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Blumfeld

Blumfeld

 

19.11.03 - C-Club / Berlin

Interview:  Mathias

Foto: Pressefoto

 

 

 

Kaum eine andere Band hat es geschafft über mehrere Jahre einen einzigartigen Sound und geniale Texte so zu verpacken, dass sie a) nicht langweilig wird b) kommerziell erfolgreich bleibt und c) trotzdem die Herzen der Indiefraktion am schlagen hält, wie Blumfeld. Am 19.11. 2003 traf ich Blumfeld im Columbia Fritz zum Interview. Jochen Distelmeyer wurde vom Arzt das Sprechen verboten, weil er es mit dem Halse hatte. Macht nichts, Michael Mühlhaus (Bass, Keyboards) und Andre Rattay (Schlagzeug und Gründungsmitglied) stehen bereit, um gute und blöde Fragen zu beantworten. Hier die ungekürzte Version.

Soundmag: Der Song "Jenseits von Jedem" ist 15 Minuten lang. Hat euch niemand gesagt, dass das vielleicht etwas zu lang sein könnte? Ich meine nach dem zweiten hören, weiß man er ist nicht zu lang, aber hat jemals jemand von der Plattenfirma oder von der Band Kritik geäußert ?

Andre: Nein, wir haben da ja auch unsere Narrenfreiheit, also das ist ja auch ganz klar, also mit der Plattenfirma, dass uns da nicht weiter rein geredet wird.

Michael: Wer sollte kommen und sagen, das macht ihr aber nicht ?

Soundmag: Die Plattenfirma ?

Andre: Die wissen ja welche Vögel sie sich da ins Netz geholt haben, wäre ja doof wenn die uns da reinreden würden.

Soundmag: Diese Narrenfreiheit hat aber auch nicht jede Band, oder ?

Michael: Es gibt kein Grund, dass man da reinreden sollte, da käme ich selber nicht auf den Gedanken, also als Außenstehender.

Soundmag: Was habt ihr eigentlich zwischen L´ETAT ET MOI und Old Nobody gemacht ?

Michael: Wir haben unsere Millionen auf den Bahamas verprasst.(lacht)

Andre: Da gab es verschiedene Dinge. Es war keine Pause, es war so dass Eike uns damals eröffnete, während wir durch Europa tourten, also da hat uns Eike eröffnet, er müsse mal mit uns reden. Er würde sich jetzt voll auf sein Studium konzentrieren. Da saßen wir da so auf der Rückfahrt. Es war klar, dass wir weiter machen werden, aber erstmal war es undenkbar, also eine sehr komische Situation. Und dann ging´s erstmal darum Jemanden zu finden, mit dem man das machen kann. Also das aus zuprobieren, wir haben uns dann schon damals mit Michael getroffen, haben mit dem Moog-Synthesizer verschiedene Sachen ausprobiert.

Michael: Ich habe vorher in einer anderen Band gespielt, wir waren zu Dritt. Ich hab da MoogBass, Synthesizer und Samples gespielt. Diese Band hatte sich aufgelöst, und dann habe ich von einem Freund gehört, dass Eike bei Blumfeld ausgestiegen ist.....

Andre:....dann hat er so lange rumgenervt, das er jetzt dabei ist.

Michael: Dann hab ich gedacht, dass das mit dem MoogBass ne gute Idee ist. Da kam es halt zu was anderem. Da kam Peter und dann hab ich dann Keyboard gespielt.

Andre: Zu der Zeit gings dann auch darum, zu probieren, also ob es Live funktioniert, also nicht so vom rein handwerklichen Spielen her, sondern eher, wie man das spielt. Man muss dann so lange machen, bis das dann wieder, auch Live zur Band wird, und das dauert dann eben so lange.

Soundmag: Haben Peter und Michael, die Musik stark beeinflusst ? Da gab¹s ja diesen Bruch. War das so ,dass ihr dachtet, jetzt machen wir mal was anderes ?

Michael: Ich glaube es hat sich schon vorher gezeigt, also noch bei den Dreien, wo so Coverversionen so was schon angedeutet haben. Da haben mehrere Leute gesagt, dass sich da was andeutet. Also ich selber muss sagen, dass ich das nicht gedacht hätte, dass das dann so wird. Das war schon ne Idee, von den beiden.

Andre: Ja das Feld ein wenig erweitern, also das ist ja gar nicht so weit weg, von dem was wir vorher gemacht haben, sondern, ja da wird ne neue Tür aufgemacht. Das Spektrum wird einfach größer.

