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Sarah Bettens

Sarah Bettens

 

14.04.06 - Postbahnhof / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

Fünf Jahre vergingen vom letzten K’s Choice-Album „Almost Happy“ bis zu „Scream“, dem Solodebüt von Sarah Bettens. Sie und ihr Bruder Gert waren der Kern der belgischen Gruppe, die nach Belieben durch temporäre Musiker ergänzt wurde. Nach anfänglich betörenden Lobgesängen auf ihre Alben, hatten die Bettens-Geschwister immer öfter mit harscher Kritik zu kämpfen. Die Musik von K’s Choice veränderte sich hin zu Nachdenklichkeit und Melancholie. Vielleicht war die Entscheidung für persönliche Soloprojekte so am Ende gar kein allzu großer Schritt mehr. Sarah Bettens hat dabei auf Grund des Frontfrauvorteils natürlich die bessere Ausgangsposition und scheint diese auch erfolgreich zu nutzen. Im Backstagebereich des Postbahnhofs jedenfalls macht sie drei Stunden vor Konzertbeginn einen zufriedenen, ausgeglichenen Eindruck. Im reinen mit sich selbst und den ehemaligen Kollegen? Sogar froh über die Solokarriere?

Soundmag: Sarah, nach so vielen Jahren mit K’s Choice, was für ein Gefühl ist es, wenn jetzt wieder dein Name auf den Postern und CDs steht?

Sarah: (breites Grinsen) Es ist ein fantastisches Gefühl. Du kommst zu all den verschiedenen Plätzen und überall hängen am Eingang die Poster mit deinem Gesicht und Namen. Für mich ist das auch nach so vielen Jahren mit K’s Choice immer noch wahnsinnig spannend. Aber meinen Namen dort zu sehen, war natürlich nicht der Hauptgrund, warum wir uns darauf einigten, Soloprojekten nachzugehen. Es war dieses Abenteuerfeeling und die Herausforderung, die uns dazu trieb. Jetzt aber, wo ich hier bin und all die Leute kommen, nur um mich zu sehen, bin ich doch sehr froh.

Soundmag: Ist es ein wenig wie die Rückkehr zum Start? Denn ich glaube, du hast auch als Solokünstlerin begonnen, richtig?

Sarah: Nicht wirklich. Das war nur eine sehr kurze Zeit. Mir war schon sehr früh klar, dass ich in einer Band sein möchte und optimalerweise sollte das zusammen mit meinem Bruder Gert passieren. Damals hatte ich all diese recht naiven Gedanken und es passierte dann tatsächlich alles schnell hintereinander. Für mich ist das also weniger eine Rückkehr, als der Start von etwas, das ich jetzt bereit bin, zu tun. Vor, sagen wir, zehn Jahren hätte ich das wahrscheinlich nicht gepackt.

Soundmag: Wie genau kam es denn dazu?

Sarah: Mein Bruder und ich unterhielten uns eines Tages. Wir fragten uns beide, ob es nicht spannend wäre, ein Soloalbum zu machen. Und beide konnten wir die Frage bejahen. Es war eine sehr einfache und schnelle Entscheidung. Nach zwölf Jahren K’s Choice war die Zeit reif dafür. Mit der Band rutschten wir immer mehr in die Routine ab und obwohl es niemals große Streits und Kämpfe in der Band gab, hatten wir nicht das Gefühl, dass wir für ein fünftes K’s Choice-Album bereit wären. In der Sekunde, in der wir also beschlossen, etwas anderes zu tun, war ich so voller Spannung, was daraus entstehen könnte, dass ich diese zweite Chance und die damit zusammenhängende neue Freiheit auf jeden Fall nutzen wollte.

Soundmag: Ist es also eine Art Projekt, um etwas Zeit ohne K’s Choice zu verbringen?

Sarah: Ein wenig. Für mich ist es natürlich nicht NUR ein Projekt. Ich arbeite zurzeit am zweiten Album und das wird definitiv das sein, was ich als nächstes tun werde. Aber ich sage nicht, dass es mit K’s Choice aus und vorbei ist. Mein Bruder und ich werden immer wieder zusammenarbeiten. Aber im Moment ist es genau das hier, was ich tun möchte. Es funktioniert, ich habe viel Spaß mit der Band. Die Musiker in meiner Band kommen alle aus Amerika, es würde die Dinge also komplizierter machen, wenn ich jetzt wieder zu K’s Choice zurückkehrte. Ich lebe ja inzwischen auch in den USA. In den Hochzeiten von K’s Choice war es egal, wo wir wohnten, da alle sowieso ständig zusammen tourten. Aber jetzt wäre es schon problematisch, weil sich jeder ein Stück vom anderen entfernt, weiterentwickelt hat.

Soundmag: Du hast also dein Soloalbum veröffentlicht und ich glaube, Gert produziert einige Projekte und bringt ebenfalls eigene Songs heraus.

