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Siebenten- Tags- Adventisten: Weitere Klärungen angemahnt

Deutsches Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) nimmt Stellung zum Bericht über die Gespräche zwischen dem LWB und den Siebenten-Tags-Adventisten

Hannover - Das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) hat seine Stellungnahme zum Bericht über die bilateralen Gespräche zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten (STA) vorgelegt. Der Generalsekretär des LWB, Dr. Ishmael Noko (Genf), hatte im vergangenen Jahr die Mitgliedskirchen aufgefordert, sich zum Abschlussbericht zu äußern, der unter dem Titel "Adventisten und Lutheraner im Gespräch" veröffentlicht wurde. Voraus gegangen waren vier theologische Konsultationen einer Gesprächsgruppe zwischen 1994 und 1998. Sie hatten das Ziel, ihre jeweilige Position in Lehre und Praxis zu untersuchen, das gegenseitige Verständnis zu fördern sowie mögliche vorhandene Vorurteile abzubauen.


Das DNK begrüßt, dass es zu den Kontaktgesprächen zwischen dem Lutherischen Weltbund und den STA gekommen ist. "Die Gespräche werden als Ausdruck dafür gewertet, dass sich die Adventisten in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich um Annäherung an die Kirchen in der Ökumene bemüht haben", heißt es in der Stellungnahme. Der Aussage, dass "eine weitgehende Übereinstimmung in unserem Verständnis des christlichen Glaubens erzielt" wurde, wie der Abschlussbericht formuliert, "geht weit über das hinaus, was nach Prüfung des vorliegenden Berichts festgestellt werden kann". Das Deutsche Nationalkomitee folgt in seinem Votum zwar der Empfehlung, die STA als "weltweite christliche Gemeinschaft" zu respektieren, empfiehlt aber wegen der unveränderten Sonderlehren der Adventisten, die in den Gesprächen mit dem reformatorischen Ansatz nicht in Einklang gebracht worden sind, die STA zunächst weiterhin als "Sondergemeinschaft" zu bezeichnen. Damit trage man der Unterscheidung von den Freikirchen Rechnung, die derartige Sonderlehren nicht verträten. Weiter weisen die deutschen Lutheraner darauf hin, dass mit den Adventisten keine Abendmahlsgemeinschaft bestehe. Sie könne im Blick auf die gravierenden Unterschiede auch nicht empfohlen werden.


Das DNK hält es für "problematisch", dass der Abschlussbericht der Gespräche zwischen LWB und STA von einer Übereinstimmung im Schriftverständnis spricht, obwohl gerade im Umgang mit der Bibel grundsätzliche Differenzen deutlich geworden sind. Moniert wird, dass lutherische Positionen im Text nicht oder nur unzureichend dargestellt werden. Zudem vermisst das DNK eine kritische Selbstinfragestellung der Adventisten im Hinblick auf ihre Sonderlehren. Grundsätzlich hält das Deutsche Nationalkomitee die Fortführung der Gespräche zwischen dem LWB und den STA für sinnvoll. Dabei solle die Bearbeitung bisher nicht oder nicht hinreichend geklärter Fragen im Mittelpunkt stehen. Im Verhältnis zwischen den lutherischen Kirchen und der Gemeinschaft der STA in Deutschland gebe es viele positive Erfahrungen gelungener Zusammenarbeit, etwa im Bereich der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), "aber auch spannungsvolle Erfahrungen". Aufgrund der zahlreichen Defizite des Abschlussberichts, rät das DNK dem Lutherischen Weltbund, den Text in der vorgelegten Fassung nicht weiter zu verbreiten.


