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Vega 4

Vega 4

 

22.02.07 - Lido / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

„How To Dissapear Completely“ – der Radiohead-Song als perfekter Soundtrack für die letzten Jahre im Leben von Vega4. 2002 erscheint mit „Satellites“ das hervorragende Debüt einer Band, deren Mitglieder flächenmäßig das halbe britische Commonwealth vertreten: ein Brite, ein Ire, ein Neuseeländer und ein Kanadier. Was vereint die Vier? Die eigene Sprache und der unbedingte Wille zur Musik. Das Album verkauft sich, es folgen Tourneen u.a. als Support für U2 und dann... nichts mehr. Totale Stille. Vega4 scheinen vom Erdboden verschluckt. Fünf Jahre vergehen, bis die Homepage der Band wieder erste Lebenszeichen funkt. Das neue Album „You And Others“ – in vielen Teilen der westlichen Welt schon erhältlich - trifft im März nun auch Deutschland. Wer Vega4 bewusst und unbewusst abgeschrieben hatte, muss sich in den nächsten Wochen von Sänger Johnny McDaid und Kollegen eines Besseren belehren lassen. Denn der Ire sitzt unverschämt entspannt unter dem Heizpils des Lido-Zeltes. Zorn über die letzten Jahre? Wut auf das Musikgeschäft? Nicht mit diesem Mann.

Soundmag: Johnny, vor etwas mehr als fünf Jahren habe ich mir alle eure Singles und das Album gekauft und war davon überzeugt, dass ihr ganz groß werdet. Ein paar Monate später wurde es still um euch. Bis jetzt. Was ist passiert?

Johnny: Wir haben fast die kompletten fünf Jahre über gearbeitet. Wir nahmen z.b. mit Paul Van Dyk „Time Of Our Lifes“ auf. Das größte Problem in dieser Zeit war unser Plattenvertrag, der uns kaum erlaubte, irgendetwas zu veröffentlichen. Viele Bands hätten an diesem Punkt sicher aufgegeben und sich getrennt, wir aber hatten einfach zuviel zu sagen. Also gingen wir in den Proberaum, schrieben viele neue Songs und verbesserten unser Songwriting. Außerdem suchten wir uns ein neues Management, wechselten das Label, trafen unseren Produzenten, mit dem wir seither sehr eng zusammenarbeiten. Es waren also wirklich ereignisreiche fünf Jahre. Von außen sah es sicher so aus, als ob wir verschwunden wären, aber das war definitiv nicht der Fall.

Soundmag: War es nicht schwierig, im Studio zu stehen und in all diesen Jahren die neuen Songs nicht veröffentlichen zu können?

Johnny: Es war enorm schwierig und vor allem frustrierend. Aber weißt du, manchmal ist das Leben eben schwierig. Dafür war es umso erstaunlicher, es am Ende tatsächlich zu tun und die Songs doch im Radio zu hören. Als wir ins Studio gingen, hatten wir um die 100 Songs, aus denen wir schließlich elf auswählten, mit denen wir weiterarbeiteten. Wir und unser Produzent Gareth „Jacknife“ Lee hielten sie für die stärksten Songs, sie sprachen uns zum damaligen Zeitpunkt am meisten an.

Soundmag: Wie ist es nach so vielen Jahren, nun wieder auf der Bühne zu stehen?

Johnny: Es ist großartig. Wir kommen gerade von einer wirklich fantastischen US-Tour zurück. Wir spielten in verhältnismäßig großen Hallen. Um die 2000 Menschen, die einfach unsere Musik liebten. Es war toll, für Leute zu spielen, die WIRKKLICH Musik hören und ein Teil von ihr werden wollten. Gestern traten wir in einem kleinen Hamburger Club auf und auch die Rückkehr nach Deutschland fühlt sich großartig an. Die Deutschen schaffen es wirklich, einem das Gefühl zu geben, dass man willkommen ist – selbst wenn man wie ich nicht mal ihre Sprache spricht. Sehr cool.

Soundmag: Vor kurzem hat euer Bassist Simon die Band verlassen. War das eine Überraschung?

Johnny: Es war keine so große Überraschung, denn wir kennen ihn ja sehr gut, sind dicke Freunde. Man muss einfach verstehen, dass eine Band nichts anderes als eine Art Beziehung ist. In einigen Beziehungen fühlen sich die Menschen glücklicher, wenn sie getrennt sind. Doch obwohl wir Simon verloren haben, gestaltet sich dies für uns als sehr spannender Vorgang, denn wir haben im Gegenzug Gavin (früher bei Idlewild) hinzugewonnen. Ein unglaublicher Musiker und Songwriter mit tollem Charakter. Für die Band ist er ein echter Gewinn.

Soundmag: Müsst ihr jetzt euren Bandnamen ändern? Die 4 in Vega4 stand ja für die vier verschiedenen Länder, aus denen ihr stammt.