Sarah: Genau. Ich habe sein Album auch bei mir am Merchandising-Stand, da man es in Deutschland sonst nicht kaufen kann. Seine Band heißt Woodface. Mit der ist er oft in Belgien unterwegs. Daneben hat er noch andere Seitenprojekte.

Soundmag: Gebt ihr euch denn gegenseitig Feedback über des anderen Musik?

Sarah: Auf jeden Fall tun wir das. Während der Aufnahmen jedoch haben wir versucht, soweit wie möglich vom anderen entfernt zu sein, denn sonst wäre es wie bei K’s Choice gewesen. Ich habe ihm ab und zu Songs vorgespielt und er meinte dann: Dazu könnte ich dir etwas sagen, aber ich werde es nicht tun. Aber so groß die Distanz während der Aufnahmen auch war, so sehr muss ich heute sagen, dass ich ein großer Fan seiner Sachen bin. Und ich weiß, dass auch er viel Anerkennung für meine Musik hat. Unsere musikalischen Vorstellungen sind ja sowieso recht nahe beieinander. Er müsste also schon etwas sehr Verrücktes tun, damit es mir nicht gefällt.

Soundmag: Gab es denn Überraschungen, als du für „Scream“ plötzlich ganz allein verantwortlich warst? Was waren die Unterschiede zur Arbeit in einer Band?

Sarah: Das war ein enormer Unterschied, der mir manchmal ganz schön zu schaffen machte. Die Kombination von gestiegener Verantwortung und gleichzeitig größerer künstlerischer Freiheit war oft der Knackpunkt. Mehr Druck und gleichzeitig mehr Spannung. Außerdem war klar, dass mein Name auf dem Album stehen würde und dann willst du, dass es wirklich gute Songs sind. Ich beschäftigte mich etwas stärker mit den Texten, weil sie mich möglichst genau repräsentieren sollten. Dann kommt es zu den Aufnahmen. Mit K’s Choice haben wir immer erst ein paar Wochen geprobt, dann gab es einige Wochen Vorproduktion bevor es am Ende für zwei Monate ins Studio ging. Das war toll. Ich mag jedes Album, das wir so gemacht haben. Aber dieses Mal waren es fast ausschließlich der Produzent Greg Wells und ich, die im Studio saßen. Er spielt fast jedes Instrument. Wir zwei waren zusammen und probierten aus, gestalteten die Songs. Das Album entstand also im Studio und nicht, wie früher, vorher. Damals wären wir erst mit fast fertigen Songs ins Studio gegangen. All das schuf auch neue Einflüsse, die mir das Gefühl gaben, dass ich etwas Neues versuche. So, als ob „Scream“ das erste Album wäre, das ich je gemacht hätte.

Soundmag: „Scream“ ist also 100 % Sarah Bettens.

Sarah: Naja, als ich es aufnahm schon. Inzwischen bin ich schon bei der nächsten Platte, auf der andere Einflüsse deutlich werden. Aber es repräsentiert immer noch sehr genau meine Person.

Soundmag: Nun gibt es auf deinem Soloalbum sehr viel rockigere Musik als auf dem letzten K’s Choice-Album „Almost Happy“. Absicht oder einfach so passiert?

Sarah: Ich hatte das Bedürfnis, die Platte so klingen zu lassen, dass sie auch live gut funktionieren würde. Ich könnte nie ein Album ohne Balladen machen. Aber ich mag die härteren Stücke vor allem wegen ihrer Livequalitäten. Ich bin mit einer 4-Mann-Band unterwegs und so klingen die Songs sowieso eher rockig. Mein Anliegen ist es aber auch, wieder etwas zurückzugehen - so wie damals auf „Paradise In Me“, als die Balladen noch sehr intim waren und der Rest wirklich sehr rockig daher kam.

Soundmag: Es ist sicher auch ein Album, bei dem man Spaß haben soll.

Sarah: „Almost Happy“ war ja ohne Zweifel unser traurigstes Album. Also musste „Scream“ von vorneherein fröhlicher werden. Ich schrieb es in einer sehr wichtigen Übergangsphase meines Lebens. Ich fand zu mir selbst und versuchte herauszufinden, wie ich mein Leben ausbalancieren könnte. Bei „Almost Happy“ ging es vor allem um mich, keine Ahnung davon habend, was mit meinem Leben passieren soll.

Soundmag: Hatte auch die Tatsache, dass ihr in Los Angelas aufgenommen habt und dass du inzwischen auch in Amerika lebst einen Einfluss?

Sarah: Alles, was ich erlebe, beeinflusst die Texte, die ich schreibe. Das Leben in Amerika hat vor allem mein politisches Interesse gesteigert. Gerade bei den Songs fürs nächste Album merke ich, dass ich mich stärker einbringen möchte und weniger mich und mein Liebesleben ins Zentrum stelle.

Soundmag: Wie war es denn für dich, als Musikerin aus dem kleinen Belgien ins große Amerika zu kommen? Eröffnen sich einem da komplett andere Möglichkeiten?

