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Österreichischer Kinderschutzbund - Verein für gewaltlose Erziehung

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Kinder sind unschlagbar Gewalt muss Betroffenheit auslösen  

 

 

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KINDERSCHUTZ AKTIV

 
 

Auszüge aus unserer Zeitung KINDERSCHUTZ AKTIV.

Übersicht – KINDERSCHUTZ AKTIV
 


 

Brigitte Zypries, ihres Zeichens Bundesministerin für Justiz in Deutschland, unterstreicht im Rahmen der „Europäischen Fachtagung zur Gewaltlosen Erziehung“, dass ihr eben diese ein großes Anliegen ist. In ihrem Beitrag zur Tagung zieht sie aus der Perspektive der fachlich zuständigen Ministerin eine positive Bilanz zum "Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung", das vor 5 Jahren in Deutschland in Kraft getreten ist. Für sie ist das "Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung" ein eindrucksvolles Beispiel für einen Bewusstseinswandel durch Recht. Ihre Ausführungen sind auch für uns in Österreich von außerordentlichem Interesse, weil es viele vergleichbare Problemstellungen aber auch entsprechende Anknüpfungspunkte zur Problemannäherung gibt.

 

"Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung" als Beispiel für Bewusstseinswandel durch Recht

Brigitte Zypries

Den Satz "Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet" haben wir vermutlich alle noch sehr präsent, jedenfalls hier in Deutschland. Der Satz hat das Denken und Handeln von Generationen von Eltern geprägt, für die das Züchtigungsrecht ein natürlicher Bestandteil ihres Erziehungsrechts war. Zur Geburtsstunde des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 war es gar keine Frage, dass der Vater - ich zitiere wörtlich - "kraft des Erziehungsrechtes angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden" durfte. Das gesetzliche Züchtigungsrecht wurde zwar 1957 abgeschafft, gewohnheitsrechtlich galt es aber weiter. Die Diskussionen um ein ausdrückliches Gewaltverbot begannen erst im Jahr 1979. Es sollte dann aber weitere 20 Jahre dauern, bis das Gewaltverbot als Gesetz verabschiedet wurde. Sie sehen an diesem langen Ringen, wie schwer es war, die gewohnheitsrechtliche Verankerung im Gesetz zu lösen.

Damit das Kinderzimmer aber wirklich zum Ort wird, in dem jede Form von elterlicher Gewalt tabu ist, muss vor allem ein Wandel im Denken und Handeln der Eltern eintreten. Und genau hier setzt das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung an. Es hat zunächst eine besondere Appellfunktion: Um das Kind als Rechtssubjekt in den Mittelpunkt zu stellen, wird ihm ein Recht auf gewaltfreie Erziehung eingeräumt. Konkretisiert wird  dieses durch ein Gewaltverbot gegenüber den Erziehungsberechtigten: Das Gesetz erklärt körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen für unzulässig. Diese Kombination aus einem ausdrücklichen Recht des Kindes und einem absoluten Gewaltverbot, so die Intention des Gesetzgebers vor fünf Jahren, sollte das Bewusstsein in der Gesellschaft schärfen.

Dass uns dies gelungen ist, möchte ich Ihnen anhand von Beispielen aus einer aktuellen Studie erläutern. Professor Dr. Kai Bussmann hat sie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz durchgeführt. In dieser Studie wurden Mitarbeiter von Beratungseinrichtungen, Eltern sowie Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren befragt. Bereits in den Jahren 2001 und 2002 waren auf die gleiche Weise erste Befragungen durchgeführt worden, so dass uns die nun vorliegende Studie ermöglicht, Vergleiche zu ziehen und Änderungen zu analysieren.

Besonders wichtig war es uns festzustellen, wie sich das Rechtsbewusstsein und das Erziehungsverhalten in den letzten Jahren entwickelt haben.

Das Rechtsbewusstsein wird von drei wesentlichen Faktoren geprägt:
1) der Akzeptanz der Regelung.
2   der richtigen Auslegung der Regelung und
3   der Sensibilisierung für die Rechtsbegriffe. Hier geht es um die Frage, was ist überhaupt Gewalt, was verstehen die Menschen darunter?

Zu Punkt eins, der Akzeptanz der Regelung: Das Gewaltverbot hat laut Studie große Akzeptanz erfahren und das ist besonders erfreulich. Die Ergebnisse zeigen, dass diejenigen, die das Gewaltverbot kennen, es fast ausnahmslos positiv billigen. 95% der Eltern, die das gesetzliche Verbot kennen, halten auch eine gewaltfreie Erziehung für das erstrebenswerte Ideal. Sie sind zunehmend davon überzeugt, dass die Anwendung von Körperstrafen den Kindern ein falsches Verhalten beibringt und die Persönlichkeit des Kindes missachtet. Die erzieherische Einstellung der Eltern deckt sich damit immer mehr mit dem gesetzlichen Leitbild.

