Lynn und Vanhanen: IQ and the Wealth of Nations+46
An dieser Stelle sei etwas ausführlicher auf das
kontroversielle Thema der IQ-Forschung eingegangen. Auf liberty.li gab es
dazu im Vorfeld des Treffens der Property and Freedom Society eine heftige
Debatte. Hans-Hermann Hoppe hatte Richard Lynn und Tatu Vanhanen als
Vortragende eingeladen, die mit provokanten Thesen zur Korrelation von IQ und
ethnischer Zugehörigkeit aufwarten.
Lynn und Vanhanen behaupten, die alte Frage „Warum sind
manche Nationen reich, andere arm?“ beantwortet zu haben: Entscheidend sei die
durchschnittliche Intelligenz und hier gäbe es deutliche ethnische
Unterschiede. Es ließe sich eine globale Gaußsche Glockenkurve der Intelligenz
feststellen. Dabei bemühen Lynn und Vanhanen ausschließlich IQ-Werte, mit denen
Rankings für verschiedene Ethnien und Länder zusammengestellt werden. Diese
IQ-Werte entstammen unterschiedlichen IQ-Tests; fehlen solche, werden die
Ergebnisse aber auch mal durch Mittlung zwischen „ähnlichen“ (!) Ländern
„erraten“. Dieses Ranking wird angeführt von Hong Kong (Durchschnitts-IQ von 107), das Schlusslicht ist Äquatorialguinea mit einem erschreckenden Durchschnitt von 59. Entscheidend seien nun folgende Korrelationen: Der Durchschnitts-IQ
sei positiv mit Bildungsstand, Einkommen und Gesundheit korreliert, negativ mit
Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Wohlfahrtsabhängigkeit, alleinerziehenden
Müttern und Fruchtbarkeit. Bei Individuen sei die Korrelation zwischen IQ und
Einkommen 0.35, bei Nationen 0.71.
Dass diese Korrelation auch eine Kausalität darstellt, wurde
allerdings m.E. nicht überzeugend dargelegt. Die alte „nurture versus
nature“-Debatte wurde dahingehend für entschieden erklärt, dass 80% der Intelligenz
genetisch determiniert seien. Würde man jedes Kind in einer identischen
Umgebung aufziehen (der alte Traum der totalitären Egalitaristen), würde die
IQ-Diskrepanz nur um 20% sinken. Besonders bitter folgende scheinbare
Erkenntnis: schwarze Kinder, die von weißen Eltern aufgezogen würden, hätten
keinen nennenswert höheren IQ als andere Schwarze (nämlich einen im Schnitt
etwas niedrigeren als Weiße). Politisch unkorrekter geht es kaum.
Ihre kontroversielle Arbeit versuchen Lynn und Vanhanen
dadurch zu legitimieren, dass es darum ginge, zu zeigen, dass auch die
rücksichtslosesten Sozialingenieure keine vollkommene Gleichheit herstellen
könnten und der Egalitarismus damit widerlegt sei. Laut Vanhanen zerfalle daher
die Gesellschaft immer in sehr reiche, sehr arme und jene in der Mitte – eine
Glockenkurve.
Doch woher kommen diese offenbar signifikanten globalen
Intelligenzunterschiede? Lynn bietet folgende These an: Bei der Wanderung in
kältere Regionen wurden die intellektuellen Herausforderungen, die das
Überleben stelle, immer größer. Entsprechend sieht Lynn eine signifikante
Korrelation zwischen der Hautfarbe und der Größe des Gehirns (die Unterschiede
würden sich im Bereich von 5% bewegen). Auf eine provokante Formel gebracht: Je
heller die Haut, desto größer das Hirn. Aus wissenschaftlicher Sicht
problematisch ist an dieser These freilich, dass sie bei Lynn nach einem
Lamarckismus klingt. Denn plötzlich soll doch die Umwelt der entscheidende
Faktor sein. Zudem scheint die Geschichte nicht wirklich für diese These zu
sprechen, wenn man an die früheren Hochkulturen denkt.
Den höchsten Durchschnitts-IQ hätten in absteigender
Reihenfolge Juden, Ost-Asiaten (Japaner und Chinesen) und Europäer, den
niedrigsten Schwarze und Ureinwohner-Ethnien. Zahlreiche Charts zeigten die
postulierten Korrelationen in eindrücklicher Weise: So korreliert etwa der
Anteil an Chinesen in verschiedenen asiatischen Ländern exakt mit dem BIP pro
Kopf. Lynn überraschte schließlich mit der gänzlich unaufgeregten Bemerkung,
die Europäer würden die Fackel der Zivilisation wohl nach und nach an die
Chinesen abgeben. Dieser Gedanke schien ihn kaum zu stören, was ihn
glücklicherweise vor aggressiven politischen Schlüssen bewahrte.
