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Parteien und Landespolitik in Thüringen 1920-1933




Das Ende des I. Weltkrieges 1918 markiert in der deutschen Parteiengeschichte einen deutlichen Einschnitt. Mit der Novemberrevolution und der Verfassung von 1919 war aus dem konstitutionellen Deutschen Kaiserreich die parlamentarische Weimarer Republik geworden. Aus dem "Vorhof der Macht" ohne direkten Einfluss auf die Regierungsgewalt rückten die Parteien nunmehr in den Mittelpunkt politischer Entscheidungsprozesse.

Zu Beginn der Republik hatte sich das kaiserzeitliche Parteiensystem bei vielen organisatorischen und personalen Kontinuitäten neu formiert: Stärkste Kraft des sozialistischen Lagers war die SPD, von der sich im Krieg die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) abgespalten hatten. Letztere bestand jedoch nur wenige Jahre und ging teils wieder in der SPD, teils in der 1919 gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) auf. Den beiden Arbeiterparteien standen die bürgerlich-nationalen Parteien gegenüber. Der Liberalismus blieb in die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) und die rechtsliberale Deutsche Volkspartei (DVP) gespalten. Dem Konservativismus war dagegen die Gründung einer Sammelpartei gelungen, der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Hinzu kam die politische Vertretung des Katholizismus, die Zentrumspartei.

Das Verhältniswahlrecht der Weimarer Republik, das Mechanismen wie die 5%-Hürde nicht kannte, begünstigte dann eine zunehmende Ausfaserung des Parteienspektrums mit bis zu 30 Wahlalternativen. Unter den neuen Interessen- und Regionalparteien erlangte aber nur die mittelständische Wirtschaftspartei (WP) nennenswerte Bedeutung. Es sei jedoch noch auf den Sonderfall des Thüringer Landesbundes (TLB) hingewiesen, der einen agrarischen Interessenverband und eine politische Partei zugleich bildete; ansonsten standen die landwirtschaftlichen Organisationen meist der DNVP nahe. Auf der äußersten Rechten sollte sich unter zahlreichen Bünden, Bewegungen und Parteien die 1919 in München gegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) als stärkste Kraft etablieren.

Die wichtigsten Betätigungsfelder der Parteien waren die Parlamente der jungen Republik, der Reichstag, aber auch die Volksvertretungen der per Weimarer Reichsverfassung (Artikel 17) zur "freistaatlichen" Regierungsform verpflichteten Länder. § 5 der endgültigen "Verfassung des Landes Thüringen" vom 11. März 1921 legte fest: "Der Landtag übt die gesetzgebende Gewalt aus, überwacht die Verwaltung und bestellt die Landesregierung." Dies bescherte dem Parlament eine ganz neue Machtfülle, was wiederum zu einer sehr viel intensiveren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit führte. Daran änderten zunächst auch die auf nationaler Ebene als Gegengewicht eingebaute starke Stellung des direkt gewählten Reichspräsidenten und die Ausnahmeregelungen für akute Krisenfälle (Artikel 48) nichts grundlegendes. Ähnliche Regelungen enthielten die Verfassungen der Länder. § 33 der thüringischen Landesverfassung machte das Erlassen von "Notgesetzen" durch die Landesregierung möglich, die allerdings anschließend vom Landtag zu bestätigen waren.

In Thüringen verband sich der Übergang von der konstitutionellen Monarchie zum parlamentarischen "Freistaat" mit dem Ende der jahrhundertealten Kleinstaaterei der Region. Ergebnis jenes schrittweisen Prozesses war das per Reichsgesetz am 1. Mai 1920 ins Leben tretende Land Thüringen mit der Hauptstadt Weimar. Der "Freistaat" Thüringen umfasste jedoch nur die ehemaligen Kleinstaaten (Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß). Das preußische Thüringen mit dem historischen Zentralort Erfurt, in dem es starke Vorbehalte gegen eine Abtrennung von Preußen gab, blieb dem neuen Land noch fern. Dennoch stellte die "kleinthüringische" Landesgründung einen tiefen Einschnitt in der Geschichte Thüringens dar. Aus den Kleinstaatenparlamenten der einstigen Herzog- und Fürstentümer wurde so 1918/20 eine souveräne Volksvertretung für das Land Thüringen. Hier konzentrierte sich der politische Darstellungs- und Gestaltungswille in der Region.

