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Tilly And The Wall

Tilly And The Wall

 

08.05.06 - Maria Am Ufer / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Der Weg zu Tilly And The Wall führt wohl oder übel über das Steppen. Die Band aus Omaha kommt ohne Schlagzeug aus, greift dafür auf die Talente von Stepptänzerin Jamie Williams zurück. Mit „Walk Like Children“ erschien im letzten Jahr das Debüt der Band mit einjähriger Verspätung auch in Deutschland. „Bottom Of Barrels“, Album Nummer zwei steht zum Zeitpunkt des Interviews bereits kurz vor Veröffentlichung. Erst einmal jedoch ging es für Tilly And The Wall ein weiteres Mal nach Europa, um als Vorband von Architecture In Helsinki weitere Menschen von ihrer Musik voller Percussion und Stepptanz zu überzeugen. Wir sitzen bei fast sommerlichen Temperaturen an der Spree und das eine oder andere Boot zieht gemütlich an der Maria am Ostbahnhof vorbei. Zu Beginn konfrontiere ich Jamie Williams und den unglaublich jung aussehenden Keyboarder Nick White mit einem Bild von ihrer Homepage, auf dem Jamie in jungen Jahren mit sechs anderen Mädchen in Stars And Stripes gehüllt posiert.

Soundmag: Ich wüsste gern, was auf diesem Bild zu sehen ist. Es sieht ein wenig nach Karneval aus, als ob ihr euch alle als amerikanische Superhelden verkleidet hättet. Lauter All-American-Girls.

(beide lachen)

Jamie: Oh, das bin ich dort in der Mitte. Die Mädels drum herum gehörten zu meiner Steppklasse. Es sieht aus, als ob wir gerade irgendwas für den 4. Juli einstudiert hätten, darum die ganzen USA-Flaggen.

Nick: Wie alt warst du da?

Jamie: So ungefähr sechs Jahre. Ich war seit meinem dritten Lebensjahr in dieser Steppklasse. Ich dachte, dass Foto hat etwas Surreales, darum habe ich es auf die Homepage gestellt.

Soundmag: War es dein Wunsch, das Steppen zu lernen oder haben dich deine Eltern dazu gedrängt?

Jamie: Das war schon immer mein Wunsch, meine Eltern haben mich dabei sehr unterstützt.

Soundmag: Magst du eigentlich “The Lord Of The Dance” von Michael Flatley?

(beide lachen)

Jamie: Ich finde es vom Sound her sehr interessant. Der Stepptanz, den sie aufführen, ist dynamisch und hat einen unglaublichen Druck. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich ihre Haltung beim Tanzen mag. Die Arme, die immer ganz eng an den Körper gepresst sind. Ich bevorzuge da einen eher legeren Ausdruck.

Nick: Den Sound, den diese zig Stepptänzer gemeinsam erzeugen, finde ich auch sehr reizvoll.

Jamie: Das wäre doch was, wenn Tilly And The Wall zusammen mit Michael Flatley auftreten würden. Wer weiß, ob man unsere Musik dann überhaupt noch hört.

Soundmag: Wie kam es denn eigentlich dazu, dass ihr auf ein Schlagzeug in der Band verzichtet habt? Hat sich das ganz natürlich entwickelt?

Nick: Schon. Jamie hat einfach mit dem Steppen angefangen und danach hat sich keiner so recht die Frage gestellt, ob wir noch ein Schlagzeug bräuchten. Außerdem sind Schlagzeuger wirklich sehr schwer zu finden. Von daher eine gute Lösung.

Soundmag: Und jetzt wird Jamie als menschliche Drummachine betitelt. Bist du glücklich mit dieser Beschreibung?

Jamie: (lacht) Puh. Glücklich vielleicht nicht, aber ich habe es akzeptiert. Ich kann damit leben.

Soundmag: Kennt ihr eigentlich noch andere Bands, die Stepptänzer für ihre Perkussion nutzen?

Jamie: Ja. Es gibt einige. Aber die meisten nutzen es als Bonus in ihren Konzerten. Fish zum Beispiel hatte bei seinen Zugaben manchmal eine Stepptänzerin dabei. Es gibt noch ein oder zwei andere Bands. Aber in der Art und Weise, das Steppen als festen Bestandteil unserer Songs zu nutzen, sind wir einzigartig.

Nick: Quasi unser Markenzeichen.

Soundmag: Die Mitglieder der Band kommen ja fast alle aus Omaha. Wenn man in Deutschland Artikel über diese Stadt und die dortige Musikszene liest, hat man das Gefühl, dass man dort nur eine x-beliebige Straße entlang gehen müsste und dabei mindestens zwei Musiker treffen würde. Ist das so?

