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Lodger

Lodger

 

18.10.05 - Magnet / Berlin

Interview:  Brian & Jan

Foto: Pressefoto

 

 

 

Nach einem leider recht spärlich besuchten, jedoch fantastischen Konzert, trafen wir Sänger Teemu und Bassist Hannes im Backstageraum des Magnets. Beide wirkten schon ziemlich gut drauf. Das folgende Interview dauerte ca. eine Stunde und wurde oft von Unterhaltungen mit den anderen Bandmitgliedern unterbrochen. Hast du die Marken fürs Bier? Haben wir überhaupt noch welche? Wo ist der Weißwein? Kann ich was von deinem Tabak haben? So ist es nicht verwunderlich, dass wir nur 20 Minuten brauchbaren Materials erhielten. Eigentlich egal, wenn man bedenkt, wie sympathisch beide waren. Zum Einstieg wurden wir gefragt, ob uns das Konzert gefallen hat und ob man eigentlich nach dem Sex jemanden fragen darf, ob selbiger gut war. Wir einigten uns darauf, dass diese Frage ein absolutes „No go“ ist, man jedoch aus freien Stücken sagen darf, wenn die soeben erolgte soziale Interaktion gut war. Nebenher wurde auch noch diskutiert, ob Meg White eigentlich ein Roboter ist, wie es wohl wäre, wenn man alle Einwohner Finnlands mit denen Berlins austauschen würde, welche Musiker über 30 noch gute Musik machen und ob HIM eine schlechte Band ist. Kurz: Ein turbulentes Interview, das sehr viel Spaß gemacht hat und nur begrenzt wiedergegeben werden kann.


Soundmag: Eure Schnauzbärte sind ja wirklich echt.

Hannes: Ja, natürlich. Wir haben vor einem Monat damit angefangen, sie wachsen zu lassen. Speziell für Deutschland.

Soundmag: Weil jeder in Deutschland Schnauzbart trägt? Wieviele Vorurteile kann man eigentlich haben?

Hannes: (lacht) Wir wollten dazugehören.

Soundmag: Das tut ihr!

Teemu: Wir würden auch Make-up tragen. Außerdem haben wir unsere Masken vergessen.

Hannes: Wir lassen die Bärte erst mal dran. Mit der Zeit sehen sie immer besser aus.

Soundmag: Und in zwei Jahren seht ihr dann aus wie ZZ Top.

Hannes: Absolut.

Teemu: Ich möchte meinen Bart so lang wachsen lassen, dass ich ihn auf meine Haare legen und wie einen Pony ins Gesicht fallen lassen kann.

Soundmag: Das ist krank!

Hannes: Komisch. In Deutschland findet keiner diese Dinger lustig. In Finnland haben die Leute gelacht, wenn sie uns so gesehen haben. Dort trägt nämlich keiner einen Schnauzbart. Wirklich niemand, weil es so was von uncool ist. Eigentlich wollten wir damit genau das ausdrücken. Ich habe jetzt seit einem Monat keinen Sex mehr mit meiner Freundin gehabt, weil sie die Haare über meinem Mund einfach nur schrecklich findet. Aber nach der Tour kommt der Bart ab.

(Plötzlich taucht eine Flasche Wein auf, die natürlich erst mal geöffnet werden muss. Die verschiedenen Parteien tauschen sich darüber aus, ob die beiden Herren von Lodger eigentlich schon betrunken sind - natürlich nicht, wenn man Finnland als Standart nimmt. Dieser Vorgang nimmt mehrere Minuten in Anspruch und endet mit einem lauten “Plopp“.)

Soundmag: Wir würden jetzt gern mit dem Interview beginnen.

Hannes: Ich dachte, ihr wärt schon fertig.

Soundmag: Dachten wir auch. Also: Ich habe gelesen, dass euer Album bereits 2003 erschien.

Teemu: Stimmt. Wir haben Hi-Fi High Lights Down Low damals in Eigenregie veröffentlich.

Hannes: Wir hatten keine Plattenfirma oder Manager. Deshalb haben wir die Platte über Internet vertrieben und so ca. 3000 Alben verkauft, bevor sie auf Cargo Records erschien.

Soundmag: Langweilen euch die Songs nicht mit der Zeit?

Teemu: Wenn wir sie auf Konzerten spielen, ist es okay aber bei unseren Proben kommt schon manchmal die Frage, ob wir die alten Songs wirklich noch mal spielen müssen.

Hannes: Stimmt. Live ist immer noch etwas anderes. Wir haben ja seit 2003 nicht so viele Konzerte gegeben. Und wenn man dann auf der Bühne steht und gute Reaktionen vom Publikum bekommt, ist es mir egal, welche Songs ich spiele. Das macht dann einfach nur Spaß.

Soundmag: Würdet ihr sagen, dass die Videos zu euren Songs eine große Hilfe für euch waren?

