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Pelle Carlberg

Pelle Carlberg

 

29.06.06 - per Email / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Pelle Carlberg hat das nötige Charisma, die Stimme und die passenden Anzüge. Seinem Gegenüber macht er glaubwürdig weis, dass ein 20 Jahre alter VW Golf mit einigen Macken das beste Auto der Welt sei und es der größte Fehler wäre, dieses Fahrzeug nicht sofort für viel zu viel Geld zu kaufen. Leicht abgewandelt könnte er singen: “I’ve got the looks, I’ve got the brain, let’s make lots of money.“ Nur hat das mit dem Geld bis jetzt nicht so richtig funktioniert. In Schweden war Carlbergs Band Edson zwar eine durchaus bekannte Größe, international bewegte sich jedoch nicht viel. Also beschloss der Singer/Songwriter sich ins Solo-Abenteuer zu stürzen und singt auf „Everything. Now!“ nun mitunter absonderlichste Geschichten über Musikkritiker, Konsumtempel und gebrochene Füße, die ihm Jesus ein Stück näher brachten. Bittersüße Songs also, die durchaus die eine oder andere Nachfrage wert sind. Weil der Weg von Wien nach Berlin, den Pelle in acht Stunden zurücklegen sollte, am Ende doch länger war als erwartet, wurde das anberaumte Interview mit einem der bestangezogenen Schweden in den virtuellen Raum verlegt.

Soundmag: Pelle, wo kaufst du eigentlich die Anzüge, die du auf Covern und bei Konzerten trägst?

Pelle: Tatsächlich habe ich gar nicht so viele Anzüge. Insgesamt sind es gerade mal fünf oder sechs, die ordentlich sitzen. Die meisten Klamotten, die ich trage, kaufe ich in einem Laden in Stockholm, der „Nordiska Kompaniet“ heißt. Ein sehr klassisches Geschäft, das viel mit Harrods in London gemein hat. In „Riverbank“ singe ich sogar davon, wie ich zu viel Geld in diesem „Konsumtempel“ ausgebe. Außerdem finde ich immer viele einzigartige Sachen in Second Hand-Geschäften.

Soundmag: Wie steht es mit den Frauen? Mögen sie deinen Stil?

Pelle: Na ja, ich glaube, es ist einfacher, Männer durch Stil zu beeindrucken.

Soundmag: Ach komm, das hilft dir doch sicher weiter. Zumal ich in einer Review zum neuen Album gelesen habe, dass deine Stimme Eisberge und Frauenherzen schmelzen lässt. Stimmst du da zu?

Pelle: Haha... wenn das mal so wäre. Ich bin ja nicht unbedingt Ronan Keating. Meine Stimme ist sehr natürlich und klingt sehr geradeaus in einer ruhigen und ehrlichen Art. Aber um meine Musik wirklich zu genießen, müssen die Leute auf die Balance zwischen den Texten und Melodien in meinen Songs achten. Es ist ja nicht immer alles so süß, wie es auf den ersten Blick scheint.

Soundmag: Hast du denn schon mal für eine Frau gesungen, um sie zu beeindrucken? Hat das funktioniert?

Pelle: Natürlich! Allerdings nicht in den letzten Jahren. Als ich jung war, mochte ich die Idee, jemand zu sein. Jemand, der singen und spielen kann. Zu dieser Zeit hatte ein Auftritt auf einer Bühne noch eine ganz andere Bedeutung. Heutzutage schreibe ich nie Songs, um andere Leute zu beeindrucken. Vielmehr tue ich es, weil ich sie in mir trage und die Lieder raus wollen. Auf einer Party habe ich die Gitarre schon seit zehn Jahren nicht mehr herausgeholt.

Soundmag: Trotz der vorangegangenen Fragen, behauptete ein Mädchen mir gegenüber kürzlich, dass jemand mit dem Namen Pelle niemals erfolgreich sein wird. Jetzt kommst du!

