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Diefenbach

Diefenbach

 

21.11.05 - Knaack / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Bandfoto

 

 

 

Diefenbach. Klingt irgendwie deutsch. Als ob die Vier direkt um die Ecke wohnen würden. Ein wenig ist es sogar so, denn Diefenbach sind bereits zum vierten Mal in einem Jahr in Berlin. Heute als Support für Nephew – Dänemarks erfolgreichste Band at the moment. Dieser Fakt wird einem an diesem Abend einige Male nahe gelegt. Die Dänen kennen sich in der Hauptstadt jedenfalls bald besser aus als so mancher Brandenburger aus dem Speckgürtel. An einem kalten Montagabend sitzen Allan (Gesang, Bass), Lasse (Gitarre, Keyboards) und Stefan (Drums) im voll gepackten Bandbus und im Kühlschrank steht mal wieder nichts anders als Bier.

Soundmag: Ich bin mal gleich ehrlich. Wir bekamen die Zusage für das Interview erst vor einigen Stunden. Das heißt: Ich kenne euer Album, ich weiß, ihr kommt aus Dänemark, aber mehr weiß ich leider nicht.

Lasse: Kein Problem. Den Rest können wir dir erzählen. Wir kommen aus Kopenhagen und sind eigentlich zu fünft. Heute fehlt einer, der leider arbeiten muss. „Set & Drift“ ist unser drittes Album. Das erste haben wir auf unserem eigenen Label in Dänemark veröffentlicht. Davon gab es nur um die 500 Exemplare. Album Nummer zwei haben wir zwar auch noch selbst veröffentlicht, wurden aber kurz danach von Wall Of Sound gesignt, die es dann noch mal und auch international veröffentlichten. Auf „Set & Drift“, das im Juli erschien, arbeiten wir jetzt zum ersten Mal in allen Songs mit Gesang. Früher gab es viele Instrumentalstücke mit versetzten Gesangsstücken hier und da. Das neue Album unterscheidet sich also recht deutlich von dem, was wir vorher getan haben.

Soundmag: Wie lange seid ihr jetzt als Band zusammen?

Alle zusammen: Sechs Jahre.

Allan: Seit Ende 1999.

Soundmag: Wie habt ihr euch kennen gelernt?

Allan: Über Anzeigen. Unser Gitarrist hatte sie veröffentlicht und zählte darin einige Bands auf: Jeff Buckley, Radiohead usw. Die üblichen Verdächtigen. Ich dachte, dass das wirklich erstaunlich klingt und habe mich bei ihm gemeldet. Bei den anderen war es ähnlich.

Lasse: Obwohl wir alle unsere ganz persönlichen Vorlieben haben. Diese verschiedenen Richtungen kannst du auf dem Album auch sehr gut hören. Manchmal arbeiten wir mit Beats und elektronischer Musik und wenig später hörst du sehr reduzierte akustische Musik. Das liegt sicher darin begründet, dass wir aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Wir sind nun mal nicht fünf Jungs, die aus der gleichen Stadt kommen und dieselben drei Alben mögen.

Soundmag: Solange es intern keine Probleme gibt, wenn der eine partout keine Lust auf Elektronik hat.

Lasse: Oh nein. Über die Jahre haben wir gelernt, den Musikgeschmack des Anderen zu respektieren und zu akzeptieren, dass jeder andere Musik hört. Stefan und Kenneth fahren zum Bespiel sehr auf Heavy Metal ab. Kenneth mag die Deftones, Korn und Slipknot. Obwohl ich damit überhaupt nichts zu tun habe, gewöhnte ich mich über die Jahre daran und höre es jetzt ab und zu ganz gern.

Stefan: Andersrum ist es genauso. Diese beiden Typen (zeigt auf Allan und Lasse) sind große Fans von Tom Petty und diesem 70er Jahre-Kram. Wir hören uns auch das an und nähern uns ihrer Musik an. Das sind sicherlich einige unserer Einflüsse. Ich sage nicht, dass du Slipknot aus einem Song heraushören kannst, aber es gibt sehr viele und unterschiedliche Einflüsse, die auf „Set & Drift“ vereint sind. Es geht in viele Richtungen, weil sich die einzelnen Songs doch stark voneinander unterscheiden.

Lasse: Ein wenig erinnert mich unsere Arbeitsweise an einen DJ. Wir experimentierten während der Produktion des Albums viel mit Verweisen auf andere Künstler. „Set & Drift“ produzierten wir außerdem mehr oder weniger allein. Die Songs waren zwar fast komplett geschrieben, als wir ins Studio gingen, aber während der Aufnahmen kamen uns ständig Gedanken, ob man nicht von diesem Album irgendwas klauen könnte und einen Verweis auf diesen oder jenen Künstler einbauen sollte. Es war wie ein kleines Puzzle, das wir beim Aufnehmen zusammengesetzt haben.

