Interviews

Starsailor

Starsailor

 

04.12.05 - C-Halle / Berlin

Interview:  Andreas & Jan

Foto: Andreas

 

 

 

"Silence Is Easy". So lautet wohl die Parole, die sich James Walsh (Gesang, Gitarre) und James Stelfox (Bass) vor dem Interview noch schnell zugeraunt haben. Vielleicht lag es an den schlechten Ticketverkaufszahlen, vielleicht war die Müdigkeit Schuld. Oder die Interviewer äußerten die eine oder anderen falsche Meinung. Aber dazu später mehr. Die Band ist erst vor wenigen Minuten mit dem Taxi angekommen, zwei Tourbusse stehen auf dem Parkplatz. In einem dunklen Seitenraum der Columbiahalle geben sich Walsh und Stelfox 20 Minuten lang ruhig bis sprachlos. Beiden denken lange nach, James Walsh spricht sehr bedacht. Ein richtiges Gespräch kommt nur sehr schwer in Gang. Dabei gab es durchaus einiges zu diskutieren. Unter anderem das aktuelle Album "On The Outside" mit seinen breiten Gitarrensounds, die Starsailor auf den ersten Blick immer mehr in Richtung US-Rock driften lassen.

James Walsh: Guten Tag.

Soundmag: Hallo. Du kannst auch Tach sagen. Das ist etwas informeller, hier in Berlin.

James Walsh: Tach. Man sagt also nicht Tag, sondern Tach. Okay.

Soundmag: "On The Outside" ist euer drittes Album. Unter Journalisten gibt es ja immer die Diskussion, ob nun das zweite oder das dritte Album für eine Band das schwerste ist. Zurückblickend, welches hat euch am meisten zu schaffen gemacht?

James Walsh: Definitiv das zweite Album. Wenn du als neue Band dein erstes Album veröffentlichst, hast du genau diesen Vorteil: Du bist neu. Das ist immer aufregend. Die Presse spielt ein bisschen verrückt usw. Beim zweiten Album gibt es dann plötzlich viele Erwartungen, die an dich herangetragen werden aber die eigentlich kaum erfüllt werden können. Besonders wenn sich die erste Platte gut verkauft hat. Mit Album Nummer drei bist du dann irgendwie angekommen, die Leute haben sich beruhigt.

Soundmag: Ich habe gelesen, dass ihr bei den Aufnahmen zu diesem Album weniger Druck gefühlt habt, weil in England überall diese neuen Bands auftauchen.

James Walsh: Ja. Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem zweiten und diesem Album. Der liegt in dem Phil Spector-Szenario begründet. Die Journalisten und vor allem unsere Fans waren sehr aufgeregt als sie hörten, dass Phil Spector an der Produktion von "Silence Is Easy" beteiligt ist. Alle erwarteten ein neues "Instant Karma" oder "Be My Baby". Das hätten wir aber nie abliefern können, obwohl wir ein wirklich gutes Album gemacht haben. Diese Erwartungen waren einfach zu hoch. Daraus entstand dann eine gewisse Enttäuschung. "On The Outside" hingegen hat viele Leute überrascht. Es gab diese Erwartungen einfach nicht. Die Platte landete auf dem Tisch eines Journalisten oder Radiomoderatoren wie jedes andere Album. Sie hörten es ohne vorherige Beeinflussung.

Soundmag: Es gab auch nicht diesen nahezu alleinigen Fokus auf Phil Spector. Darüber hat ja jeder geschrieben. Tatsächlich habe ich einen Artikel gelesen, der zur Veröffentlichung von "On The Outside" erschien und fast ausschließlich von Phil Spector und dem letzten Album handelte.

James Stelford: Das ist echt schade. Wenn man mit so einer berühmten Person zusammenarbeitet, hängt einem das noch lange nach. Wahrscheinlich wird es auch noch bei unserem vierten Album so sein. So ist das nun mal.

Soundmag: Wenn du jetzt schon das nächste Album ansprichst. Wir wird das denn klingen? Ich habe das Gefühl, dass es einen Masterplan für Starsailor gibt, der sich hauptsächlich darum dreht, dass ihr lauter, rockiger werdet und immer mehr Gitarren verwendet.