Pelle: Einer der größten Fußballer aller Zeiten heißt Pelé. Ich bin mir also nicht so sicher, ob sie da richtig liegt. Aber hey, wenn ich der nächste Axl Rose werden wollen würde, hätte ich mir einen viel cooleren Namen als Pelle Carlberg verpasst. Übrigens ist mein Name im Schwedischen noch um einiges langweiliger.

Soundmag: Kennst du das Kinderbuch „Pelle, der Eroberer“? Haben deine Eltern sich vielleicht den Namen dort geborgt?

Pelle: Ich kenne das Buch und auch den Film. Meine Eltern haben mit meinem Namen aber nur wenig zu tun. Sie nannten mich Per, aber wie bei vielen Schwedischen Namen bekommst du irgendwann eine Spitznamenendung. Aus Karl wird Kalle, aus Nils Nisse, aus Olaf Olle und aus Per wird – wie du dir jetzt sicher schon denken kannst – Pelle.

Soundmag: Dann lass uns zu deinem aktuellen Album „Everything. Now.“ kommen. Die neuen Songs erscheinen mir etwas launischer als das, was auf Edson-Alben zu hören war. Ein allgegenwärtiges Musikerclichè besagt ja, dass es Schmerz braucht, um einen guten Song zu schreiben. Ist Melancholie notwendig, um tolle Musik zu schreiben?

Pelle: Ich fürchte, da muss ich zustimmen. Ich wünschte, es wäre alles nur ein großer Mythos, aber wenn du glücklich bist, brauchst du nichts zu schreiben. Für das nächste Album habe ich bereits einen Song mit dem Titel „I Just Called To Say I Love You“ geschrieben. Darin gibt es die Zeilen „If I Ever Get Happy, My Songs Will Start To Suck / But If I Ever Get Happy, I Won’t Give A Fuck.“ Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Soundmag: Musst du dich in eine solche, ganz bestimmte Stimmung hineinversetzen, um zu schreiben?

Pelle: Inzwischen nicht mehr. Ich kann mich zu jeder Zeit in eine Stimmung bringen, die ich brauche. Das ist eine Frage des Sammelns bestimmter Eindrücke in dir selbst. Wenn die Zeit reif ist, es aufzuschreiben, musst du nur noch dazu in der Lage sein, es raus zu lassen. Meine Ohren und Augen sind also jederzeit offen, trotzdem versuche ich zwischen neun und fünf zu schreiben und aufzunehmen.

Soundmag: Was ist die wichtigste Emotion, die du durch deine Musik ausdrücken möchtest?

Pelle: Ganz ehrlich: das Gefühl, nicht wirklich für diese Welt gemacht zu sein.

Soundmag: Deine Musik klingt ja ein wenig nach den 60er und 70er Jahren. Gibt es eine Band aus dieser Zeit, mit der du gern gespielt hättest?

Pelle: Für mich gibt es keine andere Funktion in einer Band als zu singen. Da ich nicht gern die Stücke anderer singe, ist meine Antwort ein klares Nein. Aber tatsächlich sind die meisten meiner Einflüsse aus diesen Epochen.

Soundmag: Siehst du Parallelen zu Bands wie Belle & Sebastian oder den Kings Of Convenience in deiner Musik?

Pelle: Diese Vergleiche schmeicheln mir. Es sind gute Bands und ich denke, wir alle haben mehr oder weniger die gleichen Einflüsse.

Soundmag: Die Geschichten, die du auf „Everything. Now!“ erzählst, sind mitunter sehr verwunderlich. Alles selbst erlebt?

Pelle: Ja! Manche Geschichten handeln zwar nicht direkt von mir, aber in diesen Fällen habe ich sie bei anderen Menschen und deren Umgang mit speziellen Themen beobachtet.

Soundmag: Ist „Summer Of 89“ eigentlich eine Bryan Adams-Coverversion durch die Hintertür?

