Hans-Hermann Hoppe´s Property and Freedom Society - Bericht zur zweiten Konferenz in Bodrum+11

Unternehmertum, Leben. 04.06.2007, Rahim Taghizadegan (rt)

Vor wenigen Tagen endete an einem ungewöhnlichen Ort eine ungewöhnliche Konferenz, die bereits im Vorfeld für einigen Trubel gesorgt hatte. Hans-Hermann Hoppe, Nachfolger des legendären Universalgelehrten Murray N. Rothbard, lud nach Bodrum zum zweiten Zusammentreffen der Property and Freedom Society. Ziel dieser illustren Gesellschaft ist es, einen Diskurs in „kompromissloser intellektueller Radikalität“ zu ermöglichen. „Radikalität“ steht hierbei für konsequente Eigentumsethik und das Ignorieren sämtlicher Grenzen und Tabus der politischen Korrektheit. Der türkische Ferienort – bekannt als St. Tropez der Türkei – gäbe schon eine fabelhafte Kulisse ab, doch zur Freude der Teilnehmer wurde der Aufenthalt noch erheblich durch die Großzügigkeit und Gastfreundschaft der türkischen Unternehmerin und Ökonomin in der Tradition der österreichischen Schule, Dr. Gülçin Imre (Vizepräsidentin der Ahmet Veli Menger (!) Holding), versüßt. Ihr Hotel Karia Princess, der Tagungsort, erwies sich als traumhafte Oase, um die versammelten Intellekte aufblühen zu lassen – bot aber auch so manche Ablenkung.

Der diesjährige Aufreger, um die versprochene Radikalität zu markieren, machte gleich den Anfang. Unter dem Eindruck zunehmend totalitärer Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung sollte dem politischen Egalitarismus Widerrede geleistet werden, und die aus ideologischen Gründen verdammte Binsenweisheit, dass Menschen unterschiedlich sind, statistische Unterstützung erfahren. Dazu waren die kontroversiellen Wissenschaftler Richard Lynn aus Großbritannien und Tatu Vanhanen aus Finnland eingeladen. Vanhanen ist der Vater des derzeitigen finnischen Prämierministers.

Lynn und Vanhanen versuchen, einen Zusammenhang zwischen Intelligenzquotient und Wohlstand herzustellen. Am problematischsten hierbei ist wohl die Gruppierung anhand von Nationen, Ethnien und Hautfarben. Da das Thema eine breitere Diskussion erfordert, muss für einen kritischen Bericht über die Vorträge von Lynn und Vanhanen auf einen eigenen Artikel verwiesen werden.

Der dritte in dieser Hinsicht besonders kontroversielle Teilnehmer war Paul Gottfried, Professor am Elizabethtown College. In seinem Vortrag analysierte er die US-Bewegung der „White Supremacists“. Dabei gelang ihm eine weitgehende Verwirrung seines Publikums, das im Wesentlichen aus „libertarians“ bestand. Das Kunstwort „libertarian“ bezeichnet die moderne, amerikanische Spielart des Liberalismus mit eklektizistischen und teils etwas ahistorischen Einsprengseln. So rechnete Gottfried die Befreiung des Individuums der Linken zu, der Rechten jedoch die Betonung von Hierarchie und Gemeinschaft. Die individualistische Tradition sei also links, die kollektivistische hingegen rechts. Während die Nazi-Sozis eine eher linke, revolutionäre Bewegung gewesen seien, die eine Spielart des Stalinismus darstellte und die Rechte zum Teil imitierte, sei Mussolini (so wie Franco) „funktionell und historisch“ ein Mann der Rechten gewesen. Die Begründung: Er sei geschichtsorientiert, bourgeois und hierarchiegläubig gewesen und habe die Machtübernahme durch die Linke verhindert. Die „White Supremacists“ beschrieb Gottfried etwas frustriert als wohl jene Bewegung, die noch am ehesten einem rechten „Mindset“ nahe wäre – allerdings nur, weil die restliche Rechte tot sei. Die historische Rechte sei viel zu schwach und würde nicht wieder kommen, das einzige Residuum wären antilinke Einstellungen. Und Rassisten seien hier nun mal eine der letzten Gegenstimmen gegen den Egalitarismus. Gottfried lieferte allerdings kein einhelliges Plädoyer für diese unappetitliche Gruppierung, sondern kritisierte sie dafür, schlicht linke Anti-Rassisten zu kopieren, nämlich einen umgekehrten, „weißen“ Opferkult zu betreiben. Zudem würde ihnen jede soziale Fundierung für ihre Ideen fehlen, es handle sich ironischerweise um eine Bewegung „zivilisatorischer Überlegenheit“ ohne Zivilisation. Dennoch seien sie weit weniger gefährlich als ihre Gegner – die totalitäre „Linke“.

