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Kante

Kante

 

06.09.06 - Postbahnhof / Berlin

Interview:  Mathias

Foto: Mathias

 

 

 

Im spätsommerlichen Postbahnhof treffen wir Kante, die gerade auf Tour sind, um ihr viertes Album vorzustellen. Sehr freundliche und entspannte Gesprächspartner sind in diesem Fall Sebastian Vogel und Florian Dürrmann.

Soundmag: Wo kommt ihr jetzt her?

Sebastian: Wir waren gerade zwei Tage Zuhause. Wir hatten den Tour-Auftakt am Wochenende mit drei Konzerten und hatten danach zwei Tage frei. Das war sehr angenehm, weil wir so unser ganzes Live-Setup mal ausprobieren konnten. Das war viel wert, weil wir bemerkten, dass unsere Back-Line so dermaßen angewachsen ist, dass wir sie gar nicht mehr in den Bus bekamen. Wir mussten also bei den ersten drei Konzerten noch mit einem Kombi hinterher fahren. Jetzt haben wir in Hannover mal ausgemustert.

Soundmag: Aber ihr habt schon ein zweites Schlagzeug auf der Bühne...

Florian: ... nee, kein zweites Schlagzeug, keine Bläser, keinen Kontrabass. Dafür aber zwei riesige Gitarrenboxen und eine dicke Bassanlage.

Soundmag: Auf der Platte ist das auch zu hören. Viele eurer Instrumente sind durch andere ersetzt worden. Vor zwei Jahren habt ihr mir noch erzählt, wie sehr euch afrikanische Musik bewegt und nun ist davon nicht mehr so viel übrig.

Sebastian: Wir haben ja auf jeder Platte andere Schwerpunkte gesetzt. "Zwischen den Orten" war so eine Post-Rock-Platte, die "Zweilicht" wollte dann ein wenig poppiger sein, hatte Elektronikeinflüsse auf der einen Seite und Blues-Sachen wie bei "Life On The Electric Avenue" auf der anderen, und war so eine gemischte Platte, finde ich. Und die "Zombi" war dann unsere Latin-, Jazz-, Afrika-Platte. Jetzt wollten wir in erster Linie mal ein wenig rockiger klingen und haben die vielen Gastmusiker und auch die ganz fein ausgearbeiteten 1000-Spur-Arrangements weg gelassen und uns auf fette Gitarrenriffs konzentriert. Es ist nun aber nicht so, dass die Platte eine durchgehende Rockplatte ist. Es ist auch ein jazziges Instrumentalstück drauf, das so jazzig klingt wie kein anderes von uns. Und wir haben wieder ein sehr elegisches, letztes Stück, das eher an "Schwaches Gift" erinnert. Aber wir haben eben drei richtig laute Stücke und ein Power-Pop-Stück als Opener.

Soundmag: Das verwundert mich wirklich sehr. Bei der letzten Tour habt ihr fast drei Stunden gespielt und eine Stunde davon war beinahe rein instrumental. Ich dachte, ihr geht noch mehr ins Experimentelle und es passiert das Gegenteil. Ihr macht ein Pop-Album. Hattet ihr nicht Bedenken, dass euer viertes Album, nach drei so experimentellen Platten, nur noch Pop ist, bis auf ein - ich will nicht sagen - "Alibi"-Jazz-Stück?

Florian: Pop, im Sinne von leichter Pop-Musik, ist es ja nun nicht, aber es ist durchaus eine Platte, die wesentlich zugänglicher ist als die „Zombi“. Erst mal ist sie wesentlich kürzer, die Stücke sind griffiger, obwohl sie laut gespielt werden. Ich glaube, das liegt daran, dass keiner mehr Lust hatte, diesen Aufwand zu betreiben. Wir haben gemerkt, dass wir in dieser Konstellation gut spielen können. Wir dachten, wir spielen jetzt einfach das, was uns liegt und versuchen damit was zu machen.

Sebastian: Peter hatte es in den letzten Interviews immer so bezeichnet, er sagte, er hätte keine Lust mehr, noch so ein sixtinisches Deckengemälde aufzunehmen - also keine Ornamente und keine detailgetreue Feinarbeit mehr. Die ganze Produktion hat uns einfach zu sehr angestrengt. Das war immer eine gute Erfahrung und wir haben uns musikalisch eine Menge beigebracht, aber es hat zu lange gedauert und wir wollten unbedingt als Band ein Live-Gefühl haben. Wir wollten, dass die Stücke im Übungsraum mit uns Fünf funktionieren. Deshalb haben wir auch nie an Gastmusiker gedacht, obwohl Peter bei drei Stücken die Streicher schon ganz früh im Hinterkopf hatte. Die haben wir ja auch aufgenommen und das hat dann ganz gut geklappt. Aber spielen konnten wir diesmal die Songs auch ohne Streicher. Das war ja bei der „Zombi“ ganz anders. Wir hatten am Ende zu wenig Spaß an der Sache und wollten, dass alles schnell funktioniert. Wir wollten die eine Energie entwickeln, eine direktere Energie. Darauf hatten wir Lust und das haben wir gemacht und so ist die Platte zu Stande gekommen. Wir wollten sie schneller produzieren, wir wollten sie live aufnehmen, nicht so eine endlose Produktion verursachen. Wir haben uns ziemlich schnell mit Moses Schneider dazu verabredet, dass er das produziert und aufnimmt. Er ist ja absolut der Typ, der live aufnimmt, er hat überhaupt keinen Bock auf Overdubs. Wir haben einen gut klingenden Raum in Neukölln gefunden, den er für uns aussuchte, der jetzt nicht unbedingt ein Studio ist, sondern eher ein Künstlerloft. Der Raum klingt super und dann hat er ein bisschen Equipment hingestellt und wir haben uns da aufgebaut, wie in einem großen Übungsraum und dann hat er uns aufgenommen. Torsten Otto war auch dabei, als Engineer, das darf man nicht vergessen zu erwähnen, weil er wirklich einen großen Teil vom Sound gemacht hat. Moses hat dann quasi die Performance produziert. Das hat total viel Spaß gemacht und das Album bringt es gut rüber und so werden jetzt auch die Konzerte sein. (lacht)

Soundmag: Seid ihr zwischenzeitlich nach Berlin gezogen? Sebastian, du bist nach Berlin gezogen. Oder?