Pelle: Bryan Adams Song dreht sich um sexuelle Position. Meiner handelt vom dem Sommer bevor ich geboren wurde. Einer Zeit also, in der ich von den Grausamkeiten dieser Welt noch nichts wusste. Mir gefiel die Idee, Songtitel von anderen zu klauen oder sie nur minimal zu verändern, schon immer. Auf dem ersten Edson-Album gibt es zum Beispiel das Stück „Sunday, Lovely Sunday“. Den hab ich von U2, nur dass Bono „Sunday, Bloody Sunday“ singt.

Soundmag: Kannst du mir erklären, was das Musikbyran ist, um das es in einem Lied geht? Und warum brachte es dich zum Crack rauchen?

Pelle: „Musikbyrån“ ist eine wirklich tolle Musiksendung im nationalen, schwedischen Fernsehen. Ich wünschte mir einfach, dass sie mir etwas mehr Beachtung schenken würden. Außerdem ist der Song ein weiteres gutes Beispiel für meine Strategie des Borgens von Songtiteln. Denn natürlich ist „Musikbyrån Makes Me Smoke Some Crack“ auch eine Umschreibung von Becks „MTV Makes Me Wanna Smoke Crack“.

Soundmag: Was denkst du ganz allgemein über Musikjournalisten? In „Go To Hell, Miss Rydell“ gehst du ja nicht gerade freundlich mit ihnen um. Oder war das die Ausnahme zur Regel?

Pelle: Ich glaube, viele Journalisten sind sehr von sich selbst überzeugt. Aber alles in allem habe ich großen Respekt vor dieser Arbeit. Diese „Go To Hell“-Angelegenheit fing mit einer Review des dritten Edson-Albums an. Sie war voller in die Irre führender Fakten und alles andere als nett. Nach meinem spontanen Anruf bei der Journalistin, fiel mir dieser lustige Titel ein und ich schrieb den dazugehörigen Song in nur zehn Minuten.

Soundmag: Wo du gerade Edson noch mal erwähnst, warum habt ihr euch eigentlich getrennt?

Pelle: Die anderen Edsons waren alle mit anderen Projekten beschäftigt und ich wollte meine musikalische Vision ohne Kompromisse verwirklichen. Mit dem Resultat bin ich sehr glücklich. Es hat mir den neuen, frischen Start gegeben, um die Musikindustrie und die damit zusammenhängenden Zwänge und Freuden wieder zu genießen.

Soundmag: Würdest du denn sagen, dass Solo besser ist, als das Arbeiten in einer Band? Was ist der Unterschied, wenn man mal davon absieht, dass es nur ein Ego gibt?

Pelle: Da ich schon bei Edson alle Songs selbst schrieb, hatte ich immer ein endgültiges Vetorecht in der Gruppe. Aber praktisch funktioniert so eine Arbeitsweise fast nie. Die anderen tragen Dinge bei, die sie mögen. Spätestens dann ist es vorbei mit der totalen Kontrolle, weil du automatisch immer auch andere verletzten würdest.

Soundmag: Lass uns noch ganz kurz auf die schwedische Musikszene schauen. Gibt es so etwas wie typisch schwedische Musik?

Pelle: Ja, das Gefühl habe ich durchaus. Wir haben eine gewisse Tradition und Begabung für Melodien. Auch kleine und große Akkorde gehen uns Schweden leicht von den Händen.

Soundmag: Welche schwedischen Bands hörst du denn zurzeit ausgiebig?

Pelle: Ich war begeistert, als ich das erste Mal I’m From Barcelona im Radio hörte. The Concretes haben brilliante Momente. Und: die guten Eggstone werden meine CD-Player für eine lange Zeit nie mehr verlassen.

Soundmag: Pelle, vielen Dank für dieses Interview. Viel Erfolg!

Pelle: Danke. Habt einen schönen Sommer und viel Glück während der Weltmeisterschaft.

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www.pellecarlberg.se

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