Der Vortrag von Gottfried stellte so in Sachen politischer Unkorrektheit noch seine Vorredner in den Schatten. Wiewohl Gottfried großer Dank dafür gebührt, die versammelten konservativen „libertarians“ ideologisch etwas verunsichert zu haben, erschien seine Argumentation nicht durchwegs überzeugend. Nationalismus und den falschen (weil deterministischen, unverdienten) Elitismus der „White Supremacists“ einseitig rechts zuzuordnen, enttäuscht angesichts Gottfrieds weit differenzierterer Betrachtung der Ideengeschichte, als sie etwa viele US-libertarians aufweisen. Besonders überraschend ist schließlich die Biographie von Gottfried: Er entstammt einer Familie steirischer Juden, musste aufgrund der Nazi-Verfolgung Europa verlassen, wurde später dann jedoch in Deutschland Student von Herbert Marcuse (!) und hält nach wie vor viel auf die Methoden der Frankfurter Schule.

Alles in allem muss diesen drei „Aufregern“ konstatiert werden, den wohl interessantesten, da am ehesten zu Widerspruch anregenden Input geliefert zu haben. Ganz zu schweigen davon, dass es sich um drei menschlich überaus angenehme, intellektuell brillante ältere Herren handelt. Die teils gewollten, teils unbewussten Widersprüche zogen sich durch die gesamte Veranstaltung, leider blieb viel zu wenig Zeit, um sie im Plenum zu diskutieren – dafür gab es genug Diskussionsstoff für die Pausen.

Nun zu den weiteren Vortragenden: Yuri Maltsev, ehemaliger Berater von Gorbatschow, widerlegte eindrücklich den Mythos von Putins „russischem Kapitalismus“. Zunächst rief er in Erinnerung, dass die Sozialisten in der UdSSR 61 Millionen Menschen massakrierten. Dabei betonte er, den demokratischen Charakter dieses Unrechts-Regimes. Lenin etwa war voll des Lobes für die Demokratie, und auch die Massaker erfolgten „demokratisch“, „ohne Diskriminierung“ und nach allgemeinen und gleichen Regeln. In Kazan, seiner Geburtsstadt, sei etwa jeder 15. aus dem Telefonbuch ausgewählt und hingerichtet worden. Diese Tradition bestünde bis heute fort. Ein neues Gesetz erlaubt es dem KGB, jeden umzubringen, der als „Bedrohung“ klassifiziert wird. Unter dem ex-KGB-Mitarbeiter Putin seien bereits 88 Journalisten umgebracht wurden. Wie sieht es nun mit dem angeblichen „Kapitalismus“ in Russland aus? Nur 2% des russischen Bodens seien in Privatbesitz. Die Bezeichnung „Oligarchen“ sei unpassend und zum Teil unfair. Einzelne erfolgreiche Unternehmer hätten tatsächliche die darniederliegende Wirtschaft beflügelt, allerdings seien sie politisch vollkommen isoliert und würden zunehmend durch staatsnahe Betriebsführer ersetzt. Der von Neoliberalen oft bewunderte „Reformakt“ der „flat tax“ habe das Steueraufkommen um 85% erhöht. In der Diskussion sorgte Maltsev für Erheiterung mit folgender Regel: Je mehr Ökonomen ein Land aufweise, desto schlechter für die Ökonomie. Die UdSSR habe 1,5 Millionen Ökonomen beschäftigt.

Der zweite Tag widmete sich der Geschichtsschreibung. Während der erste Tag für den oberflächlichen Betrachter einen nach dem heutigen Etikettengebrauch deutlich „rechten“ Einschlag hatte, müssten die Vorträge diesen Tages wohl einen stark „linken“ Eindruck hinterlassen. Der Themenkatalog war beeindruckend breit, allerdings auch schon wieder zu breit für eine tiefgehendere Auseinandersetzung. Peter Mentzel, Experte für das osmanische Reich an der Utah State University, stellte die Frage: „Wir krank war der kranke Mann Europas?“. Dabei lieferte er ein differenziertes Portrait des späten osmanischen Reiches, das durchaus von einer gewissen Sympathie getragen war. Ein „gesundes“ Gemeinwesen charakterisierte Mentzel durch kulturelle und wirtschaftliche Vitalität und die Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen. Dem osmanischen Reich sei dies auch in der Spätphase zu konstatieren. Die Baumwollproduktion habe sich etwa zwischen 1899 und 1914 vervierfacht, allerdings sei die Textilindustrie zunehmend unter den Wettbewerbsdruck Europas geraten, sodass dort 100.000 Arbeitsplätze verloren gingen. Ironischerweise sei jedoch der Patient gesünder gewesen als der diagnostizierende Arzt. Das Russland von Zar Nikolaus I., der die Phrase vom „kranken Mann“ geprägt hatte, wurde vom osmanischen Reich überlebt.