Soundmag: Ja die Tür wird aufgemacht, aber ich finde dann auch gleich wieder zu gemacht....

Michael: Ja, find ich nicht. Es hat sich nicht geändert, dass Jochen z.B. die Songs schreibt, und sagt, ja da das Gefühl, und da dieser Text und so, das ist die Musik.

Andre: Wir haben am Anfang zu dritt, die Sache umgesetzt wie wir sie umsetzen konnten, umsetzen wollten. Da hat sich meines Erachtens auch nicht wirklich was verändert. Es ist was dazu gekommen, also da sind zwei Menschen dazu gekommen, die da auch andere Klangfarben mit rein bringen. Wenn man bei den ersten beiden Platten Songs anders instrumentiert hätte, dann wäre das vielleicht ähnlich geworden Bei der "Ich-Maschine" kam Alfred ins Studio und sagte: "Da muss ein Keyboard hin" Und wir so, nein das beleibt so, Alfred dann, nein da muss ein Keyboard hin, da muss irgendwas passieren. Deswegen sehe ich da nicht wirklich ein Bruch.

Soundmag: Man kann auch an euren Plattencovern eine Entwicklung sehen. Bei Ich-Maschine ward ihr noch gar nicht zu sehen, bei L´ETAT ET MOI waren zumindest eure Köpfe drauf, und bei der letzten Platte seid ihr ganz groß drauf, und auf der Rückseite der Platte, wird der Betrachter ja sogar zum Gast des Picknicks. Selbst da sieht man ja eine Entwicklung. Blumfeld sind offener geworden und nicht mehr so... rebellisch wie früher.

Andre: Sind das Widersprüche ? Das ist kein Widerspruch ! Offener im Vergleich zu rebellisch ? Kann man das gegeneinander aufmachen ?

Soundmag: Naja, auf jeden Fall glücklicher. Man hat den Eindruck, Jochen hat doch irgendwie sein Glück gefunden. Also Songs wie "Laß uns nicht von Sex reden" werdet ihr bestimmt nicht mehr machen.

Michael: Ja das doch ne normale menschliche Entwicklung, von älter werden, oder so. Es gibt halt Gedanken, die man in bestimmten Phasen hat. Und auf den Platten ist gerade das drauf, also was gerade stattfindet. Das ist ne gute Sache. Es geht nicht darum irgendwas konservieren zu wollen.

Andre: Sagen wir mal so, hätten wir zu dritt weiter gemacht, also in der alten Besetzung, würden die neuen Alben anders klingen. Es würde nach den Leuten klingen, nach dem Verständnis wie wir vorher Musik gemacht haben. So wie es jetzt ist, klingt der Bruch natürlich viel krasser. Logischer Weise, weil Peter anders Bass spielt als Eike und das Klavier dazu gekommen ist.

Michael: Also ich sehe das weniger als Bruch, eher als Erweiterung an. Warum immer die gleiche Platte machen ? Ich hoffe, dass wir so etwas auch noch öfter machen werden. Also wir werden uns nicht auf irgendetwas ausruhen, das würden wir nie machen. Nur so macht es Spaß das eben weiter zu machen. Man will ja nicht....

Andre:...ja wir gehen jetzt zur Arbeit.

Michael: Ja genau. Mit Würde alt werden, mit der richtigen Musik dazu.

Soundmag: Ich hab mal ein ewig langes Interview mit Jochen Mitte der 90er gefunden, in dem er sagte, dass er nie ein Interview mit dem STERN machen würde. Wie wäre das heute ?

Andre: Ja haben wir schon gemacht. Da haben wir ja auch eine andere Position als heute gehabt. Jochen hat ja auch gesagt, dass Leute die solche Interviews machen wie Westernhagen oder so, diese Interviews auch revidieren lassen. Die sagen dann, ne gefällt mir nicht, das Interview wird nur autorisiert raus gegeben. Und dann kann man auch nicht von Interview sprechen bzw. damals war uns klar, dass wenn Interview, möchten wir auch in der gleichen Position sein. Und nicht irgendwie, der große Stern entdeckt eine kleine Kultband. Weißt du ?

Soundmag: Ok. Was ist unterm Piep bei "Jugend von heute" ?

Andre: Nächste Frage, Also die musste wahrscheinlich gestellt werden, aber du wusstest auch vorher, dass du keine Antwort bekommst. (lacht)

Soundmag: Ok: Ihr seid oder ihr kommt aus der so genannten Hamburger Schule. Was denkt ihr über diese neue Bewegung der deutschsprachigen Bands ?

Andre: Mal ne Gegenfrage. Ist denn das wirklich eine Bewegung ? Eine Bewegung ist es nicht nur weil die Industrie das Etikett dran klebt. .... Was halt ich davon ?

Michael: Schade dass man nicht gefragt wird, was man von Bands wie Contriva, Schneider, Britta wen gibt's noch ? Da würde ich sagen, ja klar find ich spitze.

Soundmag: Aber das weiß man doch.

Michael: Ja ok, ich will das auch gar nicht weiter bewerten, das sind alles Bands von denen glaube ich dass sie Musik machen, keine Ahnung auf welcher Art sie sich da ausdrücken wollen, naiv, das meine ich jetzt gar nicht abwertend. Aber deswegen muss ich das jetzt nicht interessant finden. Ich bin da NDW-geschädigt in sofern, dass ich zu der Zeit eher Süff, Mittagspause oder Fehlfarben gehört hab, und nicht Nena oder Extrabreit. In dem Zuge bin ich bei solchen Bands ein wenig kritisch, ich weiß nicht worauf sie sich beziehen. Meines Erachtens beziehen sie sich da auf falsche Vorfahren oder Ideen. Da kann ich für mich sagen, is nich meine Tasse Tee, ist halt ihr gutes Recht das zu machen, find ich auch ok.

Michael: Ich find das auch immer verkehrt wenn da was emanzipiert wir als neu und deutsch. Wir hören nicht deutsche oder amerikanische Musik, auch nicht E- und U-Musik. Wir hören Musik. Egal ob es Bands sind die du da gemeint hast, oder ob es alte Salsa- oder Jazzaufnahmen sind, man findet ein Teil seiner selbst dort drin und das ist das Besondere.

Soundmag: Das geht mir genauso, aber die Plattenfirmen funktionieren halt so. Mittlerweile hat jede große doofe Plattenfirma, so eine Deutschmädchenpopband unter Vertrag.

Michael: Weißt du was ich manchmal denke ? Es könnte komplett anders sein wenn sich die Leute dafür entscheiden. Es kommt einen manchmal so vor als ob, ja also es werden Sachen durch massives Druck machen durchgesetzt. Dann wird aber gesagt, ja das ist aber das was sich verkauft. Ich glaube das es so rum ist, wenn die sich sagen, komm guck mal da, da ist etwas was wirklich klasse ist, lass uns das mal richtig featuren , lass mal richtig drum kümmern. Und wenn die Musiksender sagen würden, ne wir spielen die Sachen, weil wir finden das richtig gut. Dann würde die Musiklandschaft einfach wirklich anders aus sehen. Warum sollen die Leute das nicht hören wollen ?

Andre: Ja aber in der Musikindustrie geht¹s es nicht um die Musik, sondern es geht um das Verkaufen, die können Nähmaschinen verkaufen, Autos oder eben Musik. Wir reden jetzt über etwa anderes, wir sagen wir finden das inhaltliche in der Musik klasse, aber das ist in der Landschaft der Industrie einfach nicht der Fall. Es geht den Musiksendern nicht um Musik, es geht ihnen um Einschaltquoten, um irgendwelche Zielgruppen die erreicht werden sollen...

Michael:...ja aber du kannst halt nicht nur geschnitten Brot verkaufen...du kannst auch Biobrot verkaufen. Das merkt man ja selbst, die Leute die beim Radio arbeiten oder die, die bei den Plattenfirmen die hören ja auch andere Sachen.

Andre: Ich will nicht hören dass, weil bei den Sachen jetzt so viel reingedrückt wird, und weil sich das gerade so gut verkauft, ist das jetzt das neue Ding.

Soundmag: Ist es auch gar nicht.

Andre: Nein, ist es nicht. Und wenn da jetzt andere Sachen wären, wenn man sich da ein bisschen mehr kümmern würde, dass man denkt, ach komm lass uns mal hier das machen, das ist doch richtig gut, dann würde das auch funktionieren. Über einen längeren Zeitraum würde man auch das Publikum dazu bringen, andere Sachen zu hören, ich glaube das würde funktionieren. Es ist halt manchmal die Entscheidung für ja ...Toastbrot. Dann essen die Leute halt alle Toastbrot.

Soundmag: Als ihr Old Nobody heraus gebracht habt, kam dieser Münchener Freiheit Vergleich. Ich denke die Münchener Freiheit hat davon profitiert, zumindest wurden sie seit dem in einigen Berliner Clubs gespielt. Gab es da jemals ein Feedback, habt ihr die jemals getroffen ?

Andre: Keine Ahnung. Journalistisch war das natürlich auch toll, das war so ein Halbsatz in irgend einem Interview. Münchner Freiheit und Hamburger Schule das ist natürlich die Schlagzeile.

Soundmag: Wer sind eigentlich die Jungs auf dem Ghettowelt Cover ?

Andre: Das ist ein Foto von Jochens Mutter. Das sind irgendwelche schwererziehbaren Jugendliche, ne keine Ahnung, ich glaube das war einfach auf so einem Abenteuerspielplatz.

Soundmag: "Jenseits von Jedem" unterscheidet sich meiner Meinung nach deutlich vom Vorgängeralbum. Habt ihr euch irgendetwas vorgenommen, also um eine Veränderung zu erreichen.

Andre: Also es gab bestimmte Überlegungen von Chris von Rautenkranz, der sich vor Beginn der Platte so ein paar Sachen überlegt hat. Die hat er uns dann präsentiert, also Ideen für die Aufnahmen. Das haben wir dann auch gemacht, das war auch gut. Ich weiß nicht ob das jetzt wirklich was ausmacht, aber wir haben die jetzt wieder analog aufgenommen. Testament der Angst war eine komplette Digitalaufnahme. Wir hatten auch nur 16 Spuren, also sehr begrenzt. 16 Spuren dafür aber breiteres Band, das hat echt viel ausgemacht. Ich glaube man kann sich bestimmte Sachen nicht vornehmen, man lässt es eher zu. Ich glaube das ist eher passiert mit der Platte. Wir nahmen uns die Zeit zu sagen, ok der Mix ist gut, aber vielleicht kann man da doch noch was machen, bis alle gesagt haben, ok das ist es jetzt. Bis alle zufrieden waren. Vorher stand man unter Termindruck, da hat man Kompromisse gemacht, das war auf dieser Platte nicht so.

Soundmag: Peter hat Blumfeld verlassen. Das war sicherlich auch wieder so ein Ding in die Fresse, oder ?

Andre: Peter spielt bei Kante. Die Arbeit für Kante wurde immer zeitaufwendiger. Da musste er sich entscheiden. Als er ging, war es auch so das wir uns gerade aufeinander eingespielt hatten. Wir dachten jetzt kann´s losgehen, jetzt haben wir so ein Gefühl füreinander. Als dann Peter ging mussten wir auch wieder von vorne anfangen.

Soundmag: Ich hab euch das letzt Mal beim Introducing in Berlin gesehen, da hab ich Peters Gitarre bei "Verstärker" vermisst.

Andre: Diese Gitarrensache ? Ja der spielt da so Melodien, und mit diesem Hall an seinem Mesa Boogie. Das war schon spitze.

Soundmag: Wo wir gerade bei Gitarren sind. Jochen hat seit dem ersten Album einen ziemlich genialen und einzigartigen Sound mit seiner Gitarre erzeugt. Hat er da irgendwo ab geguckt, oder wie kam das ?

Andre: Jochen hat am Anfang immer auf einer Halbakustik gespielt. Die Gitarrensachen sind schon sehr alt, ich wüsste jetzt nicht wo er das her hat. Wir haben uns so damals getroffen, haben uns alles Mögliche vorgespielt. Wir haben uns bei Hip-Hop getroffen... dann gab es noch so ein paar Noise-Geschichten. Also ich hab da kein konkretes Beispiel, ich glaube das war eher so eine Stylentscheidung. Jetzt spielt er über den Roland Jazzverstärker. Als wir angefangen hatten, spielte er über einen kleineren Verstärker. Das war so ein richtiger Brüllwürfel, die ein Seite von einer Katze zerkratzt. Das Ding war schon klasse.

Soundmag: Noch ne doofe Frage. Warum spuckt Jochen immer so viel bei Konzerten ? Ist das Rock´n´Roll oder geht das nicht anders ?

Andre: Das hat er schon immer gemacht, ich glaub das ist auch so Rock´n´Roll. Ist billiger als die Gitarre kaputt zu machen.

Soundmag: Danke an euch. Für alles.

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