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Keane

Keane

 

15.04.04 - Knaack / Berlin

Interview:  Mela

Foto: Pressefoto

 

 

 

Mir fehlen fast die Worte. Dass ich so etwas noch erleben darf. Ich meine, man hatte schon das untrügliche Gefühl, dass nach den ersten Keane Singles etwas ganz ganz Grosses auf die Welt zukommt. Aber was da gestern im Knaack passiert ist...hey, jeder der nicht da war wird dumm sterben, weil er nicht weiß, wir glücklich Musik mit Piano, Drums und einer glockenklaren Stimme einen machen kann. Sänger Tom Chaplin hat mit so viel Euphorie und Hoffnung geworfen, dass ich nach einer halben Stunde nicht mehr wusste wohin damit, und am liebsten noch einige Alditüten vollgestopft und mit nach Hause genommen hätte. "This is the last time" war zum Kollabieren schön - und der nächste Auftritt in Berlin wird, da bin ich mir sicher, in der Columbiahalle oder Waldbühne stattfinden. Doch ich werde den gestrigen Abend ganz fest in meinem Herzen behalten und ihn immer rausholen, wenn ich das Gefühl von unerträglicher Glückseligkeit brauche.
Nur gut, dass ich das Interview mit Tom (vocals) und Richard(drums) schon vor diesem Highlight des Jahres machen durfte...also schaue ich mal zwei Stunden zurück.
P.S. Wer den Knaack gut gefüllt kennt, der kann bestätigen, dass man dort kollektiv einen kleinen Baggersee ausgeschwitzten kann.
SOUNDMAG: Weißt du, dass du mein Leben gerettet hast in die letzten Wochen...ich meine, du weißt es nicht, aber ich sage es dir jetzt. Ich hatte diese ganze Rock'n'Roll Scheisse satt und dann kamt ihr. In Berlin seid ihr ein richtiger Club-Hit.

T: Oh, dass ist großartig...
SOUNDMAG: (Ich besinne mich darauf, dass ich professionelle Absichten habe) Ihr habt eure Band 1997 gegründet, richtig?

T: Ja, so ungefair. Wir sind da zusammengekommen, wir kannten uns schon sehr lange, haben Musik gemeinsam entdeckt und schon Dinge vor dieser Zeit unternommen. Tim und Richard haben schon, ich glaube vor 97, eine Band mit einem Gitarristen gegründet und dann kam ich später dazu, obwohl wir uns schon kannten. Aber...
SOUNDMAG: Also hast du dann gleich den Gitarristen rausgeworfen?

T: (lacht) Das hätte ich mir gewünscht...aber so ist es nicht gelaufen. Wir waren eine vierköpfige Band für vier Jahre, und dann hat der Gitarrist entschieden...weißt du, er hatte genug...er hatte nicht das Gefühl, dass es so cool war...das wurde ihm klar (nun sag schon, dass ihr ihm einen Arschtritt verpasst habt!) aber ich glaube, das war zu der Zeit fair. Wir hatten einen gewissen Standard erreicht, wir waren eine gute Band, aber da waren eine Menge Bands um uns herum, die genau wie wir waren und wir hatten nicht das gewisse Etwas, das dich von anderen unterscheidet. Also war es das Beste, dass er gegangen ist, weil wir überlegen mussten was wir nun machen...ob wir weiter Proben, ob wir es so lassen, wie es war, wie wir halt die Sache anpacken...Tim hat vorher Bass gespielt, aber er hat Songs auf dem Piano geschrieben und dann haben wir angefangen mit Keyboards zu experimentieren, ich habe mit Acoustic-Gitarre aufgehört und mich aufs Singen konzentriert...und glücklicherweise haben wir so den Sound entwickelt, den wir jetzt haben.
SOUNDMAG: Und das hat dann fünf Jahre gedauert, bis ihr das erste Mal live gespielt habt?

T: Na ja, es hat halt ein paar Jahre gebraucht, mit drei Leuten zu entdecken, wie wir klingen wollen. Als wir anfingen wollten wir einfach andere Bands covern. Wir haben so viel gelernt...ich glaube, wenn wir vor drei oder vier Jahren ein Album herausgebracht hätten, wäre das vielleicht o.k. gewesen, aber es hätte nicht die Qualität gehabt...wir sind sehr stolz auf das, was wir aufgenommen haben (ich möchte ihn drücken und mit ihm stolz sein...)
SOUNDMAG: Erzähl mir was über eure erste Single bei Fierce Panda "Everybody's changing".

T: Wir hatten einen Gig in London, was ganz Kleines...wir hatten 2001 einen "publishing deal" bei BMG unterschrieben und fanden das ganz aufregend und haben auf einen Plattenvertrag gehofft, aber der kam nicht. Das Jahr ging rum und wir waren deprimiert. Keiner hatte wirklich Interesse. Und dann kam dieser Auftritt in London, ein kleiner Acoustic Gig mit Tim am Piano, Rich an den Bongos und ich habe gesungen, und da kam der Typ von Fierce Panda...er sagte einfach, ich mag wirklich was ihr macht, lass uns doch eine Single rausbringen, gebt mir einfach eine Aufnahme und eine Cover-Idee und wir bringen 1000 Stück davon raus und schauen, wie es läuft.
SOUNDMAG: Und es lief gut!

