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The Bluetones

The Bluetones

 

25.09.06 - per Email / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Paul Heartfield

 

 

 

Wer in England als Musiker nicht das Selbstvertrauen von fünf Elefanten und das große Maul eines Wals besitzt, hat es schwer, wahrgenommen zu werden. Die Bluetones sind seit ihren Anfängen eine dieser Bands, denen es nie so richtig gelingt, die großen Massen auf die eigene Musik aufmerksam zu machen. Trotzdem sprang ein kleiner Kreis Eingeweihter jauchzend in die Luft, wenn nach zwei oder drei Jahren ein neues Werk mit luftleichtem Gitarrenpop und Lachgas verströmenden Melodien im Regal stand. Seit ihrem letzten Album „Luxembourg“, das in Deutschland gar nicht mehr erschien, war es still. Die Band um Sänger Mark Morriss trennte sich vom Label, probierte anderes, ging Solowege und fand am Ende doch wieder zusammen, um mit dem ganz uneitel „The Bluetones“ betitelten neuen Album zu zeigen, dass sich nichts verändert hat. Die Bluetones schreiben noch immer Ohrwürmer am Stück – auf eben dem qualitativen Niveau, das Großmäuler wie Oasis ständig ins Straucheln bringt. Vielleicht braucht es je eine ordentliche Portion Gelassenheit der Welt und sich selbst gegenüber, um immer wieder spielend dorthin zu gelangen.

Soundmag: Ahoi Mark. Wo bist du gerade?

Mark: Ich übersende euch diese Worte aus meinem komfortablen Wohnzimmer, wo ich mich ungeschickt vor das Laptop meiner Freundin gehockt habe und mit einem Auge den „Daffy Duck“-Trickfilm im Fernsehen verfolge.

Soundmag: Dann bist du ja voll bei der Sache. Drei Jahre sind seit „Luxembourg“, eurem letzten Album, vergangen. Ein kurzes Update bitte - was ist seit damals passiert?

Mark: Naja, wir nahmen uns eine kurze Auszeit vom Touren und probierten für eine Weile, uns Bärte stehen zu lassen. Alle paar Wochen haben wir uns versammelt, um Dicke und Form unserer Gesichtsbehaarung zu vergleichen. Wegen all dieser Ablenkungen vergaßen wir doch tatsächlich, neues Material zu schreiben.
?Soundmag: Das kann nicht ganz stimmen. Du hast in der Zeit ein Soloalbum veröffentlicht. Waren auch die anderen Herren mit anderen Projekten beschäftigt?

Mark: Naja, es war eher eine kleine EP, die ich rausbrachte. Die anderen Kerle beschäftigten sich mit allen möglichen gefährlichen Dingen. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, was sie trieben. Ich war von meinem Bart umgeben – an einigen Tagen sogar wortwörtlich.

Soundmag: „Luxembourg“ war verglichen mit euren anderen Alben erheblich rockiger. Spiegelten sich darin eure musikalischen Vorlieben im Jahr 2003 wider oder woher kam der raue und direkte Sound?

Mark: Ehrlich gesagt diktierten das kleine Budget und fehlende Zeit den damaligen Sound. Wenn ich mich richtig erinnere, hörten wir in diesen Tagen oft die Ramones und bewunderten sie für ihren geradeaus drängenden und direkten Sound, den sie wie mühelos zusammenbekamen. Zu jener Zeit begeisterte uns diese musikalische Gesinnung und wir wollten sie liebend gern auf unsere Band übertragen. Die Songs sollten auf ihre Basiselemente zurückgenommen werden und wir wollten uns nicht wie bei früheren Alben auf die Produktionstechnik verlassen. Ich glaube, die Leute fanden das alles ein wenig zu viel für ihren sowieso schon überstrapazierten Verstand. Arme Teufel!

Soundmag: Euer neues Album hast du als „eines der politischsten Bluetones-Alben überhaupt“ beschrieben. Woher kommt diese plötzliche Sorge?

Mark: Das Album ist in einer bestimmten Form “politisch”, weil es sich nicht nur mit dem eigenen Ich beschäftigt. Ich bin mir nicht immer sicher, wo genau die Triebkraft für diese Ideen entspringt. Aber aus meinem Kugelschreiber fließen in letzter Zeit mehr Songs über Gemeinschaft und das allgemeine Gewissen. Mein Gott, könnte es sein, dass ich erwachsen werde? Let’s hope not, kids!

Soundmag: In “My Neighbours House” erzählst du von Menschen, die beim Abbrennen eines Hauses zuschauen, anstatt die Feuerwehr zu rufen. Ein Bild für die apathische Jugend Großbritanniens oder ein weltweites Phänomen?

