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The Frank And Walters

The Frank And Walters

 

09.12.06 - Magnet / Berlin

Interview:  Dirk

Foto: Pressefoto

 

 

 

Ihr letztes reguläres Album „Glass“ stammt aus dem Jahr 2002. Doch nun gibt es endlich ein neues Lebenszeichen, einer der besten britischen Bands der 90er Jahre. The Frank And Walters kehren zurück ans Tageslicht. Mit im Gepäck haben sie ihre großartige Platte „A Renewed Interest In Happiness.“ Anlass genug also, um mit Sänger Paul Linehan und Schlagzeuger Ashley Keating (Ash) zu sprechen.

Soundmag: Ich habe gehört, dass ihr große Fans von Berlin seid. Was findet ihr besonders toll an Berlin?

Paul: Ich mag in erster Linie die Menschen. Sie sind sehr freundlich und sehr entspannt. Ich liebe diese Stadt, sie ist sehr schön. Auch ihre Geschichte hat es mir angetan, denn Berlin hat eine ganz besondere Vergangenheit.

Soundmag: Verbringt ihr hier extra mehr Zeit, wenn ihr ein Konzert spielt?

Ash: Normalerweise spielt man ein Konzert in einer Stadt und am nächsten Tag fährt man in die nächste Stadt. Als wir das erste Mal in Berlin gespielt haben, hatten wir drei bis vier Tage frei. Dadurch konnten wir Leute kennen lernen und uns verschiedene Gegenden anschauen. Wir sind ins Olympiastadion gefahren und haben uns ein Spiel von Hertha BSC angeschaut. Wir haben uns auch die Sehenswürdigkeiten angesehen, aber wir sahen auch Dinge abseits der Touristenpfade. Wenn man als Tourist hierher kommt, landet man zum Beispiel am Flughafen, man würde aber nie über den Magnet-Club stolpern. Dadurch, dass wir mit Berlinern unterwegs waren, haben wir diese Orte gefunden, was wirklich toll war.

Soundmag: Hattet ihr denn die Gelegenheit, andere deutsche Städte kennen zu lernen?

Ash: In Spanien und Deutschland haben wir eine Menge Zeit verbracht. Wir sind viel in Leipzig gewesen, wir waren einige Male in München und in Hamburg.

Paul: Köln war auch dabei.

Ash: Ich denke, dass das wirklich gut und wichtig ist. Eine Menge Bands fahren einfach durch und haben ihren Tourbus, in dem sie schlafen. Sie treffen nur Leute aus ihrem eigenen Umfeld. Wenn wir touren, versuchen wir immer eine lokale Vorband zu verpflichten, die wir dann auch treffen. Wir reisen ohne Tourmanager oder Roadies. Dadurch treffen wir immer eine Menge neuer Leute. Man bekommt ein besseres Gefühl für den Ort, wenn man ihn richtig kennen lernt.

Soundmag: Ihr kommt also ohne Roadies aus...

Paul: Wir brauchen keine Roadies. Wir bevorzugen es, das selber zu machen. Das macht mehr Spaß. Es ist gut, wenn mal eine Saite reißt. Das macht es dann spannender für uns. Wir es sind es so gewohnt, bestens funktionierende Konzerte zu spielen. Deswegen machen wir gerne mal ein paar Fehler, um es interessanter werden zu lassen. (lacht.)

Soundmag: Sprechen wir über euer neues Album „A Renewed Interest In Happiness.“ Warum hat es so lange gedauert, es zu veröffentlichen?

Paul: Der Grund ist zum einen, dass uns unser Gitarrist verlassen hat. Wir mussten ihn ersetzen. Wir haben uns zudem einfach die Zeit genommen, neue Songs zu schreiben. Außerdem haben wir eine kleine Pause von der Musik gemacht. Wir haben zwei Jahre lang nichts gemacht. Wir waren etwas desillusioniert. Wir haben zusätzlich unseren Plattenvertrag verloren. Aber wir haben es geschafft, einen neuen zu bekommen. Somit sind wir wieder auf den richtigen Weg gekommen.

Soundmag: Warum hat euer Gitarrist Niall Linehan, der zugleich dein Bruder ist, die Band verlassen?

Paul: Ich glaube, er war nicht mehr mit vollem Herzen dabei. Ich denke, er hatte keine Lust mehr.

Soundmag: War es schwierig, den neuen Gitarristen Kevin Pedreschi zu integrieren?
Er ist ja nicht Teil eurer vorherigen Bandgeschichte gewesen.


Ash: Ob er die Songs genauso mag wie wir, weiß ich nicht. Ich denke aber doch. Er und der neue Keyboarder sind sehr pflegeleichte Menschen. Das hilft uns sehr, dass wir so gut vorankommen. Wir sind so etwas wie Freunde, die am Wochenende zusammen weggehen. Wir haben einfach eine gute Zeit und genießen sie. Ich glaube, dass es am Ende der ersten Frank And Walters-Phase wahrscheinlich kein Spaß mehr war. Es war mehr wie ein Job. Jetzt ist die Freude zurückgekehrt und das ist großartig.