Sebastian: Ja. Den Flo haben wir aus Düsseldorf weg gecastet, der ist dann Anfang des Jahres nach Hamburg gezogen und ich wohne jetzt seit zwei Jahren in Berlin. Die Anderen wohnen noch in Hamburg.

Soundmag: Ist bei der Platte eigentlich noch ein Kitty-Yo-Label drauf? Ihr hattet ja bis zur „Zweilicht“, vielleicht sogar bis zur „Zombi“ den Kitty-Yo-Sound in den Venen gehabt. „Zweilicht“ war von Tobias Lewin produziert. Der Sound passte sehr gut zum Label und zu euch. Nun habt ihr einen anderen Produzenten und der Sound ist ganz anders. Sicherlich einfacher, aber gab es da vielleicht den Gedanken: wir wollen für unsere Fans anders klingen?

Sebastian: Also, um noch mal auf die Sixtinische Kapelle zurück zu kommen, das stammt ja von Peter, und er sagte auch, dass die Platte jetzt eher einer Zeichnung entspricht, die vielleicht nicht ganz so ausgearbeitet ist aber trotzdem genau so einen starken Ausdruck hat, nur aber viel mehr im Kleinen zusammen gefasst. So ist die Platte gemeint. Peter fand auch oft Vergleiche zu alten Stones Aufnahmen, wo es natürlich mal eiert und so, aber das Moment, das festgehalten wurde, ist toll und das bekommt man mit dem Overdub-Verfahren nicht hin. Wir haben da nicht so an die Erwartungshaltung der Fans gedacht. Wir haben mehr als vorher darauf vertraut, dass wir schnell und einfach unseren Sound aufstellen können. An unsere Fans haben wir da überhaupt nicht gedacht.

Soundmag: Aber daran, neue dazu zu bekommen...

Sebastian: Na ja, das schon. Das ist unser viertes Album und das in einem Zeitraum von neun Jahren. Die „Zweilicht“ hat uns halt ziemlich nach vorne gebracht und die „Zombi“ konnte das schon nicht mehr wirklich erfüllen. Wir haben schon den Anspruch, in Maßen Erfolg zu haben. Wir wollten keine experimentelle Platte machen, bei der klar ist, dass sie sich nicht gut verkauft. Bei der ganzen Arbeit, die da drin steckt, möchte man eben auch davon leben können. Die Idee ist ja auch nicht neu für uns. Wir hatten immer Stücke wie „Die Summe Der Einzelnen Teile“ oder „Warmer Abend“, die eben Pop-Songs sind und auf dieser Baustelle haben wir auch weiter gedacht.

Soundmag: Auffällig erschien mir auch, dass die Texte gar nicht mehr „erste Person spricht zweite Person an“ sind. Stattdessen wird sehr viel in der dritten Person getextet. Ich stelle diese Frage, weil Kante für recht intime Texte bekannt sind, siehe „Im Ersten Licht“ oder „Ich Kann Die Hand
Vor Meinen Augen Nicht Mehr Sehen“. Bei der neuen Platte scheint es so, als würdet ihr euer Umfeld beschreiben.


Florian: Das hat natürlich mehr mit Peter zu tun, der die Texte auch schreibt. Ich denke, dass er schon die Beobachterrolle angenommen hat, nach der schwierigen Zeit, die er hatte. Darum betrachtet er eher von außen.

Sebastian: Ich finde die Texte auf der neuen Platte viel persönlicher. Es ist mehr als vorher aus seinem eigenen Erleben geschöpft. Ich meine, „Ich Kann Die Hand Vor Meinen Augen Nicht Mehr Sehen“ ist natürlich ganz tief drin.

Florian: Das ist bei „Ich Hab´s Gesehen“ ähnlich.

Sebastian: „Die Hitze Dauert An“ ist total intim und auf der „Zombi“ gibt’s auch einige Stücke, die ganz bescheiden und distanziert sind... aber viele sind es nicht, du hast recht.

Florian: Es ging ihm auch darum, über Dinge zu schreiben, die er kennt und die er auch selber erlebt hat. Bei der letzten Platte bemerkte er gar nicht mehr, was um ihn passierte, weil er viel zu sehr mir der Platte beschäftigt war. Jetzt ging es ihm darum, über das zu schreiben, was er selbst gerade erlebt und gefühlt hat.

Soundmag: Ist es eigentlich ein Zufall, dass die ersten drei Platten mit „Z“ beginnen?

Sebastian: Also, bei den ersten beiden, glaube ich schon. Bei der „Zombi“ war das auch irgendwie zwingend. Und da war das auch wieder so, als wir überlegt haben, wie nennen wir denn die Platte, „Zombi“ oder... keine Ahnung, vielleicht gab es noch zwei bis drei andere Ideen, aber wir bemerkten, dass wir in einer möglichen Z-Trilogie stecken. Lustig ist, dass es Leute in unserem Gästebuch gibt, die sich beschweren, dass die Platte nicht mit Z beginnt. Irgendwo habe ich sogar gelesen: „Wieso setzen Kante ihr Z-Trilogie nicht fort“ (lachen)

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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