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Hush Puppies

Hush Puppies

 

23.09.06 - Knaack / Berlin

Interview:  Jana

Foto: Pressefoto

 

 

 

Man kann vor lauter Stickern die Tür nicht mehr sehen – und einer von ihnen leuchtet verdächtig neu. Auf schwarzem Grund leuchtet ein weißer Eiffelturm, darunter ein weißes Mod-Moped, umrahmt von weißen, sich rankenden Blättern. Schon weiß man, dass man hier richtig ist und erst Recht, als dann die Tür aufgeht. Cyrille lehnt lässig im Ledersessel, ein Glas Whiskey-Cola in der Hand; Olivier ist mal kurz um die Ecke verschwunden; die Luft ist stickig, die Stimmung charmant – und also los:

Soundmag: Ich hab von eurem kleinen Unfall in der letzten Nacht gehört…

Cyrille: Na ja, das war kein Unfall…

Olivier: Der Motor versagte. – Oh, was ist das? Ein Sticker von uns!? Die Zeichnung ist von mir!

Soundmag: Ich hab davon gehört. Ich mag sie wirklich sehr. Aber zurück zu gestern Abend. Ihr solltet eigentlich in Hamburg spielen.

Cyrille: Ja, auf dem Reeperbahn-Festival. Das blöde war, dass ich mit dem Zug nach Hamburg gefahren bin und nicht mit dem Bus und so war ich dann der einzige, der überhaupt in Hamburg war.

[lautes Gelächter]

Soundmag: „The Trap“ ist euer 1. Album. Wie fühlt es sich an, es nun endlich in den Händen zu halten, nach all den Jahren, die ihr schon Musik macht!?

Olivier: Es ist ja noch gar nicht so lang. Wir kennen uns zwar seit 15 Jahren und haben auch schon in der High School in Perpignon zusammen Musik gemacht, aber die Hush Puppies gibt es erst seit drei Jahren.

Cyrille: Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass das nicht das Ende ist – Wenn man sein 1. Album veröffentlicht hat, fängt man irgendwie ein neues Leben an. Für uns ist das etwas, was wir schon seit sehr langer Zeit machen wollten, aber das Album war nicht das Ziel. Du musst von diesem Punkt aus weiter arbeiten, das 2. Album besser machen, das 3. noch besser. Du hörst nicht auf.

Soundmag: Wie hat sich eure Musik denn innerhalb der letzten 3 Jahre verändert, bis zu diesem Punkt, an dem ihr euer Album aufgenommen habt? Hat Benjamin Diamond euch in irgendeiner Weise beeinflusst?

Cyrille: Nein, das nicht. Die Musik, die Benjamin Diamond als Künstler macht, ist eine andere als die, die er produzieren möchte.

Olivier: Er mochte einfach unsere Musik und wollte uns produzieren. Er hat niemals von uns verlangt, etwas anderes zu tun; wir konnten tun und lassen, was wir wollten.

Cyrille: Ein gutes Beispiel dafür ist die französische Sprache. Es gibt jede Menge Labels in Frankreich, die sagen: ‚Eure Musik ist gut, aber singen müsst ihr in Französisch – sonst gibt’s keinen Vertrag.’ Aber um deine Frage zu beantworten: Unsere Musik hat sich in der Tat verändert seit den Anfängen der Hush Puppies.

Olivier: Ja, stimmt, das war die Frage! [lacht] Zuerst war da unser 1. Demo, das wir aufgenommen hatten, um an Gigs ranzukommen. Danach entstand unsere 1. EP auf Diamondtraxx. Wir wollten dann einfach neue Tracks für das Album haben, weil wir keine Lust mehr auf die Songs hatten, die wir schon zwei Jahre lang gespielt hatten. Also haben wir einfach nur neue Songs aufgenommen und genau dort hat sich unsere Musik verändert. Wir haben unseren Sound und unsere Identität mit diesem Album gefunden.

Cyrille: Ja, jeder hat dadurch seinen Platz in der Band gefunden. Die Stimme, die Keyboards, die Drums, die Gitarre – alles hat seine bestimmte Position in unserer Musik und ich denke, die Aufnahmen haben geholfen, genau diese zu finden.