Sarah: Am Anfang ist es überwältigend. Alles ist so groß und so schwierig, zu bewältigen, weil es unglaublich viele Möglichkeiten gibt – alle zur gleichen Zeit. Das ist etwas, das ich an den Staaten sehr schätze. Das klingt jetzt etwas kitschig oder verklärt, aber dort kann wirklich jeder – egal von wo er herkommt, egal mit welchem Hintergrund – etwas anfangen, sich ausprobieren. Es ist sehr einfach, etwas an den Start zu bekommen. Ob du damit Erfolg hast, ist abhängig von deinem Können und sicher auch von einer Portion Glück. Es klingt wie ein Klischee, aber die USA sind ein Land voller Möglichkeiten. Ich könnte dort etwas musikalisch komplett anderes beginnen und würde wie ein neuer Künstler behandelt werden, obwohl ich inzwischen schon zwölf Jahre dabei bin. Es macht Spaß, dort zu leben – because the sky is the limit.

Soundmag: Hast du denn noch Verbindungen zur Musikszene in Belgien?

Sarah: Meine Freunde leben noch dort. Sie sagen mir, wenn es eine neue, gute Band gibt, die ich hören sollte. Ich versuche auf dem laufenden zu bleiben. Aber jedes mal, wenn ich wieder in Belgien bin, fühle ich mich ein wenig mehr wie ein Fremder. Es ist immer noch meine Heimat, aber der Alltag in Amerika ist mir inzwischen näher, als der in Belgien.

Soundmag: Wie groß ist denn die Musikszene in Belgien?

Sarah: Tatsächlich gibt es dort eine sehr große Szene. Aber sie bleibt sehr lokal. Es ist ja für jede europäische Band unglaublich schwer, außerhalb des eigenen Landes erfolgreich zu sein. Einige Band spielen in Belgien bis zu 100 Konzerte im Jahr. Dann waren sie aber wirklich in jedem kleinen Dorf und auf jedem Fest dabei. Viele von ihnen können es problemlos mit den angesagten Bands aus England aufnehmen, aber wie schon gesagt, Erfolg über die eigenen Grenzen hinaus ist sehr schwer zu bekommen.

Soundmag: Um genau das zu schaffen, hast du dir ja Street-Teams zugelegt. Wie kann man sich deren Arbeit vorstellen?

Sarah: Sie helfen uns beim Verteilen von Flyern, Aufhängen von Postern. Sie fragen in Plattenläden, ob sie ein Poster aufhängen oder CDs ins Schaufenster stellen dürfen. Sie rufen bei Radiostationen an, stimmen für mich im Internet... all so was. Die kleinen Dinge, die irgendwie helfen könnten. Auf Touren helfen sie mir, indem sie den Merchandising-Stand betreiben, weil wir dafür niemanden bezahlen können. Mit K’s Choice hatten wir eine enorm loyale und starke Anhängerschaft und so dachte ich mir, dass sich das auch solo auszahlen könnte. Es gab schon Shows, die fast ausschließlich durch Street-Teams organisiert und ausverkauft wurden. Koordiniert wird die Arbeit von jemandem in Belgien, damit nicht alle das Gleiche tun. Und es funktioniert. Songs laufen im Radio, weil Fans sie sich gewünscht haben. Großartig und toll! Ich bin sehr dankbar für deren Arbeit.

Soundmag: Wie setzt sich denn das Publikum in deinen Konzerten zusammen. Stehen vor allem K’s Choice-Fans vor der Bühne oder siehst du auch neue Gesichter?

Sarah: Beides kommt zusammen. Das heute ist ja erst die zweite Show in Deutschland, vorher waren wir in Frankreich. Wir sehen immer wieder bekannte Gesichter, natürlich. Aber ich bin jedes Mal überrascht, wie viele junge Menschen kommen, Teenager oder Leute in den 20ern. Menschen, die meine Musik hören und erst dann die K’s Choice-Alben nachkaufen. Sie waren vielleicht elf als wir mit K’s Choice anfingen, also müssen es neue Fans sein! Das kann ich dir versichern. (lacht) Ich merke also, dass sich Dinge verändern, dass sich eine neue Generation für meine Musik interessiert. Das bestärkt mich in dem, was ich tue.

Soundmag: Du hast schon vom neuen Album gesprochen. Wie weit seid ihr?

Sarah: Wir haben schon ein wenig aufgenommen, proben viel während der Soundchecks. Sieben oder acht Songs sind recht weit. Da ich diesen Sommer nicht viel unterwegs bin, hoffe ich, alles aufnehmen zu können und das Album Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres zu veröffentlichen.

Soundmag: Die letzte Frage. In „Don’t Stop“ gibst du jede Menge Ratschläge an den Hörer. Welcher davon ist für dich der wichtigste?

Sarah: (ohne zu überlegen) „Be Safe When You’re Planning To Get Laid!” (lacht)

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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www.sarahbettens.com

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