaviatur der Konkursordnung gespielt.» Neben Banken in Essen, Rottach-Egern, Bockum-Hövel oder Lübeck, Miesbach und Olpe hatten viele andere ihre Ansprüche angemeldet: Eine Aachener SPD-Genossin (9268 Mark), ein italienischer Gastronom (150.000 Mark), der Verlag von Ex-Kanzler Schmidt (22.555,49 Mark), die Telekom (8000 Mark) und, und, und.

Das Finanzamt, das ehedem 500.000 Mark forderte, muss sich nach jahrelangen Prozessen mit müden 19.000 Euro begnügen: «Die Behörde hatte nur mit Schätzungen operiert. Das haben wir nicht akzeptiert. Da muss er uns doch dankbar sein, der Herr Schinzel», sagt Hans-Peter Kasper, knallt die Aktenberge auf den Tisch und wundert sich nicht: Sie stauben.

Das begnadete Polittalent

Mit 30 Jahren kippte das bis heute begnadet-eloquente Polit-Talent Dieter Schinzel 1972 die CDU-Hochburg Aachen und zog in den Bundestag. Weitere Stationen: 1976 bis 1994 SPD-Vorsitzender von Aachen, 1979 bis 1993 Europaabgeordneter, seit 1984 Sprecher der Euro-Arabischen Parlamentariergruppe. Bis 1993 Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft sowie stellvertetender Chef des SPD-Bezirks Mittelrhein. Außenpolitisch mischte Schinzel in vorderster Front mit: Anfang der 70er unterstützte er persönlich vor Ort die griechischen Widerständler gegen die Obristen. Gemeinsam mit seinem väterlichen Freund Willy Brandt befreite Schinzel im ersten Irak-Krieg 250 deutsche Geiseln. Sein Engagement für Palästina öffnete ihm dauerhaft die Tür zu Yassir Arafat.



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