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The Decemberists

The Decemberists

 

14.02.07 - Postbahnhof / Berlin

Interview:  Alice

Foto: Alice

 

 

 

Auf dem Weg zum Interview steige ich am Ostbahnhof aus. Ein neues, gesundes Gemüsesaft-Getränk wird zum Testen in kleinen Fläschchen verteilt und ich nehme eins mit. Als Interviewpartnerin wird mir vom Manager der Band die Keyboarderin Jenny Conlee zugeteilt. Auf der Suche nach ihr beim Soundcheck trinke ich noch schnell das süße, gesunde Zeug, ohne zu wissen, dass das Fläschchen einen roten Saftabdruck rund um meinen Mund hinterlässt. Da ist sie. Eine zierliche, sympathische Frau und ziemlich erkältet. Ob sie sich über diesen roten Saftschnurbart gewundert hat, den ich erst nach dem Interview entdecke, werde ich nie erfahren.

Soundmag: Wo habt ihr denn in den letzten Tagen gespielt?

Jenny Conlee: Wir haben die Tour in UK angefangen, also London, dann Dublin, Glasgow. Danach Deutschland mit Köln und Hamburg, heute Berlin, morgen München… Na ja, wir sind zwar etwas müde und die Hälfte der Band ist erkältet aber wir sind okay.

Soundmag: Seid ihr schon in Berlin aufgetreten?

Jenny Conlee: Ja, es ist jetzt das dritte Mal. Beim ersten Mal haben wir im Kesselhaus die Band Cake supported, dann noch mal in einem kleineren Klub unser eigenes Konzert und heute hier.

Soundmag: Wie würdest du die Entwicklung eurer Band bis hin zum aktuellen Album beschreiben?

Jenny Conlee: „The Crane Wife“ wurde auf jeden Fall mit viel mehr Instrumenten aufgenommen. Es gibt mehr Sound, mehrere Ebenen, es ist satter. Wir haben sehr hart aber auch mit viel Freude auf das neue Album hin gearbeitet.

Soundmag: Ich finde das Wort „saftig“ beschreibt es auch ganz gut.

Jenny Conlee: Ja, es ist eine gute Beschreibung.

Soundmag: Eure Musik klingt generell nicht nur folkig, sondern oft sehr traditionell irisch. Woher kommt es?

Jenny Conlee: Nun, Colin ist unser Mann für die Songs. Er hatte alle Texte und alle Melodien geschrieben. Er ist sozusagen der Boss. Und viele der Songs für „The Crane Wife“ sind in Irland entstanden. Wie z.b. „Summersong“ oder „Shankill Butchers“. Der letztere bezieht sich übrigens auf die wahre Geschichte der Verbrechen aus den 70er Jahren in Belfast, Nordirland, für die eine protestantische Killergruppe sehr gefürchtet war. Aber um noch mal auf den Sound zurück zu kommen, wir stehen sowieso alle auf britischen Folk.

Soundmag: Was hörst du sonst noch gerne?

Jenny Conlee: Sehr viele verschiedene Sachen! Ich komme eigentlich aus der klassischen Musik. Und mag sie eben auch gerne. Chris Funk und ich spielen übrigens noch in einer Pogues-Coverband.

Soundmag: Woher kommt die Vorliebe für die Tragödien und Dramen in euren Songs?

Jenny Conlee: Ich würde sagen, Colin hat sich einfach in seiner Jugend an Hemingway und Dickens satt gelesen. Er mag diese extremen, starken Charaktere. Es ist auch ein dankbares Thema für starke Songs.

Soundmag: Was ich so spannend an eurer Musik finde, ist, dass ihr nicht nur Elemente aus europäischen und amerikanischen Folk-Einflüssen zusammenbringt, sondern auch verschiedene Jahrzehnte aufgreift, ohne verstaubt zu klingen. Und, dass ihr einen alten Sound neu präsentiert und damit immer erfolgreicher werdet. Wie siehst du das?

Jenny Conlee: Das ist in der Tat interessant. Ich denke, es war immer so und es wird auch so bleiben, dass Menschen sich von traditioneller Musik angezogen fühlen werden. Genauso ist es mit klassischen Rock-Elementen der 70er, wie z.b. in dem zweiten Song auf dem Album. Es gab in den letzten Jahren zwar eher ein 80er Revival, aber ich habe gemerkt, dass viele Menschen sich wieder diesem typischen Rocksound gegenüber öffnen. Und es macht uns einfach Spaß, genau das zu spielen. Wir sind aber auch immer wieder sehr überrascht über unseren Erfolg. Gerade weil wir so gar nicht mit elektronischen Beats arbeiten.

Soundmag: Was machst du, wenn du nicht bei den Decemberists spielst?

Jenny Conlee: Im Moment touren wir so viel, dass ich nichts anderes tun kann. Wir haben aber auch andere Musikprojekte. Ich gebe auch noch Klavierunterricht, habe eine andere Band. Chris und Nate spielen beide auch in einer anderen Akustik-Folk-Band, Colin ist außerdem noch sehr oft als Solokünstler auf Tour, wir unterstützen andere Bands bei Aufnahmen, Chris macht noch Remixes und arbeitet als DJ… Wir machen praktisch immer Musik, was natürlich wunderbar ist.

Soundmag: Wer macht eigentlich diese wunderbaren Artworks für euch?

Jenny Conlee: Wir hatten echt Glück. Colins Freundin ist Künstlerin und arbeitet schon von Anfang an mit uns zusammen. Sie macht die Cover, entwirft die Motive für die T-Shirts, Poster usw. Sie kennt Colin natürlich sehr gut und als er ihr sagte, er suche etwas Besonderes für das neue Plattencover, fing sie an, mit den Pinselzeichnungen zu spielen. Vor allem das Vinylcover ist wunderschön geworden, mit einem kleinen japanischen Dorf auf einem Hügel. Es ist echt toll, dass sie jedes Mal dabei ist, man kennt sich eben gut und es stärkt unsere eigene Identität als Band.

Soundmag: Gibt es ein Land oder eine Stadt, in dem/der ihr gerne spielen würdet?

Jenny Conlee: Ich freue mich sehr auf Wien. Aber noch mehr darauf, dass wir nächstes Jahr vielleicht in Russland spielen werden. Wir wollten es schon vor zwei Jahren, aber damals konnten wir es uns nicht leisten. Russland wäre wirklich spannend.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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www.decemberists.com

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