Hannover, 28. Januar 2002



Hinweise: Das Deutsche Nationalkomitee (DNK) des Lutherischen Weltbundes (LWB) vertritt 13 lutherische Kirchen. Neben den acht Gliedkirchen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) - Bayern, Braunschweig, Hannover, Mecklenburg, Nordelbien, Sachsen, Schaumburg-Lippe und Thüringen - gehören zum DNK: die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Pommersche Evangelische Kirche, die Evangelische Landeskirche in Württemberg und die Lippische Landeskirche-Lutherische Klasse. Das DNK/LWB vertritt 14 Millionen Gemeindeglieder. Vorsitzender des DNK/LWB ist der Leitende Bischof der VELKD, Bischof Dr. Hans Christian Knuth (Schleswig). Die Geschäftsstelle des DNK leitet Oberkirchenrätin Käte Mahn. Der Lutherische Weltbund umfasst 60 Millionen Gläubige in weltweit 133 Mitgliedskirchen.


Pressestelle:

Lutherisches Kirchenamt der VELKD
Oberkirchenrat Udo Hahn
Richard-Wagner-Str. 26
30177 Hannover

Telefon (05 11) 62 61 -226
Telefax (05 11) 62 61 -511
E-Mail: hahn@velkd.de








DEUTSCHES NATIONALKOMITEE

DES LUTHERISCHEN WELTBUNDES


STELLUNGNAHME

ZUM BERICHT ÜBER BILATERALE GESPRÄCHE

ZWISCHEN DEM LUTHERISCHEN WELTBUND UND

DER GENERALKONFERENZ DER SIEBENTEN-TAGS-ADVENTISTEN



In den Jahren von 1994 bis 1998 hat eine Reihe von vier theologischen Konsultationen zwischen dem Lutherischen Weltbund und den Siebenten-Tags-Adventisten stattgefunden. Die Gespräche wurden von einer Gesprächsgruppe wahrgenommen, in die der Rat des Lutherischen Weltbundes und die Leiter der Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten 1993 jeweils Vertreter entsandt haben. Ihren Auftrag hat die Gesprächsgruppe darin gesehen, das gegenseitige Verständnis zu fördern, vorhandene Vorurteile abzubauen, nach den Grundlagen des christlichen Glaubens zu fragen und die vermeintlich wie auch tatsächlich trennenden Differenzen aufzuzeigen. In ihrem Bericht über die Gespräche¹ legt die Gesprächsgruppe dar, zu welchen Auffassungen die Diskussionen geführt haben; auf dieser Grundlage spricht die Gruppe eine Reihe von Empfehlungen aus. Sowohl für den Inhalt des Berichtes als auch für die Empfehlungen haben die beauftragenden Gremien keine Verantwortung übernommen (Vorwort S. 14).


Der Lutherische Weltbund hat die Mitgliedskirchen um Prüfung des Berichts und ihre Stellungnahme gebeten. Dazu wurde die von den Siebenten-Tags-Adventisten besorgte und zusätzlich mit einem adventistischen Vorwort versehene dreisprachige Ausgabe des Berichtes versandt. In dieser Ausgabe bestehen z. T. erhebliche Unterschiede zwischen dem englischen und dem deutschen Wortlaut. Das erschwert die Prüfung und Würdigung der Aussagen. Die folgende Stellungnahme hat daher den englischen Originaltext wie auch den Materialband mit berücksichtigt.


Im Rahmen dieser Stellungnahme der Mitgliedskirchen des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes werden die gemeinsam verantworteten Ausführungen der Gesprächsgruppe kritisch geprüft. Es handelt sich nicht um eine eigenständige Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten. Da sich beide Gesprächspartner von ihrem Selbstverständnis her in dem vorliegenden Text als "reformatorische Kirchen" bezeichnen und die gegenseitige Anerkennung dieses Anspruchs empfehlen, erfolgte die Analyse des Textes danach, wie die Kriterien reformatorischer Theologie in den Feststellungen zur Geltung kommen.