Das Zusammenspiel der Parteien im Weimarer "Fürstenhaus" am Fürstenplatz (heute Platz der Demokratie), Heimstatt des Thüringer Landtags, brachte es dabei mit sich, dass Thüringen eine weithin beachtete Vorreiterrolle für die völkisch-antisemitische Bewegung bzw. die NSDAP spielte. Entgegen kam der äußersten Rechten hierbei die tiefe Spaltung des Landesparlamentes in ein linkes und rechtes Lager. In diesem Sinne kann man für die Zeit der Weimarer Republik einen stufenweisen Aufstieg der Rechtsradikalen vom anfänglich überhaupt noch nicht präsenten politischen Außenseiter (1920-1923) über den nötigen Mehrheitsbeschaffer der Bürgerlichen (1924-1929), deren Regierungskoalitionär (1930/1931) bis hin zur (fast) allein regierenden Vormacht (1932/1933) konstatieren.

Sozialliberale Koalition 1920/1921


Die erste Landesregierung aus DDP, SPD und USPD unter Dr. Arnold Paulssen (DDP) konnte noch an den demokratischen Aufbruch der "Weimarer Koalition" im Reichstag aus SPD, DDP und Zentrum anknüpfen. Allerdings hatte die Nachkriegszeit mit ihren bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen, gipfelnd im Kapp-Putsch vom März 1920, auch in Thüringen tiefe gesellschaftliche Gräben aufgeworfen. Zudem war die sozialliberale Regierung erst nach monatelangem Tauziehen zwischen den Parteien und Fraktionen zustande gekommen. Die erste Landtagssitzung fand am 20. Juli 1920 statt, die Regierung wurde im November gebildet. Doch schon im Juli 1921 zerbrach die Koalition an inneren Spannungen.

Im Ergebnis dieser ersten Legislaturperiode verlor die DDP an politischer Bedeutung. Die Rechtsparteien DVP und DNVP sowie der Landbund hatten, so der tonangebende DNVP-Abgeordnete Friedrich von Eichel-Streiber am 10. November 1920 im Plenum, den eingeschlagenen "Weg der Linksregierung" mit den Sozialdemokraten ohnehin für verhängnisvoll gehalten. Diese Ansicht wurde offenkundig vom Großteil des bürgerlich-nationalen Wählerlagers geteilt. Die SPD wandte sich nach dem kurzlebigen und unpopulären Bündnis mit den bürgerlichen Demokraten wieder dem eigenen Parteienlager zu. Zu einer republiktreuen "Weimarer Koalition" nach dem Vorbild Preußens, der im evangelischen Thüringen zudem eine starke Zentrumspartei fehlte, sollte es bis 1933 nicht wieder kommen. Die oft polarisierenden Debatten des I. Thüringer Landtages 1920/1921 um die Regierungsbildung, die Landesverfassung und andere wichtige Grundsatzentscheidungen des jungen Freistaates hatten dauerhafte Spuren hinterlassen. Die strukturprägende Trennung des Landtages in Links und Rechts schälte sich bereits deutlich heraus.

"Rotes Thüringen" 1921-1923


Nach Neuwahlen trat im Oktober 1921 eine SPD-USPD-Regierung unter August Frölich (SPD) ihr Amt an, die aufgrund der Mehrheitsverhältnisse von der KPD toleriert werden musste. Damit begann eine intensive linksdemokratisch-sozialistische Reformpolitik, wie sie in Deutschland ihresgleichen suchte. Diese Phase des "roten Thüringen" 1921/1923 sollte die Atmosphäre im Land aufheizen. Kulturpolitische Maßnahmen wie die Einführung neuer Feiertage (1. Mai und 9. November) auf Kosten religiöser, eine großangelegte Reform des Bildungswesens ("Greilsche Schulreform") oder die Förderung des 1919 gegründeten avantgardistischen "Staatlichen Bauhauses" in Weimar unter Walter Gropius brachten das bürgerlich-nationale Lager auf die Barrikaden. Die von extremer Wirtschaftskrise und Hyperinflation begleitete Amtszeit der Regierung Frölich gipfelte in der kurzzeitigen "Volksfrontregierung" von SPD und KPD im Herbst 1923.