Hunt Tooley, Professor am Austin College in Texas, analysierte in seinem Vortrag den westlichen Imperialismus im Nahen Osten. Diesen führte er im Wesentlichen auf das „rent seeking“ großer Konzerne zurück. Nachdem kurz vor dem Ersten Weltkrieg der Erdöl-Hype begonnen hatte, waren es vor allem Ölkonzerne, die sich gegen den Freihandel engagierten. Die Briten finanzierten die Kriegsbestrebungen der Griechen gegen die Türken, Standard Oil finanzierte dafür die türkische Seite. Ähnlich sei auch das Engagement der Briten im Iran zu bewerten, wo die Erdölförderung bereits 1901 begonnen hatte.

William Marina, Professor Emeritus der Florida Atlantic University, plauderte munter aus seinem reich bestückten Nähkästchen, hatte jedoch Probleme, das eigentliche Thema seines Vortrags, die Beziehungen zwischen den USA und Iran, zu erreichen. Zunächst überraschte er durch einen originellen „Gag“: Er ließ von unter dem Podium zwei lebendige Friedenstauben fliegen, um sein Engagement gegen den kriegerischen US-Imperialismus zu verdeutlichen. Diesen sieht er als vorübergehende Übermacht „konterrevolutionärer“ Kräfte im ewigen Kampf zwischen Dezentralismus und Zentralismus. Seine aufklärerische Rhetorik stand dabei in deutlichem Gegensatz zu den Rednern des Vortages, beschuldigte er doch bereits im alten Griechenland die Aristokratie, eine „Reaktion“ gegen Demokratie und Wissenschaft eingeleitet zu haben. Im Laufe seines Vortrages fand er mehr Gefallen daran, über Technologie zu sprechen: Marina ist Anhänger der „peak oil“-Panik, fürchtet also versiegende Ölquellen und engagiert sich daher im Bereich alternativer, „nachhaltiger“ Technologien. Einen längeren Seitenhieb widmete er Microsoft. Heute würde die Ausbreitung von Technologien durch Patente verhindert, Microsoft sei großer Nutznießer, gar überhaupt eine Schöpfung der US-Regierung – die Argumentation dafür war allerdings nicht sonderlich schlüssig. Schließlich warnte Marina zurecht davor, dass sezedierende Regionen selbst nach der Sezession zentralistischer werden könnten.

Thomas DiLorenzo, Professor am Loyola College in Maryland, und der Mailänder Professor Marco Bassani, verfolgten den US-Imperialismus zurück zu den Ursprüngen der Vereinigten Staaten. Unter den Gründervätern wären die zentralistischen „Federalists“ den dezentralistischen „Anti-Federalists“ gegenüber gestanden. Deren Zugänge kulminierten in den konträren Positionen der Erbfeinde Alexander Hamilton und Thomas Jefferson. Ab den 1860ern hätte sich Hamiltons Linie schließlich durchgesetzte, die USA seien laut DiLorenzo heute eine „Hamiltonsche Republik“. Hamilton hätte von Anfang an die Grundlage einer neuen Imperialmacht schaffen wollen. Sein Ziel war ein Regierungschef auf Lebenszeit mit Veto-Macht, de facto ein König. In interessantem Kontrast zu dieser monarchischen Neigung, sprach Hamilton so wie Rousseau meist vom „general will“. Die Verfassung sah er als wertlos an, betonte jedoch die durch die Verfassung legitimierten „neuen Machtbefugnisse“, im Gegensatz zur Jeffersonschen Tradition, die die machtbeschränkende Bedeutung der Verfassung betonte. Besonders interessant ist Hamiltons Argumentation für eine stehende nationale Armee. Vorrangiger Zweck wäre es gewesen, die Einhebung nationaler Steuern zu ermöglichen. So berief Hamilton 10.000 Männer ein, um die Whiskey Rebellion, einen Steueraufstand, niederzuschlagen. Die Armee diente schließlich dazu, die Staaten zum Einheben nationaler Steuern zu zwingen. Bei diesen Ausführungen enttäuschte allein die ungenaue ideengeschichtliche Einordnung und die mangelnde Thematisierung der schon in dieser Kurzbeschreibung offensichtlichen ideologischen Widersprüchlichkeiten. Paul Gottfried erinnerte DiLorenzo und Bassani etwa daran, dass es eher Jefferson war, der sich der Tradition der französischen Revolution zurechnete. Das zentralistische Moment vieler historischer Liberalismen schienen DiLorenzo und Bassani auch zu übersehen, die holzschnittartige Kontrastierung von „libertarians“ und „statists“ blieb gänzlich unbefriedigend und gab den Ausführungen eine ahistorische, ideologische Schlagseite.