¹) veröffentlicht als "Adventisten und Lutheraner im Gespräch", hg. von Jean-Claude Verrecchia, Direktor, Faculté adventiste de théologie Collonges sous Salève/France, 2000; mit einem gemeinsamen Vorwort von Bert B. Beach (STA) und Sven G. Oppegaard (LWB). Auf diese Veröffentlichung, die vom Lutherischen Weltbund an die Mitgliedskirchen übersandt worden ist, beziehen sich die Seitenangaben und Zwischenüberschriften in der folgenden Stellungnahme.




Zur Präambel


Es ist zu begrüßen, dass es zu Kontaktgesprächen über die Unterscheidungslehren zwischen den Siebenten-Tags-Adventisten und dem Lutherischen Weltbund gekommen ist. Die Gespräche werden als Ausdruck dafür gewertet, dass sich die Adventisten in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich um Annäherung an die Kirchen in der Ökumene bemüht haben. Die Gespräche wurden von der Hoffnung begleitet, dass auch in Regionen, in denen sich das Nebeneinander spannungsvoll darstellt, eine Verbesserung der Beziehungen erreicht wird. Die zuständigen Gremien des DNK haben deshalb die Treffen der Gesprächsgruppe mit Interesse begleitet und gegenüber den lutherischen Beteiligten wiederholt zum Ausdruck gebracht, in welchen Fragen Klärungen erwartet werden. Die Präambel nimmt diese Erwartungen in der Aufgabenbeschreibung auf.


Es ist sachgemäß, dass bewusst über die Differenzpunkte und die Sonderlehren gearbeitet wurde, um Klärungen herbeizuführen [S. 39 Ziff. 1-3]. Dadurch, dass die Präambel in der Beschreibung der Ausgangslage jedoch bereits Feststellungen trifft, die bei den Gesprächen erst zu prüfen waren, wird der Eindruck erweckt, als seien die vertretenen Ausgangspositionen gemeinsam geklärt und bestätigt worden. Das ist jedoch nicht der Fall. Neben der Selbstbezeichnung als "Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten" führt die Präambel die Bezeichnung "protestantische Kirche" für die Siebenten-Tags-Adventisten ein [S. 37], ohne sie als Selbstanspruch der Siebenten-Tags-Adventisten zu kennzeichnen. In einem gemeinsam verantworteten Dokument setzt eine derartige Feststellung jedoch voraus, dass die ekklesiologische Frage übereinstimmend geklärt werden konnte. Der Abschnitt "Ekklesiologie" [S. 49ff.] zeigt jedoch deutliche Differenzen.


Ebenso halten wir für problematisch, dass Sonderlehren der Siebenten-Tags-Adventisten als "biblisch gut begründet" [S. 37] bezeichnet werden. Diese Bewertung könnte gemeinsam nur formuliert werden, wenn dabei das reformatorische Schriftprinzip im Blick ist. Nach lutherischem Verständnis ist es nicht hinreichend, einzelne Glaubensaussagen auf einzelne, ausgewählte biblische Sätze zu stützen. Vielmehr sind Glaubensaussagen am Gesamtzeugnis der Schrift zu messen und auf ihre Mitte zu beziehen, mit Luther gesprochen auf das, "was Christum treibet". Im Licht dieser klar bezeugten Mitte der Schrift sind dunkle und singuläre Schriftaussagen zu interpretieren. Die Siebenten-Tags-Adventisten nehmen im Verständnis der Schrift offenkundig einen anderen Weg. Es ist dann an sie die Frage zu richten, wie damit vereinbar ist, dass sich "die Adventisten eindeutig zu ihrem reformatorischen Erbe bekennen". [S. 38]