Was ist nun von diesen Ausführungen zu halten? Zunächst
freilich wäre eine saubere Trennlinie zu ziehen, für welchen Bereich und mit
welcher Intention diese Überlegungen gedacht sind. Grundsätzlich fällt die
Arbeit nicht aus dem Rahmen herkömmlicher Statistik, auch wenn sich egalitäre
Kritik meist als Methodenkritik ausgibt, die bei politisch korrekter
Forschungsagenda verstummt. Die Grundfrage ist epistemologischer Natur –
nämlich, in wie weit die empirische Methode in den Sozialwissenschaften
Erkenntnis ermöglicht. Und aus dieser Perspektive wäre die Arbeit von Lynn und
Vanhanen eher nicht den Sozialwissenschaften zuzurechnen, denn sie beschäftigt
sich rein mit dem Subhumanen. Freilich, die Erkundung subhumaner Faktoren ist –
üblicherweise Gegenstand der Medizin und Biologie – weder irrelevant, noch
verwerflich. Bloß müsste die Grenze zu anthropologischen Gesichtspunkten etwas
deutlicher gezogen werden. Viktor Frankl stellt vollkommen zurecht fest: „Als
Gegenstand sittlicher Beurteilung fängt der Mensch als solcher überhaupt erst
an, wo er die Freiheit hat, sich der Gebundenheit an einen [Rassen-, Klassen-
oder Charakter-]Typus entgegenzustellen.“
Nun gebietet schon alleine der Respekt vor der
Menschenwürde, den Menschen, sobald er ein konkretes Gegenüber ist, nicht
ausschließlich als Instanz einer Kategorie zu behandeln. Doch sollte man den
Individualismus nicht ins Extrem übertreiben. Zweifellos kann im subhumanen
Bereich (der alles vor und außerhalb des Willensaktes umfasst) statistische
Gruppierung Erkenntnis ermöglichen. Gerade Dynamiken lassen sich durch Mittelung
oft wesentlich besser erkennen - wie dies etwa bei demographischen
Untersuchungen der Fall ist.
Lynn und Vanhanen kann also allenfalls vorgeworfen werden,
ihren Forschungsbereich nicht explizit genug vom anthropologischen Bereich abzutrennen, und daher einem gewissen Reduktionismus Vorschub zu
leisten. Die Betonung von materiellem Wohlstand und Intelligenz hat eine
ausgewiesen puritanische Note. Selbst wenn die Korrelationen, die glaubwürdig
erscheinen (auch wenn die Daten zum Teil sehr ungenau sind), tatsächlichen
Kausalitäten entsprechen, folgt aus den Zusammenhängen keinerlei normative
Implikation. Wer eugenische Schlüsse ziehen möchte, hatte schon ebensolche
Prämissen.
Trotzdem ist die Arbeit von Lynn und Vanhanen zweifellos
eine Bereicherung – in den engen Grenzen ihrer Relevanz. Die Hexenjagd gegen
die Autoren, wie sie zum Teil zu beobachten ist, ist absurd. Und sei es nur,
dass ihre Arbeit Futter für kontroversielle Diskussionen und Widerspruch
liefert – davon lebt Wissenschaft. In Kürze werden wir wohl beobachten dürfen,
wie politisch unkorrekte Statistik zu strafrechtlicher Verfolgung führt:
schlimmere Gedankenverbrechen gibt es heute kaum. Dies adelt die teils
fragwürdigen statistischen Methoden natürlich keinesfalls. Ob der Nachweis kognitiver
Diskrepanzen statistischer Gruppen ein geeignetes Gegenargument gegen den
primär ideologisch fundierten Egalitarismus ist, darf ebenfalls bezweifelt
werden. Lynn und Vanhanen sind jedenfalls ein gefundenes Fressen für
konstruktivistische Kritik – schon fast ein Lehrbuchbeispiel.
Hans-Hermann Hoppe widmete sich vor den Vorträgen ausführlich der Kritik an seiner Person für die Einladung dieser Redner und versuchte, jeden der (insbesondere auf liberty.li) vorgebrachten Punkte systematisch zu entkräften. Bekräftigend erwähnte er jedoch „linkslibertäre“ Einwände, um festzustellen: „We are not like you!“ Wenn ihn „Linkslibertäre“ (wer auch immer damit gemeint ist) kritisierten, wäre das vollkommen angebracht, denn er wolle sich ja sehr deutlich von diesen abheben.