Soundmag: Ihr habt eure neue Platte an ganz verschiedenen Orten in Irland aufgenommen. Hatte das eine besondere Bedeutung für euch?

Paul: Ich denke, dass es geholfen hat. Wir haben zwei Songs in einem Gefängnis aufgenommen. Einen Song davon auf einem Schiff mit Gefangenen. Dabei standen die Gefangenen im selben Raum wie wir. Es hat uns geholfen, eine bestimmte Energie und Spannung in die Songs zu transportieren. Die Ortswechsel haben uns gut getan. Jedes Mal, wenn wir in eine neue Umgebung umgezogen sind, hat uns das um so mehr erfrischt.

Soundmag: Wie kam es dazu, dass David Couse euer neues Album produziert hat?

Ash: Wir haben mit ihm unsere erste EP aufgenommen. Wir hätten es auch alleine aufnehmen können. Aber manchmal ist man zu nah an der eigenen Musik dran, so dass es gut war, jemanden von außen einzubringen. Dadurch, dass wir Dave schon so lange kennen, ist er sehr damit vertraut, wo wir herkommen. Es war sehr einfach für ihn, uns bei einigen Dingen zu helfen. Es ging sehr schnell. Bevor wir ins Studio gegangen sind, haben wir nur drei bis vier Tage für die Vorproduktion benötigt. Als wir dann im Studio waren, kam er für drei Tage vorbei, um zu sehen, wie die Dinge laufen und er war zufrieden mit der Entwicklung. Wenn du eine Person so lange kennst, wird es sehr einfach, mit ihm zu arbeiten. Über die Jahre haben wir mit einigen ziemlich großen Produzenten gearbeitet, die eine hohe Reputation besitzen. Aber die beste Arbeit, die wir fertiggestellt haben, war wahrscheinlich die mit Dave Couse. Er versteht uns. Wir wollten keinen großen, berühmten und teuren Produzenten nehmen. (lacht.)

Soundmag: Ich habe gehört, dass euer neues Album gegen den Zeitgeist steuern soll. Gegen diese ganzen Aussagen wie zum Beispiel: „Du hast nicht das, was du brauchst. Du bist nicht, was du sein solltest.“ Stimmt das?

Paul: Du musst dir wahrscheinlich das komplette Album anhören, um zu wissen, wie es ist. Der Titel lautet „A Renewed Interest In Happiness.“ Das weist darauf hin, dass wir diesen Namen die ganze Zeit im Hinterkopf hatten, als wir an der Platte gearbeitet haben. Ich glaube, dass es eine Formel beinhaltet, um glücklich zu werden. Unsere Philosophie ist: „Wir können glücklich sein.“ Durch Erfahrung wissen wir, welche Dinge wir falsch machen und wie wir das ändern können.

Soundmag: Ich habe mir die Texte ein wenig angesehen und den Eindruck gewonnen, dass ihr euren Frieden mit der Vergangenheit gemacht habt.

Paul: Genauso ist es. Es geht sehr viel darum, dir selbst, aufgrund deiner Fehler, die du im Leben gemacht hast, zu vergeben und nicht mit zuviel Schuld zu leben. Besonders in Irland leiden wir sehr unter Schuldgefühlen. Ich weiß nicht, wie es mit anderen Nationen aussieht, ob die darunter genauso leiden, aber wir tun es. Die meisten von uns sind katholisch erzogen worden. Schuld spielt im Katholizismus eine große Rolle.

Soundmag: Auf eurem Album befindet sich auch ein Song über Johnny Cash. Ist er eine Art Hommage?

Paul: In gewisser Hinsicht, ja. Aber Ray Charles kommt auch darin vor. Der Song hat drei Bedeutungen. Doch in erster Linie geht es um Einsamkeit. Es ist ein Lied für die einsamen Männer. Wenn Männer sich von ihren Freundinnen trennen, bekommen sie eine ganz bestimmte Stimme. Sie singen dann ein anderes Lied. Sie bekommen sozusagen ihre Stimme zurück. Wir Menschen sind wie Vögel. Wir haben unterschiedliche Arten, auf uns aufmerksam zu machen. Manche Menschen machen das über ihre Kleidung oder die Art, wie sie sich verhalten. Bei mir läuft das wahrscheinlich über meine Stimme, über das Singen. So, wie ein Vogel einen anderen durch seinen Gesang anzieht. Darum geht es in diesem Lied. Ich habe es Johnny Cash genannt, weil er für mich in gewisser Hinsicht ein einsamer, trauriger Mann war.

Soundmag: Meinst du damit auch, dass Männer mit einer Trennung anders umgehen, als Frauen?

Paul: Meiner Meinung nach glauben Frauen, dass es ihnen nach einer Trennung schlechter geht, als Männern. Männer drücken das nicht so aus. Frauen haben eine bessere Art, sich auszudrücken und zu sagen, dass ihr Herz gebrochen ist. Wenn ich Frauen sagen höre, dass sie mehr Herzschmerz verspüren als Männer, glaube ich, dass das unfair ist. Männer spüren diesen Schmerz auch. Nur sprechen sie nicht darüber. Darum geht es in dem Song auch.