Hannes: Oh ja. In Finnland leben nicht so viele Menschen, es gibt also keinen großen Markt für Musik. Und so muss man etwas anzubieten haben, was dich aus der Masse hervorhebt, dir Aufmerksamkeit verschafft, wie unsere Flash-Animations-Videos beispielsweise.

Soundmag: Seit ihr dadurch in Finnland bekannt geworden?

Hannes: Ja, ein bisschen. Unsere Songs werden ab und zu im Radio gespielt. Wir haben auch einige Fans, sind aber weit davon entfernt, wirklich bekannt zu sein.

Teemu: Bei uns haben Künstler keine große Chance, die englisch singen. Ausnahmen gibt es natürlich immer. Entweder sind das dann Bands, die in anderen Ländern schon groß sind und nach Finnland rüberschwappen oder Bands, die Heavy Metal machen.

Soundmag: Teemu, du hast noch bevor Lodger entstand ein Demo aufgenommen, dass du ausschließlich nur für dich gemacht hast. Hast du nie daran gedacht, dass du mit deiner Musik einmal bekannt werden könntest?

Teemu: Eigentlich nicht. Natürlich gibt es tief in mir den Wunsch, dass viele Menschen meine Musik hören. Ich habe aber nie darüber nachgedacht. Eigentlich wollte ich nur mal hören, wie meine Songs auf Platte klingen. Dafür habe ich damals auch mein ganzes Geld ausgegeben. Die Videos von Hannes haben es dann möglich gemacht, dass mehr als fünf Leute diese Songs kennen. Nachdem das Video zu Doorsteps einige Preise bekam, fing dann auch die ganze Sache an, zu rollen.

Soundmag: Was kam bei eurer aktuellen Single I love death zuerst? Die Musik oder der Text?

Teemu: Tatsächlich war die Musik zuerst da. Irgendwo lagen von Hannes noch unbenutzte Texte herum und einer davon hat perfekt gepasst.

Soundmag: Wenn man nun aber die poppige Komposition dieses Songs gegen den Text hält, fällt einem schon auf, dass beides gar nicht so recht zusammenpassen will.

Hannes: Das ist genau das, was wir erreichen wollen. Diesen Gegensatz herauszuarbeiten. Schnelle Songs mit traurigen Texten oder umgekehrt.

Teemu: Eigentlich denken wir nicht groß darüber nach. Doch wenn es passiert, freuen wir uns.

Soundmag: Viele Leute vergleichen euch mit Beck, den Dandy Warhols oder David Bowie...

Hannes: Wir klingen für die Leute genauso, wie sie es empfinden. Wenn wir nach den Dandy Warhols klingen, soll es eben so sein. Ich würde eher sagen, dass Devo einen großen Einfluss auf unsere Musik haben. Das merkt man besonders in Songs wie 24h candy machine.

Teemu: Für mich ist David Bowie ein ganz großer Held. Deshalb ist dieser Vergleich in Ordnung.

Soundmag: Würdet ihr mit ihm zusammen arbeiten, wie Kashmir oder Placebo?

Teemu: Vielleicht. Wenn er uns fragen würde. Obwohl ich wahrscheinlich ziemlichen Respekt vor ihm hätte. Ich wäre sicher viel zu schüchtern, wenn ich mit ihm im Studio stehen würde. Er könnte ja mal in einem unserer Videos mitspielen.

(Hier entsteht jetzt eine weitere Pause, da sich die verschiedenen Bandmitglieder gegenseitig vorwerfen, den ganzen Alkohol im Backstagebereich ausgetrunken zu haben.)

Soundmag: Was hört ihr eigentlich zur Zeit?

Hannes: (denkt nach) Ich höre gerade nicht so viel Musik. Und wenn, höre ich die Eels oder Beck. Obwohl ich das Album Sea change von Beck nicht so gut wie alle anderen fand. Da ist eigentlich nur ein schöner Song drauf. Dennoch hat mir die Stimmung des Albums gut gefallen. Außerdem mag ich Nick Drake sehr gern. Sea change hört sich sehr nach Nick Drake an.

Soundmag: Würdet ihr jemals den prägnanten Gitarrenteil von Satisfaction von den Rolling Stones für einen eurer Songs verwenden?

Hannes: (lacht) Ja, würden wir. Warum auch nicht. Ich weiß, was du meinst. Du redest von Ordinary men make ordinary music, oder?

Soundmag: Ja. Anfangs dachte ich nur: “Verdammt, diese Gitarre kenne ich”. Kam aber nicht drauf. Bis ich es irgendwann mal jemandem vorgesungen habe.

Teemu: Das war ein Zufall. Ich habe das Demo von diesem Song mit Akustikgitarre aufgenommen. Als wir dann die Gitarre dem Rhythmus angepasst haben, sagte jemand, dass diese Gitarre wie die von Satisfaction klingt.

Hannes: Wenn man Pop oder Rock macht, ist man sehr limitiert. Alles war schon mal da. Das beste Beispiel dafür ist Interpol, die ich wirklich toll finde.