T: Ja, es lief prima. Wir wurden im Radio gespielt und Steve Lamacq von Radio 1 hat es entdeckt und meinte, das hat irgendwas Besonderes, das ist einfach anders, einfach schön...und dann kamen die Leute plötzlich zu unseren Konzerten und die größeren Labels zeigten Interesse. Wir brachten dann noch eine weitere Single mit Fierce Panda raus "This is the last time". Wir wollten damit irgendwie auch Danke sagen zu Simon (und ich danke Gott für dieses Stück), dass er alles so natürlich und stressfrei gemacht hat. Glücklicherweise.
SOUNDMAG: (Richard kommt dazu und sagt - hallo ich bin Rich) Hi Rich...und wer schreibt bei euch die Songs?

T: Tim schreibt die Songs. Der Typ, der Piano spielt. Er ist gerade unter der Dusche (mehr Informationen, als ich brauche...). Wir haben einige neue Songs für unsere Auftritte gemacht, weil die Leute von und erwarten, dass wir nun längere Sets spielen. Da sind aber auch Stücke auf den Album, die wir noch nicht live gespielt haben. Aber wir arbeiten hart daran...wir hatten in letzten Zeit nicht die Möglichkeit zu Proben.
R: Wir spielen manchmal kleine Acoustic Sets in Universitäten, zur Lunch Zeit, wenn wir auf Tour sind...
SOUNDMAG: Wie dieser Auftritt in Birmingham (da standen sie nämlich vor verschlossenen Türen)?

R: Ja, keiner kam. Es war das erste Mal, dass wir so was gemacht haben, und wir haben gehofft...ach keine Ahnung, was wir erwartet haben...dass ein paar Leute kommen, aber wir waren dann die Einzigen und wir dachten, oh Gott, wird das immer so sein...? Aber es war einfach schlecht organisiert und die nächsten Konzerte waren dann übervoll.
SOUNDMAG: Wie hat sich euer Leben verändert, seit ihr den Plattenvertrag in der Tasche hattet?

R: Wir sind jetzt gut beschäftigt. Wir machen jetzt alle Sachen, die wir schon immer machen wollten. Auf Tour gehen, Musik aufnehmen...das sind alles zeitfüllende Dinge...also statt zu Hause zu proben und im Monat ein paar Konzerte zu geben, haben wir jetzt fünf oder sechs Abende in der Woche, erst in England und jetzt in Europa (nicht dass ich auf die Idee komme, dass England etwa zu Europa gehört).
SOUNDMAG: Ihr seid mit Travis auf Tour gewesen, als Support...

T: Ja, letzten Monat waren wir in England unterwegs. Das war super. Große Arenen, das war schon ein interessantes Erlebnis. Wir haben da viel gelernt, glaub ich. Davor hatten wir schon eine Tour, die war ganz gut, und dann kam die Travis Tour und es war verrückt und aufregend. Ich weiß nicht genau, was wir gelernt haben...dann kamen wir nach Europa und es gibt so viele Eindrücke zu verarbeiten...es macht riesigen Spaß.
SOUNDMAG: Im Q Magazin stand über euch diesen Monat: "guitar rock minus the guitar". Könnte es sein, dass ihr so gar nicht in den momentanen Rock Trend passt, oder können wir auf einen sich andeutenden Wechsel zum Pop hoffen?

R: Tim und ich haben gerade heute darüber gesprochen und es ist so, dass alle unsere Lieblingsbands Gitarren benutzen und alle guten Songschreiber spielen Gitarre, also ist unsere ganze Musik eigentlich vom Genre her Gitarrenmusik...nur dass wir halt keine Gitarre haben (wenn da nicht eine ungewisse Logik hinter steckt). So einfach ist das...die Songs sind halt Songs, so wie Songs klingen und unsere Stücke auf dem Album sind auf der Gitarre geschrieben. Und wir haben einige Tricks, die Gitarristen benutzen...(dann lässt er sich kurz über technische Details aus, was bestimmt den einen oder anderen interessiert, aber ich habs nicht so ganz verstanden, sorry). Auf unserem Piano kann man viele Sachen machen, auch dass es wie eine Gitarre klingt.
SOUNDMAG: Also benutzt ihr auch Computer?

R: Im Studio? (nein, zum daddeln in den Pausen...) Ja, aber wir verwenden auch richtig alte Elemente und analoges Equipment. Man kann bei Vielem halt nicht den originalen Sound mit dem Computer kopieren, beim Piano oder Harmonium zum Beispiel.
SOUNDMAG: Ihr habt gesagt, ihr seid stolz Briten zu sein.

