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Olli Schulz & Der Hund Marie

Olli Schulz & Der Hund Marie

 

05.10.06 - Festsaal Kreuzberg / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

„Test, Test.“ Pause. „Eins, zwei, drei.“ Pause. Das Intro von „Rückspiegel“. Pause. „Mensch, die Monitorboxen sind ja der Hammer“, fasst Olli Schulz den Klang im Festsaal Kreuzberg kurz zusammen. Vor zehn Minuten mit einem Döner und der Gitarre hineinspaziert, testet er sich durch den Soundcheck für den letzten Abend der „Linernotes und anderer Quatsch“-Kurztournee zur Vorstellung des neuen Albums „Warten Auf Den Bumerang“. Alles in allem ein voller Erfolg - so wie auch der heutige Abend. Drei Stunden später ist jeder Besucher von Lachanfällen durchgeschüttelt. Olli Schulz hat zu jedem der elf neuen Songs eine immer äußerst unterhaltsame und mehr oder weniger glaubwürdige Geschichte erzählt, umrahmt von Anekdoten, Witzen und dem leicht tollpatschig wirkenden Langziehen seines Pullovers. In der Heimat fühlt man sich schließlich am wohlsten und der waschechte Hamburger Schulz wohnt ja nur 30 Minuten von Festsaal Kreuzberg entfernt.

Soundmag: Olli, du bist vor einem Jahr nach Berlin gezogen. Berlinerst du schon ein wenig?

Olli: Nein, das würde ich nie machen. Wenn Leute nach Berlin ziehen und anfangen zu berlinern, finde ich das extrem unangenehm. Ich bin aber auch total schlecht im Dialekte nachmachen.

Soundmag: Ich dachte jetzt eher daran, dass es sich in den Alltag eingeschlichen hat.

Olli: Gar nicht. Ist mir zumindest noch nicht aufgefallen, weeßte?! (lacht)

Soundmag: Gibt es einen Witz, den du auf der Bühne zwei, drei mal zu oft erzählt hast?

Olli: In den letzten Tagen war es der hier: Welches ist die härteste Droge der Welt? (Denkpause) Gleise – ein Zug und du bist sofort tot. Den hab ich schon etwas häufiger erzählt, aber ich find ihn auch ganz gut. Ich habe ja immer Witze, die ich gern auf der Bühne zum Besten gebe. Momentan aber eher nicht so sehr. Heute werde ich auch nur die Entstehungsgeschichten hinter den Songs von der neuen Platte erzählen. Wir schneiden das mit und vielleicht gibt es dann bei den ersten 1000 Exemplaren eine Bonus-CD davon. Den alten Kram hab ich ja auch oft genug gespielt.

(Der Tonmensch kommt in die Garderobe und will von Olli die CDs, die vor und nach dem Konzert laufen sollen. Neben „Warten auf den Bumerang“ gibt er ihm auch das neue Album seines Partners Max Schröder, alias Der Hund Marie.)

Soundmag: Über die letzten Jahre hing dir immer das Image des lustigen Kauzes an. Kümmert dich das heute noch?

Olli: Das Image habe ich immer noch, aber es ist mir egal. Ich bin ja auch lustig! Dass ich kauzig bin, denke ich aber nicht. Lustig ja, verschroben nicht. Aber das kümmert mich wirklich nicht. Manch einer hat mich auch als Comedian bezeichnet. Oder als Liedermacher.

Soundmag: Aber die lustigen Elemente verlagern sich – besonders wenn ich mir das neue Album anhöre – inzwischen eher auf das Erzählte zwischen den Songs.

Olli: Zweifellos, finde ich aber auch logischer. Denn Witze auf Platte machen nach ein, zweimal Hören nur noch wenig Spaß. Bei meinem zweiten Album ist mir in dieser Hinsicht ein Fehler unterlaufen. Da hab ich am Ende zwei Gags reingebracht und die brechen die Platte ganz erheblich. Es hätte mich geärgert, wäre mir das bei diesem Album wieder passiert.

Soundmag: Wenn man deine drei Alben betrachtet, ist die Entwicklung hin zu vermeintlich ernsteren Themen klar erkennbar.