Dies sollte der SPD von den bürgerlichen Parteien nicht mehr verziehen werden. In der Regierungsbildungsdebatte vom 16. Oktober 1923 war es der DVP-Abgeordnete Dr. Arno Neumann, der "im Namen der vier bürgerlichen Fraktionen" erklärte, diese hätten seit 1921 die "einseitige Partei- und Klassenregierung" der Sozialdemokraten bekämpft, deren Charakter nach dem nunmehrigen formellen Bündnis mit den Kommunisten "an Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig" lasse. Selbst der Demokrat und bekennende Ausgleichspolitiker Prof. Dr. Eduard Rosenthal, "Vater" der thüringischen Landesverfassung, fällte ein vernichtendes Urteil über die Ära Frölich.

Der mit drei kommunistischen Vertretern gebildeten neuen Regierung blieb jedoch kaum Zeit, tätig zu werden. In der angespannten politischen Situation des Reiches mit einem drohenden rechten "Marsch auf Berlin" von Bayern aus und der Aufstellung Proletarischer Hundertschaften in Thüringen erfolgte seit dem 5. November der Einmarsch von Reichswehrtruppen, die die vollziehende Gewalt übernahmen. Am 12. November traten die KPD-Regierungsmitglieder zurück, am 14. Dezember löste sich das Rumpfkabinett Frölich auf. All dies sorgte in breiten Bevölkerungsschichten wie auch bei deren Vertretern im Landtag für viele Emotionen und Verbitterung. Die Konfrontation zweier Blöcke hatte sich nachhaltig verfestigt, die Funktionsfähigkeit der thüringischen Demokratie bleibenden Schaden genommen. Eine Regierungskoalition zwischen Rechts und Links war, anders als im Reich und anderen Ländern, fortan kaum noch denkbar.

Bürgerliche Regierungen 1924-1929


Die vier bürgerlich-nationalen Parteien (DDP, DVP, DNVP, TLB) setzten jetzt gemeinsam als "Thüringer Ordnungsbund" (TOB) im Wahlkampf alles auf die Entmachtung der Linken: "Das ganze Land kam auf den Hund, uns hilft nur noch der Ordnungsbund!" Die Wahlen zum III. Landtag am 10. Februar 1924 brachten jedoch nicht die erhoffte absolute Mehrheit. 35 TOB-Abgeordneten standen 30 linke Abgeordnete (SPD 17, KPD 13) bei 72 Mandaten gegenüber. Dies brachte die sieben Abgeordneten der Vereinigten Völkischen Liste in eine Schlüsselposition. Da mit dieser Liste erstmals rechtsradikale Abgeordnete in ein deutsches Landesparlament eingezogen waren, wurden die Weimarer Vorgänge von reichsweiter Aufmerksamkeit begleitet.

Als "Zünglein an der Waage" schlug nun die große der Stunde der Antisemiten, insbesondere die des Dr. Artur Dinter. Der exzentrische Führer der völkischen Fraktion entfachte sofort eine heftige Propagandaschlacht und nutzte die schwierige Lage des Ordnungsbundes, der um keinen Preis mit den Arbeiterparteien paktieren wollte. Die Stimmen für die Wahl der Landesregierung unter Dr. Richard Leutheußer (DVP) am 21. Februar 1924 verstand er öffentlichkeitswirksam in politische Münze umzuschlagen.

Vor der Wahl hatte Dinter für seine Fraktion erklärt, allein dann zuzustimmen, wenn "die Regierung nur aus deutschblütigen, nichtmarxistischen Männern besteht". Dieser Forderung fiel mit dem DDP-Regierungskandidaten Rosenthal gleich eine der herausragenden Persönlichkeiten der thüringischen Demokratie zum Opfer. Dieses Opfer schien den Ordnungsbündlern nicht übermäßig schwer zu fallen, war doch in den bürgerlichen Rechtsparteien ein mehr oder weniger latenter Antisemitismus verbreitet. Der entthronte SPD-Regierungschef August Frölich brachte dies in der Debatte vom 28. Februar 1924 auf den Punkt: "Der jüdische Spitzenkandidat der Demokraten bekommt den Fußtritt, den er nach Auffassung der Deutschnationalen verdient."