James Walsh: Die Idee für dieses Album war, das einzufangen, was wir live tun. Es sollte ein natürliches, einfaches Album werden. Ohne die Musik mit Overdubs zu verkomplizieren. Pur und leidenschaftlich. Dadurch bekam es einen sehr rauen und rockigen Sound. Das hat sicherlich auch mit den Erlebnissen der letzten beiden Jahre zu tun. Wir spielten größere Konzerte, traten bei Festivals auf und lernten dabei den einen oder anderen Trick, mit dem du das Publikum zum Ausflippen bringen kannst. Das wirkte sich auch auf das Album aus.

Soundmag: Denkt ihr denn, dass es immer noch Leute gibt, die darauf warten, dass ihr wieder zu dem eher minimalistischen Sound von "Love Is Here" zurückkehrt?

James Stelford: Ganz bestimmt warten einige im Publikum darauf.

James Walsh: Ich glaube, man muss einfach nur warten, bis so ein Moment wieder kommt.

Soundmag: Das ist also eine natürliche Entwicklung.

James Walsh: Ich denke, wir sind keine Band, die einen ganz bestimmten Sound hat, den sie immer wieder wiederholt. Wir sind alle große Musikfans und ganz verschiedenen Dinge beeinflussen uns. Jedes Album sollte darum etwas haben, das es von den anderen unterscheidet, dass es einzigartig macht. Wenn du so arbeitest, verprellst du wahrscheinlich einige Fans, die nur diesen einen speziellen Sound mögen.

Soundmag: Auf "On The Outside" gibt es mit "Jeremiah" auch einen Song, der eher etwas entspannt und ruhig ist. Jedenfalls musikalisch. Der Text hat ja einen ernsten Hintergrund. Kannst du den bitte erläutern?

James Walsh: Jeremiah war ein junger Mann, der in Paris studierte. Er beteiligte sich an den Protesten gegen den Irak-Krieg und arbeitete in einer Organisation mit. Die luden ihn zu einer Lesung in Deutschland ein. In ein Schiller-Institut. Er kam dann am Rande einer Demonstration unter sehr mysteriösen Umständen um. Das wurde bis heute nie richtig aufgeklärt. Einige waren plötzlich der Meinung, dass das Schiller-Institut antisemitische Neigungen und faschistische Ansichten vertrete. Die Familie und einige seiner Freunde vertreten noch immer die Meinung, dass es eine dunkle Seite in diesem Fall gibt. Eine sehr interessante Geschichte.

Soundmag: Du bist ja nach Belfast gezogen. Haben die politischen Aspekte auf dem Album auch damit zu tun, dass du jetzt in einem Land lebst, dass politisch wesentlich instabiler ist als zum Beispiel England?

James Walsh: Definitiv ist in Belfast politisch mehr los als dort, wo wir aufwuchsen. Die einzigen politischen Aktivitäten, die ich während des Aufwachsens mitbekam, waren die der Bauerngewerkschaft.

James Stelford: Und die der Mienenarbeiter.

James Walsh: Nordirland ist ein großartiges Land. Es gibt aber fast nur Politiker, die entweder sehr links oder extrem rechts sind. Extremisten. Aber dazwischen leben viele Menschen, die keine Partei haben, an die sie sich wenden könnten. Daraus entsteht auch so etwas wie eine Gemeinschaft, was ich für gut halte.

Soundmag: Als du "Silence Is Easy" geschrieben hast, war dir da klar, dass es einige Leute geben würde, die die Augenbrauen verziehen würden? Vor allem jene Menschen, an die sich der Song richtet?

James Walsh: Ähm... (zehn Sekunden Pause) ...Ich habe es vermutet... (Pause) ...Es hat sich ja nicht an eine bestimmte Person gerichtet. Wenn also jemand seine Augenbrauen verzog und dachte, dass er damit gemeint sei, war das nicht unbedingt das, was ich beabsichtigt hatte. Das wäre sicher anders gewesen, wenn wir uns klar positioniert und gesagt hätten, dass "Silence Is Easy" von einer ganz bestimmten Person oder einem ganz konkreten Magazin, TV-Programm handelt.