Johnny: Nur wegen Gavin wird wohl keine Namensänderung nötig sein, denn im Kern spielen immer noch die gleichen Menschen miteinander. Wir spielen immer noch Vega4-Songs und darum ist es auch immer noch Vega4. Wenn überhaupt also, hat sich Vega4 verändert, der Name blieb und hat jetzt keine so starke Bedeutung mehr.

Soundmag: Ein Kollege bat mich, dich zu fragen, wie ihr auf einen Song wie „Bullets“ kommt. Er meinte, das wäre ein Stück, in das man sich hineinlegen könnte.

Johnny: Das hat er sehr schön gesagt. (lacht) Obwohl ich selbst nicht so über die Lieder denke. Es sind ehrliche Songs, besonders wenn es um die Texte geht. Die fielen mir nicht einfach, weil auch sie viel Ehrlichkeit beinhalten. Wenn du mit deiner Musik und deinen Texten ehrlich bist und nicht versuchst, zu clever rüberzukommen, dann kommen die Stücke einfach so zu dir. Das Album besteht ausschließlich aus sehr simplen Songs, keine Tricks oder technische Spielereien. Nur ehrliches Songwriting mit vier Akkorden. (lacht) Ich denke, jeder könnte das schreiben.

Soundmag: In „Tearing Me Apart“ gibt es die Zeile „I have to catch a plane to Jacknife“. Geht es darin um euren Produzenten Gareth „Jacknife“ Lee?

Johnny: So ist es. Wie ich sagte, es ist ein sehr ehrliches Album. Ich schreibe Tagebuch und nutze es regelmäßig für meine Texte. Bei einer Zeile, die darin stand, handelte es sich um eine Notiz, die ich jemandem in New York hinterließ: „I have to catch a plane to Jacknife, but I’ll be back soon“. Exakt die Worte, die du auch in dem Song hörst. Und es gibt noch viel mehr solcher Wahrheiten in den Texten. Denn genau darum geht es: Momente, Details deines eigenen Lebens zu beobachten und sie in die Songs zu übertragen. Das funktioniert, denn ich denke, die Leute spüren diese Details.

Soundmag: Jacknife Lee ist im Moment so etwas wie der neue Nigel Godrich. Jeder will sein Album von ihm produzieren lassen. Warum fiel eure Wahl auf ihn?

Johnny: Ich hörte „Final Straw“ von Snow Patrol auf meinem I-Pod - ein unglaubliches Album! Da wusste ich allerdings noch nicht, dass er es produziert hatte. Mir gefiel die Produktion und so fragte ich unser Management, ob sie diesen Jacknife Lee kennen würden. Sie bejahten, denn sie managen tatsächlich auch ihn. Also fuhr ich zu seinem Haus, traf ihn und wir wurden gute Freunde. Ich mag ihn, denn er ist sich selbst gegenüber sehr ehrlich und hat die Fähigkeit, Menschen, mit denen er zusammenarbeitet, herauszufordern. In diesem Punkt ist er sehr clever, denn er zwingt sie quasi, sich selbst herauszufordern.

Soundmag: Die Aufnahmen für „You And Others“ liefen über neun Monate und ich habe von einigen sehr ungewöhnlichen Situationen in dieser Zeit gehört, zu denen euch euer Produzent gezwungen hat.

Johnny: Er könnte mich nie zu etwas zwingen, denn ich bin größer und ein besserer Kämpfer als er! (Pause) Na ja, ehrlich gesagt, würde er mich sofort umhauen. Gareth denkt nicht wie andere Menschen. Wenn er merkt, dass du dich in etwas verfangen hast und nicht weiter kommst, weil du dir erst wieder deines Herzens bewusst werden musst, dann wird er einen Weg finden, dich aufzuwecken. Ich habe schon in anderen Interviews erzählt, dass er mit dir Eier in ein Feld schmeißt oder Baguettes gegen einen Baum. Und das sind nur einige Beispiele, er hat Hunderte solcher Strategien. Er hasst es, wenn die Dinge still stehen.

Soundmag: Eine andere Sache, die ihr während der Produktion entwickelt habt, waren Hausaufgaben. Worin bestanden die?

Johnny: Als die Arbeiten mit Gareth begannen, gab er uns CDs mit 40 neuen Songs, die wir uns anhören sollten. Es war sehr inspirierend, mit Bands wie Kraftwerk und NEU!, New Order, Siouxsie & The Banshees in Berührung zu kommen. Natürlich kannten wir sie auch vorher schon, aber bei weitem nicht so gut, wie wir sie durch ihn kennen lernten. Als wir die Arbeiten im Studio beendeten, wollten wir diesen Prozess am Leben erhalten. So gaben wir uns einmal die Woche gegenseitig zehn neue Songs. Stücke, die wir über die Woche im Radio gehört, oder von denen wir gelesen hatten und die uns gefielen. Jede Woche bekamen wir also 40 neue Songs und nannten das unsere Hausaufgaben. Denn wir mussten diese CDs ja zu Hause vorbereiten. Eine nette Art, dich musikalisch weiterzubilden und gleichzeitig die Musik zu hören, die deine Freunde lieben und leidenschaftlich verehren.