Zu Kapitel I: Rechtfertigung durch den Glauben


Im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft als solcher zeigen sich erfreuliche Übereinstimmungen, die wir mit Interesse zur Kenntnis nehmen. Allerdings zeigt der Text deutliche Differenzen im Blick auf die kriteriologische Funktion der Botschaft von der Rechtfertigung, die von der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten nicht anerkannt wird. Diese aber ist für reformatorisches Glaubensverständnis zentral. Der Selbstanspruch der Siebenten-Tags-Adventisten" Erben der Reformation und (...) Nachfahren Luthers" [S. 41] zu sein, ist unter diesem Aspekt zu hinterfragen. Nach dem Bericht vertreten Adventisten, dass "Gerechtigkeit und Rechtfertigung in dem größeren Zusammenhang der Heilserfahrung" [S. 41] stehen. Nicht geklärt wird die Bedeutung von "Heilserfahrung" in ihrem Verhältnis zur "Rechtfertigung" und inwiefern damit Rechtfertigung nur als ein Teil in einem übergeordneten Rahmen zu stehen kommt. So stellt sich die Frage an die Siebenten-Tags-Adventisten: Wie kann die Rechtfertigungsbotschaft nach reformatorischem Verständnis festgehalten werden, wenn ihre kriteriologische Funktion relativiert wird? Die behauptete Nähe im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft müsste sich gerade im Umgang mit der Schrift erweisen, besonders im Blick auf den Stellenwert der Sonderlehren.


Anzufragen ist schließlich die gemeinsame Feststellung, "dass sowohl Lutheraner als auch Adventisten in der Verkündigung des anderen ein wahrhaft biblisches Zeugnis zu hören vermögen." [S. 43]. Diese Aussage kann im Blick auf die Verkündigung der adventistischen Sonderlehren von Lutheranern so generell nicht getroffen werden.


Gesetz


In diesem Abschnitt wird deutlich, dass es für die Transparenz des Gesprächs erforderlich gewesen wäre, dass zunächst beide ihre Positionen selbst darstellen, um dann zur Feststellung von Gemeinsamkeiten oder Unterschieden zu kommen. So wird von lutherischer Seite die eigene Lehre nicht klar dargestellt. Dies wiegt um so schwerer, als der Bericht die Unterschiede nur darin sieht, dass die Gebote für die Siebenten-Tags-Adventisten bindend seien, während Lutheraner lediglich "Wertschätzung" für sie hätten, sie anerkennen würden und eingeschränkt bejahten ("Sie bejahen zwar, dass die Zehn Gebote gültig sind ..., möchten aber zugleich die Freiheit des Christen gewährleistet sehen." [S. 44]). Dem Ernst und dem Gewicht, mit dem Lutheraner in den Geboten den Anspruch Gottes hören, werden diese Aussagen nicht gerecht.


In den Ausführungen der Siebenten-Tags-Adventisten zeigt sich ein legalistisches, isoliert am Wortlaut orientiertes Verständnis der Gebote. Demgegenüber weisen wir darauf hin, dass bereits das Neue Testament in seiner Schilderung des Umgangs Jesu mit den Geboten die Bedeutung ihres Wortlautes relativiert.


Das reformatorische Verständnis des Gesetzes ist weiter zu fassen als in der lutherischen Position hier dargestellt. Dadurch werden Differenzen im Verständnis des Gesetzes zwischen reformatorischer Theologie und adventistischer Lehre um der Harmonisierung willen nicht benannt. Dieses Defizit im Schlussbericht ist besonders deshalb bedauerlich, da der Materialband über die Vorträge der Konsultationen einen Beitrag von Erwin Buck enthält (Report and papers, S. 134), in dem diese Fragen überzeugend behandelt sind.


Demgegenüber stellt der Text ausführlich und begründend die adventistische Sabbatheiligung dar. Die Ausführungen erwecken den Eindruck, dass die gesamte Behandlung des Komplexes von Gesetz und Evangelium nur um dieser Frage willen erfolgt ist. Dies ist durchaus legitim, da die Gespräche insbesondere Klarstellungen und Klärungen der Sonderlehren bringen sollten. Dann aber fehlen die gleichermaßen ausführlichen und begründenden Darlegungen der lutherischen Sicht, die vom Gedächtnis der Auferstehung Christi geprägt ist. In dieser Unausgewogenheit bewertet der Bericht: Adventisten "bleiben bei ihrer Überzeugung, dass die Heilige Schrift uns auffordert, den siebenten Tag als den Sabbat zu halten (...) Lutheraner folgen einer traditionellen Praxis der christlichen Kirche." [S. 46]


