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24.10.2001    08:20 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Staatsanwalt

„Haftbefehl gegen Pfahls wurde verzögert“

Die bayerische Justiz soll nach Aussagen des ehemaligen Staatsanwaltes Winfried Maier dem flüchtigen Ex- Staatssekretär Holger Pfahls geholfen haben.
Michael Stiller

(SZ vom 24.10.2001) - Bei seiner zweiten Vernehmung im Schreiber-Untersuchungsausschuss hat der frühere Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier weitere massive Eingriffe in die Ermittlungen gegen den Waffenhändler Karlheinz Schreiber beklagt. Mitbeschuldigte in dem Verfahren sind Max Strauß, Ex-Staatssekretär Holger Pfahls, die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert sowie Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

Maier schilderte, wie er im April 1999 von Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer gehindert wurde, die von einem Richter bereits erlassenen Haftbefehle gegen Pfahls, Haastert und Maßmann zu vollziehen.

Die Grünen forderten Ermittlungen gegen Froschauer wegen Strafvereitelung im Amt. Pfahls, der auch Chef des Verfassungsschutzes war, soll von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark bestochen worden sein, um sich im Verteidigungsministerium für ein Panzergeschäft mit Saudi-Arabien über 450 Millionen Mark stark zu machen. Maßmann und Haastert sind dagegen der Steuerhinterziehung, des Betrugs und der Untreue zu Lasten ihres Arbeitgebers Thyssen angeklagt.

Froschauer habe darauf bestanden, die von einem Richter am 22. April 1999 genehmigten Anträge der Staatsanwaltschaft auf Haftbefehl bis zum 28. April juristisch zu überprüfen. Zuvor hatte Maiers Behördenleiter Jörg Hillinger die ausdrückliche Weisung erteilt, die Haftbefehle nicht vorab nach München zu schicken. „Nein, das machen wir nicht, es reicht wenn wir das nachher machen“, habe Hillinger gesagt. Von ihm wusste Maier, dass er dem Amtschef im Justizministerium, Wolfgang Held, nicht über den Weg traute.

Held war wie Pfahls früher im Büro von Franz Josef Strauß beschäftigt und fungierte später als stellvertretender CSU-Generalsekretär. An Froschauer waren die Haftbefehle am 26. April auf dem Berichtsweg gegangen – er hatte aber vorher Wind davon bekommen. Maier hatte inzwischen mit den verschiedenen Polizeidienststellen die Verhaftungen vorbereitet. Dann kam von Froschauer das Stoppsignal. Daraufhin verlangte Maier in Absprache mit Hillinger, der Froschauers Eingriff vergeblich abzuwenden versuchte, vom Generalstaatsanwalt eine schriftliche Weisung.

„Ich habe mir das nicht einfach gemacht“, sagte Maier den Abgeordneten, „denn wer das macht, fällt beim General in Ungnade“.
Auf die Frage, ob Froschauers Bremsmanöver rechtmäßig war, erklärte Maier im Ausschuss: „Ich sage Ihnenmeine Wertung: eindeutig nein“. Am 28. April hatte Froschauer schließlich herausgefunden, dass nichts an den Haftbefehlen auszusetzen war. Tragischer Höhepunkt dieses Tages: Leitender Oberstaatsanwalt Hillinger, Maiers Stütze, verunglückte auf einer Dienstfahrt mit dem Auto tödlich.

Am 30. April begann die „Aktion Haftbefehl“ von neuem. Maßmann und Haastert wurden Anfang Mai festgenommen; bei Pfahls bestand das Problem, dass die Justiz ihn in Tegernsee oder Brüssel, nicht aber in der Daimler-Niederlassung Singapur vermutete. Pfahls gelang am 7. Mai die Flucht und ist bis heute verschwunden.Gefragt, ob der Vollzug durch Froschauers Eingreifen verzögert wurde, sagte Maier.

„Im naturwissenschaftlichen Sinne ja“. Es habe Auffälligkeiten gegeben: Seit 28. April habe Pfahls-Anwalt Peter Witting ständig am Telefon gefragt, ob gegen seinen Mandanten „irgendeine Maßnahme“ geplant sei. Ein Anrufer habe bald nach Pfahls Flucht Maier erklärt, er wisse von Daimler in Singapur, dass Pfahls schon am 28. April von seiner bevorstehenden Verhaftung erfahren habe, obwohl dies nur der Justiz bekannt war.


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