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Grizzly Bear

Grizzly Bear

 

29.08.06 - Berlin / Berlin

Interview:  Jana & Bärbel

Foto: Jana

 

 

 

Es ist 12 Uhr mittags. Berlin ist grau und verdammt nass. Keine ungefährliche Angelegenheit, unter diesen Umständen einen Grizzlybären zu treffen. Wir waren auf alles gefasst. Nur nicht auf das.
„Soundmag?“ – klingt es durch die Rezeption. Es ist Ed, frisch geduscht, nasshaarig und mit schlaftrunkenen Augen, die gute Laune in der Hosentasche. Eine Schale Milchkaffee und ein Interview zum Frühstück – kann es einen schöneren Start in den Tag geben?

Soundmag: Euer aktuelles Album „Yellow House“ erscheint in wenigen Tagen in Deutschland. Es erscheint komplexer als das erste. Woran liegt das?

Edward Droste: Das Wichtigste ist wohl, dass es sich von einem Soloprojekt zu einer Band entwickelt hat. Das erste Album bin zu 90% nur ich. Jetzt sind wir vier Songwriter, was automatisch mehr Ideen bedeutet und gerade Daniel schreibt sehr komplexe Arrangements. Auch die Songs, die ich geschrieben habe, wurden von jedem einzelnen beeinflusst und so wurden die Stücke größer. Das ist eine grandiose Sache – vor allem, weil ich nicht noch einmal ein Album in der selben Art und Weise wie das erste machen wollte.

Soundmag: Wie kam es denn überhaupt zum ersten Album?

Edward Droste: Oh, das ist das totale Klischee vom verschreckten Jungen in seinem Schlafzimmer. Ich hatte mein Studium gerade beendet und arbeitete bei einer Dokufilmfirma. Dort habe ich gelernt, mit Protools umzugehen. Außerdem hatte ich Gitarrenstunden während der High School genommen. Gott, ich bin ein furchtbarer Gitarrist. Ich habe dann irgendwann angefangen, mit Protools zu arbeiten, mir in meinem Schlafzimmer beizubringen, wie man Songs schreibt. Und weil ich nicht gut Gitarre spielen kann, habe ich einfach immer ein kurzes Stück eingespielt und das geloopt. Das war eigentlich alles. Im Grunde genommen hatte es mit der Trennung von meinem Freund zu tun. Ich war voll von diesen typischen Problemen, die man so hat. Es war eine sehr deprimierende Zeit und somit auch ein sehr persönliches Album. Einige Freunde machten Kopien davon und gaben sie wiederum anderen Freunden – ohne dass ich davon wusste. Ein kleines, kleines New Yorker Label, Kanine, bekam es in die Hände und wollte es veröffentlichen. Für mich war das anfangs schon befremdlich, weil ich die Songs nicht mit der Intention geschrieben hatte, dass andere Leute sie hören sollten.

Soundmag: Und was passierte dann?

Edward Droste: Wir fanden anfangs keinen guten Vertrieb; das wurde aber besser. Dann gab es diesen Remix von uns. Schließlich fragten einige Labels an und wir entschieden uns für Warp. Na ja, und so kommt man dann nach Europa. [lacht]

Soundmag: Hat sich denn der Zuspruch in den USA mit dem zweiten Album verändert?

Edward Droste: Die Shows in New York sind für uns zwar groß aber nicht riesig. Im September werden wir dort erstmals als Headliner spielen. Im Lido treten ja auch größere Acts auf, habe ich gehört. Hot Chip zum Beispiel – ich liebe sie! Ich habe nur das Gefühl, die Location ist zu groß. Ich weiß nicht so richtig, warum wir hier spielen. Wir hatten ja schon mal in Berlin gespielt und zwar im West Germany.

Soundmag: Das klingt spannend.

Edward Droste: Ja, das war ziemlich cool. Es waren an die 150 Leute da, sodass man das Gefühl hatte, es wäre richtig voll und ich dachte nur: Man, das ist so Berlin. Irgendjemand hat irgendeine merkwürdige Location und startet irgendetwas.

Soundmag: Wenn ihr dann wieder in New York seid, spielt ihr einige Shows zusammen mit TV On The Radio, richtig? Wie kam es dazu?

Edward Droste: Einer der Bandmitglieder ist gut mit Kyp von TV On The Radio befreundet – das ist der mit dem Afro. Sie waren bis jetzt immer gute Supporter und Fans; sie lieben das neue Album und auch unsere Lifeshows. Wir wollten schon immer mit denen touren, aber na ja, man bekam das Gefühl, noch nicht bereit dafür zu sein. Also verwarfen wir den Gedanken. Plötzlich fragten sie uns doch und so cancelten wir all unsere Shows. Das wird so gut! Wir spielen in richtig großen Venues und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Shows ausverkauft sein werden.

Soundmag: Welche Absicht steckte eigentlich dahinter, „Yellow House“ im Haus deiner Mutter einzuspielen?