Lutheraner müssten in der Sabbatfrage besonders den Geschenkcharakter des Sabbats zur Geltung bringen. Sie sollten darauf hinweisen, dass die Beschreibung der Elemente der Sabbatheiligung für die Kirchen in ihrer Sonntagsheiligung zutreffen. Wollten sie auf die Position der Siebenten-Tags-Adventisten eingehen, stellt sich ihnen die Frage, inwiefern das Sabbatgebot allein den Sonnabend der bürgerlichen Woche betreffen soll. Die isolierte legalistische Auslegung eines der Gebote, die wiederum auf eine Differenz im Schriftverständnis verweist, müsste problematisiert werden.


Es wird deutlich, dass die Frage der Sabbatheiligung für die Siebenten-Tags-Adventisten Identität stiftende Bedeutung hat und mit einem theologisch verantworteten Konsens unter derzeitigen Voraussetzungen kaum gerechnet werden kann.


II. Die Heilige Schrift und die Autorität der Kirche


Bei grundlegender Übereinstimmung im Bekenntnis zur Bibel als den letztgültigen Maßstab des Glaubens wird im Ergebnis dieses Abschnittes festgestellt: "Lutheraner und Adventisten unterscheiden sich (...) beträchtlich in ihrer Sicht der Heiligen Schrift, der Amtsstrukturen der Kirche und der maßgebenden Dokumente außerhalb der Schrift." [S. 48f.] Dieser Feststellung ist zuzustimmen.


Zu unserem Bedauern wird die lutherische Sicht im Text nur unzureichend dargestellt. Die Erörterung der Unterscheidung von Buchstabe und Geist, deren Bestimmung zwischen den Beteiligten grundsätzlich kontrovers ist, fehlt. Deshalb wird der Unterschied zwischen Lutheranern und Adventisten im Bericht pointiert in einer für die lutherischen Kirchen befremdlich klingenden Weise beschrieben: "Adventisten neigen dazu, nach eindeutigen biblischen Beweisen zu suchen, während Lutheraner mehr Raum für das lassen, was nicht ausdrücklich dasteht." [S. 48] Dieser Bewertung der lutherischen Position muss widersprochen werden.


Von Seiten der Adventisten wird intendiert, die Schriften von Ellen G. White und die lutherischen Bekenntnisschriften als vergleichbare normative Grundlagentexte auszuweisen. Dieser Einschätzung können wir uns nicht anschließen. Eine solche Gleichsetzung wird der historischen und sachlichen Bedeutung der Bekenntnisschriften nicht gerecht und sie wirft gewichtige Fragen auf. Was bedeutet dann substanziell, dass sich die Siebenten-Tags-Adventisten als Erben der Reformation verstehen [S. 41 u. ö.]? Es ist ein weiterhin ungeklärtes Problem, dass die Siebenten-Tags-Adventisten die Schriften von Ellen G. White in Parallele zu den Bekenntnisschriften als an der Schrift orientierte "abgeleitete Autorität" [S. 48] beanspruchen. Diese Aussage müsste an den materialen Aussagen der Schriften verifiziert werden.


Ekklesiologie


Die Siebenten-Tags-Adventisten haben keine ausgearbeitete "Ekklesiologie", die derjenigen der lutherischen oder z.B. der römisch-katholischen Theologie entsprechen würde. Der Text des Berichtes zeigt eine begriffliche Unklarheit, indem er unspezifisch wechselnd von "Kirchen" und "Konfessionen" spricht.


