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Turin Brakes

Turin Brakes

 

04.10.05 - Kalkscheune / Berlin

Interview:  Alice

Foto: Pressefoto

 

 

 

Turin Brakes spielen an diesem Abend in der Kalkscheune. Sie werden vor allem ihr neues, drittes Album „JackInABox“ vorstellen. Angeblich ist Olly Knights derjenige, der meistens die Interviews zu vermeiden versucht. Deshalb bin ich ein wenig überrascht, dass er und nicht seine zweite musikalische Hälfte Gale Paridjanian in den Raum kommt und gutgelaunt und sehr geduldig alle meine Fragen beantwortet.

Soundmag: Nach eurem zweiten Album „Ether Song“, das in L.A. produziert wurde, habt ihr euch entschieden, das dritte aktuelle „JackInABox“ wieder zu Hause in London aufzunehmen. Warum?

Olly Knights: Wir wollten einfach wieder zu Hause arbeiten. Also haben wir uns ein Studio in unserer Nähe – Gale und ich wohnen nicht weit von einander entfernt – eingerichtet und nahmen uns vor ein Homemade-Album zu machen. Es ist nicht so, dass wir das zweite nicht mochten. Wir mögen es sehr, wollten uns aber auf keinen Fall wiederholen.

Soundmag: „JackInABox“ hat zwar ein paar neue Elemente wie z.B. funkige Einlagen in „Asleep With The Fireflies“, was die Songstrukturen und Melodieaufbau betrifft, bewegt es sich doch eher in Richtung „The Otimist LP“. Kannst du sagen, ob es daran liegt, dass eure Fans sich wieder diese Art von Songs gewünscht hätten, oder wolltet ihr wieder zurück zum Ursprünglichen.

Olly Knights: Ich denke, jede Band, die mehr als ein Album gemacht hat, hat immer dieses Problem, das ein Teil der Fans das erste, ein Teil eher das dritte oder zweite Album, besser findet. Das wird auch so bleiben. Du kannst es niemandem recht machen und man sollte sich auch nicht darauf verlassen, sondern einfach das tun, was man selbst als Künstler für richtig hält.

Soundmag: Wie entsteht eure Musik, wer hat dabei welchen Part?

Olly Knights: Normalerweise legen wir einfach los und schauen was passiert. Gale ist ein unglaublich guter Gitarrist und Bassist, er hilft mir dabei, das, was ich angefangen habe, weiter zu entwickeln. Er korrigiert die Songstruktur, manchmal auch den Text, oder ergänzt die einzelnen Parts.

Soundmag: Und du bist eher für die Texte zuständig…

Olly Knights: Ja, alles was mit den Texten und dem Gesang zu tun hat, ist vor allem mein Part. Und dann setzen wir das alles zusammen. So funktioniert’s.

Soundmag: Hast du dein persönliches Turin-Brakes-Lieblingsalbum?

Olly Knights: Es ist tatsächlich so, dass ich am ersten Album absolut nichts auszusetzen habe. Da stimmt einfach alles. Es war einfach die reinste Form des Ausdrucks, ohne Hintergedanken, ohne Business, ohne die Musikindustrie… es ist eine wunderschöne Platte. Und ich weiß es. Und wenn ich sie mal höre, dann denke ich: Wow, ist das stark! (lacht) Bei dem zweiten Album, ok, da gibt es Stellen, die sind auch klasse, aber auch ein paar schwache Momente. Es war in erster Linie eine Art Lektion, ein Lerneffekt für uns. Es war wichtig zu sagen, ok, jetzt gehen wir weiter und lernen etwas völlig neues.

Soundmag: War es demnach schwierig für euch das den Weg zu dem dritten Album zu finden?

Olly Knights: Ein wenig vielleicht, aber wir wollten uns auf jeden Fall wieder diesem Sound, dem Spirit, der Idee der ersten Platte nähern. „JackInABox“ beinhaltet zwar auch sehr viele unterschiedliche Stile, wir wollten aber, dass diese Songs Spaß machen, dass sie sich nicht zu sehr mit Schmerz und Sorgen beschäftigen.

Soundmag: Das erste Lied Auf „JackInABox“ thematisiert das Berühmtsein. Ist das eine Art Warnung an euch selbst?

Olly Knights: So könnte man es interpretieren. Wir waren plötzlich ziemlich erfolgreich und haben uns in einer Art Erfolgs-Maschinerie wieder gefunden, die wir nicht wirklich mochten. Deshalb sagen wir ganz bewusst im ersten Song „They can’t buy the sunshine“.

Soundmag: So ähnlich thematisiert ihr es auch in „Fishing For A Dream“ mit der Zeile mit „Celebrity Parties“…?

Olly Knights: (Lacht) Oh ja, als dieser Song als Single herauskam, haben viele es total missverstanden. Dachten: Oh klar, die Turin Brakes singen jetzt nur noch über „Celebrity Parties“. Es war ein Joke, wir gehören nicht zu dieser Lifestyle-Welt, wollten es auch nie, wir sind ja auch nicht wirklich berühmt. Uns geht es zwar gut, aber wir sind keine Popstars. Wir hatten einfach unsere fünf Minuten.