Soundmag: Die ja immer behaupten, dass sie Joy Division nicht kennen.

Hannes: Yeah, fuck you. Das kann mir keiner erzählen.

Teemu: Aber ich kenne die Rolling Stones nicht!

Hannes: Ja ja. Und die Beatles bestimmt auch nicht. Heutzutage klingt jede Band irgendwann mal nach einer der drei genannten.

Teemu: Am Ende ist es doch einfach so, dass es viel zu viel Musik gibt. Natürlich viel mehr schlechte, als gute. Und da gibt es einfach immer noch zu viel, was ich hasse.

Hannes: Er ist kein Singer/Songwriter, er ist ein Singer/Songhater. (lacht)

Soundmag: Hasst ihr eure eigene Musik manchmal?

Hannes: Nach einiger Zeit, schon.

Teemu: Manchmal spiele ich der restlichen Band Demos vor, die ich nicht so mag und dann kann es schon vorkommen, dass sie den Song toll finden. Wenn ich denke, dass ein Lied wirklich schlecht ist, spiele ich es nicht der Band vor. Doch wenn ich mir nicht sicher bin, ob der Song nerven könnte oder vielleicht doch ganz gut ist, spiele ich ihn den Jungs vor und die sagen dann, wie sie ihn finden. Aber eigentlich zeige ich ihnen alle Demos, die ich aufnehme. (lacht)

Hannes: Ihr solltet die neuen Songs mal hören. Die sind verdammt großartig. Unser zweites Album wird so viel besser als High-Fi High Lights... werden.

Soundmag: Habt ihr das neue Album schon fertig aufgenommen?

Hannes: Nein, das machen wir, wenn wir von unserer Tour zurück sind. Aber wir haben schon alle Songs geschrieben. Die Platte wird wahrscheinlich How vulgar heißen und nächsten Frühling erscheinen. Ich freue mich schon sehr auf dieses Album, weil es so gut werden wird.

Soundmag: Dann werden wir euch nächstes Jahr wohl wieder in Deutschland sehen.

Hannes: Ich hoffe. Heute morgen bin ich nach unserem Gig in Hamburg um acht Uhr aufgewacht und durch die Stadt gelaufen. Das war wirklich schön.

Teemu: Mich erinnert Deutschland irgendwie an Finnland. Nur dass hier alles größer und weiter ist.

Hannes: In Finnland kann man in jeder Stadt Wasser aus der Leitung trinken. Ich habe gehört, dass das hier nicht geht. Das wäre wohl auch ein Unterschied zu unserem Land.

Soundmag: Das könnt ihr in Berlin aber auch.

Hannes: Echt? In Hamburg wurde uns gesagt, dass wir es nicht trinken sollten, weil dort das Wasser aus der Leitung nicht sauber ist.

Teemu: Und Wasser aus der Flasche ist so teuer bei euch.

Soundmag: (Jan): Ich habe mich übrigens noch nie über Wasser unterhalten. (Brian): Ist doch egal. Beim Interview mit Editors haben wir uns über Phil Collins unterhalten!

Hannes: Ja, lass uns über Phil Collins reden. Wir haben einen Song über ihn gemacht. Short man on TV. Wir hassen ihn. Er ist ja schon so lange im Musikbusiness, und wir glauben, dass es ihn nicht mehr gibt und er von einem Roboter ersetzt wurde. Phil Collins ist ein wirklich schlechter Sänger.

Soundmag: Vielleicht werdet ihr ja sterben und bei der nächsten Tour von Robotern ersetzt werden.

Teemu: Nein. Wenn wir vor der nächsten Tour sterben, werden wir von David Hasselhoff ersetzt werden. Ich weiß, dass alle sagen, dass die Deutschen ihn mögen, obwohl das nicht stimmt.

Hannes: Aber ich mag Knight Rider. Und Streethawk. Ich habe alle Folgen gesehen. Habt ihr eigentlich auch richtige Fragen?

Soundmag: Okay, kommen wir zu unserer ersten Frage: Warum... Ich weiß übrigens nicht, wie ich dieses Interview später aufschreiben soll.

Hannes: Ist doch egal. Normalerweise werden wir immer gefragt, wer wir sind, welche Art von Musik wir machen und woher unser Name kommt. Man sollte sich schon vorbereiten, wenn man ein Interview macht. Wenn wir Interviews für das Fernsehen geben, wird uns eine Frage gestellt und wenn wir sie beantwortet haben, bleibt das Mikrophon immer noch vor unserem Gesicht. Ich frage mich dann immer, ob ich noch mehr erzählen soll. Ich hasse das. In Finnland werden wir immer gefragt, wie wir unsere Videos machen oder wie wir uns vermarkten. Schrecklich. Ich glaube, dass dies das beste Interview ist, was wir jemals hatten.

Soundmag: Vielen Dank und danke für das Interview.

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