Soundmag: Wie ist Guillaume zu eurer Formation gestoßen?

Olivier: Im Grunde genommen ist Guillaume der Vater meines Neffen. [lacht] Er ist mit meiner Schwester zusammen und ich habe ihn in Paris kennen gelernt.

Cyrille: Auf dem einzigen Demo, das wir mit der Band machten, in der wir noch in Perpignon spielten, hat er das Mastering gemacht. Wir hatten jede Menge Bassisten vor ihm, aber die meisten waren einfach nur schrecklich. Die Besten waren nur in Ordnung.

Olivier: Es gab da diesen Typen, der sagte: ‚Klar, ich spiele Bass bei euch.’ und dann kam er mit einer ganz normalen Gitarre an!! Guillaume wollte wirklich gern mit uns spielen, also kaufte er sich eine Bassgitarre, weil er eigentlich gar kein Bassist war. Wir hatten ihn nie gefragt, ob er bei uns spielen möchte und kamen auch ungefähr eineinhalb Jahre ohne Bassisten aus. Guillaume wollte es dann einfach gern probieren…

Cyrille: … und tat es dann.

Soundmag: Was ist dran an der Aufnahmeprüfung, einen Lakritzwodka-Anchovisoliven-Drink überleben zu müssen?

Olivier: Wir fuhren mal mit Frank, unserem Drummer, nach Schweden. Er besuchte dann noch einen Freund in Helsinki und kam zurück mit diesem Lakritzwodka. Wir haben angefangen, den Wodka nach den Proben zu trinken, aber das war zu Ekel erregend. Mit Anchovisoliven schmeckt’s aber richtig gut!

Soundmag: Was heißt ‚richtig gut’?

Olivier: ‚Richtig gut’ im Sinne von ‚okay’.

Cyrille: Nee, ‚richtig gut’ im Sinne von - - - [verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf]

Olivier: Es hilft, wenn man gleichzeitig raucht! Weißt du, eigentlich ist es das Zusammenspiel von beidem: dem Wodka, der nicht schmeckt, und den Oliven, die nicht schmecken – zusammen unglaublich!

Soundmag: Erzählt mal ein bisschen von eurer Heimatstadt Perpignon!

Olivier: Es ist das Zentrum der Welt!

Soundmag: Das hat Salvador Dalí gesagt, nicht wahr?

Cyrille: Ja. [lacht] Stell dir vor, du bist in einer Stadt, in der nichts los ist und in der jeder scheiß Musik hört – House, Techno, jede Menge Reggae. Dann gab es dort ein paar Leute, alle wahnsinnig gut aussehend und sehr gut gekleidet und die spielten die Musik, die wir gerade zu entdecken begannen, wie zum Beispiel Mod-Musik aus den 60ern. Das war eine riesige Sache für uns. Eigentlich fingen wir wegen dieser Typen an, Musik zu machen. In diesem kleinen Ort sind im Laufe der Zeit bestimmt fünf bis sechs Bands entstanden. Man merkte, dass irgendwas los war, dass es eine Bewegung gab.

Olivier: Das wichtigste für uns war, dass sich einmal im Jahr Menschen aus ganz Europa in Perpignon trafen. Es gab viele Konzerte, auch von britischen und deutschen Bands…

Cyrille: … und dort entdeckten wir auch die meiste Musik. Das war sehr motivierend, denn man konnte sehen, dass man nicht der einzige war, der genau diese Art von Musik hörte. Manche werden lachen, wenn man von einer Mod-Szene in Perpignon sprechen würde, aber für uns war das gigantisch!

Soundmag: Gab es aber im Endeffekt dennoch keine andere Möglichkeit für euch, als nach Paris zu ziehen?