T: Vielleicht stolz auf britische Musik. Nicht mehr auf England als solches (ja genau, weltpolitisch solltet ihr euch schämen). Die Bands von denen wir gelernt und die uns inspiriert haben, das lässt dich dann halt irgendwie britisch klingen. Das Offensichtlichste ist vielleicht, dass wir in einem englischen Accent singen. Es gibt viele Bands, die versuchen amerikanisch zu klingen. Einfach nur wir selbst zu sein, dass macht Keane aus. Wir wollen in keine weltweiten Rock'n'Roll Klischees passen und nicht in LA rumhängen (Grüsse an Tim Burgess...) dass sind dann nicht wir.
SOUNDMAG: Habt ihr es nicht satt, von der Presse immer als die "neuen Coldplay" betitelt zu werden?

R: Das ist halt ganz natürlich. Wir sind junge Menschen aus der Mittelklasse, wir benutzen ein Piano und wir versuchen unser Publikum anzusprechen. Ich habe eine Zeitschrift, bei der auf dem Cover steht: "Radiohead - the new U2?", ich meine du wirst doch wohl nicht sagen, dass Radiohead wie U2 klingen, oder? Das ist alles normal, es geht halt einfach um das Klientel, welches eine bestimmte Musik hört.
SOUNDMAG: Ihr möchtet, dass sich die Leute mit eurer Musik identifizieren können. Welche Idee oder welches Gefühl wollt ihr gerne vermitteln?
T: Hm, ich hoffe unsere Musik ist einfach einladend. Was wir machen hat auch wirklich mit unserem Leben zu tun, mit dem was wir machen. Wir sind total normale Menschen und leben ein normales Leben. Vielleicht versteht man sich daher auf einer emotionalen Ebene. Egal ob es um Liebe oder Freundschaft oder Beziehungen geht. Wir hoffen einfach, dass wir die Leute in einer leidenschaftlichen und emotionalen Weise ansprechen. Wenn Jemand zu einem Keane Konzert geht dann erwartet er nicht, mit blutenden Ohren rauszugehen, sondern es geht um eine emotionale Erfahrung - da liegen unsere Hauptqualitäten. Wenn wir einen guten Gig haben, dann fühlen wir auch die Songs und fühlen das Publikum, dann kommen wir auch ganz aufgewühlt von der Bühne. Es solle einfach ein erhebendes "uplifting" Gefühl sein, wir machen nichts Negatives...es soll positiv sein.
SOUNDMAG: "Somewhere only we know" handelt von euerm Heimatort Battle. Stimmt das?

R: Vielleicht für uns, ja. Es geht aber nicht um einen bestimmten Ort. Ich meine, es kann ein spezifischer Ort sein. Immer ein anderer Ort zu einer anderen Zeit, für jeden individuell. Es geht um glückliche Erinnerungen, wo man sich wohl gefühlt hat an einem Platz oder eine Zeit mit bestimmten Leuten. Etwas in der Vergangenheit, an das du dich erinnern kannst, wenn du dich schlecht fühlst. Es ist ein positiver Song, der Vieles einschließt.
SOUNDMAG: Wann kommt euer Album "Hopes & Fears" in die Läden?

T: Am 10. Mai in den meisten europäischen Ländern, in Frankreich kommt es etwas später raus.
SOUNDMAG: Was sind denn eure Hoffnungen und Ängste?

T: Ich glaube das sind meistens immer die gleichen Dinge...zum Beispiel mit unserer Musik hatten wir immer die Hoffnung, etwas Spannendes zu machen und die Angst, zu scheitern. Ansonsten die typischen Ängste im Leben, die Kämpfe die man hat.
R: Einfach wenn man die Zeitung aufschlägt, bekommt man das Gefühl, dass die Welt nicht gerade ein glücklicher Ort ist momentan. Wir alle haben die gleichen Hoffnungen und Ängste.
SOUNDMAG: Welches Stück kommt als nächste Single raus?

T: In Deutschland? "Somewhere only we knows" kommt am Montag raus. Die wurde in England schon veröffentlicht. "Everybody's changing" kommt in England in ein paar Wochen als Re-Release mit einigen Veränderungen, neuen B-Seiten und Video.
SOUNDMAG: Wie schaut es mit Festivals aus?

R: Ja eine Menge, V-Festival, Glastonbury und T in the Park, Oxygen, Haldern und so ein Radio Festival...many more, egal. Letztes Jahr haben wir in Leeds gespielt, das war cool...um 2 Uhr mittags im mittleren Zelt, 25 Minuten gespielt...
SOUNDMAG: Bekommt ihr manchmal Angst, wie schnell das mit dem Erfolg geht?

T: Nein, nicht wirklich. Wir sind eher aufgeregt, bisher lief es ja nicht schlecht. Mal schauen, wie verrückt es noch wird. Es ist einfach schön, dass sich die Leute für uns interessieren und uns ihr Ohr leihen und unsere Songs entdecken. Vor sechs Monaten oder einem Jahr war das noch nicht so. Einfach Aufmerksamkeit zu bekommen, eine Platte rausbringen zu können und diese Sachen halt...ein Traum ist wirklich wahr geworden. Ich habe immer diesen Albtraum, dass bei einem Auftritt alles schief läuft...hoffentlich passiert das nie.
SOUNDMAG: (Da hoffe ich mit euch) Mensch super, ich danke euch. Es war mir wirklich eine Ehre!

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