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„Ja, Milch macht klug“

Schleichwerbung – bei ARD und ZDF längst der Normalfall
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Jetzt wurde es selbst dem ZDF zu viel. Iris Berben als Kommissarin „Rosa Roth“ soll keinen Phaeton mehr fahren. Die teure Luxuslimousine von Volkswagen gehöre nicht zu den normalen Ausstattungsmerkmalen einer Kripokommissarin, so die offizielle Begründung. Merkwürdig nur, dass für den Phaeton in der Krimiserie gar kein Geld bezahlt worden war. Der Berliner Fernsehproduzent Oliver Berben, Sohn der Schauspielerin, erhielt das Auto vom Hersteller als kostenlose Beistellung für die Dreharbeiten. Rundfunkrechtlich ist das nicht zu beanstanden.

Ganz anders war das bei der in Berlin spielenden Serie „Sabine!“. Volkswagen zahlte dem ZDF 100 000 Euro, damit sein „Beetle“ werblich in Szene gesetzt wird. Die musikuntermalte Szene mit einer Nachtfahrt des Modeautos durch Berlin, wie sie ein regulärer Werbespot nicht besser hätte liefern können, war über eine Minute lang. Es war aber nicht der freie Auftragsproduzent Phoenix, der sich auf dieses fragwürdige Nebengeschäft eingelassen hatte, sondern die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt höchstselbst.

Und das gleich viermal, wie der Fachdienst „epd medien“ Mitte März berichtet hatte: Außer Volkswagen wurden noch die Marketingagentur der deutschen Agrarwirtschaft CMA, die Deutsche Post AG und das Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz bedacht – in werbewirksamen Bildern und in willkürlich eingeschalteten Dialogen: „Ja, Milch macht klug, und ein Großteil unserer Schüler kann Hilfe dieser Art sehr gut gebrauchen.“

Außer Werbung für die gesunde Milch gab’s mitten im ZDF-Abendprogramm auch reichlich Alkoholreklame: Wo immer es ging, wurde Wein getrunken; klar erkennbar aus Rheinland-Pfalz. Minister Artur Bauckhage (FDP), der selbst einen kurzen Promi-Auftritt in der Serie hatte, ließ dafür geschätzte 120 000 Euro an das ZDF überweisen. Staatsknete für Schleichwerbung in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm? Peinlich auch für den Chef der Mainzer Landesregierung, Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der sich als Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrat „wiederholt kritisch“ mit dem Thema Product Placement im Programm auseinandersetzen musste.

Die Mitarbeiter sind zu kreativ

Vom Fernsehrat zur Stellungnahme aufgefordert, gelobte ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut Besserung. Drehbücher, die im Interesse von Kooperationspartnern umformuliert werden, das soll es nicht mehr geben. Die Obersten auf dem Lerchenberg waren für solche Entgleisungen, die man eher bei Kommerzsendern erwartet hätte, aber offenbar nicht verantwortlich. „Die Mitarbeiter“, so Bellut, „haben da eine Kreativität entwickelt, die zu intensiv war.“ Die „Mitarbeiter“, das ist eine eigene Abteilung beim ZDF, die bereits seit 18 Jahren solche Nebeneinnahmen akquiriert. Rund 20 Millionen Euro konnten so im vergangenen Jahr erlöst werden – neben rund 1,5 Milliarden an Fernsehgebühren und einem kleinen Beitrag aus regulärer Werbung. Hier hat sich eine Schattenwirtschaft entwickelt, die noch wenig bekannt ist.

Die Enthüllungen über die ZDF-Praktiken kommen ungelegen, weil gerade die nächste Gebührenerhöhung politisch verhandelt wird. Auch nach einem Ja-Wort der Ministerpräsidenten wäre die (erforderliche) Zustimmung aller 16 Landtage keineswegs sicher. Und in dieser Situation ist das ZDF kein Einzelfall: Auch bei der ARD mehren sich die Skandalmeldungen – zuletzt um die Machenschaften von Jürgen Emig, aus dem Ersten bekannt als Radsport-Reporter. Als Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR) soll Emig reichlich selbstherrlich entschieden haben, welche Sportveranstaltung übertragen wird und welche nicht. Wer zahlte, kam ins Programm, sagen Emigs Kritiker. HR-Intendant Helmut Reitze fand die Vorwürfe immerhin so gewichtig, dass er Emig seines Postens enthob.

Wer zahlt, kommt ins Programm

Dabei ist der Fall Emig mehr als individuelles Fehlverhalten. Das Einfordern von „Produktionskostenzuschüssen“ hat Methode. Der HR geriet vor knapp einem Jahr schon einmal in die Schlagzeilen, nachdem epd gemeldet hatte, dass die Unternehmerinitiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ über Umwege einen ARD-Dreiteiler über Fehler in der deutschen Sozialpolitik mitfinanziert hatte. Zur besten Sendezeit im Ersten durfte der preisgekrönte Filmautor Günter Ederer seine neoliberale Sichtweise der Dinge darlegen.

Unter dem Pluralismusgebot sollte das inhaltlich zwar erlaubt sein. Problematisch ist aber das Finanzierungsmodell, das der HR zusammen mit seinem Auftragsproduzenten Ederer ausgeheckt hatte. Ederer behielt die Videorechte an dem Dreiteiler und konnte sie anschließend an die Unternehmerinitiative weiterverkaufen. So kam genügend Geld zusammen, um drei statt nur zwei Folgen ins Programm zu hieven. Der Regelkreis der Pro-Kapital-PR schloss sich an jener Stelle, wo nach jeder Sendung zur Bestellung der Videokassetten zum Stückpreis von zwölf Euro aufgerufen wurde.

Im HR-Rundfunkrat und in der Ständigen Programmkonferenz der ARD konnte darin aber niemand eine „unlautere Mischfinanzierung“ erkennen. Ob im Ersten oder im Zweiten: Das neue Drittmittelfernsehen gilt nicht mal mehr als Kavaliersdelikt, sondern als Ausweis einer marktgerechten Modernität. Vom Ideal der Unabhängigkeit hat man sich anscheinend schon längst verabschiedet.
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Comment
von   ping-neutron | 25.04.2008 12:30:55 Uhr
Wieso verschleiert Lilienthal Selbst-Zitate
Wieso hat es Lilienthal nötig, sich selbst als epd zu zitieren? Im Fall INSM Videorechte für ARD Produktionen zitiert er den epd als Quelle, den kommentierenden Beitrag hatte er aber selbst erstellt, namentlich gekennzeichnet. Das nennt man Kick-back, und es ist eine unsaubere Praxis.


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