Die mit viel Langmut behandelten völkischen Tolerierungspartner konnten noch weitere Erfolge verzeichnen, etwa den Rücktritt des jüdischen Staatsbankdirektors Walter Loeb nach einer üblen öffentlichen Kampagne. Loeb war unter der SPD-Regierung 1922 in sein Amt gelangt und erfuhr vom neuen Finanzminister Dr. Wilko von Klüchtzner (DNVP) keinerlei Unterstützung. Durchaus auf einer Linie lagen Völkische und Bürgerliche auch in der Frage des Bauhauses, dem von der Ordnungsbund-Regierung die Gelder gestrichen wurden. Das Bauhaus siedelte sich daraufhin 1925 in Dessau neu an. Allerdings gelang es den Völkischen vorerst noch nicht, sich dauerhaft als politisch bestimmende Kraft im Landtag zu etablieren. So konnten die Bürgerlichen in der einzigen vollen Legislatur 1924-1927 ihre Vorstellungen weitgehend umsetzen. Entgegen kam ihnen hierbei die relative Normalisierung der wirtschaftlichen Situation Mitte der 20er Jahre. In dieser Zeit führte ein kurzer Konjunkturaufschwung zu zahlreichen Investitionen und öffentlichen Bauprojekten. Wirtschaftspolitisches Hauptprojekt des Landes wurde der 1925 begonnene Bau der Saaletalsperren. Allerdings zeigten sich schon im IV. Landtag (1927-1929) wieder zunehmende Symptome wirtschaftlicher und politischer Instabilität. Die 1927 gebildete bürgerliche Minderheitenregierung Leutheußer scheiterte bereits im Oktober 1928. Auch den beiden folgenden Kabinetten unter Arnold Paullsen verblieb nur ein Jahr Wirkungsfrist, ehe unüberbrückbare finanzpolitische Differenzen zu vorgezogenen Neuwahlen führten.

Regierung Frick 1930/1931


Wie schon 1924 waren nach der Wahl zum V. Landtag am 8. Dezember 1929 die bürgerlichen Parteien (23 Abgeordnete) gegenüber den Arbeiterparteien (24 Abgeordnete) bei der Regierungsbildung auf die äußerste Rechte angewiesen. Die 6-köpfige NSDAP-Fraktion gab sich allerdings nicht mehr mit einer Tolerierung zufrieden, sondern strebte eine Regierungsbeteiligung an. Adolf Hitler persönlich reiste zu Verhandlungen nach Weimar. Dort setzte er die Berufung des verurteilten Hitler-Putsch-Teilnehmers Dr. Wilhelm Frick zum Innen- und Volksbildungsminister in der von Erwin Baum (Landbund) geführten Koalitionsregierung durch. In Thüringen gelangte so 1930 erstmals ein Nationalsozialist auf den Ministersessel eines deutschen Landes. Der spätere Reichsinnenminister nutzte die beiden föderalen Schlüsselressorts zum "Probelauf für die Machtergreifung", auf dessen Erfahrungen er ab 1933 zurückgreifen konnte.

Frick machte sich sofort daran, nationalsozialistische Vorstellungen mit den Möglichkeiten seines Amtes und durch Ermächtigungsgesetze umzusetzen. Genannt seien die umfassende "Säuberung" des Beamtenapparates in Verwaltung, Polizei und Bildungswesen, kulturell-weltanschauliche Maßnahmen wie der Erlass "Wider die Negerkultur für deutsches Volkstum", nationalistische "Schulgebete", die spektakulären Berufungen des Kultur-Rassisten Paul Schultze-Naumburg an die Spitze des ehemaligen Bauhauses Weimar und des Rassekundlers Hans F. K. Günther ("Rasse-Günther") an die Landesuniversität Jena. In Thüringen konnte man so erstmals erahnen, was im Falle einer nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland zu erwarten war.