Soundmag: Also gab es keine direkten Reaktionen.

James Walsh: Nein. Nicht wirklich.

Soundmag: Aber denkst du denn, dass sich Leute schuldig fühlen könnten, die euch vorher niedergemacht haben?

James Walsh: Wahrscheinlich eher nicht. (grinst, James Stelford lacht) Da machst du dir auch nicht so viele Gedanken drüber. Man veröffentlicht den Song einfach. Es ist ja so, dass wir keine dieser coolen Bands sind, die Unmengen von Platten verkaufen. So wie Coldplay, U2 usw. Es sind die Bands in der Mitte, die die Schläge bekommen. Du bist nicht cool genug, um ein Magazin mit einem Bild von dir auf dem Cover zu verkaufen. Berühmt genug bist du aber auch nicht. Also machen sie dich ständig fertig.

James Stelford: Ich glaube, die Kritiken für dieses Album sind trotzdem um einiges besser als die, die wir für "Silence Is Easy" bekamen.

Soundmag: Warum?

James Stelford: Keine Ahnung. Es ist so.

Soundmag: Wahrscheinlich hängt es auch damit zusammen, dass es diesmal nicht diese hohen Erwartungen an eure Songs gab. Stichwort Phil Spector.

James Walsh: Denkst du, dass "On The Outside" dieses Kriterium eher erfüllt?

Soundmag: Das kann ich noch nicht sagen. Ich muss zugeben, dass mir "Silence Is Easy" besser gefallen hat (Andreas). Mir hat "Love Is Here" besser gefallen, weil ich euch mit diesen Songs in Haldern gesehen habe. Ich hatte all diese Lieder im Hinterkopf und konnte jedes einzelne auf der Platte wiedererkennen. (Jan).

(Lachen, dann Stille)

Soundmag: Ein, zwei Jahre später habe ich euch dann noch mal in Haldern gesehen. Während du bei eurem ersten Auftritt noch schüchtern warst und oft kichertest, waren diese kleinen Verhaltensweisen beim zweiten Mal verschwunden und ich dachte: Jetzt sind sie eine erwachsene Band.

James Stelford: Wir sind jetzt wieder zurückgegangen und kichern wieder.

(Lachen)

Soundmag: Mal im Ernst, seht ihr euch selber als erwachsene Band?

James Stelford: Gewiss. Wir sind jetzt seit zehn Jahren zusammen, länger als es so manch andere Band durchhält. Wir sind erwachsen, wir sind alle erwachsene Menschen. Wir zwei sind Väter und fühlen eine gewisse Verantwortung für andere.

Soundmag: Ich habe gelesen, dass ihr nach der Tour für "Silence Is Easy" gemeinsam einige Zeit in Island verbracht habt. Stimmt das?

James Walsh: Nein. Wir haben dort ein paar Konzerte gespielt. Anschließend hatten wir noch ein paar Tage frei, die wir mit unseren Familien verbrachten. Skifahren.

James Stelford: Wir wären gerne noch länger geblieben.

Soundmag: Habt ihr eigentlich jemals einen Tim Buckley Song gecovert? Immerhin habt ihr ja euren Bandnamen von einem seiner Alben.

James Walsh: Nicht als Band.

James Stelford: Wir haben mal zu "Dolphins" gejammt, aber live gespielt haben wir noch nichts von ihm.

Soundmag: Ist Tim Buckley denn für euch alle ein wichtiger Einfluss? Oder hat euch einfach nur der Albumtitel gefallen?

James Stelford: Nein, so ist es nicht. Buckley ist schon ein unglaublicher Musiker gewesen. Ich und James mögen ihn sehr, die anderen beiden nicht so.

Soundmag: Gibt es zurzeit andere Bands, die euch begeistern?

(langes Überlegen und Kopfschütteln)

Soundmag: Offensichtlich nicht allzu viele.

James Stelford: Snow Patrol. Aber die sind nicht mehr so neu. Sie haben ja schon drei Alben.

James Walsh: Arcade Fire. Sufjan Stevens. Arctic Monkeys. Die Futureheads sind für mich die beste von all diesen so genannten New-Wave-Bands - musikalisch gesehen. Es ist eine Schande, dass sie nicht so groß und bekannt sind wie zum Beispiel Franz Ferdinand.