Mark: Wenn es um diesen Song geht, kann ich nur über die Generation sprechen, in der ich selbst lebe. Also ja, es geht um Großbritannien. Damit will ich aber nicht sagen, dass dieses Bild nicht auch auf Mitglieder meiner Generation zutrifft, die irgendwo anders in der – ich hasse dieses Wort - „entwickelten Welt“ leben. Aber aus deren Perspektive schreibe ich nicht. Am Ende lebe ich in einem Land, dessen Regierung sich aktiv und freiwillig an einem moralisch abzulehnenden und illegalen Krieg beteiligt, der sich immer weiter aus unserem Bewusstsein zu entfernen scheint. Wir dienen inzwischen Führern, die wir eigentlich wählten, um uns zu dienen.

Soundmag: Wo liegt der Grund? Wie kann man das ändern?

Mark: Desensibilisierung. Unsere Generation spricht heutzutage eher auf Unterhaltung an denn auf Verantwortung. Es gibt keinen wirklichen Gemeinschaftssinn mehr. Übrig geblieben ist leerer Patriotismus und all die verwirrte Moral in dessen Fahrwasser.

Soundmag: Dein Nachbarhaus ist eines Nachts dann tatsächlich abgebrannt. Selbst wenn es nur ein Zufall war, was hast du gefühlt, als du davon erfuhrst und wusstest, dass da dieser eine Song in der Schublade liegt?

Mark: Es war das Haus meiner Freundin und ähnlich wie die Person in dem Song hat es mich nicht die Bohne gekümmert. Ich war Meilen weit weg, sicher aufgehoben im Studio. Als ich die Nachricht hörte, lachte ich und kippte eine Gallone Riesling hinunter.

Soundmag: Erzähl mal etwas über den Komiker David Williams, um den es in “Fade In/Fade Out” geht.

Mark: Er ist sehr groß. Also wirklich verflixt groß, 24 Fuß und er wächst weiter.


Soundmag: Ist „The Bluetones“ so etwas wie die Essenz der Band? Wenn ja, worin besteht sie?

Mark: Welche Essenz? Du hast doch mit dem Gerde von der Essenz angefangen. Meine Güte, ich habe keine Ahnung. Ich dachte, alles was wir gemacht haben, stinkt nach dieser Bluetones-Essenz. Das ist doch das Problem!

Soundmag: Es gibt euch inzwischen seit 1994. Verglichen mit vielen anderen englischen Bands wart ihr immer so etwas wie die Underdogs. Warum? Sind die Bluetones schamlos unterbewertet?

Mark: Tief in meinem Inneren fühle ich, dass die Welt sich noch etwas länger mit uns beschäftigen muss, um zu erkennen, welch enorme Freude sie verspüren könnte, wenn sie sich auf die Musik der Bluetones endlich in ihrer totalen Großartigkeit einlassen würde. Aber wie ein Underdog habe ich mich nie gefühlt. Wahrscheinlich brachte mir genau dieser Umstand den Sinn für Überlegenheit, der mich so oft in Schwierigkeiten steuert.

Soundmag: Du fühlst dich also oft missverstanden?

Mark: Natürlich! Genau das versuche ich dir doch zu erklären. Oh mein Gott! Es passiert schon wieder!

Soundmag: Apropos, was lief schief mit Mercury, eurem alten Label?

Mark: Mercury ist eine Plattenfirma mit einer großen Vorliebe für Geld und einer riesigen Gleichgültigkeit gegenüber Kunst. Aber hey, sie müssen damit ja auch ihr Leben finanzieren.

Soundmag: War die Liaison mit dem Label die schwerste Zeit für euch als Band?

Mark: Wahrscheinlich schon. Mit all den Haien zu verhandeln, machte einem fast die Freude an der eigenen Vorliebe für Sauerstoff abspenstig. Glücklicherweise sind wir genetisch sowieso den Bäumen viel näher. Kohlendioxid ist so inzwischen zu einem wahren Freund für uns geworden.

Soundmag: Es gibt zig Geschichten über euren Bandnamen. Erzähl uns die beste – egal ob wahr oder nicht.

Mark: „The Bluetones können mich mal!“ – tatsächlich waren das die letzten Worte von Charles De Gaulle. Wir konnten es nicht glauben, dass noch niemand diese Delikatesse in seinem Bandnamen verwurstete. Also strichen wir das „..können mich mal!“, schmissen die Anführungszeichen über Bord und beschlossen, dass „The Bluetones“ verdammt gut klang. Du musst dafür deine Zunge ausrollen und vergisst den Namen schnell wieder. Perfekt!

Soundmag: Letzte Frage: was hältst du von den Pet Shop Boys?

Mark: Persönlich war ich immer einer ihrer Fans. Ihre Musik hat mich seit frühen Tagen oft amüsiert und erfreut. Das ist viel mehr als ich über eine Menge anderer Künstler sagen kann. Mögen sie lange über die Popwelt herrschen.

Soundmag: Amen. Vielen Dank für das Interview und viel Spaß mit den Trickfilmen.

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Offizielle Website

www.bluetones.info

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