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Cursive

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29.08.06 - Knaack / Berlin

Interview:  Urs

Foto: Urs

 

 

 

Durch das Hinterhoffenster beim Knaack gibt es einiges an Gelächter zu hören. Kann das sein? Heute spielt hier doch Cursive, die machen doch so ernste Musik! Eigentlich müsste Tim Kasher in seinem Kämmerchen hocken und eine neue Rockoper ausdenken! Alles nur Klischees? Scheint so, denn mein Interviewpartner, Bassist Matt Maginn, strahlt heller als die Neonlampen in den Katakomben des Clubs. Zum Quatschen machen wir es uns an einem Tisch gemütlich, trinken Bier und reden über die guten alten Zeiten. Na ja, nur gut waren sie eben auch nicht.

Soundmag: Euer neues Album „Happy Hollow“ ist wirklich toll geworden. Wie zufrieden bist du damit?

Matt: Ich bin richtig glücklich damit. Wir mussten uns zwar zuerst von dem ganzen Druck lösen, den Erwartungshaltungen, die wir mit den Vorgängerplatten, speziell „The Ugly Organ“ hervorgerufen haben. Und uns war klar, dass wir uns verändern und wachsen mussten, und das taten wir auch. Die Texte sind anders geworden. Auch die musikalischen Elemente haben gewechselt. Das Ganze sehe ich als eine harmonische Evolution.

Soundmag: Brauchtet ihr lange, um euch vom Vorgänger „The Ugly Organ“ zu lösen, um euch auf ein neues Album konzentrieren zu können?

Matt: Eigentlich hatten wir nur ein Jahr lang eine richtige Pause. Dort überlegten wir uns auch, ob wir überhaupt noch ein Album machen wollten oder nicht. Wir waren schließlich zwei Jahre mit „The Ugly Organ“ auf Tour, und hatten seitdem echt keinen Abstand mehr zu dieser Platte. Wir mussten erst mal von Cursive wegkommen. Von August 2004 bis August 2005 machten wir dann die dringend benötigte Pause und nahmen neue Musik auf.

Soundmag: Gab es Momente, in denen ihr an die Auflösung von Cursive dachtet?

Matt: Wir wollten uns nicht auflösen, aber wir mussten uns loslösen von Cursive. Wir machen Musik nicht aus dem Antrieb, sie machen zu müssen. Darum schwammen wir gegen den Strom und machten keine schnelle Nachfolgeplatte. Wir kümmerten uns also um andere Aspekte unseres Lebens. So machte dann die Musik später auch wieder Spaß.

Soundmag: Zwei Jahre auf Tour waren wohl mehr als genug für euch.

Matt: Richtig. Wir waren ausgebrannt, hatten die Nase voll von ständiger Wiederholung und mangelnder Kreation.

Soundmag: Was habt ihr denn gemacht in der Pause, nebst dem neuen Album?

Matt: Ich und Clint gingen kurz auf Tour mit Bright Eyes, dann wirkte ich bei der Platte von Teds Band Mayday mit. Tim und Ted arbeiteten auch noch an anderen Alben. Außerdem bin ich bei Saddle Creek angestellt. Und da wir einige große Neuerscheinungen hatten, war ich ziemlich beschäftigt.

Soundmag: Wie ist das eigentlich, wenn du von einer Tour nach Omaha zurückkommst, und die Hälfte deiner Freunde ist nicht daheim, sondern irgendwo in der Weltgeschichte verstreut?

Matt: Das ist ein seltsames Gefühl. Gewisse Leute sehe ich wegen unserer unterschiedlichen Terminpläne eine lange Zeit nicht mehr. Mal ist The Faint nicht hier, mal ist The Good Life weg…es ist wirklich bedauerlich, denn wenn man nach Hause kommt, freut man sich natürlich darauf, all die Leute wieder zu sehen.

Soundmag: Wart’ ihr nach den Aufnahmen zu „Happy Hollow“ wieder heiß auf touren?

Matt: Natürlich, wir wollten ja sehen, wie die Songs ankommen. Wir schauen aber, dass wir das Ganze nicht übertreiben. Lieber ein paar kleinere Touren mit Pausen, als eine große ohne Ende. So können wir zwischen den Touren an neuen Songs arbeiten, ohne uns ausgelaugt zu fühlen.

Soundmag: Bei euren Konzerten spielt ihr Songs von „The Ugly Organ“ und „Domestica“, welches Konzeptalben sind. Diese Lieder haben ja eigentlich einen festen Platz auf den Platten und können nur schwer aus dem Kontext gelöst werden.

