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Sonic Youth

Sonic Youth

 

16.12.06 - Postbahnhof / Berlin

Interview:  Mathias

Foto: Pressefoto

 

 

 

Sonic Youth bei Festivals 2007

 

Gleich zwei Platten haben Sonic Youth dabei, als sie in diesem Jahr - heiß erwartet - in Berlin auftauchten. Innerhalb weniger Tage war das Konzert ausverkauft. Zurecht. Obligatorisch fragt man beim großen Label wegen eines Interviewtermins an und denkt sich dabei, dass die geschmacklichen Vorreiter einer ganzen Kultur sicher besseres zu tun haben, als darüber zu sprechen, was sie alle ein-zwei Jahre, offenbar mühelos aus dem Ärmel schütteln. Nach einigen Tagen hieß es , dass die Herren doch bereit wären, über 25 Jahre Bandgeschichte und zwei neue Alben zu sprechen. Der Postbahnhof soll es also sein. Selten wurde ich so häufig danach gefragt, was ich denn hier zu suchen hätte. Nachdem dreimal, der Sicherheit geschuldet, meine Taschen gecheckt wurden, betrete ich die Halle, in der sich schon mehrere Kamerateams tummeln. Der Redebedarf ist also hoch. In einem kleinen Raum treffe ich auf Drummer Steve Shelley, der als einziger im ganzen Gelände eine ungeheure Ruhe ausstrahlt. Unheimlich ist einem schon zu Mute, wenn man bedenkt, dass man jetzt 15 Minuten mit jemand zusammen sitzt, der Platten gemacht hat, die mich nun schon seit über 10 Jahren beeindrucken.

Soundmag: Schön, dich mal kennen zu lernen. Als ich wegen des Interviews angefragt habe, dachte ich eigentlich, dass ihr nicht mit der Presse redet. Scheinbar aber doch.

Steve: Doch, doch, wir geben Interviews. Klar.

Soundmag: Warum?

Steve: Warum? Keine Ahnung. (lacht) Vielleicht sollten wir das lassen. Nein, wir geben eine Menge Interviews. Ich meine, es ist wichtig, begreifbar zu sein. Sicherlich redet man ab und zu zuviel, aber ansonsten ist das schon okay. Ich redete eben mit einem Mädchen über Bob Dylan. Er war so mysteriös, keiner wusste damals irgendwas über diesen Menschen. Jetzt ist er in einer ganz anderen Situation in seiner Karriere. Ich meine, er ist immer noch mysteriös, jetzt ist er aber so allgegenwärtig. Er hat sein Buch, seine Radioshow in Amerika. Das ist Wahnsinn, niemals war man Dylan so nah wie heute. Früher gab er vielleicht zwei Interviews im Jahr und irgendwie nur dem Rolling Stone Magazin oder ähnlichem.

Soundmag: Kann ich gut verstehen. Manchmal ist es aber so, dass man eine Platte gekauft hat und nichts über die Band weiß und auch noch keine Fotos gesehen hat, wie bei Pink Floyd zum Beispiel. Die waren nur einmal auf einem Cover zu sehen. Was wollte ich sagen? Ach ja, manchmal ist es eben intimer, nur die Musik und nichts weiter von der Band zu kennen. Nun ja, und bei Sonic Youth schien es mir immer, als wäre es in eurem Interesse, so geheimnisvoll wie möglich zu bleiben. Ihr habt den besten Ruf, jeder schwärmt von euch, ihr werdet von großen Bands vergöttert. Habt ihr überhaupt noch Ziele und Wünsche?

Steve: Natürlich. Wenn man Musiker ist, dann ist das eine Reise, die dein ganzes Leben dauert. Du willst nicht einfach nur eine Platte machen, nein, du willst immer weiter machen. Wir wollen das so, genau so wie es ist. Das ist unser Leben. Man kann nicht wirklich beschreiben, was das alles ausmacht. Es ist eine Sucht nach diesem Lebensstil. Du willst Konzerte spielen, du willst, dass du es gut macht. Wir sind Fans von neuen Bands und von Bands, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt. So werden wir immer wieder neu inspiriert.

Soundmag: Ihr habt wirklich viele Jahre und viele Szenen durchlebt. Kannst du die Band als einen „Spiegel“ der vergangen 20 Jahre sehen?