Auch die Rechtsauslegung hat einen deutlichen Wandel erfahren. Während 1996 noch über 80% der Eltern überzeugt waren, ihre Kinder mit einer leichten Ohrfeige maßregeln zu dürfen, sind dies mittlerweile nur noch etwa 50% der Eltern. Gravierende Körperstrafen halten nur noch 9% der Eltern für zulässig. Das Schlagen mit Gegenständen hält praktisch niemand mehr für zulässig. Interessant ist, dass sich sogar bei Eltern, die das gesetzliche Gewaltverbot noch nicht kannten, das Bewusstsein für Recht und Unrecht verschärft hat. Auch sie halten Körperstrafen mittlerweile seltener für erlaubt und schätzen die verschiedenen Körperstrafen etwa so ein wie informierte Eltern vor vier Jahren.

Schließlich hat die Studie untersucht, welche Formen der körperlichen und psychischen Bestrafung als Gewalt angesehen werden. Hier ging es also um das Thema "Sensibilisierung für Rechtsbegriffe". Dabei hat sich ergeben, dass sowohl Eltern als auch Jugendliche einen signifikant strengeren Gewaltbegriff anwenden, wenn sie Kenntnis vom gesetzlichen Gewaltverbot haben. So ergab die Befragung, dass fast 72 % der Eltern, die das Gesetz kennen, die Züchtigung durch eine "Tracht Prügel" als Gewalt definieren. Bei den nicht informierten Eltern liegt dieser Anteil dagegen nur bei knapp 62 %. Während die Eltern 2001 noch deutlich zwischen häuslicher und außerfamiliärer Gewalt unterschieden, verschwindet diese Kluft allmählich. In der damaligen Befragung wurde die Ohrfeige eines Lehrers eher als Gewalt eingestuft als eine Tracht Prügel der Eltern. Demgegenüber stufen informierte Eltern heute die häusliche Ohrfeige und die des Lehrers zunehmend gleich ein.

Vergleicht man die erzieherische Einstellung zu Körperstrafen und das Rechtsbewusstsein der Eltern im Laufe der Zeit, so zeigt sich ein bemerkenswerter Wandel. Die Kenntnis von der Reform hat zur weitgehenden Akzeptanz des Leitbildes der gewaltfreien Erziehung geführt und die Menschen sensibler für familiale Gewalt gegen Kinder gemacht.

Beim tatsächlichen Erziehungsverhalten der Eltern im Jahr 2005 hat sich allerdings im Vergleich zu 2001 laut der Studie wenig verändert. Die Eltern greifen zwar mittlerweile etwas häufiger zu alternativen Erziehungsmaßnahmen. Aber die leichten Körperstrafen werden immer noch ähnlich häufig wie vor 4 Jahren angewandt: so rangiert der Klaps auf den Po nach wie vor bei 76 % - übrigens auf ähnlich hohem Niveau wie das Fernsehverbot. Die Ohrfeige Veränderung von 58 % (2001) kommt mit 53% - sogar noch etwas häufiger vor als Taschengeldkürzungen. Deutlicher ist der Rückgang bei den mittelschweren Körperstrafen wie dem "Po versohlen" oder der "schallenden Ohrfeige?. Die schweren Körperstrafen werden bereits seit 2001 sehr selten angewandt und verharren auf einem Niveau von etwa 2%. Die Tatsache, dass gerade bei den leichten Körperstrafen noch keine drastischen Rückgänge zu verzeichnen sind, darf uns jedoch nicht entmutigen. Bis tatsächliche Verhaltensänderungen eintreten, vergehen typischerweise längere Zeiträume. Die Weichen hierfür sind jedenfalls schon gestellt - durch die Veränderung des Rechtsbewusstseins.

Schließlich hat - wie die Studie belegt - auch der soziale Druck gegen Gewaltausübung in der Erziehung gegenüber 2001 zugenommen. Die Studie hat sowohl die Interventionsbereitschaft Dritter als auch die Bereitschaft Betroffener untersucht, die Hilfe einer Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Dabei stellten sich ebenfalls erfreuliche Ergebnisse ein:

Personen, die das Gewaltverbot kennen, zeigen beim Verdacht einer körperlichen Misshandlung inzwischen deutlich stärkere Aktivitäten als noch vor vier Jahren. Heute würde nur 1% dieser Personen den Verdacht ignorieren. Auch würden sich doppelt so viele informierte Personen an das Jugendamt wenden oder das Gespräch mit den Eltern oder dem betroffenen Kind suchen. Insgesamt hat sich gezeigt, dass informierte Personen weniger Zweifel haben, sich einmischen zu dürfen. Man kann also auch feststellen, dass das Gewaltverbot die soziale Kontrolle aktiviert.

Auch die Mitarbeiter von Beratungs- und Hilfseinrichtungen bestätigen diese Tendenzen. Nach ihrer Einschätzung ist die Bereitschaft, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, seit 2001 deutlich angestiegen. Während im Jahr 2001 nur etwa 20% der Betroffenen Hilfsangebote annahmen, sahen sich im Jahr 2005 mehr als 50% dazu veranlasst.

Der Wandel im Rechtsbewusstsein und der erhöhte soziale Druck lassen weitere positive Entwicklungen erwarten, die sich mittelfristig auch im Erziehungsverhalten noch deutlicher niederschlagen werden. Die rechtlichen Weichen sind richtig gestellt. Die Ergebnisse der Studie zeigen uns aber auch, dass noch weitere Energie erforderlich ist.

© Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

 

 

 


     

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