Matt: Stimmt, aber daran haben wir uns gewöhnt. Als wir nach dem Release von „Domestica“ die ersten Konzerte spielten, haben wir das Album in der korrekten Reihenfolge gespielt. Danach fingen wir aber bald an, sie auseinander zu reißen. Eigentlich ist das nicht ideal, aber natürlich wären die Leute böse auf uns, wenn wir nur ein einziges Album spielen würden. Und sie wären wohl auch böse, wenn sie vier Stunden lang alle Alben hören müssten.

Soundmag: Hm, einigen Fans würde das wohl nichts ausmachen…

Matt: (Lacht). Ja, klar.

Soundmag: Gibt es in „Happy Hollow“ ebenfalls einen roten Faden?

Matt: Wir diskutierten lange darüber, ein sehr orchestrales Album zu machen, mit noch größeren Arrangements als „The Ugly Organ“. Es sollte in Richtung Rockoper gehen. Dann aber entschieden wir uns, eine Rockplatte aufzunehmen mit simpleren, direkten Songs. Die Texte orientierten sich aber immer noch an bestimmten Themen: Kleinstadtleben, Religion, Sexualität, amerikanische Träume, die in die falsche Richtung zielen. Tim und Ted haben ein Faible dafür, Charaktere zu erschaffen und sie auch über mehrere Songs erscheinen zu lassen.

Soundmag: Wenn Tim mit neuen Texten kommt, beschäftigst du dich zuerst mit ihnen, oder denkst du bloß darüber nach, wie du jetzt die passende Basslinie hinbekommst?

Matt: Ich denke beides. Nun ist es so, dass wir zuerst die Musik schreiben und dann kommen die Texte. Tim und Ted sind beide offen für Anregungen, aber da sie tolle Texte schreiben, gibt es meist keine Veränderungen ihrer Entwürfe. Die machen es besser, als wir es je machen könnten.

Soundmag: Kannst du dir vorstellen, dass man euch anhand der Musik für sehr ernste Zeitgenossen halten könnte?

Matt: Gute Frage. Was wir sicherlich haben ist eine gesunde Balance. Wir können sehr ernst sein durch die Musik, aber Musik muss immer Spaß machen. Sie soll Bedeutung haben, aber immer noch genießbar sein. Unsere Texte sind ernst, aber es gibt immer wieder humorvolle und ironische Stellen darin. Wir sind eigentlich vier sehr witzige Typen, die sich auch nicht immer allzu ernst nehmen.

Soundmag: Hast du dir eigentlich vor zehn Jahren vorstellen können, dass ihr mal so groß werdet? Damit meine ich sowohl Cursive wie auch Saddle Creek.

Matt: Nein, überhaupt nicht. Mein Ziel war es damals, eine gute Schulbildung und später einen guten Job zu bekommen, der mir dann noch genügend Zeit für Musik lassen würde. Ich dachte, wir werden wohl in Omaha und in der näheren Gegend spielen, mehr nicht. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass wir sechs Monate auf Tour gehen und Alben verkaufen würden. Wir sind sehr glücklich darüber und erachten dies immer noch nicht als selbstverständlich.

Soundmag: Könntest du mir jetzt gegen Ende unseres Gespräches noch einen CD-Tip geben?

Matt: Lass’ mich dir zwei geben: Als erstes kann ich dir das neue Bronx Album empfehlen. Die letzte EP war scheiße, aber jetzt klingen sie wie wiedergeboren. Ist immer schön zu hören, dass eine Band nach einem nicht so tollen Album sich wieder fängt und große Musik macht. Außerdem mag ich Richard Swift. Ein Singer/Songwriter. Wirklich cool.

Soundmag: Was ist mit „The Fine Arts Showcase“, der euch auf der Tour begleitet?

Matt: Gestern habe ich ihn zum ersten Mal gehört. Hat mir sehr gut gefallen. Muss mich aber noch mehr reinhören.

Soundmag: Habt ihr ihn denn vorher noch nicht getroffen?

Matt: Bis gestern noch nicht.

Soundmag: Werden euch Bands auf Touren vom Label vorgesetzt oder bestimmt ihr sie?

Matt: Wir haben meistens eine langen Liste von Bands, von denen wir die Musik mögen. Viele Bands sind natürlich von Omaha oder mit Leuten aus der Region besetzt. Die haben dann auch erste Priorität. Wir wollen so Bands fördern, denn für uns hat das niemand getan. Auf der Liste sind dann manchmal Gruppen, die wir gerade mal ein- oder zweimal gehört haben, andere kennt man schon seit langem.

Soundmag: Vielen Dank, für das Interview.

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www.cursivearmy.com

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