Der belgische Publizist Paul Belien folgte mit einem kurzen Kommentar über aktuelle Sezessionsbewegungen und äußerte die Hoffnung, dass sich einst England (nach der Loslösung von Schottland), Flandern und die Faröer Inseln in der EFTA außerhalb der EU wiederfinden könnten. Die Flamen seien etwa besonders EU-skeptisch, da diese, so wie das ungeliebte Belgien, von Brüssel aus regiert würde.

Sean Gabb, Direktor der britischen Libertarian Alliance, diskutierte die historische Bedeutung demographischer Dynamiken. Dazu betrachtete er das Beispiel der Ausbreitung des Islams. In wenigen Jahren hatten die Araber das gesamte oströmische Reich unterworfen und das Griechische durch das Arabische, sowie das Christentum durch den Islam ersetzt. Dies sei im Wesentlichen demographisch zu erklären: Zuvor waren die Griechen im Osten die dominante Minderheit in den Städten gewesen, die jedoch zunehmend durch hellenisierte und sich selbst hellenisierende nicht-griechische Zuwanderer ersetzt worden wären. Laut Gabb litten antike Städte an folgendem demographischen Problem: Da es sich um eher ungesunde Orte handelte, konnte sich die Bevölkerung nicht selbst reproduzieren. Daher waren die Städte auf laufende Zuwanderung aus dem Umland angewiesen. Die Neuankömmlinge mussten sich der dominanten städtischen Kultur anpassen. So wurde zwar nach und nach die Bevölkerung ausgetauscht, die Sprache und Kultur der Ursprungsbevölkerung blieb jedoch länger bestehen. Doch ein Wechsel der dominanten Kultur konnte dadurch sehr leicht und ohne militärische Einnahme erfolgen. Nachdem die griechische Kultur ihre Dominanz an die Araber verloren hatte, war dies für die semitische Mehrheitsbevölkerung der ehemals griechischen Städte im Osten keine sonderlich schwierige Umstellung.

Den dritten und letzten Tag der Konferenz eröffnete Christian Michel von Libertarian International. Er benutzte das Werkzeug der Psychoanalyse, um die Staatsneurose zu analysieren. Der Staat produziere notwendigerweise einen Zielkonflikt und damit eine Neurose, selbst wenn Heilige diesen führten. Denn das Grundprinzip des Staates ist Zwang. Dieser Zwang löst Schuldgefühle aus, wodurch sich die Betroffenen genötigt sehen, das Gegenteil zu predigen, um sich von dieser Schuld zu befreien. Darum das Gerede vom „Gemeinwohl“. Diese Neurose sei jedoch nicht unheilbar, die Therapie besteht darin, die wahre Identität herauszufinden und die eigenen Gefühle zu konfrontieren. Diese Therapie sei allerdings auf die aktive Kooperation des Patienten angewiesen. Dafür muss die Krankheit jedoch schmerzhaft sein. Es wäre daher die Aufgabe, das Staatsgetriebe für die Antreiber möglichst schmerzhaft zu gestalten. Michel kontrastierte schließlich den Staat mit der nichtneurotischen Institution Markt. Der Markt agiere nicht unter falschen Vorgaben, denn: „the business of business is business“. Dies bedeute jedoch keine bloße Geldorientierung, sondern im Wesentlichen Disziplinierung durch die Realität. Der Markt enttarnt früher oder später jeden „hoax“ (Schwindel) und verleiht dadurch Legitimität.