Neben Minister Frick und seinem Regierungskollegen Staatsrat Willy Marschler profilierte sich v.a. der seit 1927 amtierende NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel als Fraktionsführer im Landtag zum Einpeitscher seiner Partei. Er hatte im "Fürstenhaus" oft Gelegenheit, sich öffentlichkeitswirksam als nationaler Erneuerer und radikaler Antisemit aufzuspielen. Während der immer rüderen Debatten offenbarte sich aber auch weiterhin die eingefahrene Frontstellung zwischen den beiden (ebenfalls in vielen Fragen verfeindeten) Arbeiterparteien und dem bürgerlich-nationalen Block, der die Tätigkeit Fricks, wenn auch oft mit Bedenken, letztlich immer mittrug. Bezeichnenderweise führte nicht die Regierungspraxis Fricks zum Bruch der Koalition, sondern die heftigen verbalen Attacken, denen sich die Bürgerlichen seitens ihres "Partners" ausgesetzt sahen. Sauckel hatte beispielsweise die DVP-Mitglieder im Parteiorgan "Der Nationalsozialist" als "trottelhafte Greise", "Verräter", "Betrüger", "Leisetreter" und "bürgerliche Schlappschwänze" beschimpft. Mit den Stimmen der Arbeiterparteien sowie der DVP-Abgeordneten unter Dr. Georg Witzmann wurden Frick und Marschler im April 1931 im Landtag das Misstrauen ausgesprochen.

Regierung Sauckel 1932/1933


Das Minderheitenkabinett Baum regierte nach dem Rücktritt Fricks und Marschlers mit Duldung der SPD noch bis Juli 1932. Dann zerbrach das labile Zweckbündnis an der extremen Wirtschafts- und Sozialkrise, die auch Thüringen mit aller Macht erfasst hatte. Ohne jede Rücksicht auf die bisherige gemeinsame Regierung betrieb die NSDAP in dieser Zeit immer offensichtlichere Obstruktionspolitik und feindete die Bürgerlichen als "beleidigte Feiglinge" und "Marxisten-Freunde an. "Erlösung" könne jetzt nur noch von der "dynamischen Hitler-Bewegung" kommen, die Thüringen und Deutschland vor der "bolschewistischen Weltrevolution" und ihren deutschen Handlangern schützen werde. Immer wieder verkündete Sauckel die ebenso simple wie zukräftige Vision einer autoritären nationalen Volksgemeinschaft, in der alle Gegenwartsprobleme ihre Lösung fänden.

Von wachsender Popularität als die national-antimarxistische Integrationspartei beflügelt, gingen die Nationalsozialisten im Landtag aufs Ganze. Schon in der Debatte um den Misstrauensantrag gegen Frick und Marschler vom April 1931 hatte Sauckel gegenüber den bisherigen Partnern prophezeit: "Wir kommen wieder, und über Ihre Parteileichname spaziert das deutsche Volk!" Diese Prophezeiung sollte bereits mit der Landtagswahl vom 31. Juli 1932 weitgehend in Erfüllung gehen. Mit 42,5 % der Stimmen (37,3% im Reich) und 26 von 61 Abgeordnetensitzen hatte die NSDAP die Wahl eindeutig gewonnen. Die Bürgerlichen dagegen verschwanden mit Ausnahme des Landbundes (6 Abgeordnete) in der Bedeutungslosigkeit.

Am 26. August 1932 nahm die Regierung Sauckel als vierte NSDAP-geführte Landesregierung nach Anhalt, Oldenburg und Mecklenburg-Schwerin ihre Geschäfte auf. Wegen der verfehlten absoluten Mehrheit wurde sie vom Landbund in Person des Staatsrates Erich Mackeldey mitgetragen. Während ihrer kurzen Amtszeit bis zur "Machtergreifung" Hitlers am 30. Januar 1933 zielte die Landespolitik der Nationalsozialisten auf die Aushöhlung des von ihnen verhassten parlamentarischen "Systems" der Weimarer Republik. Permanent wurde der Landtag durch Störung der parlamentarischen Ordnung lahm gelegt und die Opposition schikaniert. Parallel nutzte die NSDAP Regierung und Parlament nunmehr rücksichtslos für Propaganda und Machtausbau der eigenen Partei. Dies erleichterte in Thüringen den Übergang zum autoritären Herrschaftssystem im beginnenden Dritten Reich. In der letzten Sitzung des VI. Landtages vom 14. Februar 1933 beschloss die Mehrheit der beiden Regierungsparteien auf Antrag der NSDAP, "sich auf unbestimmte Zeit" zu vertagen. 12.54 Uhr beendete Landtagspräsident Fritz Hille (NSDAP) die Sitzung - das war für gut dreizehn Jahre das Ende des Parlamentarismus in Thüringen.

Text nach: Steffen Raßloff in: Thüringen. Blätter zur Landeskunde 58 (2005). Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung.