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Röyksopp

Röyksopp

 

15.11.05 - Postbahnhof / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Bandfoto

 

 

 

Wenn die Bühne etwas über die Künstler aussagt, sind Svein und Torbjorn von Röyksopp verspielte Kinder. Schon im Ruhezustand nach dem Soundcheck leuchtet alles quietschebunt und es ist problemlos vorstellbar, was hier in wenigen Stunden passieren wird. Tanzpopekstase mit Betonung auf POP. Denn das sind Röyksopp in Reinform, nachzuhören auf ihrem aktuellen Album ?The Understanding?. Sehr relaxt sind sie auch. Für das Interview lässt sich Svein überreden, mal kurz den geschmeidige Beats ausspuckenden Apple in der Ecke stehen zu lassen. Torbjorn kommt etwas später und legt sich auf die Couch. Dazu brummt die Heizung des Postbahnhofs warme Luft in die Garderobe und ein kleines Baby lächelt von den Mineralwasserflaschen, die auf dem Tisch rechteckig angeordnet sind.

Soundmag: Wie intensiv beschäftigt ihr euch mit klassischer Musik?

Svein: Wir haben einen Packen CDs, die wir mit auf Tour nehmen. Darunter befinden sich auch immer CDs mit klassischer Musik und Soundtrack-Scores.

Torbjorn: Es ist aber nicht so, dass wir uns nerdmäßig mit Klassik beschäftigen.

Svein: Ich glaube, man muss betonen, dass wir eher auf die populären Klassikwerke stehen. Also die bekannten Werke von Bach, Orff oder Eric Satie.

Soundmag: Genau. Eric Satie. Bei einigen Songs auf eurem Album hatte ich auch diesen Gedanken. Kennt Ihr Blüchel & Von Deylen? Zwei deutsche DJs und Musiker, die auf ihrem letzten Album klassische Stücke umarrangieren und in einen elektronischen Kontext verpacken. Die erinnern mich auch an Euch, wenn ich an Songs wie ?Triumphant? denke. (Ich zeige ihnen die CD)

Svein: Ahja. Ich sehe, dass die beiden ?Gymnopedié? von Eric Satie genutzt haben. Ist es gut?

Soundmag: Ja. Es unterscheidet sich sehr von den Sachen, die sie solo machen. Einer der beiden nennt sich Schiller und macht allein sehr poppige Ambientmusik. Aber weiter zur nächsten Frage. Ihr habt auf ?The Understanding? öfter als bei ?Melody A.M.? mit Stimmen und Gesang gearbeitet. Zusätzlich standet ihr selbst hinter dem Mikrofon. Was war das für ein Gefühl, euch selbst singen zu hören?

Svein: Um das zu beantworten, müssen wir etwas in der Zeit zurückgehen. Denn wir haben auch schon früher ab und zu auf unseren Stücken gesungen und sind darum bereits an unsere Stimmen gewöhnt. Es war nicht so, dass wir uns zum ersten Mal auf Band gehört hätten.

Torbjorn: Wir nutzten unsere Stimmen ja auch auf ?Melody A.M.? ? aber viel subtiler und versteckt. Diesen Anfangsschock, wenn du zum ersten Mal deine Stimme hörst und merkst, wie weit sie von deiner eigenen Vorstellung entfernt ist, mussten wir also nicht verkraften.

Svein: Schon als Kind haben wir oft mit unseren Stimmen gespielt. Seit wir einen Sampler hatten ? also ungefähr im Teenager-Alter ? experimentierten wir mit unseren Stimmen. Darum also kein großer Schock.

Soundmag: In einem Interview las ich, dass ihr durch das Singen kommunikativer werden wollt. Wie wichtig ist der Gesang denn am Ende für eure Musik?

Torbjorn: Es ist ein Teil, aber nicht der Schlüssel zu unserer Musik.

Svein: Wahrscheinlich ist es gleichwertig zu jedem anderen Bestandteil unserer Musik.

Torbjorn: Aber doch ist es etwas besonderes, weil der Gesang eine ?normale? Sprache beinhaltet. Die Musik ist eine andere Art von Sprache, die man nicht sofort verstehen und interpretieren kann. Eine instrumentale Melodie kommuniziert zwar etwas, aber keiner kann dir allgemeingültig sagen, was. Es ist wie ein Enigma ? im Gegensatz zu einem einfachen Satz, den so gut wie jeder versteht.

Soundmag: War es euch also wichtig, eure Gedanken klar auszudrücken?

Svein: Es ist vor allem so, dass Röyksopp für uns nichts Statisches sein soll. Die Dynamik steht im Vordergrund. Wenn jemand in ein paar Jahren auf unsere Diskographie blickt, soll erkennbar sein, dass wir uns verändert haben. Vor allem weil wir uns als Menschen nun mal verändern. Wir waren neugierig, wie es klingen würde, wenn wir den Fokus etwas stärker auf die Texte und den Gesang legen würden. Das haben wir bis jetzt noch nie getan. Torbjorn sagte bereits, dass das Element Gesang oft mit einer stärkeren Kommerzialität gleichgesetzt wird. Kommerzielle Musik ist Musik mit Gesang. Er dient außerdem als Richtschnur für die Menschen. Worte wie ?Liebe?, ?Junge? oder ?Mädchen? signalisieren, dass es in diesem Song wahrscheinlich um Liebe und Beziehungen geht. Weil Worte schneller zu verstehen sind als Töne und Harmonien. Es wird also für den Hörer wahrscheinlich schon klarer, was wir ausdrücken möchten. Meine Eltern hätten mit solchen Songs wohl weniger Probleme als mit Instrumentalmusik. Aber der Hauptgrund für uns war die Dynamik und die Tatsache, etwas Neues zu probieren.

Torbjorn: Für uns ist instrumentale Musik etwas sehr Gewohntes, denn wir sind damit aufgewachsen, solche Musik zu machen. Man sollte aber nicht zuviel Gewicht auf die Worte legen, die wir auf diesem Album genutzt haben. Seine Gestaltung lag zwar in unseren Händen, aber mitunter ergeben sich einzelne Dinge auch wie von selbst. Ohne dass du 100 %ig dafür verantwortlich bist. Wie im Traum.

Soundmag: Wir sprachen schon über kommerzielle Musik. Ich habe gelesen, dass ihr versucht, eure Musik nicht beliebig klingen zu lassen.

Svein: Das klingt vielleicht etwas angeberisch als Ziel für die eigene Musik. Wir versuchen eine Balance für und in unserer Musik zu finden. Wir wollen natürlich, dass unsere Musik bemerkt wird. Aber nicht auf eine Art und Weise, die dein Gehirn kontrolliert. Nicht so lästig wie ?Schnappi, das kleine Krokodil?. Es soll einmalig, aber bemerkbar sein. Es ist schwierig, diese Balance hinzubekommen, aber wir versuchen es. Unsere Musik soll sich auf der einen Seite vom üblichen Zeug unterscheiden, gleichzeitig aber noch einen Zugang für jedermann bieten. Ob wir das schaffen weiß ich nicht, aber es ist unser Ziel.

Soundmag: Ich glaube schon, dass ihr da auf einem guten Weg seid. Ich weiß zwar nicht, ob es in Norwegen oder wo auch sonst auf der Welt anders ist, aber in Deutschland werden eure Songs oft in TV-Dokumentationen benutzt. Wahrscheinlich konnte man schon euer komplettes erstes Album als Hintergrundmusik hören.

Svein: Das ist ein Phänomen, dass wir ebenfalls bemerkt haben. Wir können aber nicht allzu viel dazu sagen. Es zeigt, dass unsere Musik enorm vielseitig ist und die Vorstellungskraft der Menschen anregt. Zu einem Song wie ?Eple? können Menschen offensichtlich ganz unterschiedliche Beziehungen und Assoziationen haben, denn er wurde schon in sehr verschiedenen Bereichen genutzt. Wahrscheinlich hat die Musik auch eine gewisse zeitlose Qualität, die sie für die Macher von Dokus oder Werbespots interessant macht.

Soundmag: Ein weiterer Faktor ist sicherlich die starke visuelle Seite, die eurer Musik eigen ist.

Svein: Da stimme ich dir zu.

Soundmag: Im Zusammenhang mit der visuellen Seite ? wie wichtig sind Promovideos für euch?

Svein: Wir sind immer neugierig zu sehen, was andere Menschen für Vorstellungen, Visualisierungen haben, wenn sie unsere Musik hören. Wir holen uns also immer ein paar Ideen von Leuten, um zu sehen, was sie über dieses oder jenes Stück denken. Aus den Treatments suchen wir uns das für uns Interessanteste heraus. Dann geht es wieder um Balance in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur. Denn wir wollen nicht zuviel von seiner Intention zerstören, gleichzeitig aber uns selbst einbringen. Wir arbeiten gern mit Leuten zusammen, die noch nicht so viele Videos oder Filme gedreht haben. Das sorgt meist für eine Extraüberraschung, die uns großen Spaß macht ? egal ob positiv oder negativ. Du fühlst dich, als ob du eine Kinderüberraschung aufmachst.

Soundmag: Sind Musikvideo denn ein wichtiges Werkzeug für euch?

Svein: Irgendwie schon. Rückblickend versuchen wir nicht zu clever zu sein, wenn es um Marketing und Geschäfte geht. Aber natürlich sind Videos mit einer guten Idee eine Möglichkeit, mehr Leute zu erreichen. Insbesondere, wenn sie einen guten Inhalt haben. Inhalt steht hier klar vor der Form. Es gibt so viele Videos, die auf VIVA oder MTV gespielt werden und eigentlich alle das Gleiche zeigen. Dasselbe Video zehnmal hintereinander. Da kannst du dich mit einer guten Idee absetzen und herausstellen ? egal ob du viel Geld ausgegeben hast.

Soundmag: Auf der einen Seite hat man dann all die schönen Videos, die man gern mal im Fernsehen sehen würde, auf der anderen Seite spielen zumindest die deutschen Musiksender immer weniger Videos und konzentrieren sich mehr auf billige Dokumentationen und Spielshows.

Svein: Ich habe neulich ein paar Diagramme von jemandem gesehen, der MTV über eine Woche beobachtet hat. Musik hat da keinen großen Anteil mehr. Es ist nicht mehr so, wie es vor 15 Jahren noch war. Es wird Gründe dafür geben. Auch wenn ich sie nicht verstehen will.

Soundmag: Ein anderer Arbeitsbereich, der euch sehr liegt, sind Remixe für andere Personen. Läuft es immer so ab, dass sie euch kontaktieren oder habt ihr schon mal bei jemandem nachgefragt, ob ihr einen Song remixen dürft?

Torbjorn: Bis jetzt haben wir das tatsächlich noch nie getan. Aber es wird passieren.

Svein: Können wir dich remixen? Einen Edit von dir machen?

Torbjorn: Genau. Können wir deine Stimme remixen?

(beide lachen)

Soundmag: Gern doch. Ruft einfach an. Habt ihr denn so etwas wie Kriterien, die für euch einen guten Remix ausmachen?

Svein: So richtig haben wir das nicht. Remixe sind für uns primär eine weiter Form des musikalischen Outputs.

Torbjorn: Es ist ein bisschen wie im Urlaub.

Svein: Genau. Du machst das gleiche wie immer, nämlich Musik. Aber du tust es auf eine etwas sorglosere Art und Weise.

Torbjorn: Die Künstler vertrauen uns ja ihre Musik, in die sie wahrscheinlich viel Arbeit gesteckt haben, an. Es steckt viel von ihnen selbst, Schweiß und Tränen darin. Sie geben es uns und wir können damit eigentlich machen, was wir wollen. Es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen und wir haben grundsätzlich auch beide Sichtweisen in uns. Du kannst das Material entweder mit Respekt behandeln und nah am Original bleiben. So sind wir bei den Kings Of Convenience (?I Don´t What I Can Save You From?) und Coldplay (?Clocks?) vorgegangen. Diese Remixe folgen der Struktur ihrer Originale. Andererseits fühlen wir uns immer frei genug, zu tun, was wir wollen und unser eigenes Remake eines Songs zu produzieren. Auch das haben wir schon einige Male durchgezogen. Du kannst mit dem Material, das unter einem anderen Namen erscheint, wesentlich relaxter umgehen. Alles in allem ist das Konzept des Remixens fantastisch, weil du in diese beiden Richtungen gehen kannst. Wenn ich denjenigen, der das Remixen erfunden hat, träfe, würde ich ihm auf die Schultern klopfen und sagen: ?Good Work!?

Svein: Oder diejenige. Vielleicht war es ja auch eine Frau.

Torbjorn: Vielleicht. Ich habe gerade das Bild von Marie Curie vor mir, wie sie in einem Labor, umringt von blubbernden Gläsern und Rohren den Remix erfindet. Ende des 18. Jahrhunderts.

Svein: So wird?s wohl gewesen sein. (lacht)

Soundmag: Habt ihr denn manchmal Angst, einen Song zu sehr zu zerstören?

Svein: Wenn wir das Gefühl haben, ein Song ist zu schlecht ODER zu gut...

Torbjorn: ... gut in der Bedeutung, dass er eine zu starke Identität hat...

Svein: ... es gibt einige Songs, bei denen es keinen Sinn macht, sie zu remixen. Kraftwerk zum Bespiel. Bei einem Song wie ?Computerliebe? sind die Klänge so dominant, dass es verdammt schwer wäre, daraus etwas zu machen. Senor Coconut haben mal eine großartige Coverversion von Kraftwerk gemacht. Aber im Allgemeinen gilt schon, dass es Songs gibt, zu denen du als Remixer nichts mehr hinzufügen kannst. Es gibt keine neue Dimension mehr, die dem Original hinzuzufügen wäre. Genau DAS ist für uns das Wichtigste. Es ist langweilig, einfach nur wegen des Formats eine Trance-Version von irgendeinem Lied zu machen.

Soundmag: Wenn ihr die Chance hättet, welchen Musiker würdet ihr gern fragen, ob ihr einen seiner Songs remixen dürftet?

Torbjorn: Ich weiß es nicht. Aber es wird kommen. Wir werden jemanden fragen ? wenn wir dafür die Zeit haben. Das ist nämlich im Moment das größte Problem: die Zeit. Viele Dinge, die wir machen wollten, mussten wegen Touren oder Promotion abgesagt werden

Svein: Es klingt jetzt vielleicht, als ob uns das Remixen nicht so wichtig ist. Das stimmt nicht. Wir wollen, dass ein Remix am Ende des Tages wirklich gut ist. Es geht nicht darum, ja zu sagen und dann schlechte Arbeit abzuliefern.

Soundmag: Ist es interessanter einen Rocksong anstatt einer Dancenummer zu remixen?

Torbjorn: Bei Rockmusik ist es oft sehr schwer, den Gesang in den Remix zu integrieren.

Svein: Das gute an Rockmusik ist, dass es sehr weit von den Dingen entfernt ist, die wir üblicherweise tun. Das hilft uns in der Balance und für andere Musikstile offen zu bleiben.

Soundmag: Torbjorn sagte, dass Remixen für ihn wie Urlaub ist. Ist denn die Arbeitsweise mit der vergleichbar, die ihr für eigene Songs nutzt?

Torbjorn: Idealerweise sollte das nicht so sein. Denn deine eigene Arbeit veröffentlichst du unter deinem Namen. Sie muss also etwas mehr Sinn ergeben, kohärent zu deinen anderen Songs und Alben sein. Zumindest bei uns ist es so, dass sich neue Stücke in eine Art von Vision einfügen sollten, die wir von Röyksopp haben. Bei Remixen ist dir das alles schnuppe.

(Es folgt eine intensive Unterhaltung über die Herkunft eines Babys, das von den bereitgestellten Mineralwasserflaschen grinst.)

Soundmag: Zum letzten Thema. Die Pet Shop Boys. Waren und/oder sind sie für euch Idole? Haben sie euch beeinflusst?

Torbjorn: Ich zumindest hörte und höre die Pet Shop Boys viel und oft.

Svein: Ich habe sie vor kurzen heute gehört. ?Rent? um genau zu sein. Den Song mag ich sehr.

Torbjorn: In meiner Jugend mochte ich die Tatsache, dass sie nie lachten oder lächelten. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich hatte als Kind immer das Gefühl, dass diese beiden Typen etwas WISSEN mussten. Denn sie lachten nie auf Fotos. Ich sprach neulich mit jemandem, der mit den Pet Shop Boys im Studio zusammenarbeitete. Sie sind sehr gut, wenn es um das Arrangieren von Songs geht. Sie nehmen eine einfache Melodie, ein Thema und nutzen es während des Stücks immer und immer wieder. Dabei verändern sie die Melodie und die Akkorde minimal, so dass es dir das Gefühl vermittelt, ständig Neues zu hören.

Svein: Wie heißt dieser eine Song... ?Always On My Mind?. Da ist das sehr gut nachzuvollziehen. Also ja: die Pet Shop Boys haben uns beide definitiv beeinflusst.

Soundmag: Könnt ihr euch denn vorstellen, mit 50 wie die beiden immer noch auf der Bühne zu stehen?

Torbjorn: Wenn Du mich fragst, ob ich es mir vorstellen kann, dann bejahe ich das. Denn Vorstellung hat ja nichts direkt mit der Realität zu tun. Ja, ich kann mir vorstellen mit 50 noch auf der Bühne zu stehen. Wahrscheinlich habe ich dann lange Haare, aber nicht mehr wie heute mit einem Scheitel. Ich werde enge Hosen tragen. Auf der Bühne tanzen viele japanische und chinesische Mädchen um ein offenes Feuer herum. Das kann ich mir gerade sehr gut vorstellen.

Svein: Klingt, als ob du dann Weltmusik machen würdest.

Torbjorn: Weltmusik? Das scheint mir doch etwas kurz gedacht. Nur wegen der japanischen Mädchen?

Svein: Naja, es klingt halt so.

Torbjorn: Also noch mal: vorstellen kann ich es mir. Aber nicht mit Weltmusik!

Soundmag: Prima. Ich danke euch für das Gespräch. Viel Spaß auf eurer bunten Bühne heute Abend.

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