Edward Stringham, Professor an der San Jose State University, stellte die Frage: „Wenn der Anarchokapitalismus so großartig ist, warum existiert er dann nicht?“. Dazu widersprach er zunächst der neoklassischen Grundannahme konstanter Präferenzen. Dies ließe es nur noch zu, Anreize zu verändern, und wäre dadurch eine extrem deterministische Position. Stringham führte dagegen Mises und Bastiat an, die beide daran glaubten, dass langfristig Ideen wichtiger sind als Interessen – ein klarer Widerspruch zum Public Choice-Ansatz. So sei es nicht genug, dass alternative Institutionen bloß bessere Ergebnisse brächten, wesentlicher seien (de)legitimierende Ideen. Es ginge in erster Linie darum, sich von Illusionen zu verabschieden. Dies sei ein Prozess des „Verlernens“ (unteaching), die Menschen müssten ent-täuscht werden (untrick).

Mateusz Machaj von der Universität Breslau (Polen) analysierte die Minimalstaatsutopie kritisch. Eine Utopie definierte er als eine Ordnung, die aufgrund innerer Widersprüche nicht umsetzbar sei. Daher müssten utopische Denker rhetorische Tricks verwenden, um dies zu verschleiern. Einer dieser Tricks sei es etwa, Staat und Recht als Synonyme zu gebrauchen. Ein weiterer Hinweis auf den utopischen Charakter der Minimalstaatsfiktion sei, dass praktisch keine konkreten Beschreibungen dieser Konstruktion in der Literatur zu finden sind. So sei durchaus auch ein Maximalminimalstaat denkbar, wo etwa ein Polizist pro Bürger im Dienst sei. Aufgrund der Büchse der Pandora mit Namen „Umverteilung“ (Machaj spricht von Enteignung), sei dies sogar die wahrscheinlichere Ausführung der Utopie.

Dan Štastný, Vizedekan der ökonomischen Fakultät der Universität Prag, versuchte eine ökonomische Analyse der Ökonomie, d.h. der Ökonomen. Für ihn überraschend sei, dass nicht nur „libertarians“ über die Regierung klagten und mit ihrer Kritik weitgehend ignoriert würden, sondern auch Ökonomen. Die Folge sei eine gewisse Frustration innerhalb der Disziplin. Diese Frustration speise sich im Wesentlichen aus den Zielkonflikten zwischen Politikern und Ökonomen. Während Politiker eher durch Eigeninteresse getrieben würden, wäre die primäre Motivation von Ökonomen das Gemeinwohl. Da sich dieses aber nicht durchsetzen ließe, würden sich Ökonomen entweder in politisch irrelevante Aspekte der Theorie verkriechen oder selbst zu eigennützigen Motiven übergehen und Politikberater werden. Tja, eine solche Argumentation kommt heraus, wenn ein Ökonom die eigene Zunft analysiert …

Hans-Hermann Hoppe, der Gründer und Vordenker der Property and Freedom Society, trug selbst einen der besten und den zweifellos dichtesten Vortrag der Konferenz bei. Dabei handelte es sich offenbar um die gekürzte Fassung eines Kapitels seines neuen Buches, das er wohl in Kürze fertig stellen wird. Noch fehlt der Titel, doch dieser erste Einblick war sehr vielversprechend: Im Buch widmet sich Hoppe einer ökonomischen Analyse der Geschichte. Er setzt vor 50.000 Jahren an und betrachtet die Entstehung der wichtigsten menschlichen Institutionen, wie Privateigentum und Familie. Unsere Vorfahren, die als Jäger und Sammler lebten, hätten ein „parasitisches“ Leben geführt, indem sie nichts Neues schufen, sondern ausschließlich von dem lebten, was ihnen die Natur unmittelbar bot. Diese Formulierung hat einen überraschend ökologistischen Tonfall – schließlich konstatiert Hoppe gar ein malthusianisches Problem: Damals seien etwa 2-3 km² Fläche notwendig gewesen, um einen Menschen zu ernähren. Das Bevölkerungswachstum erzeugte daher einen existenzgefährdenden Druck, Abtreibungen und Kindsmord waren an der Tagesordnung. (Was die Bezeichnung dieses Lebensstils als „Paradies“, da nur wenige Stunden Arbeit täglich nötig waren, fragwürdig erscheinen lässt). Drei Optionen kämen als Reaktion auf den Bevölkerungsdruck in Frage: 1.) Den Lebensstil der Jäger und Sammler aufzugeben, 2.) Kampf, 3.) Migration. Zunächst führte Migration zur relativ raschen Besiedelung fast des gesamten Planeten durch Menschen. Dabei verloren die Kleingruppen schnell an Kontakt und entwickelten sich unterschiedlich weiter. Begünstigt wurden die Wanderungen durch die Eiszeit vor 12.000 Jahren, die zum Fallen des Meeresspiegels führte.