In den Grundtexten ist eine große Nähe zu erkennen. Das zitierte Bekenntnis in "Fundamental Believes" (FB) 11, das "Anbetung", "Gemeinschaft", "Feier des Abendmahls", "Dienst an den Mitmenschen" und "Verkündigung des Evangeliums" herausstellt, und lutherisches Kirchenverständnis nach CA VII setzen zwar je eigene Akzente, stehen aber nicht gegeneinander. Im Bericht wird allerdings die lutherische Position z. B. zur Taufe nur sehr formal behandelt: Erneut wird die Praxis der Siebenten-Tags-Adventisten als "konsequent" biblisch ausgewiesen, hingegen wird von den Lutheranern gesagt, dass sie "einer Praxis der Kirchen folgen". Die mit der Kindertaufe verbundene theologische Frage wird nicht behandelt.


Für problematisch halten wir die Ausführungen über die Siebenten-Tags-Adventisten auf S. 52: "Sie verstehen sich als Erben Luthers und anderer Reformatoren (...) Lehren, die andere als ausgesprochen adventistisch ansehen könnten, verstehen sie als eine Weiterführung der Reformation im Sinne einer Wiederentdeckung biblischer Wahrheit." Diesen Aussagen müssen die lutherischen Kirchen widersprechen. Die Aussagen unterstellen faktisch, dass Kirchen, welche die Sonderlehren der Siebenten-Tags-Adventisten ablehnen, nicht zur biblischen Wahrheit durchgedrungen seien. Eine Grundlage für die Eröffnung weiterer "zwischenkirchlicher Beziehungen" [S. 53] sehen wir hierin nicht. Wir vermissen eine stärkere kritische Selbstinfragestellung adventistischer Sonderpositionen im Licht des Schriftzeugnisses.


Die in den Grundtexten zunächst beschriebene Nähe wird schließlich durch die "Lehre von den Übrigen" im Selbstverständnis der Siebenten-Tags-Adventisten relativiert. Was bedeutet die Aussage: "Adventisten glauben, dass zu Gottes treuen und gläubigen Übrigen (...) Christen in vielen Kirchen auf der gesamten Erde gehören" [S. 52]? Entspricht lutherisches Glauben und Handeln diesem Maßstab? Nach den zuvor genannten adventistischen Kriterien wäre offenbar die Einhaltung des Sabbatgebotes im adventistischen Sinn unverzichtbar. Es wird zu wenig ausgeführt, was die Siebenten-Tags-Adventisten unter "Sammlung" der Übrigen versteht und welche Rolle die Siebenten-Tags-Adventisten als "Werkzeug" haben. Ist es z. B. eine Sammlung von Menschen aus anderen Kirchen in die sichtbare Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten hinein? Oder meint die Aussage "Christus benutzt unterschiedliche Werkzeuge" [S. 52], dass auch andere Kirchen als Werkzeug der Sammlung angesehen werden und als Orte der Gemeinde der Übrigen? Hier wäre Klärung erforderlich gewesen. Es wäre weiterhin die Klarstellung von lutherischer Seite erforderlich gewesen, dass der zitierte Artikel CA VIII etwas anderes besagt, als es die Lehre von den Übrigen zum Inhalt hat.


Der Abschnitt bringt nicht die behauptete [S. 53] und vorab festgestellte [S. 37f.] Klarstellung in der ekklesiologischen Frage. Die grundsätzlichen Bedenken gegen die Lehre von den Übrigen sind durch die Ausführungen im Text nicht ausgeräumt worden. Ohne eine erkennbare Dynamik in der Lehrentwicklung der Siebenten-Tags-Adventisten kann auch nicht gesehen werden, wie durch weitere Gespräche diese Klarstellung erreicht werden kann.


III. Eschatologie


Um in der Frage der so genannten Endzeitberechnungen der Adventisten zu einer Klarstellung zu kommen, bietet die gemeinsame Feststellung "Beide Kirchen hatten sich mit übereifrigen Mitgliedern auseinander zu setzen" [S. 55] keine geeignete Gesprächsgrundlage. Es kann nicht davon abgesehen werden, dass die Geschichte der Siebenten-Tags-Adventisten mit der Millerbewegung und der Fixierung auf das historische Datum von 1844 beginnt und dass endzeitliche prophetische Texte der Bibel mit gegenwärtigen Ereignissen identifiziert werden. Adventistische Eschatologie ist in der Heiligtumslehre bis heute damit verbunden.


Der Text stellt ein Verständnis von lutherischer Eschatologie dar, das dieser nicht gerecht wird. Für Lutheraner steht der auferstandene Christus im Zentrum dieser Lehre. Damit kommt eine von der Schrift bezeugte andere Wirklichkeit in den Blick als die "Voraussage geschichtlicher Ereignisse". Weil die Darstellung der lutherischen Position fehlt, kann der Eindruck erweckt werden, als gäbe es in dieser Frage eine Annäherung, wobei die ausführlich beschriebene adventistische Position an keiner Stelle einer lutherischen Kritik unterzogen wird. Lutheraner müssen geltend machen, dass eschatologische Aussagen kategorial verschieden sind von Aussagen für die geschichtliche Zukunft und mit endzeitlichen Berechnungen nichts zu tun haben. Prophetie bedeutet für uns die Verkündigung der Wahrheit und nicht Voraussagen für die historische Zukunft. Die vorliegenden Ausführungen lassen erkennen, dass in der Gesprächsgruppe nicht ausreichend zwischen Apokalyptik und der Deutung prophetischer Aussagen auf heutige Entwicklungen sowie zwischen Eschatologie und Voraussagen historischer Entwicklungen differenziert worden ist. So werden in problematischer Weise eschatologische mit "futurologischen" Fragen vermischt.


Das Deutsche Nationalkomitee bedauert, dass die Gesprächsgruppe ausgerechnet die Frage des Millennium nicht behandelt hat. Diese Frage gehört wesentlich zur Klärung der Sonderlehren hinzu. Das Gleiche gilt für die Themen "Malzeichen" und "Babylon".


Wegen der Heiligtums-Sonderlehre der Siebenten-Tags-Adventisten kann die gemeinsame Bekräftigung des "Glaubens an Jesus als Erlöser, Rechtfertiger und Herrn der Geschichte" nur eingeschränkt als Konsens angesehen werden. Während Lutheraner das zentrale Heilsereignis im Kreuz und Auferstehung Jesu Christi sehen, hat für Adventisten zusätzlich die Heiligtumslehre zentrale Bedeutung: "Mit der Himmelfahrt wurde er (sc.: Christus) als unser großer Hohepriester eingesetzt und nahm seinen Mittlerdienst auf. 1844, am Ende der prophetischen Zeit der 2300, begann die zweite und letzte Phase seines Versöhnungsdienstes" (FB 23). Wir sehen hier gravierende Differenzen in der Christologie und Soteriologie, die dringend der Prüfung an der Schrift und der Klärung bedürfen. Dadurch überdeckt die im Wortlaut annehmbare Formulierung eines gemeinsamen Bekenntnisses zu Christus möglicherweise den wesentlichen Gegensatz.


Empfehlungen



    1. Die Aussage, dass "eine weitgehende Übereinstimmung in unserem Verständnis des christlichen Glaubens erzielt" wurde, geht weit über das hinaus, was nach Prüfung des vorliegenden Berichtes festgestellt werden kann. Von Übereinstimmungen im Verständnis des Glaubens können wir nur mit deutlichen Einschränkungen sprechen. Dies bedeutet, dass auch die Voraussetzungen für die anschließenden Empfehlungen des gemeinsamen Berichts nicht gegeben sind. Der Lutherische Weltbund sollte bedenken, welche Auswirkungen das hier beschriebene gemeinsame Verständnis des Glaubens für die Gespräche mit anderen Dialogpartnern haben würde.