Olli: Vor allem hat sich die Musik weiterentwickelt. Aber auch die Texte sind ernster geworden. Obwohl ich immer jemand war, der auch ernste Themen lustig verarbeitete. Schon auf der ersten Platte gab es kein Lied, das total lustig oder albern gemeint war. Ich habe nie einen Song nur für den Gag geschrieben, hinter jedem Stück steckt ein kleiner Hintergrund. Ich bin auch keineswegs erwachsen geworden und mache jetzt keine witzigen Lieder mehr. Irrtum: Olli Schulz ist immer noch lustig und wird sicher auch wieder lustige Lieder aufnehmen. Bei dieser Platte jedoch war mir irgendwie danach, sie von den Texten und der Atmosphäre her etwas dunkler zu gestalten.

Soundmag: Du bist mit dem neuen Album auch zu einem neuen Label gewechselt. In dem Infoschreiben zur Platte hast du das damit begründet, dass dir dort mehr und vor allem bessere finanzielle Möglichkeiten offen stehen. Warum hast du dich für Labels entschlossen? Steht es für dich noch am ehesten für ein Majorlabel mit Indiestruktur?

Olli: Labels ist ja nur ein halber Major. Ich traf mich in den letzten Monaten mit vielen Plattenfirmenvertretern. Wir waren zusammen essen, was ich spitze fand – umsonst essen. Dabei saß ich auch ziemlich vielen Idioten gegenüber, zu denen ich nie im Leben gegangen wäre. Bei Labels hingegen hatte ich das Gefühl, dass die sich mit meiner Musik auskennen und es war auch die einzige Firma, bei der ich fühlte, dass das Angebot Hand und Fuß hat. Die sind wirklich mit Leidenschaft dabei und haben Lust, mich zu unterstützen. Darum schätze ich die Mitarbeiter sehr. Naja, ich kenne ehrlich gesagt nur zwei und will auch gar nicht den ganzen Konzern kennen lernen. (lacht) Da gibt’s sicher wie in jeder anderen Plattenfirma auch Arschlöcher, aber die, die ich getroffen habe, sind tolle Menschen. Ich stimme auch diesem Vorurteil, dass Majorfirmen der Teufel sind, keineswegs zu. (Pause) Die Möglichkeit, eine große Platte mit ordentlichen Budget und Streichern zu machen, habe ich vielleicht irgendwann nicht mehr. Es könnte ja wirklich so kommen, dass die Firmen kleiner werden oder schließen müssen, was ich echt traurig finden würde. Ich bin so einer, der sich seit seiner Kindheit Platten kauft und finde es schon schade, wie sich das alles verändert. Gleichzeitig hat es aber auch positive Folgen und man muss stark dazwischen abwägen. Wer weiß schon, was Musik in zehn Jahren noch wert ist? Heute ist Musik überall und jederzeit auf Datenträgern vorhanden. Ich kenne Leute, die haben riesige Spulen mit Rohlingen und dann liegt die neue Killers-CD ganz unten in der Spule und wird nie gehört. Das ist herzlos. Als ich mir noch Platten kaufte, bin ich aufgeregt mit der Bahn gefahren, las das Cover. Das war meine musikalische Sozialisierung. Ich hoffe, dass es für die Kids von heute noch vergleichbare Wertschätzungen gibt. Obwohl ich stark daran zweifle, wenn ich mir Jamba-Klingeltöne anhöre.

Soundmag: Dieses Bewusstsein ist wohl auch bei Menschen in deinem und meinem Alter schon flöten gegangen.

Olli: Möglich. Wenn man dem überhaupt etwas Positives abgewinnen kann, ist es die Tatsache, dass heute jeder die Möglichkeit hat, Musik zu hören. Außerdem erkennt man heutzutage, wer wirklich für die Musik lebt. Bis vor ein paar Jahren gab es noch viele Musiker, die ihre Musik für die Kohle machten. Denen geht es heutzutage schlechter. Andere, die nicht soviel Geld verdienen, können einfacher, billiger und schneller Musik schaffen. Das ist vielleicht das Positive an der Entwicklung.

Soundmag: Hast du schon Unterschiede zwischen deiner alten Firma Gran Hotel Van Cleef und Labels festgestellt?

Olli: Gran Hotel ist einfach ein kleines Label, das von drei Leuten geführt wird, die zusätzlich noch in Bands spielen. Es wurde in erster Linie für Tomte und Kettcar gegründet und in die beiden wird natürlich auch das meiste Geld investiert. Das sag ich ohne Neid, denn sie sind die erfolgreichsten Künstler. Mir war es wichtig, mit meiner Musik einen Schritt nach vorn zu machen – gar nicht mal in Richtung Erfolg, sondern eher künstlerisch. Dazu brauche ich aber ein Team, das organisierter ist. Beim Gran Hotel arbeitete ich mit Freunden zusammen und du kommst in so einem Verhältnis immer an einen Punkt, wo du in Diskussionen Kompromisse machst, weil es sonst persönlich wird. Bei der neuen Plattenfirma muss ich mich schlecht fühlen, wenn ich mal cholerisch werde – was jetzt aber auch nicht so oft passiert. (lacht)

Soundmag: Es geht dir zwar nicht nur um den Erfolg, aber von irgendwoher muss das Geld ja kommen.