James Stelford: Sie sind wirklich gut und es wert, sich das Album zu kaufen.

Soundmag: Denkt ihr, dass ihr im Moment auf dem höchsten Level seid, dass ihr je erreichen werdet?

James Walsh: Hoffentlich nicht.

James Stelford: Hoffentlich.

Soundmag: Was erwartet ihr von der Zukunft?

James Walsh: Keine Ahnung.

James Stelford: Wir erwarten gar nichts. Fortschritt und Entwicklung sind die wichtigen Aspekte. Wenn du die nicht mehr hast, macht das Weiterarbeiten keinen Sinn. Wir freuen uns, wieder in Amerika auf Tour zu gehen und in England noch bekannter zu werden. Im Moment sind wir da auf demselben Level wie zur Veröffentlichung von "Silence Is Easy". Einige Songs auf dem aktuellen Album - etwa "Keep Us Together" - haben das Potential unser Publikum noch etwas zu vergrößern. Das ist definitiv etwas, was wir erreichen wollen.

James Walsh: Niemand von uns weiß im Moment, ob wir erreicht haben, was wir erreichen wollten. Dazu braucht es zwanzig oder dreißig Jahre. Eine Band wie INXS füllte vor Jahren riesige Stadien, verkauften ganze Touren aus. Aber ich habe nie ein INXS-Album in einer Liste der wichtigsten Alben der letzten zwanzig Jahre gesehen. Die Stone Roses oder Neil Young hingegen verkaufen vielleicht fünf Prozent von dem, was INXS umsetzten. Aber sie sind wie eine Konstante, die immer da ist. Das ist es, was wir mehr als alles andere erreichen wollen: unseren kleinen Platz in der Geschichte.

Soundmag: Wir groß sind Starsailor denn in Amerika?

James Stelford: Wir waren erst einmal dort. Es spielt sich also alles noch auf relativ niedrigem Level ab. Aber wir freuen uns, nächstes Jahr wieder dort zu sein.

Soundmag: Ist es nicht komisch, dass die Leute immer die gleichen Künstler in diese Top 50-Charts wählen, von denen du geredet hast? Die Beatles, Neil Young, Radiohead. Es sind immer alte Bands oder die coolen neuen.

James Stelford: Tja. Das ist halt so.

(Im Nachbarraum läuft Hung up)

Soundmag: Es wird wohl nie ein Madonna-Album in einer solchen Liste auftauchen - obwohl sie gute Platten gemacht hat.

James Stelford: Tja. Die Strokes tauchen in den letzten Jahren auch immer darin auf.

Soundmag: Ein anderes Thema, über das wir nachgedacht haben, war die Strategie, mit der ihr eure Singles aussucht.

James Stelford: Das ergibt sich meist von selbst, sie suchen sich quasi selbst aus. Meist ist es ein eher rockiger Song. "In The Crossfire" war diesmal die beste Wahl. Wir waren ja eineinhalb Jahre von der Bildfläche verschwunden. Es war auch ein guter Song, um das neue Album vorzustellen, einen Eindruck davon zu vermitteln, wo wir musikalisch gerade stehen.

Soundmag: Die nächste Single ist "This Time". James (Walsh) hat gesagt, dass es wahrscheinlich der beste Song ist, um Starsailor kennen zu lernen. Denn er vereint die alten, bekannten Elemente mit dem neuen, eher rockigen Sound.

James Stelford: Das stimmt. Es hat diesen pianogetriebenen, großen Chorus und ist sehr catchy.

Soundmag: Euer nächstes Album wird dann nach meiner Theorie eine Heavy-Metal-Platte, oder?

(Lachen, James Stelford deutet einen Heavy-Metal-Gitarristen an)

James Stelford: Da können wir nur warten und sehen, was passiert. Im Moment wissen wird es ja selbst noch nicht.

Soundmag: Dann danken wir euch für das Interview.

Review kommentieren

Neues Thema im Forum

Offizielle Website

www.starsailor.net

Alle Interviews

 

 

 

Neue Interviews

 

Neue Reviews

 

Suche in soundmag.de