MDR FIGARO

Inhalt:

Fresslust der Sinne

FIGAROS Fragen an Thomas Rosenlöcher

Der Dichter und Suhrkamp-Autor aus Dresden beantwortet FIGAROS Fragebogen

Es gibt zahlreiche Kritiker, die meinen, Thomas Rosenlöcher sei nicht durch die Wende erwacht. Die DDR bekam man immer wieder in den bei Suhrkamp erschienenen Büchern wie "Die verkauften Pflastersteine" oder "Ostgezeter" zu lesen. Einige mögen ihn belächeln, andere kommen von seiner ehrlichen Lokalprosa und Lyrik einfach nicht los.

SPRÜCHE UND WIDERSPRÜCHE

Rechte: MDR/Dabdoub
Mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet: Thomas Rosenlöcher

Haben Sie ein Vorbild oder eine Lebensmaxime?

Aber ja, ich habe eine Maxime: "Du musst dein Leben ändern" von Rilke, aber das ist so allgemein, dass ich dann doch immer der Alte bleibe.

Welches Bildungserlebnis ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Das war die Dürer-Ausstellung in Dresden, und komischerweise bin ich da irgendwie wach geworden vor diesen Bildern. Das kann ich bis heute nicht erklären.

Worüber können Sie nicht lachen?

So etwas wie die NPD, da kann ich nicht so richtig lachen.


SEIN UND HABEN

Was haben Sie sich zuletzt Schönes gekauft?

Das ist eine gute Frage, weil ich immer wieder feststelle, dass ich eine Gegenwehr habe gegen alle Geräte, die neu aufkommen. Die dauert ungefähr zwei bis drei Jahre, und dann kaufe ich sie mir doch. Erst habe mir ein Fax gekauft, weil mich alle Welt nach dem Fax fragte, und nun plötzlich fragt mich kein Mensch mehr nach dem Fax, jetzt muss ich E-Mail haben, und irgendwann werd ich wohl wieder weich werden.

Welches Buch würden Sie niemals weggeben?

Schwierige Frage. Das ist ein ziemlich marginales Buch und zwar ist es eine Reclam-Ausgabe von Dante. Klingt ziemlich gehoben, aber mit dieser Ausgabe bin ich immer wieder herumgelaufen, und die ist so zerlesen, und da steht soviel an Schwachsinn drin, den ich in all den Jahren glaubte, reinschreiben zu müssen.

Wann fühlen Sie sich am lebendigsten?

Beim Schreiben führt man so Selbstgespräche. Ich murmle immer vor mich hin, und manchmal kommt der Moment, wo ich dann so sage "Jetzt hat er es ja gefunden der Idiot", und das ist so was Tolles, da bemerk ich plötzlich die Wörter und spüre etwas dabei. Und in diesem Moment etwas zu spüren, bei dieser auch so furchtbar einsamen Arbeit, ist auch irgendwo wie ein Krankheit, das Schreiben, aber wenn ich es dann mal gefunden habe, dann weiß ich, warum ich‘s getan habe.


GOTT UND DIE WELT

Woran glauben Sie?

Wenn ich über das Glauben sprechen soll, kann ich mich ja schwer davor drücken, da ist es bei mir so, dass es unglaublich schwankt, dass ich es manchmal habe, so etwas wie ein Glauben und manchmal überhaupt nicht. Also ein Begehren, dass es doch so sein könnte, dass ich eines Tages im Himmel erwache, ganz naiv. Das ist bei mir sehr stark. Das ist kein Glaube, sondern eher ein Hoffen auf Glauben.

Gibt es für Sie einen Ort des Friedens?

Manchmal Kleinzschachwitz, aber das ist versunken für mich, und jetzt sitze ich oft am Ackerrand, und es kommt mal kein Flugzeug, und es ist wirklich still. Das gibt es vor allem an Sommerabenden, und ich sitze einfach da, und es ist so still, dass ich immer tiefer sinke, auf meinem Stuhl immer tiefer nach unten. Das sind tolle Momente.

Was, meinen Sie, war ihre letzte gute Tat?

Wir haben eine Katze, und diese Katze hat ein furchtbares Geschwür gehabt, und meine Frau brachte sie daher zur Operation, und diese Operation war so teuer, und ich konnte es meiner Frau nicht ausreden, obwohl ich es absurd fand. Es ist doch nur ein Tier und wird operiert wie ein Mensch. In welchen merkwürdigen Zeiten wir leben. Und trotzdem: auch wenn ich mich auf die Hinterbeine gestellt hätte und gesagt hätte „Nein“ – es wäre trotzdem nicht richtig gewesen, weil sie hängt an der Katze, und es wäre wie ein Mord gewesen, wenn ich nicht zugestimmt hätte, und zur Zeit liegt sie in der Küche und gesundet so langsam von Tag zu Tag.


FREUD UND LEID

Wovon haben Sie zuletzt geträumt?

Das sind Träume, die kommen immer wieder. Irgendwie verfolgt mich die Armee bis heute, indirekt, diese komischen langen Gänge dort und so weiter. Das ist wie der Krieg. Meistens löst sich das so auf, dass ich irgendwo herausgehe, und oft ist das eine Bühne, und da muss ich Shakespeare sprechen und bin natürlich völlig entsetzt, dass ich jetzt Othello bin, und spreche Blankverse, was ich ja auch kann, aber irgendwann bricht das zusammen, und ich stehe da vor den vielen Menschen und weiß nicht weiter. Das ist tragisch, aber das ist eine Art Versagenstraum beim Schriftsteller, der da dahinter steckt.

Welche Musik berührt Sie am tiefsten?

Ich höre furchtbar viel Bach, und das ist ganz krankhaft...

Was finden Sie schwerer – anfangen oder aufhören?

Eigentlich anfangen, weil ich immer Angst habe, etwas Neues zu machen, wenn da ein leeres Blatt Papier ist, aber ich denke, wenn ich jetzt älter werde, dann ist das Aufhören doch schwerer.

Zuletzt aktualisiert: 31. Januar 2005, 18:01 Uhr

 

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Kurzbiografisches

Thomas Rosenlöcher wurde 1947 in Dresden geboren. Seine Eltern waren praktizierende Christen. Nach einer Ausbildung zum Handelskaufmann und Armeedienst, absolvierte er das Abitur und begann 1970 ein Studium der Betriebswirtschaft in Dresden. 1976 widmete er sich der Literatur und studierte am Johannes-R.-Becher-Institut in Leipzig. Danach war er Assistent am Kindertheater Dresden. Seit 1983 mit dem Erscheinen seines Gedichtbandes "Ich lag im Garten bei Kleinzschachwitz" ist Rosenlöcher freischaffender Autor. Heute lebt er in Dresden und im Erzgebirge, ist seit 1968 verheiratet und hat drei Kinder. Rosenlöcher ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste.

 
 
 
 
 
 
 

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