Soundmag: Als ich das Album das erste Mal in den Händen hielt, fand ich euren Bandnamen sehr deutsch klingend.

Stefan: Ja. Es gab mal eine deutsche Stadt in einem Kriegsbezirk, die so hieß. Davon wussten wir aber nichts, als wir mit der Band anfingen.

Allan: Der Name stammt eigentlich aus „Fargo“, dem Film der Coen-Brüder. Uns war bewusst, dass es einen deutschen Klang hat, das mit der Stadt haben wir aber erst viel später herausgefunden.

Lasse: Wir sind alle süchtig nach Filmen. So war es nur konsequent, irgendwas aus einem Film zu nehmen. Die Coen-Brüder sind große Klasse und „Fargo“ ein fantastsicher Film, ein Meisterwerk. Wenn wir auf Tour sind, haben wir hunderte DVDs dabei und streiten uns, was als nächstes geguckt wird.

Allan: Wenn wir heute eine Band gründen würden, wäre der Name wahrscheinlich „Family Guy“. (großes Gelächter)

Soundmag: Lasst uns mal über Dänemark reden. Existiert dort und speziell in Kopenhagen eine große Musikszene oder kennt eigentlich jeder jeden? So groß ist das Land ja nicht.

Allan: Es nimmt gerade etwas Überhand.

Lasse: Es hat sich viel verändert in den letzten fünf Jahren. Als wir aufwuchsen und mit dem Spielen anfingen, war Dänemark im Bezug auf interessante Musik komplettes Ödland. Es gab keine Indie-Labels. Die großen Plattenfirmen brachten Sachen wie Aqua und Whigfield heraus und waren an anderen Bands gar nicht interessiert. In den letzten zwanzig Jahren konnte man zwar immer wieder ab und zu hören, dass eine dänische Rockband einen Vertrag bei einem großen amerikanischen Label unterschrieben hatte, aber meist sind die kolossal gefloppt. Nichts passierte. Und ganz plötzlich, in den letzten fünf Jahren gibt es so viele großartige Bands. Neue Plattenfirmen entstehen und Bands bekommen Verträge mit englischen, deutschen und amerikanischen Labels, gehen dort auf Tour. Ich glaube, dass diese Entwicklung ganz klar aus dem Untergrund kommt. Eigentlich hat sich keiner dafür interessiert, was wir tun.

Allan: Es muss vor diesem Hintergrund entstanden sein. Denn keiner hatte Vertrauen in dänische Musik.

Lasse: Jeder dachte: Hey, was können wir tun? Es gibt keine Plattenfirmen, die uns wollen. Also zahlen wir das Geld selbst und veröffentlichen die Alben allein. Viele Bands fanden heraus, dass es mit Hilfe des Internets kein Problem ist, Clubs in ganz Europa zu finden und dort auf richtig lange Tourneen zu gehen. Dänemark ist so klein, dass du im Jahr vielleicht in zwanzig Clubs auftreten kannst und das war’s. Aber Konzerte sind wichtig für eine Band. Das ist es was zählt. Es verändert die Band. Denn nur beim live spielen wirst du wirklich besser. Selbst wir verbessern uns noch, oder?

Allan: Sprich nur von Dir, Lasse. (Gelächter)

Stefan: Tatsächlich sind viele dänische Bands oft in Deutschland auf Tour. In all den Clubs, in denen wir spielen, sehen wir immer wieder Poster von anderen dänischen Bands oder kleine Grüße auf dänisch an der Wand.

Soundmag: Richtig. Vor einer Woche hatten wir hier im Magnet, ein paar Meter weiter, ein kleines skandinavisches Festival. Dort spielten Moi Caprice.

Lasse: Ohja! Wir sind im August mit ihnen in Kopenhagen aufgetreten.

Soundmag: Habt ihre eine Idee, wie es zu diesem beeindruckenden Erfolg skandinavischer Bands kam?

Stefan: Ich glaube, dass viele Labels in Deutschland und England stärker nach solchen Bands Ausschau halten. Dänische Bands haben auch gelernt, sich besser zu promoten. Sie wissen, was zu tun ist, um erfolgreich zu werden. Das war vor fünf Jahren noch ganz anders.

Lasse: Kopenhagen ist eine kleine Stadt. Jeder kennt jeden. Jeder lernt von jedem.

Stefan: Es ist ein wenig wie wenn du ... sagen wir mal ... aus Österreich kommst. Es muss sehr schwer sein für eine österreichische Rockband, weil jeder bei Österreich an DJ Ötzi denkt. So ähnlich war es bis vor zehn Jahren in Dänemark. Alles, was Leute aus anderen Ländern aus Dänemark kannten, war eben Aqua und Whigfield. Jetzt stell dir vor, du bist in dieser Rockband aus Kopenhagen, die internationalen Erfolg will. Aussichtslos! Aber plötzlich gibt es Band wie die Ravonettes, Junior Senior oder Tigertunes. Die verkaufen auf einmal Alben in England, den USA und Deutschland. Das macht es dir einfacher, weil die Leute andere Bezugspunkte bekommen. Sie denken plötzlich an Mew und andere gute, dänische Bands.