Soundmag: Gab es dabei auch mal Überraschungen? Songs, bei denen du dachtest: mit diesem Menschen spiele ich in einer Band?

Johnny: Oh ja! Sogar recht oft, speziell dann, wenn es um die Songs von Bruce ging. Er hat einen sehr alternativen Musikgeschmack. Manchmal kam mir tatsächlich der Gedanke, dass der Typ doch eigentlich ins Krankenhaus gehört! Sehr kranke, eigentümliche Musik. Ein tropfender Wasserhahn über eine halbe Stunde. In dem Stil etwa. Oder John Cage. Sehr minimalistische Sachen.

Soundmag: Euer Song „Life Is Beautiful“ lief in der US-Serie “Grey’s Anatomy”. Ist das Fernsehen inzwischen die besser Möglichkeit, die Musik der eigenen Band zu den Menschen zu bringen? Besonders, wenn man selbst kein Radioairplay erhält.

Johnny: Ja. Und das Beste ist, dass es anschließend unter Umständen zu Radioairplay führt. Wir sind da ein gutes Beispiel, denn nachdem der Song in der Serie lief, wurden wir auch öfter im Radio gespielt. Aber es verändert den Song nicht, macht ihn weder besser noch schlechter. Der wichtigste Aspekt für mich ist, dass mehr Menschen deine Musik hören. Die Serienmacher kommen ja nicht zu dir, fragen ob sie deinen Songs spielen dürfen und dudeln ihn dann runter. Er wird in die Serie eingebunden und gespielt, als ob er in einer Bar aufgelegt würde – im Hintergrund. Einige Kids hören es, verbinden etwas damit, suchen die Texte im Internet und finden die dazugehörige Band. Der Impuls geht also von ihnen aus, sie selber wollen ihn finden. Ich glaube, daraus entsteht eine sehr starke Beziehung.

Soundmag: In Amerika kann man euer Album gerade für nur fünf Dollar legal downloaden. Gibt es da irgendeinen Trick?

Johnny: Keine Tricks. Wir fragten einfach unser Label. Weißt du, wir spielen überall Konzerte. Viele Kinder und Jugendliche kommen dorthin, kaufen sich die Tickets. Am nächsten Abend ist vielleicht schon die nächste Band in der Stadt. Mir gefällt die Idee, dass sie nach dem Konzert nach Hause gehen und für den Preis eines Drinks unsere Musik kaufen können. Das Angebot wird nicht für immer so niedrig bleiben, aber unser Label war wirklich begeistert von der Idee.

Soundmag: Wir haben am Anfang schon kurz von Paul Van Dyk gesprochen. Wie sehr interessiert dich Dancemusic?

Johnny: Ehrlich gesagt hatte ich mich noch nie mit seiner Art vor Musik beschäftigt, bevor ich ihn traf. Unser Gitarrist Bruce ist inzwischen ein angesehener DJ und macht auch eigene Remixe. Er ist für die Remixe unserer Singles „Traffic Jam“ und „You And Me“ verantwortlich, sowie für die von einigen anderen Bands. Ich bin sehr vernarrt in die Idee des Remixens. Ich liebe es, die eigenen Songs an jemanden anderen zu geben, der dir dann zeigt, was er damit anstellen würde. Inzwischen gehe ich auch ganz gern in Danceclubs.

Soundmag: Gut, wann kommt das nächste Album?

Johnny: (wie aus der Pistole geschossen) In 28 Jahren! Keine Ahnung, ich hoffe, dass es nicht solange dauern wird. Jetzt, da Gavin zur Band gestoßen ist, würde ich sehr gern ein Album mit ihm aufnehmen. Es ist eine neue, sehr frische Situation, die ich am liebsten so schnell wie möglich ausnutzen möchte. Aber das aktuelle Album steht mir sehr nah und ich ihm auch. Darum will ich eine Weile mit ihm touren. Also wird es wohl im nächsten Jahr passieren, 2008.

Soundmag: Ihr habt euch diesmal hoffentlich Unterstützung bei der Vertragsunterzeichnung geholt.

Johnny: So was wird uns nicht noch mal passieren. Wir haben jetzt einen komplett anderen Vertrag und werden bis auf die Knochen kämpfen, wenn uns noch mal jemand den Mund verbieten will!

Soundmag: Dann werden bis zum nächsten Konzert sicher nicht wieder einige Jahre vergehen. Vielen Dank für das Interview.

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www.vega-4.com

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