Edward Droste: Wir wollten das Album auf jeden Fall selbst aufnehmen, das war geplant. Außerdem ist Chris Taylor ein viel besserer Techniker – er hat den ganzen Kram und das Wissen, er hat einfach einen phänomenalen Job gemacht. Das mit dem Haus war Zufall. Wir wollten uns richtig in unsere Arbeit vertiefen – in einer Stadt wie New York hätte das niemals geklappt. Man kennt einfach zu viele Leute; es gibt zu viele Dinge, die man tun könnte. Der einzige Weg, sich dem zu entziehen, ist nun mal, sich für eine Weile abzukapseln. Meine Mutter verreiste und das war die perfekte Möglichkeit.

Soundmag: Wie lange habet ihr gebraucht?

Edward Droste: Einen Monat. Das lief ganz gut – der eine arbeitete am Album, der andere schlief in der Zeit. Ihr müsst es euch mit Kopfhörern anhören: es gibt so viele winzige Details!

Soundmag: Ja, das hört man eurer Musik an! Man bekommt den Eindruck, dass einfach alles gleichberechtigt ist, dass auch die Stimmen wie Instrumente funktionieren. Wie wichtig ist der Gesang für euch und wie wichtig sind die Texte?

Edward Droste: Das erste Album war anders; dort waren die Lyrics sehr wichtig. Jetzt sind sie das zwar auch aber nicht im Sinne des üblichen Storytellings wie „Ich fange den Tag an und dann mache ich das blablabla…“. Jeder kann sie auf seine Weise interpretieren. Natürlich bedeuten sie etwas, aber ich persönlich mag es mehr, wenn Texte nicht so explizit, sondern eher vage sind.

Soundmag: Das ganze Album ist ja unglaublich ruhig und lebt von einer ganz bestimmten Atmosphäre. Ist das ein bewusster Kontrast zum Leben in New York?

Edward Droste: Ich kann nur für mich selbst sprechen und ich suche oft eher nach ruhigen Orten, um mal rauszukommen. Man kann einfach zu schnell fertig sein von dieser Stadt. Deswegen mag ich Berlin. Auch wenn es anstrengend ist, ist es immer wie „Ach ja, ich fahre mit meinem Fahrrad durch die Gegend. Oh, da treffe ich zufällig jemanden auf der Straße. Und jetzt trinke ich einen Milchkaffee. “ New York ist spaßig, aber anstrengend. Ich brauche es manchmal, einfach in meinem Zimmer zu sein, meine Kopfhörer aufzusetzen und Musik zu hören. Die Musik ist also schon eine Antwort darauf, aber vor allem ist es die Art Musik, die ich sowieso mag.

Soundmag: Wo siehst du eure Einflüsse?

Edward Droste: Das ist eine schwierige Frage – jeder will das wissen. [lacht]

Soundmag: Eure Musik ist eben einzigartig und so ist es schwierig, eindeutige Parallelen zu ziehen …

Edward Droste: Oh, das ist sehr schön! [lacht ausgiebig] Es ist keine bewusste Entscheidung wie „ich nehme das von der Band und das von der…“ [denkt nach] Ich finde es einfacher, die Einflüsse meiner Bandmitglieder zu bestimmen. Sorry, für die vage Antwort. Ich meine, ich habe Tausende von Alben und es ist schwer zu bestimmen, woher nun welcher Einfluss kam. Es wird wahrscheinlich Jahre dauern, bis ich eine Antwort darauf gefunden habe. Ich lasse es euch dann wissen. [lacht]

Soundmag: Hat deine Familie dir denn bestimmte Musik näher gebracht?

Edward Droste: Das ist eine gute Frage, ja. Eigentlich bin ich schon beeinflusst von meiner Familie. Meine Mutter ist Musiklehrerin für Kinder, mein Großvater Musikprofessor am College. Wir hörten lauter intellektuellen Folk und Choräle. Das spielte definitiv eine große Rolle, obwohl ich natürlich andere Sachen hörte. Mich überkommt immer ein ganz nostalgisches Gefühl, wenn ich dieser Musik lausche. Da habe ich keine Wahl und das spiegelt sich halt auch in dem, was ich mache wider.

Soundmag: Hast du bestimmte Erwartungen an Europa?

Edward Droste: Mir fällt auf, dass hier alles irgendwie schneller geht. Die Leute geben uns ein besseres Feedback; das hängt wahrscheinlich mit Warp zusammen und natürlich auch mit dem Vorlauf, den wir in den USA hatten. Ich mag Deutschland wirklich sehr gern. Wir hatten bis jetzt immer viel Spaß hier. Wo spielen Bands in Deutschland eigentlich sonst noch?

Soundmag: Na ja, es gibt halt Orte wie Köln oder Hamburg. Auch München …

Edward Droste: Ach ja, wir spielten im Mai in Nürnberg.

Soundmag: Oh, wie war das!?

Edward Droste: Es war lustig. Die Leute waren unglaublich lieb. Da wir dort niemanden kannten und auch noch kein Album hier veröffentlicht hatten, erwarteten wir kaum jemanden. Letztlich wurden es doch 50 Besucher, komischerweise viele Männer in ihren Mittvierzigern. Das war super! Sie waren ganz verrückt nach Vinyl und kauften unsere Platten. Wir freuen uns wirklich auf die kommenden Gigs!

Soundmag: Dann wünschen wir viel Spaß. Vielen Dank für das Interview.

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www.grizzly-bear.net

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