Soundmag: Habt ihr in Dänemark denn auch ein Musikexport-Büro? Ich kenne das vor allem aus Schweden und Norwegen und dachte, dass diese Hilfe sicher auch ihren Anteil am Erfolg hat.

Lasse: Ja, auch bei uns gibt es so eine Stelle. Darüber solltest du mit Christian von Nephew reden. Er ist der Chef des Büros in Dänemark.

Stefan: Aber obwohl es so etwas gibt, bekommt nicht jede Band Unterstützung von ihnen. Du musst eine bestimmte Größe erreicht haben. Du brauchst ein Label, das dich auf Tour schickt und erst dann kriegst Du auch finanzielle Unterstützung vom Staat.

Soundmag: Habt ihr denn mit dem Musikexport-Büro zusammengearbeitet?

Stefan: Ja.

Lasse: Es gab Geld für diese Tour und auch bei früheren Tourneen. Das hilft einer Band wirklich weiter.

Soundmag: Aber ist es nicht etwas komisch für eine Band, Geld von einer staatlichen Stelle zu erhalten?

Stefan: Naja, sie haben ja keinen künstlerischen Einfluss. Sie mischen sich erst ein, wenn das Album schon lange erschienen ist.

Lasse: Alle anderen Kunstformen wie die Malerei oder der Film bekommen seit Ewigkeiten Unterstützung durch den Staat. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum sich der Staat nicht auch etwas um Pop und Rock kümmern sollte. Ich finde das nur konsequent.

Soundmag: Die skandinavischen Länder waren ja ganz vorn dabei in diesem Bereich. Inzwischen gibt es solche Büros auch in vielen anderen Ländern, sogar in Deutschland.

Stefan: Das kann man nur befürworten. Besonders für so kleine Länder wie Dänemark. Wir sind fünf Millionen Leute, da kannst du nicht viel erreichen – ökonomisch gesehen. So viele Leute hast Du hier schon allein in einer Stadt wie Berlin.

Soundmag: Wie oft wart ihr inzwischen hier?

Lasse: Puuuuh.

Stefan: Sechs, sieben oder achtmal. Das erste Mal war sehr lustig. Wir spielten in einem Club unter den S-Bahn-Bögen am Alexanderplatz. Als das Konzert anfing, tropfte Wasser von der Decke auf die gesamte Elektronik. Wenig später gab die eine Hälfte der PA ihren Geist auf. Unser Promoter kam und rückte die Lautsprecher, die noch funktionierten, in die Mitte. Wir spielten also weiter und dann setzten plötzlich die Monitorboxen aus.

Lasse: Der Promoter drängte uns zum Weiterspielen, was wir auch taten. Kurze Zeit später kam die Polizei und löste die Versammlung auf.

Soundmag: Was haltet ihr denn von Berlin?

Lasse: Ich bin jedes Mal begeistert, wenn wir hier sind. Obwohl wir in diesem Jahr schon vier Mal hier waren, habe ich sogar meinen Urlaub im Juni in Berlin verbracht.

Stefan: Ich auch. Ich mag die Stadt wirklich.

Lasse: Sie ist so unglaublich vielfältig. In einigen Teilen fühlst du dich wie im letzten Jahrhundert und ein paar Straßen weiter sehen die Gebäude aus wie aus einem Zukunftsroman. Es ist sehr chaotisch und voller Energie. Kaum mit einer anderen europäischen Stadt zu vergleichen. Und anders im Vergleich zu den anderen deutschen Städten, die ich kenne. Berlin ist wie ein eigenes kleines Land.

Soundmag: Heute Abend seid ihr im Knaack-Club. Ich kann euch sagen, dass ich hier auch schon Wasser von der Decke tropfen sah. Aber das war eher, weil es so voll und heiß war.

(Alle lachen.)

Lasse: Es ist ein schöner Club. Es werden viele Dänen da sein. Nephew sind im Moment sehr groß in Dänemark.

Stefan: Sie sind zu Hause zur Zeit sogar die größte Band.

Lasse: Es ist fast immer so, dass entweder viele Dänen in der Stadt wohnen oder sie extra für Nephew kommen. In Hamburg waren einige Landsmänner, die extra aus Dänemark mitgefahren sind. Die beiden Mädchen dort hinten im Bus, standen schon heute morgen um acht vor dem Club. Als wir gegen 14 Uhr wiederkamen, waren sie immer noch da. Darum haben wir sie in den Bus gebeten, draußen friert man sich ja sonst zu Tode.

Soundmag: Sehr sozial von euch. Ich werde jetzt auch wieder in die Kälte und später zum Konzert wiederkommen. Ich danke Euch für das Interview! Viel Erfolg heut Abend.

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