Soundmag: Hast du dir schon mal gewünscht mal was anderes als Musik zu machen? So mit: „Ich hab echt keine Lust mehr auf diese Konzerte und die Touren und das Ganze“…

Olly Knights: Ja! Ja! Jedes mal nach einer langen Tour denke ich: Ich will in einer Bank arbeiten!!! (lacht). Nein, ich würde mich echt umbringen wenn ich keine Musik machen könnte. Es ist ein großes Privileg dein Geld mit Kreativität zu verdienen, ich hoffe, es bleibt so.

Soundmag: Ihr habt eine Amerika-Tour hinter euch. Wie war’s?

Olly Knights: Es war wirklich gut. Aus bestimmten Gründen hat es bis jetzt mit USA nicht geklappt. Und jetzt waren wir fünf Wochen dort und haben unglaublich viel gespielt. Das Publikum und die Presse mochten uns. Während der Tour haben wir dann beschlossen, all die Synthesizer und Keyboards auf der Bühne wegzulassen und wieder zu den akustischen Gigs zurückzukehren. Zwar immer noch sehr „rocky“ aber doch nur mit A-Gitarren und einem Piano, Schlagzeug und Double-Bass und das war’s. Es klang wieder so intim und cool gleichzeitig. Wir hatten keine Lust eine Art Coldplay zu sein. Dachten: Lasst uns sitzen bleiben, nicht stehen und so tun als ob wir Rockstars wären. Einfach sitzen bleiben. Und das hat sehr gut funktioniert.

Soundmag: Also so, wie am Anfang eurer Karriere?

Olly Knights: Ja, genau. Als wir etwas bekannter wurden und plötzlich auch bei vielen Festivals spielten, wo du ja nicht unbedingt reduziert spielen kannst, hat sich unser Sound zunehmend verstärkt. Noch vor einem halben Jahr haben wir wie Napalm Death geklungen (lacht). Es war so groß, so laut und so lächerlich, ein einziges „big noise“. Und irgendwann dachten wir, das ist wirklich idiotisch und sind wieder zu dem Punkt zurück, wo man die Turin Brakes auf der Bühne gesehen hat und wusste, das sind die Turin Brakes. Und ich glaube, die Leute mögen es auch.

Soundmag: Welche Musik magst du denn privat?

Olly Knights: Ich stehe total auf die intelligente Singer-Songwriter-Musik. Klassiker wie Joni Mitchell, Neil Young, Leonard Cohen. Aber es ist natürlich nicht immer nur diese Musik und natürlich nicht generell einfach nur „Singer-Songwriter“. Da gibt es große Unterschiede.

Soundmag: Das stimmt allerdings. Und es ist ziemlich schwierig, diesen Unterschied festzumachen. Nicht jeder traurige Junge mit einer Akustikgitarre ist automatisch ein guter Singer-Songwriter.

Olly Knights: Genau, es ist schwierig, das den Leuten zu erklären, aber diese Grenze zwischen grauenvoll und genial ist wirklich sehr, sehr dünn.

Soundmag: Gibt es schon Ideen für ein neues Album?

Olly Knights: Wir denken schon langsam darüber nach. Es gibt erstmal eine neue EP mit zwei Cover-Versionen und zwei total neuen Songs. Einen davon haben wir erst vor zwei Wochen aufgenommen. Es ist, wie ich finde, ganz anders als bis jetzt. Zwar immer noch mit „acoustic flavour“ aber unglaublich energie-geladen. Die Lieder werden mit Sicherheit etwas ernster, immer noch sehr schön, denke ich, mit überraschenden Melodien, die man so nicht erwartet hätte. Wie es dann produziert wird, das wissen wir noch nicht. Erst müssen wir die Songs schreiben. Eins ist sicher: wir scheren uns nicht um Popmusik, oder was von uns im Radio gespielt wird.

Soundmag: Aber ganz ehrlich, ist das nicht total schwierig, so ganz darauf zu verzichten?

Olly Knights: Es ist beinahe unmöglich, denn wenn deine Musik nicht im Radio gespielt wird, ist es natürlich schwierig, sie zu verkaufen. Aber! Während der Arbeit an „JackInABox“ haben wir angefangen zu entdecken, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. So wurde z.B. die neue EP fast ohne Einfluss unseres Labels aufgenommen. Wir haben sie im Prinzip selbst veröffentlicht. Und wir würden gerne weiter diesen Weg gehen. Dafür zwar nicht am Mainstream teilnehmen, aber mit Sicherheit immer noch da sein, für die Leute, die uns weiterhin kennen und hören wollen. Wir wollen es einfach versuchen. Ohne große Werbekampagnen, ohne Hit-Singles, ohne unsere Musik dahin zu biegen, wo Andere sie haben wollen. Dafür weiterhin mit guten Shows, mit guten Alben, so dass die Leute wirklich dabei sind, weil sie es auch wollen.

Soundmag: Ich hoffe und wünsche euch sehr, dass es euch gelingt. Vielen Dank!

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