Steve: Viele haben uns damals in die Grunge-Ecke drücken wollen. Da gehörten wir aber nie wirklich rein. Wir fühlten uns dauernd wie Outsider. Wir tourten mit Mudhoney und Nirvana und waren immer ein wenig anders, verglichen mit diesen Bands. Aber wir mochten es sehr, mit diesen Jungs Musik zusammen zu machen. Das wird nie aufhören. Diese Woche zum Beispiel war wirklich anstrengend. Sie begann in England mit dem „All Tomorrows Partys“-Festival. Thurston hat diesmal die Musiker gebucht, also hatten wir 50 der verrücktesten Bands an drei Tagen in England, das war wirklich toll. Wir spielten zwei Shows und sahen die Stooges und The Gang Of Four, Dinosaur Jr, Deerhoff. Mit vielen Bands sind wir mehr als befreundet, wir sind nach so vielen Jahren eine Familie geworden.

Soundmag: Das klingt fabelhaft. Ich wollte noch mal über „Destroyed Rooms“ reden. Auf dem Album findet man wirklich wertvolle Raritäten. Unter anderem auch Mitschnitte von spontanen Sessions. Die Songs auf euren Alben sind dem ziemlich nahe, darum stellt sich die Frage, wann für euch ein Song fertig ist? Wann ist ein Album komplett?

Steve: „The Destroyed Room“ entstand, weil wir ein Studio in Manhattan hatten. Wann immer wir Lust oder eine Idee hatten, oder jemand uns darum bat, etwas für einen Film aufzunehmen, gingen wir in dieses Studio und haben unsere Ideen zusammengeworfen. Jetzt haben wir noch immer ein Studio, aber müssen lange dort hinfahren, weil wir auch alle in unterschiedlichen Teilen von New York leben. So passieren solche spontanen Sachen nicht mehr all zu häufig. Dennoch hatten wir vor, eine Platte zu machen. Also beschlossen wir, dafür zu arbeiten, setzten uns das Ziel, eine Platte fertig zu stellen. Das war in dieser Art eine komplett neue Erfahrung.

Soundmag: Ihr seid eine Band, die sich bereits bei der Gründung sagte, keine Grenzen aufzustellen. Bis heute lebt eure Musik von neuen Ideen und musikalischen Experimenten. Ist es für euch nicht enorm hart zu entscheiden, dass ein Album fertig ist und keine weiteren Ideen benötigt?

Steve: Nein, so schwer ist das nicht. Am Ende ist der Mix fertig und man hat eine Version davon auf Platte. Das ist dann nur eine Variante dessen, was wir auf der Bühne spielen werden. Die Live-Version ist mir immer wichtiger als die auf dem Album. Ich höre mir unsere Platten nicht an, ich arbeite daran. So hart es geht. Darum gehe ich auch nicht nach Hause und höre mir ein Sonic Youth Album an. (lacht) Ich erinnere mich immer daran, wie wir es live spielen. Die Alben sind für mich wie ein Schnappschuss.

Soundmag: Ein Schnappschuss? Das muss ja wirklich schwer gewesen sein, die Songs für „Destroyed Room“ auszusuchen.

Steve: Das war schon was Besonderes. Ich kam mit der erste Version der Sequenz von „The Diamond Sea“. Die Band war es, die Dinge wegnahm und andere hinzupackte. Wir dachten in diesem Fall hauptsächlich darüber nach, welche Besonderheiten in einem Song sein müssen, damit er auf diese Kollektion kommt. Es gab viele Ideen, die wir schon vor einigen Jahren verwarfen, um sie für spätere Alben aufzuheben. Das war alles noch, bevor wir mit Geffen den Vertrag unterschrieben hatten. Geffen hatte die Idee einer solchen Kompilation schon vor ca. zehn Jahren. Wir stimmten begeistert zu, hatten es aber nach ein paar Wochen komplett vergessen. Nach langer Zeit kam dann ein Anruf, mit der Erinnerung daran. Daraufhin ging alles recht schnell. Ich würde nicht sagen, dass es lieblos zusammengestellt wurde, aber es war auch keine große Anstrengung. So sind wir sehr überrascht, dass die Platte so gut ankommt und die Leute begeistert von ihr sind.

Soundmag: Gibt es überhaupt jemanden, der sagt, eine Sonic Youth Platte wäre schlecht, also so richtig schlecht? Mehr Lob als ihr bekommt kaum eine Band.

Steve: Hey, wir bekommen eine Menge schlechter Kritiken.

Soundmag: Von wem?

Steve: (laut) PITCHFORK! (lacht)

Soundmag: Viele sagen, dass das neue Album nicht so toll ist wie „Dirty“, aber es gibt niemanden der sagt, Sonic Youth hätten da richtig Scheiße gemacht.

Steve: Doch, so etwas gibt es.

Soundmag: Wirklich? Bescheuerte Wichser.

Steve: (lacht) Das ist das, was wir dazu immer sagen, wenn wir eine schlechte Review lesen.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview:

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