Olli: Richtig. Das erreichst du durch Konzerte und Merchandising.

Soundmag: Ich habe gelesen, dass ihr mit den Verkäufen des letzten Albums am Ende zumindest die Produktion bezahlen konntet.

Olli: Ich habe auch dort noch einen Teil privat zugesteuert. Das hängt auch mit den Strukturen bei Gran Hotel zusammen. Für Tomte und Kettcar wird natürlich investiert, weil die auch ein Video brauchen und das kostet gleich Unmengen Geld. Für andere Künstler steht die Kohle dann nicht mehr zur Verfügung. Das ist nun mal so. Darum musst du andere Sachen nebenbei machen, meine Kolumnen bei Radio FRITZ zum Beispiel.

Soundmag: Wirst du denn bei diesem Album am Ende zumindest mit einer schwarzen Null rausgehen. Ein gewisser Anstieg bei den Verkäufen ist in den letzten Jahren ja nicht zu leugnen.

Olli: Wünschen tue ich mir das. Aber ich bin auch realistisch und sage, dass es in der jetzigen Zeit sehr, sehr schwer ist. Noch nie waren die Plattenverkäufe so niedrig. Ich wäre natürlich froh, wenn ich mich nach ein paar Jahren in diesem Geschäft auch mal etwas entspannter zurücklehnen könnte, um anschließend die neue Platte ohne finanzielle Engpässe aufzunehmen. Auf dass sie noch besser und kreativer werde, weil ich mehr Zeit in sie investieren kann. Aber auch wenn das nicht passiert, deprimiert es mich nicht. In erster Linie mache ich die Musik für mich selbst. Ich war immer ein riesiger Musiknerd und wollte, wo ich jetzt schon mal die Möglichkeit hatte eine Platte aufzunehmen, bestimmte Dinge verwirklichen. Mir ist es wichtig, nie stehen zu bleiben, sondern selbst eine Weiterentwicklung zu erkennen. Das erreichst du natürlich schneller, wenn du dir einen Monat frei nehmen kannst und dich nur um deine Musik kümmerst. Aber die Zeiten sind vorbei. Ich wünschte, ich wäre in den 80er Jahren Musiker gewesen. Damals, als das Geld noch floss und selbst eine Band wie Möetley Crue in Amerika Millionen Dollar für ihren Schrott bekam.

Soundmag: In deiner FRITZ-Radiokolumne, die du schon angesprochen hast, bekommst du einmal pro Woche von den Hörern ein Thema genannt und schreibst dann eine gesungene Kolumne dazu. Wer hatte die Idee?

Olli: Der Programmchef von FRITZ kam auf mich zu und meinte, sie würden gern etwas mit mir machen. Ich schlug eine gesungene Kolumne vor.

Soundmag: Entspricht denn dieser wöchentliche Rhythmus deinem eigenen Arbeitsstil?

Olli: Ich schreibe unglaublich viele Songs. Es gibt noch ganze Kartons voller Stücke, die nie veröffentlicht wurden. Von daher passt das schon zu meinem Tempo. Aber es macht natürlich auch Spaß: du sitzt abends auf deinem Sofa, klimperst rum und dir geht etwas durch den Kopf. Im Prinzip ist es 50:50, also ich habe auch viele eigene Ideen und gehe dann gar nicht wirklich auf die Hörerwünsche ein. (lacht)

Soundmag: Lass uns noch mal zum neuen Album zurückkommen. Als ich es das erste Mal hörte, hatte ich sofort den Eindruck, dass dort richtig starke und runde Songs drauf sind. Insbesondere „Rückspiegel“ hat mich sehr beeindruckt.

