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Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2001

Preisträger im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm 2001

Professor Dr. Ulrich Konrad

Forschungsschwerpunkte

Die Forschungen Konrads gründen auf den Methoden der modernen Philologien und der Geschichtswissenschaft. Sie haben ihre Mitte in der Geschichte der europäischen Musik und gehen von der überlieferung schriftlicher Quellen aus. Die angewandten musikphilologischen Verfahrensweisen erschöpfen sich dabei nicht in den fundamentalen Zielen der Paläographie und der Textkritik, sondern sind für Konrad untrennbar verbunden mit den genuinen Aufgaben des Historikers, allen voran denen der in einem weiten Sinne verstandenen Hermeneutik. Die Maxime der Historik seit Droysen, daß das Seiende erst ganz erkannt werden könne, wenn sein Werden erforscht worden sei, die Erkenntnis des Werdens jedoch ein möglichst genaues Verständnis des Seienden voraussetze, prägt Konrads Studien von Beginn an. Sie ist die Voraussetzung für sein methodenbewußtes, aber auch methodenoffenes Arbeiten.

Ein früher Forschungsschwerpunkt bildete sich in Untersuchungen zur Institutionengeschichte und zur Geschichte der Musikanschauung des 19. Jahrhunderts heraus. Die Erhellung der wechselseitigen Durchdringung Gegebenheiten im vormärzlichen Wien, verbunden mit der Individualgeschichte des Komponisten Otto Nicolai, bildete den inhaltlichen Kern der Dissertation. In den von Nicolai und den Musikern des Hofopernorchesters ausgerichteten Philharmonischen Konzerten manifestiert sich sowohl in den Organsiationsformen als auch in der programmatischen Ausrichtung erstmals die Idee des modernen Orchesters und des modernen Orchesterkonzerts. Daß der Aufschwung des Unternehmens als eines durchaus bürgerlich-oppositionellen in die Spätphase der ära Metternichs fiel, nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 sich dagegen sein unmittelbarer Niedergang vollzog, gehört zu den aussagekräftigen Symptomen des Verhältnisses von Politik und Musikkultur in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieses Verhältnis war komplex und von einer eigenartigen Dialektik durchdrungen, was nicht zuletzt daran abzulesen ist, daß die wirtschaftliche Sicherung der (bürgerlichen) Philharmonischen Konzerte weitgehend durch eine Subventionierung seitens des Wiener Hofs gewährleistet wurde.

In den Zusammenhang der Arbeiten zum 19. Jahrhundert gehören Forschungen zum Historismus als dem wesentlichen Impuls für die Ausbildung der Musikhistoriographie. Das Interesses gilt hier der Etablierung historischen Denkens in den Werken von Musikern wie Musikpublizisten gleichermaßen. Beispiele für Konrads Studien auf diesem Feld sind Arbeiten zum Beitrag evangelischer Komponisten zur Geschichte der Messe - der konfessionelle Sprung ist ein wesentliches Merkmal romantischer Musikanschauung -, weiterhin zur Künstlerbeziehung Wagner-Schumann, die als paradigmatisch für den Vorgang gelten kann, wie ein Geschichtsbild gemacht wird, oder zum Geflecht von Leben, Werk und Analyse in der Mozart-Biographik von 1800 bis 1920, in dem die Aporien des Erzählens von Lebensläufen und des Beschreibens von musikalischen Fakturen zutage treten. Weiterhin hat sich Konrad im Kontext von Forschungen zu Mozart, Beethoven, Schumann und Wagner der Ausbildung musikhistoriographischer Mythen zugewandt.

Die letztgenannten Arbeiten stehen in enger Verbindung mit dem Forschungsschwerpunkt Mozart. Die intensive Auseinandersetzung mit der Musik des Salzburgers hat sich an den Vorstellungen entzündet, die sich seit etwa 1800 über Mozarts Schaffensweise tief in das öffentliche Bewußtsein eingegraben haben. Nach weitverbreiteter Vorstellung habe Mozart seine Werke stets ohne jegliche Hilfsmittel wie etwa Klavier oder schriftliche Notizen im Kopf komponiert; auf diesem Wege sei das Werk bis zur Endgestalt ausgedacht und dann gespeichert worden; in einem bloß mechanischen Akt sei schließlich die Niederschrift der Komposition als Kopie aus der im Kopf festgehaltenen imaginären Partitur erfolgt.