Cyrille: Na ja, wir hatten schon einige Kontakte, um Platten aufnehmen zu können, aber es ist nie etwas passiert. Es war schwierig, diesen Schritt zu nehmen…

Olivier: Der Grund, nach Paris zu kommen, war nicht die Musik. Wir mussten die Lykids auflösen, weil wir die Schule beenden und arbeiten mussten. Ich bin nach Paris gezogen, weil ich dort einen Job gefunden hatte. Dann kam Cyrille –

Cyrille: Auch wegen eines Jobs. Es hat zwei bis drei Jahre gedauert, bis wir uns alle wieder in Paris trafen. Zwei der Bandmitglieder sind ohnehin in Perpignon geblieben und so mussten wir wenigstens eine Stelle neu besetzen – deswegen brauchten wir Guillaume. An Perpignon muss man einfach verstehen, dass das ein ganz wichtiger Teil unserer Geschichte ist – sowohl menschlich als auch musikalisch. Es geht nicht darum, dass Millionen von Menschen Mod-Musik in Perpignon hörten, sondern viel mehr um eine kleine Gruppe von 50 bis 100 Leuten, die den gleichen Spaß auf der Bühne hatten. Viele der Menschen im Publikum spielten sowieso in einer der anderen Bands! Das ist heutzutage ja ähnlich. Wenn du zu kleinen Konzerten einiger Pariser Bands gehst, besteht das Publikum auch zum großen Teil aus Musikern. Das sind immer dieselben Leute.

Soundmag: Die Szene in Paris ist also schon eher starr!?

Cyrille: Es besteht in Frankreich generell das Problem, dass viele Menschen nicht aufgeschlossen gegenüber neuer Musik sind, sondern sich meist nur Bands ansehen, die sie schon kennen. Deswegen nehmen auch viele Musiker den Sound, den es schon gibt, und machen genau das gleiche. Es ist hart, wenn du was Neues machst. Die Leute sind schrecklich kühl, warten darauf, dass ein Song kommt, den sie kennen…

Soundmag: Und wie war es, als ihr angefangen habt?

Olivier: Kühl. [lacht] Das war noch ganz am Anfang dieses großen Rockhypes in Frankreich –

Cyrille: Noch davor!

Olivier: - und wir mussten manchmal sogar Locations mieten, um überhaupt irgendwo spielen zu können. Es gab da eine Bar, die wirklich eklig war. Alle Menschen redeten, obwohl wir schon spielten. Wir haben das vier oder fünf Mal gemacht und am Anfang ist wirklich niemand gekommen.

Cyrille: Ich glaube, dass das gut so ist, denn wenn ich jüngere Bands sehe, die aus dem Nirgendwo kommen und dann in großen Locations spielen, denke ich, das geht zu schnell. Wenn du in kleinen Bars anfängst, dann arbeitest du an dir. Du weißt, dass die Menschen nicht wegen dir und deiner Musik da sind – und du musst etwas tun, um die Leute dazu zu bewegen, dass sie dir zuhören. Ich finde, man sollte so hart arbeiten müssen, um seinen Sound zu finden und gute Songs zu machen.

Soundmag: Ist dieser aktuelle Rockhype auch ein Stück weit euer Verdienst?

Olivier: Ich glaube, wir sind einfach nur ein Teil davon. Es fing mit dem 1. Album der Strokes an und diese Szene hat mittlerweile einen großen Platz in Frankreich eingenommen.

Soundmag: Ist es hart für euch, ständig mit der britischen oder amerikanischen Musikszene verglichen zu werden?

Olivier: Es ist schon eher ein Kompliment.

Soundmag: Ich habe immer das Gefühl, man würde eure Musik nicht würdigen, wenn man euch nur als die französischen Arctic Monkeys bezeichnet.

Olivier: Du hast Recht, das ist nicht gut. Ich meine, wir sind nicht die neuen Arctic Monkeys.

Cyrille: Und erst recht nicht die französischen! Das ist ja fast noch schlimmer. Als wir anfingen, waren wir die französischen Supergrass und dann die französischen Franz Ferdinand und jetzt die französischen Arctic Monkeys. Wir haben überhaupt nichts mit diesen Bands zu tun! Höchstens mit Supergrass, weil ich denke, dass die Art Musik zu sehen, ziemlich ähnlich ist zwischen ihnen und uns.

Olivier: Wir lieben Supergrass!

Soundmag: Vielen Dank für das Interview!

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www.hushpuppiestheband.com

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