Als auch hier die Grenzen möglicher Migration erreicht waren, musste schließlich ein neuer Lebensstil angenommen werden: Die Herausbildung von Familien und Privateigentum an Grund und Boden. Familien sind eine Lösung für das Problem der Überbevölkerung, da Kosten und Nutzen des Nachwuchses internalisiert werden. Die Familie löst damit das sozialistische Modell unregulierten Sexualverkehrs ab. Das Grundeigentum bildet sich gemeinsam mit dem Übergang zum Ackerbau aus. Um Eigentum an Land zu begründen ist eine Handlung nötig, die in kausaler Verbindung zu einem Bedürfnis steht, d.h. den Ertrag erhöht. Durch das Pflücken der Beeren wird ein Busch noch nicht appropriiert, erst durch dessen Gießen und Pflegen.

Juliusz Jablecki von der Universität Breslau hielt ein Plädoyer für strategische „Postmodernität“, die er vom „Postmodernismus“ abgrenzte, der eher mit Kunst- und Literaturkritik verbunden sei. Der „postmoderne“ Diskurs hingegen konstatiere eine Krise der Moderne mit der Notwendigkeit radikaler Veränderung. Dabei berief sich Jablecki auf Lyotard, berühmt dafür, das Ende der alten „Meta-Erzählungen“ einzuläuten. Als Werkzeug diene ein so verstandener „postmoderner“ Diskurs dazu, die bisher für gültig befundenen historischen Narrative in Frage zu stellen. Die alten Wahrheits-produzierenden Institutionen zerfielen und würden abgelöst durch radikale Dezentralisierung der Wahrheitsfindung. Das Resultat könne ein „freier Markt der Ideen“ sein. Im Gegensatz zum „Postmodernismus“ sei der Relativismus der „Postmodernität“ weniger ausgeprägt, es gehe primär darum, die Monopole der Wahrheitsproduktion in Frage zu stellen, nicht die Wahrheit selbst.

Der französische Ökonom Olivier Richard machte den Abschluss mit einer strategischen Überlegung. Das Ändern von Ideen über den Staat erfordere große mentale Energie. Man könne niemanden davon überzeugen, diese Energie aufzubringen, wenn sie nicht durch intrinsische Faktoren, etwa ein Trauma, ausgelöst würde. Als mögliches Trauma befürchtet Richard einen Zustand am Rande des Bürgerkriegs, wenn die europäischen Wohlfahrtsstaaten innerhalb der nächsten 25 Jahre kollabieren. Dann, und schon heute, wäre Immigration das zentrale Thema. Die zwei klassischen Antworten auf die damit verbundenen Ängste seien Nationalismus und Religion, beide würden jedoch eher Konflikte verschärfen und damit erst Recht einen Krieg hervorrufen. Darum gälte es eine Alternative anzubieten als Antwort auf die Befürchtungen großer Teile der Bevölkerung. Diese Befürchtungen müsse man als gegeben hinnehmen, es wäre sinnlos, sie zu hinterfragen. Immigration sei ein explosives Thema, das viel mentale Energie generiere. Es ginge also darum, der westlichen Zivilisation zu zeigen, wie sie sich verteidigen könne, ohne ihren Grundwerten zuwider zu handeln. Dazu sei das Thema der Umverteilung mit dem Thema Immigration zu verknüpfen – letztlich also das Neid-Motiv zu nützen. Denn, so schloss Richard etwas frustriert, den Menschen seien Ökonomie, Langfristigkeit, Ethik herzlich egal. Eine gefährliche self-fulfilling prophecy ...

Die durch diese etwas pessimistische Note womöglich getrübte Stimmung wurde sodann von türkischen Bauchtänzerinnen wieder aufgehellt. Prof. Hoppe versprach, nach Möglichkeit ein kleines Privatseminar für Studenten in den Wintermonaten zu organisieren. Abschließend kann die Veranstaltung als großer Erfolg gewertet werden; knapp 60 brillante und unbequeme Denker bei perfekter Organisation in paradiesischer Atmosphäre zusammenzubringen, ist ein hoch anzurechnendes Verdienst. Angesichts der intellektuellen Fadesse ähnlicher Konferenzen wurde hier ein hervorragendes Kontrastprogramm geboten, von dem man sich mehr wünscht.


Hoppe Eigentum

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