Gegen dieses das Komponieren Mozarts zu einem impulsiv-vegetativen Tun mystifizierende Bild spricht die Gesamtheit der historischen Zeugnisse, sprechen die Tatsachen der Werkstatt. Doch den Bemühungen der Musikhistoriographie des frühen 19. Jahrhunderts um eine Typisierung von schöpferischen Genies auf dem Gebiet der Musik kamen fragwürdige anekdotische Berichte über Mozarts scheinbar müheloses Schaffen sehr gelegen, um sie dem Bild vom heroisch um das Kunstwerk ringenden Beethoven gegenüberzustellen. In der Konfrontation von "énie de la nature" und "énie de la raison" schienen sich aber nicht nur Schaffenstypen greifen zu lassen, sondern auch ästhetische Entwürfe; die gesamte Wirkungsgeschichte Mozarts ist wesentlich beeinflußt vom Bild des naturhaft oder göttergleich schaffenden Komponisten einer Musik von schlackenloser Leichtigkeit. Vor diesem Hintergrund konnte die überlieferung an Arbeitsdokumenten Mozarts marginalisiert, allenfalls im Einzelfall als die Regel bestätigende Ausnahme registriert werden. Die von Konrad erstmals geleistete systematische Untersuchung der auf einhundert Blättern erhaltenen über dreihundert Skizzen Mozarts - es handelt sich nachweislich nur um einen Teil des einstmals vorhandenen Materials - hat dagegen das neue Bild eines hochbewußt planenden, strategisch denkenden, dabei überaus zielbewußt arbeitenden Komponisten ergeben. Seit 1998 liegt das gesamte Quellencorpus in einer neuartig konzipierten, historisch-kritischen Edition vor. Die Fortführung der Untersuchungen, nun an den über 150 überlieferten Fragmenten des Komponisten - kein Musiker von Rang hat so viele unvollendete Kompositionen hinterlassen wie er -, werden die Einsichten in die Schaffensweise Mozarts vertiefen.

Parallel zu den Untersuchungen an den Werkstattmaterialen Mozarts gehen Studien zur Kompositionsgeschichte. Sie gehen von der seit einigen Jahren auch in der Musikwissenschaft diskutierten Intertextualitätsforschung aus, versuchen aber in verbreiternder Weise, den analytischen Befund intertextueller Relationen zwischen zwei oder mehreren Werken über die Individualgeschichte eines Komponisten hinaus für die Erkenntnis beispielsweise der Gattungshistorie fruchtbar zu machen. So konnte Konrad zeigen, wie Mozart bei der erstmaligen Bewältigung der Variationenform im langsamen Satz eines Klavierkonzerts (KV 450) das Modell eines Symphoniesatzes (Nr. 75) von Joseph Haydn verarbeitete, also die symphonische Vorlage in den Kontext des Konzerts transformierte. Die Untersuchung von Opernzitaten in Werken von Richard Strauss und Alban Berg erhellte die Eigenarten schöpferischer Reflexe in Kompositionen der 1920er Jahre - Reflexe aus der Gattungshistorie bei Berg, solche der Wagnerschen Musikästhetik bei Strauss. Die vielschichtige Intertextualität im Siegfried-Idyll von Richard Wagner, dem instrumentalen Hauptwerk des Musikers, stellt einen einmaligen Fall dar, den Konrad in einer eigenen Monographie würdigen wird.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt Konrads gilt den Anfängen der Instrumentalmusik. Konrad spricht von einer "zweiten Musikgeschichte", die sich neben der das europäische Mittelalter dominierernden Vokal-Musikgeschichte erst langsam seit dem 14. Jahrhundert auszubilden beginnt. Die mit der Instrumentalmusik verbundene faszinierende Herausforderung war (und ist) die Formung eines musikalischen Verlaufs allein mit den Mitteln der Musik, d.h ohne den Anhalt außermusikalischer Elemente. Auf welchen Wegen kommt die Musik zu sich selbst? Die Dimension des Problems läßt sich an der Primitivität erkennen, die den ersten Aufzeichnungen text- und tanzunabhängiger Tastenmusik eignet, aber auch an den kompositorischen Versuchen, neben den Verfahren zur Komposition von Vokalmusik solche einer eigenständigen Instrumentalmusik zu entwickeln. Konrad hat hierzu Thesen vorgestellt, die von der besonderen Schriftform der sogenannten Orgeltabulatur ausgehen und zeigen, daß diese nicht aus den spielpraktischen Bedürfnissen einer Griffschrift, sondern aus dem Anspruch an die Fixierung eines Verlaufs absoluter Töne (claves) hervorgegangen ist (wogegen die vokale Mensuralnotation relative Töne - voces - festhielt). Arbeiten zur Geschichte der nur sehr lückenhaft erforschten instrumentalen Ensemblemusik im 17. Jahrhundert gehören gewissermaßen zum anderen Ende der "zweiten Musikgeschichte", dorthin, wo dem instrumentalsolistischen Komponieren mehr und mehr das Komponieren für großbesetzte Spielgruppen und die Ausprägung eigener Genres (der sonata) zur Seite tritt.

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