In Persona
  • Gil Alkabetz(23. März)
    Mit minimalistischen Strichen erzählt Alkabetz große Geschichten. Der in Israel geborene Trickfilmer verzichtet jedoch in seinen Erzählungen auf große Gesten und setzt auf subtilen Humor oder intelligente Parabeln. Oft sind seine Filme, z.B. Swamp oder Yankale, Kommentare auf universelle oder individuelle Geschehnisse, die aber niemals belehrend sind.
    Der Zeichentrickfilm "Swamp" ist ein Gleichnis auf die Labilität menschlicher Zustände, vergleichbar mit Balance der Brüder Lauenstein. Swamp ist eine Reflexion über Aggression und Machtzustände, die hier am "seidenen Faden" eines Ballons hängen. Zwei schwerbewaffnete Kavalarien stehen sich zum Kampf über einem Sumpfgebiet gegenüber, jeweils getragen von einem riesenhaften Ballon. In dieser prekären Situation entwickelt sich eine aussichtslose Schlacht... Während in seinem ersten Film Bitzbutz, den Alkabetz 1984 noch an der Bezalel Academy in Jerusalem drehte, der Kampf zwischen gut und böse, hell und dunkel entbrannt ist, verzichtet Swamp auf eine dualistische Zuordnung und formuliert damit um so prägnanter die Sinnlosigkeit der kriegerischen Auseinandersetzung. Für Swamp erhielt der seit 1995 in Stuttgart lebende Künstler das Filmband in Gold.

    Auch die folgenden Filme versuchen, mit einfachen zeichnerischen Mitteln allgemeingültige Geschichten zu erzählen, wenngleich Yankale (1995) auf eine Kurzgeschichte eines Mannes aus den 30er Jahren zurückgeht, der versucht sich seiner übermächtigen Mutter zu entziehen und das Leben eines Erwachsenen zu führen. Dieser Prozess der Integration in die Gesellschaft "wird als notwendiger und positiver Prozess betrachtet", so Alkabetz, "aber er bringt ebenso negative Aspekte wie den Verlust von Kinderfantasien und Imagination". Die zunehmende Gleichförmigkeit von Individuen hat er in seiner markanten auf schwarz und weiß reduzierten Bildsprache in Form von Kreuzen versinnbildlicht, die sich aus Plus und Minuszeichen zusammensetzen. Auch dieser Film wie der folgende unabhängige Kurzfilm Rubicon erhielt zahlreiche Auszeichnungen auf internationalen Festivals, z.B. den Internationalen Preis der Filmkritik in Oberhausen oder den 1. Preis für Animation in Krakau. Rubicon– wie Yankale vom Studio Film Bilder produziert – ist ein Rätselfilm, der sich mit der Frage auseinandersetzt:
    Wie kann man einen Wolf, ein Schaf und einen Kohlkopf, einen nach dem anderen, über einen Fluß bringen, ohne daß sich die Zurückgebliebenen gegenseitig auffressen?

    Eine Werkschau der Filme von Gil Alkabetz wäre jedoch nicht vollständig, würde man die vielen und erfolgreichen Werbefilme und TV-Spots aussen vor lassen. Den Kinogängern ist wohl vor allem die Tricksequenz von "Lola rennt" in Erinnerung, doch auch bei Fernsehsendern wie ZDF kommen seine Spots zum Einsatz, die trotz des unterschiedlichen Auswertungszusammenhangs immer die eigenständige intelligent-humorvolle und spielerisch-minimatlistische Handschrift von Alkabetz tragen.

    TitelJahr
    Bitzbutz1984
    Swamp1991
    Yankale1995
    Rubicon1997
    Lucky Stars2000
    How to use a Tampon1996
    Trim Time2001


  • Mark Baker(24. März)
    Mark Baker gehört zu den großen Geschichtenerzählern des britischen Animationsfilms. Schon mit seinem 1988 an der National Film & Television School entstandenen Zeichentrickfilm The Hill Farm hat er diese Fähigkeit unter Beweis gestellt, indem er mit minimalen Mitteln und gänzlich ohne Dialoge die Geschichte eines Farmlebens erzählt, das von Campern und Jägern gestört wird. Dieser Film erhielt den Grand Prix von Annecy und zahlreiche weitere Auseichnungen, u.a. den Jurypreis beim Trickfilm-Festival Stuttgart 1990.
    Er wurde – wie zwei weitere Kurzfilme von Baker – für den Oscar nominiert.

    Ebenfalls mit traditionellen zeichnerischen Mitteln realisierte Baker 1993 The Village. Auch dieser Film ist eine Parabel auf das menschliche Zusammenleben und beschreibt die Situation in einem kleinen, isolierten Dorf, dessen Einwohner die Hälfte ihrer Zeit dafür verwenden, die Geheimnisse ihrer Mitbewohner auszuspionieren. In diesem Film wie im folgenden Film Jolly Roger, eine bizarre Piratenburleske, hebt Baker die Zweidimensionalität des Zeichentricks hervor, ohne daß dabei die Charaktere an Individualität und Originalität verlieren. Im Gegenteil: Durch die Einfachheit der Zeichnung der Figuren kommen einzelne Eigenschaften um so deutlicher zum Vorschein. Auch die Hintergrundszeichnungen von Jolly Roger sind aufs Wesentliche reduziert. So ist die Folie für die Handlung die unendliche Weite des blauen Meeres. Selbst die Dialoge sind auf kurze Kommandos der Bootsbesatzung beschränkt. So reichhaltig und unterhaltsom die Geschichten in Bakers Kurzfilmen sind, so strukturiert und konzeptioniert ist der ästhetische Rahmen der Animation. Mit dieser Arbeitsweise erzielt Baker ein Maximum an Wirkung beim Zuschauer.

    Die Werkschau von Baker wäre ohne die kommerziellen Arbeiten nicht komplett, die er seit 1994 mit seinem Partner Neville Astley produziert. Spots für IKEA, Smarties, Kraft Cheese aber auch Channel Four und BBC gehören ebenso zum Spektrum wie die preisgekrönte TV-Serie The Big Knights, die im mittelalterlich seltsamen Land Borovia spielt, wo die Drachen wild, die Hexen gemein und die Wissenschaftler wahnsinnig sind, die Wirtschaft schlecht und das Fernsehen schwarzweiß ist...

    Filme
    Werbespots und Titel-Themen
    TitelJahr
    The Hill Farm1988
    The Village1993
    Jolly Roger1999
    The Big Knights Alchemy
    (Mark Baker,Neville Astley)
    2000
    SpotKunde
    Kraft Cheese –
    Red and Ned in Cheese
    (Astley Baker)
    JWT Chicago
    IKEA
    (Astley Baker)
    St. Luke’s Agency
    Hollywood Pets
    (Astley Baker)
    Yorkshire Television /
    September Films
    Gerri Stick Man
    (Astley Baker)
    JWT Frankfurt & London / Screwball Films
    Ideal Home Show
    (Astley Baker)
    MWO London
    Sorry About Last Night
    (Astley Baker)
    BBC Television
    Smarties Smartians
    (Astley Baker)
    JWT London /
    Lambie Narn & Company
    Teenage Health Freak
    (Mark Baker/Astley Baker)
    Channel Four /
    Pizazz Pictures
    The Strip Show
    (Astley Baker)
    Channel Four /
    Screwball Films

  • Katriina Lillqvist(25. März)
    Von scheinbar vergangenen Zeiten erzählen die Puppentrickfilme der finnischen Animatorin Katariina Lillquvist. In ihren Parabeln, Fabeln und Literaturadaptionen gelingt es ihr einerseits die faszinierende und melancholische Vergangenheit Osteuropas einzufangen, andererseits verweisen diese alles andere als süßen Geschichten auf die Gegenwart. In einer Kafkatrilogie entwickelt Lillqvist in der Kurzgeschichte "Der Landarzt" ein beängstigendes Panoptikum eines von den Vorzeichen eines Krieges geprägten Landes. Mit surrealen Elementen erzählt sie die Geschichte eines Landarztes, der gegen seinen Willen und durch Gewaltanwendung eines grausamen Soldaten in die Stadt muss, um einen kranken Jungen zu untersuchen. Doch es geht nicht um die Heilung des armen Jungen, sondern um die Öffnung seines Bauches. In seinem Bauch sind während eines bizarren Kartenspiels die vielen Abzeichen des Soldaten verschwunden. In dieses Spiel sind ein Mönch, ein zynischer Kriegskorrespondent und Schwarzmarkthändler verwickelt. Der Film stammt aus dem Jahre1996 und kann durchaus als Anspielung auf die anarchische und unmenschliche Situation auf dem Balkan in jener Zeit verstanden werden. Mit "Der Landarzt" gewann Katariina Lillquvist als erster finnischer Regisseur einen Bären auf der Berlinale.
    All ihre Filme basieren auf der soliden Beherrschung des traditionellen Puppentrickfilms, das sie Ende der 80er Jahre im berühmten Studio von Jiri Trnka in Prag erlernt hat, wo sie bis 1997 arbeitete. Lillqvist Puppen sind niemals niedlich. Ihre Physiognomie ist ein beredtes Zeugnis eines tieferen Verständnisses für das menschliche Leben – für Leiden, für Tragödien, für Liebe, ohne dass auch nur ein Funken von Rührseligkeit zu spüren ist. Auch ihre Kinderfilme, die sie nun in Finnland, aber in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Studio Hafan Film, produziert, sind mehr als nette Kindergeschichten. "Mire Bala Kale Hin" (The Romany Mirror) erzählt die Geschichte der Migration der Sinti und Roma, die Geschichte von Ausgrenzung, Vertreibung und Rassismus. In der atmosphärischen Dichte und in der Komplexität der Aussage ist dieser Film, der als Pilot für eine Serie entstanden ist, ebenso für Erwachsene interessant. Hier wie bei ihren anderen Filmen legt Lillqvist großes Augenmerk auf die Einbindung der Musik, die bspw. mit Klezmerklängen, ebenfalls häufig osteuropäische Wurzeln vorweist.
    So gegenwärtig ihre Filme sind, so sehr verzaubern sie den Zuschauer mit ihrer Bildsprache und mit ihren Details. Wenn es so etwas wie einen europäischen Animationsfilm gibt, dann gehört Katariina Lillqvist zu den ganz großen Meisterinnen dieses Genres.

    TitelJahr
    Hiilisangolla ratsastaja1992
    Kamarihaikara1993
    Tyttö ja sotamies1995
    Maalaislääkäri1996
    Ksenia pietarilainen1999
    Romanien Peili2001


  • Jiri Barta (27.März.)
    Schon zu Zeiten seines Abschlusses an der Prager Akademie der Kunst, Architektur und Design begeisterte sich der 1948 geborene Jiri Barta für Animationsfilm. Inspiriert durch Meister des surrealitischen Puppentrickfilms wie Jan Svankmajer kooperierte er bereits 1978 mit einer weiteren Größe des tschechischen Trickfilms, Jir Trnka, und dessen Studio.

    In den 80er Jahren entstanden eine Vielzahl von Filmen, die auf unterschiedlichsten Festivals, z.B. in Cannes, gezeigt wurden. So drehte er 1985 eine Adaption des bekannten deutschen Märchens Der Rattenfänger von Hameln, die mit der Arbeit des tschechischen Dramatikers Viktor Dyk unterfüttert ist. Bartas traditionelle Puppentricktechnik erweitert er hier – aber auch in anderen Filmen – mit expressionistischen und surrealistischen Elementen. Oft setzt er hierfür auch reale Objekte ein.
    In The Extinct World of Gloves arbeitet er mit "Handschuhen" als Schauspieler in einem realen Set. Eine "Handschuh-Zivilisation" wird bei Grabungsarbeiten für ein neues Bauprogramm entdeckt. Bei dem Film handelt es sich um eine besondere Parabel über die menschliche Zivilisation anhand der Filmgeschichte – von den ersten amerikanischen Grotesken bis zu zeitgenössischen Produktionen.
    Neben weiteren Filmen aus den 80er Jahren beinhaltet die Werkschau auch den Pilotfilm für den abendfüllenden Langfilm Golem aus dem Jahre 1993, der reale Schauspieler mit Knetanimation kombiniert.

    Seit 1993 ist Jiri Barta Leiter der Abteilung für Film und TV Graphik an der Prager Kunstakademie (FAMU) und hat in diesem Zusammenhang zahlreiche kommerzielle Projekte oder Kinderfilme (The Tyrant and The Child) realisiert.

    TitelJahr
    Project1981
    The Extinct World of Gloves1982
    Der Rattenfänger von Hameln1986
    Golem1993