Jamie: (lacht) Nicht immer, es hängt von der Jahreszeit ab. Im Winter könnte das sogar stimmen, weil dann fast alle in der Stadt sind, um neue Songs zu schreiben und aufzunehmen. Dann herrscht tatsächlich eine sehr kreative Atmosphäre und es gibt überall Konzerte. Aber über den Sommer sind fast alle Bands in der Welt unterwegs und spielen Konzerte. Omaha wirkt dann schon ein bisschen wie ausgestorben.

Soundmag: Verstehe. Dann lasst uns mal zur wahrscheinlich meistgestellten Frage kommen. Was hat es mit eurem Namen auf sich?

Jamie: “Tilly And The Wall“ ist der Titel eines Kinderbuches von Leo Leonni. Am Anfang gefiel er uns vor allem wegen des Klangs, aber mit der Zeit stellten wir fest, dass auch die Geschichte des Buchs irgendwie auf uns passt. Darin geht es um zwei Mäuse, die auf die andere Seite einer Mauer wollen…

Nick: …um dort eine riesige Party zu feiern…

Jamie: ... und darum geht es ja auch bei unserer Musik. Spaß haben.

Soundmag: Auch ums Tanzen? Auf eurem Debüt-Album „Walk Like Children“ sind ja Unmengen Percussions zu hören. Soll eure Musik Menschen zum Tanzen bringen?

Jamie: Ja, auch wenn das nicht das originäre Ziel ist. Aber das Tanzelement gehört ja zu fast jeder Musik, darum wäre es Quatsch, dies abzustreiten. Und schließlich tragen wir auf der Bühne ja auch dazu bei.

Soundmag: Genau, ich sah einige Fotos von Konzerten, auf denen es den Anschein erweckt, dass ihr gar eine kleine Choreographie einstudiert habt.

Jamie: Es gibt auf dem neuen Album einige Songs, zu denen wir uns das eine oder andere überlegt haben. Choreographie ist wahrscheinlich übertrieben.

Nick: Wir probieren Dinge aus. Manche funktionieren, andere nicht.

Jamie: Oh ja, andere nicht.

Soundmag: Was zum Beispiel hat denn nicht funktioniert?

Nick: (lacht) Wir haben auf der Tour ein wenig mit Intros rumexperimentiert. Es gab eine Version, bei der wir zu von uns selbst gesungen Uhhs und Aahhs auf die Bühne kamen. Das kam leider überhaupt nicht an.

Soundmag: Wie groß sind Tilly And The Wall eigentlich in Amerika? Um davon mal eine Vorstellung zu haben...

Nick: Du meinst, was Konzerthallen angeht? Wir spielen dort vor 400 bis 650 Menschen. Allerdings lässt sich das im Moment schwer einschätzen, da es schon einige Zeit her ist, seit wir das letzte Mal in den USA auf Tour waren.

Jamie: Ich glaube, mit der Veröffentlichung des neuen Albums und der dazugehörigen Tour werden wir sehen, wie groß unser Publikum ist. „Walk Like Children“ erschien in Amerika ja schon 2004. Seitdem ist viel passiert, das Album hat sich gut verkauft. Von daher denke ich schon, dass unser Publikum größer geworden ist.

Soundmag: Wie ist es denn, mit diesem Album, das in Amerika vor zwei Jahren erschien, nun durch Europa zu touren und es hier als Neuveröffentlichung zu präsentieren. In Deutschland erschien „Walk Like Children“ ja erst vor einigen Monaten.

Jamie: Es ist schon etwas komisch, weil es ein Kapitel zu sein scheint, dass hinter dir liegt. Allerdings sehe ich diese unterschiedlichen Veröffentlichungsdaten nicht als zu großes Problem. Das Album war ja auch vorher schon als Import oder übers Internet zu haben. Und wir sind wirklich froh, hier so tolle Labels wie Moshi Moshi gefunden zu haben.

Nick: Oh ja. Moshi Moshi, Coop und auch V2. Die Zusammenarbeit ist ganz fantastisch.

Soundmag: Dann lasst uns gleich zum neuen Album „Bottoms Of Barrels“ kommen. Das erscheint in den USA noch im Mai, wann sind wir dran?

Jamie: Irgendwann im Herbst. Ich habe aber kein genaueres Datum.

Soundmag: Könnt ihr ein wenig von den Aufnahmen erzählen? Wie klingen die neuen Songs?

Jamie: Es war anders als bei „Walk Like Children“. Wir experimentierten viel mehr.

Nick: Wir waren das erste Mal in einem Studio und arbeiteten dort konkret an der Musik. Sehr viel stringenter als bei „Walk Like Children“, das im Wesentlichen auf einem einfachen Computer aufgenommen wurde. Der Klang ist darum ebenfalls um einiges besser.

Soundmag: Ich habe den kleinen Text zum neuen Album gelesen, der auf eurer Homepage steht. Gehört habe ich es leider noch nicht. Aber beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass die Musik vielfältiger sei. Ihr habt einige ungewöhnliche Instrumente genutzt und auch mit einem Chor gearbeitet.

Jamie: Definitiv. Das Album hat einige Überraschungen – auch wenn es um die Live-Umsetzung geht.

Soundmag: In einer Biographie las ich, dass ihr die Songs von „Walk Like Children“ komplett zum kostenlosen Download ins Internet gestellt habt. Stimmt das?

Nick: Ja.

Soundmag: Wie schätzt ihr denn die Möglichkeiten des Internets für Musiker ein?

Nick: Es ist ein großartiges Werkzeug, vor allem für junge Bands. Du kannst deine Songs bekannt machen und dir so etwas wie eine Community aufbauen. Außerdem bist du weltweit verfügbar. Die Fans können deinen Newsletter abonnieren und die Band kann so auf Neuerscheinungen, Konzerte und all dies hinweisen.

Jamie: Das macht mir manchmal sogar etwas Angst. Ich denke zum Beispiel, dass die Leute bei einem Konzert in Europa merken könnten, dass ich ein bestimmtes T-Shirt schon mal in Amerika getragen habe. Denn die Fotos sind ja überall im Internet zu sehen. Aber ich denke auch, dass das Internet für jungen Musiker nicht zu unterschätzen ist. Wir waren ja damals mit die ersten, die ihr komplettes Album online gestellt haben. Uns hat das auf jeden Fall geholfen.

Soundmag: Aber kommt nicht irgendwann der Punkt, an dem man umschwenken muss, weil man zu groß wird und sich das Netz dann gegen einen wendet?

Nick: Puh. (denkt nach) Ich glaube nicht, dass die Gefahr bei uns in dieser Hinsicht besteht.

Jamie: Das ist sehr abhängig von deinen Fans. Ich kann mir schon vorstellen, dass Britney Spears Probleme mit dem Internet hat. Zum einen hat sie nicht die Credibility, wie sie im Indie-Pop-Bereich vorherrscht. Da wird die Arbeit eines Musikers noch sehr hoch geschätzt. Bei Chartmusik ist das, glaube ich, anders. Außerdem haben die jungen Fans bei ihr natürlich das Gefühl, dass sie soviel Geld verdient, dass das illegale Herunterladen im Internet für ihren Star fast folgenlos bleibt.

Nick: Also, ich verstehe was du meinst. Aber für Tilly And The Wall ist so ein Punkt, wenn überhaupt, noch sehr, sehr weit entfernt. Für uns hat das Internet im Moment nur positive Seiten. Immerhin sind wir jetzt hier und touren durch Europa. Ohne das Netz wäre es wohl nicht soweit gekommen.

Soundmag: Gut möglich. Das Konzert heute ist ja bereits das Zweite in diesem Jahr. Habt ihr denn auch schon etwas von Berlin gesehen?

Jamie: Beim letzten Mal kamen wir erst spät abends an und sind am nächsten Morgen sofort weiter gefahren. Heute waren wir ein bisschen in der Stadt unterwegs. Berlin scheint unglaublich interessant zu sein. All die H&M’s überall (lacht). Ich wollte oft aussteigen und ein wenig herumschlendern, aber das ging nicht, weil der Soundcheck immer näher rückte.

Nick: Wir müssen uns definitiv etwas mehr Zeit dafür nehmen – beim nächsten Mal.

Soundmag: Gut, dann kommt jetzt meine letzte Frage, die nichts mit dem Rest des Interviews zu tun hat. Bereit?

Jamie: Raus damit!

Soundmag: Was haltet ihr von den Pet Shop Boys?

Beide im Chor: Oh, sie sind klasse!

Nick: Obwohl ich keines ihrer Alben besitze.

Jamie: Das ist bei mir genauso. Aber ihre Musik mag ich.

Soundmag: Habt Ihr einen Lieblingssong?

Nick: „East End Boys“? Gibt es den?

Jamie: Genau. (singt) „East End Boys...“

Soundmag: Nicht ganz. Er heißt „West End Girls“.

Nick: Richtig. Also die Pet Shop Boys sind für mich etwas ziemlich Einmaliges. Auch weil sie irgendwie ihr ganz eigenes Genre begründet haben. Dafür sollte sie eigentlich jede Band bewundern.

Soundmag: Ich danke euch beiden für das Interview und wünsche euch ein tolles Konzert heute abend.

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Offizielle Website

www.tillyandthewall.com

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