Olli: Richtig, das lag mir auch am Herzen. Die Songs sollten runder sein. Viel hängt in diesem Punkt von der Produktion ab. Die ersten beiden Platten nahmen wir unter extremem Zeitdruck auf, diesmal hingegen hatten wir am Ende noch Luft. Wenn ich früher mit Max alles allein aufgenommen habe, waren wir jetzt zu viert mit der kompletten Band im Studio. Max war nebenbei noch mit Tomte auf Tour und nahm sein Soloalbum auf. Darum wollten wir ihn entlasten. Man spürt glaube ich, dass es eine echte Bandplatte geworden ist und wir mehr an den Liedern gefeilt haben. Für das Klavierintro von „Rückspiegel“ hätte früher die Zeit gefehlt. Insofern waren die Aufnahmen super und ich bin sehr glücklich über diese Umstände.

Soundmag: Was sagst du denn zum Soloalbum von Max?

Olli: Super! Ein wahnsinnig gutes Album, das im Moment leider noch nicht als solches wahrgenommen wird. Es braucht auch ein paar Durchläufe bis man bemerkt, dass es wunderschön und sehr homogen geworden ist.

Soundmag: Bist du auf einen seiner Songs neidisch und hättest ihn gern auf deiner Platte?

Olli: Das kann man so nicht sagen. Zwischen uns beiden gibt es dieses Konkurrenzdenken nicht. Aber einen Song wie „Stellt Mich Auf Die Beine“ finde ich schon grandios. Mein Lieblingssong. Allein der Titel „Stellt Mich Auf Die Beine“ – hätte auch von mir kommen können. Ich habe mir sehr lange gewünscht, dass Max ein Soloalbum aufnimmt, weil er einfach ein begnadeter Musiker ist.

Soundmag: Ein kleiner Blick in eure gemeinsame Zukunft. Nach dem ersten Album sagtest du in einem Interview, dass du mindestens drei möglichst unterschiedliche Alben machen willst.

Olli: Nur drei. Mein eigenes Ziel habe ich also erreicht. Die erste Platte war der unbefangene Start mit infantilem Humor und Liedern, die damals wie im Fall von „Nimm Mein Mixtape, Babe“ schon fünf Jahre alt waren. Album Nummer zwei drehte sich um Trennung, Schmerz. Und jetzt bin ich beim düsteren, wütenden Pendant von Olli Schulz. Bevor es eine vierte Olli Schulz & Der Hund Marie-Platte gibt, müssen wir uns darauf einigen, etwas Neues zu schaffen und textlich wie musikalisch einen weiteren Schritt zu gehen. Ich will nicht Musik machen, nur um damit Geld zu verdienen. Ich muss daran glauben. In meinem Leben schmiss ich alle zwei, drei Jahre die Jobs hin, weil ich gelangweilt war oder selbst nicht mehr damit klar kam. Es kann also auch sein, dass ich kein viertes Album mache. Allerdings glaube ich das nicht wirklich. Jetzt kommt ja sowieso erstmal die große Tournee mit den besten Songs aus allen drei Platten. Dann schauen wir weiter.

Soundmag: Eine Best Of… sollte noch drin sein.

Olli: Nee, dass is mir zu schwierig. Drei Platten bei zwei Labels – bis die sich einigen...

Soundmag: Letzte Frage: was hältst du von den Pet Shop Boys?

Olli: Vor ein paar Tagen lief im Fernsehen eine Aufzeichnung von ihrem Auftritt beim MELT-Festival. Es war erschreckend schlecht! Neil Tennant ist tierisch alt geworden und trägt immer diese verrückt-bescheuerten Klamotten. Man sah auch, dass vor der Bühne nicht viel los war. Aber: ich habe mir die „Actually“ gekauft, ich liebte „Rent“ genauso wie „Being Boring“. Die Pet Shop Boys haben ein paar fantastische Songs geschrieben, aber ich denke, ihre Zeit ist vorbei.

Soundmag: Klassischer Fall von Absprung verpasst?

Olli: Naja, das kann man nicht sagen. Sie haben ja immer noch Fans und verkaufen Platten. Das letzte, was ich gehört habe, war der „Panzerkreuzer Potemkin“-Soundtrack: langweilig. Ihre letzte gute Platte war „Release“ mit „Home And Dry“ drauf. Der letzte große Song der Pet Shop Boys – auch wegen des Antivideos mit den Mäusen. Ich höre mir die neuen Sachen immer noch an, aber so richtig haut es mich nicht mehr um. Es gibt zehn Songs, die ich bestechend gut finde. „Kings Cross“ ist der Hammer! Auch von „Actually“, wahrscheinlich zusammen mit „Behaviour“ ihre beste Platte. Um es also zusammenzufassen: Ich mag die Pet Shop Boys. Aber sie können aufhören. (lacht)

Soundmag: Danke für das Interview und viel Spaß beim Homecoming heute Abend.

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