    1. Der Empfehlung, die Siebenten-Tags-Adventisten als weltweite christliche Gemeinschaft zu behandeln, kann zugestimmt werden. Die deutschen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes bezeichnen wegen der nach wie vor unveränderten Sonderlehren der Adventisten die Siebenten-Tags-Adventisten als "Sondergemeinschaft". Diese Bezeichnung trägt der Unterscheidung von den Freikirchen, die solche Sonderlehren nicht vertreten, Rechnung.

    2. Eine Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Adventisten besteht nicht. Sie kann im Hinblick auf die gravierenden Unterschiede auch nicht empfohlen werden. Adventisten laden zwar andere zu ihren Abendmahlsfeiern ein, nehmen aber selbst in der Regel eine Einladung anderer Kirchen nicht wahr. Diese Frage ist zudem nicht losgelöst von den Vereinbarungen oder Gesprächen mit anderen Kirchen zu behandeln, mit denen eucharistische Gemeinschaft besteht oder eucharistische Gastbereitschaft praktiziert oder angestrebt wird.



    2. Die Feststellung einer "umfassenden Übereinstimmung hinsichtlich der Heiligen Schrift als der einzigen Grundlage für Kirchenautorität" ist durch den Bericht nicht belegt. Stattdessen wird deutlich, wie unterschiedlich der Schriftgebrauch und das Verständnis der Schrift bei den Gesprächspartnern ist. Ebenso muss der Analogie der Bekenntnisschriften als dem Konsens der Kirchen mit den Schriften der Ellen G. White widersprochen werden. In einer solchen Analogie sehen Lutheraner die Bedeutung der Bekenntnisschriften nicht zutreffend bewertet.


    3., 4. Weitere Kontakte zwischen dem Lutherischen Weltbund und den Siebenten-Tags-Adventisten halten wir für sinnvoll. Sie sollten vor allem der Bearbeitung der bisher nicht oder nicht hinreichend geklärten Fragen dienen. Dabei ist Wert darauf zu legen, dass stärker als in der vorliegenden Studie die lutherischen Positionen deutlich zum Ausdruck gebracht werden.


    5. Auf Grund der beschriebenen Defizite im gegenwärtigen Bericht raten wir davon ab, ihn in der vorgelegten Fassung weiter zu verbreiten und ihn zum Studium für ein besseres Kennenlernen beider Seiten zu empfehlen.



Im Verhältnis zwischen den lutherischen Kirchen und der weltweiten Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten gibt es viele positive Erfahrungen gelungener Zusammenarbeit, in Deutschland etwa im Bereich der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Es gibt aber auch spannungsvolle Erfahrungen, die bei künftigen Gesprächen einbezogen werden sollten. Die dokumentierten Gespräche zeigen Übereinstimmungen in einigen Grundaussagen. Offenbar wollen Adventisten ihre Sonderlehren im Licht dieser Übereinstimmungen verstanden und relativiert wissen und bemühen sich damit um ökumenische Annäherungen. Solche Entwicklungen verfolgen wir aufmerksam und sind dafür auch in Zukunft offen. Es zeigen sich nach den Ausführungen des Berichtes aber auch weiterhin Differenzen von z. T. sehr grundsätzlicher Art. Hier bedarf es weiterer Klärungen. Nach unserem Verständnis muss auf der Basis des selbst beanspruchten reformatorischen Profils insbesondere innerhalb der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Sondertraditionen erfolgen.


Zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Gesprächspartnern trägt auch der kritisch anfragende Dialog bei. Die Mitgliedskirchen des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes hoffen, dass ihre kritischen Rückfragen geeignet sind, in den künftigen Gesprächen das von beiden Gesprächspartnern beanspruchte reformatorische Profil stärker zu bedenken und in die Klärungen einzubeziehen.


Hannover, den 6. Dezember 2001

28.01.2002



Deutsches Nationalkommitee
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