Soundmag: Es gibt auf eurem Album noch einen Song, den ich ansprechen möchte: „Hold On.“ Wenn ich mir den Text dazu anschaue, stellt sich die Frage: „Glaubst du an Gott?“

Paul: Ja. Sehr stark. Ich glaube, dass er mein Weg zum Glücklichsein ist. Ich glaube an Jesus. Ich glaube, dass alles was ich bekomme, Glück, Talent, und meine Existenz, ihm zu verdanken habe. Ich bete zu Gott und ich bekomme alles, was ich brauche. Er hat mich nicht ein einziges Mal im Stich gelassen. Ich habe Gott in den letzten sieben Jahren in gewisser Hinsicht stark wiederentdeckt. Es ist etwas, was ich mit meinen Mitmenschen teilen möchte, weil ich denke, dass eine Menge Menschen weit entfernt von der Religion sind und sich immer weiter von ihr entfernen. Ich glaube nicht, dass viele Menschen wissen, dass, wenn du etwas willst, wenn du glücklich sein möchtest und du dafür betest, es wie ein magischer Trick funktioniert. Du betest für etwas und du bekommst es. Du musst natürlich auch Ängste haben, aufgrund derer du anfängst, zu beten.

Soundmag: Zu einem anderen Thema. Wer hatte eigentlich die Idee zu eurem wunderbaren Video zu „Miles and Miles?“

Ash: Martin Barry hatte die Idee dazu. Wir hatten ihm eine Kopie des Songs gegeben. Er hat ihn sich angehört und kam den nächsten Morgen auf uns zu. Er sagte uns, worum es in dem Song seiner Meinung nach geht. Was er uns mitteilte, war fast zu hundert Prozent deckungsgleich mit dem, was er für uns bedeutet. Wir dachten uns: „Er ist der richtige Mann, um das Video zu drehen!“ (lacht.) Das Video ist lustig, es passiert eine Menge und strahlt aber gleichzeitig auch etwas Sentimentales aus. Es hat sozusagen alle Bereiche abgedeckt. Zum ersten Mal hatte ich richtig Spaß beim Videodreh. Normalerweise hasse ich es, Videos zu machen. Es langweilt mich. Aber diesmal hatte ich richtig Freude daran. Es war wie ein richtig schönes Sommerwochenende. Wir mussten Anzüge tragen! (lacht.)

Soundmag: Man sieht definitiv, dass ihr Spaß hattet. Die nächste Frage ist euch sicher schon Hunderte Male gestellt worden. Deswegen versuche ich sie ein wenig abzuwandeln: Nehmt ihr eigentlich nur Vorbands wie Suede und Radiohead, oder haben andere Bands bei euch auch eine Chance? Vielleicht solltet ihr zusätzlich als Talentscouts arbeiten.

Ash: (lacht.) Ich glaube, uns zu supporten ist auf jeden Fall ein glücklicher Umstand. Wenn eine Band als Vorband bei den Frank And Walters spielt, wird sie Glück haben. Es ist so häufig passiert: PJ Harvey, Suede, Noel Gallagher, Radiohead, Cast und eine Menge anderer Bands. Wenn es mit der Musik nicht klappen sollte, könnten wir Talentscouts werden. Das ist eine nette Idee. (lacht.)

Soundmag: Sucht ihr eure Vorbands denn selber aus?

Paul: Normalerweise ist unser Manager dafür verantwortlich. Wir vertrauen ihm, dass er das für uns macht. Vor einigen Jahren haben wir sie noch selber ausgesucht. Als Radiohead uns begleitet haben, gaben sie uns ein Tape, das wir uns angehört haben. Darauf befand sich der Song „Creep.“ Das ist ein unglaublich guter Song. Wir dachten: „Sie klingen wie eine gute Band. Die nehmen wir.“ Es gab eine andere kleine Band. Sie wollten uns Geld geben, um uns supporten zu dürfen. Sogar Radiohead wollten uns Geld geben. Wir haben nein gesagt.

Soundmag: Aber ihr habt sie dann doch mitgenommen, weil sie gut genug waren.

Ash: Ja, genau. For free. Wir nehmen nie Geld von den Bands, weil es uns auch nie passiert ist. Es ist nicht fair. Bands sollten nicht dafür zahlen müssen. Sie spielen schließlich für das Publikum.

Soundmag: Passiert es oft, dass Bands Geld zahlen, um einen Supportslot zu bekommen?

Paul: Manchmal.

Ash: Besonders in Großbritannien.

Paul: Wenn du dort eine bestimmte Venue spielen willst, musst du Geld bezahlen.

Soundmag: Mir ist aufgefallen, dass ihr live keine Songs von „Glass“ spielt. Steht ihr nicht mehr dahinter?

Paul: Wir spielen „New York.“ Aber nur an bestimmten Orten. Manchmal spielen wir auch den Song „Underground.“ Ein Großteil der Songs ist für uns live sehr schwer zu spielen. Das neue Album ist organischer. Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard. Es ist einfacher, die neuen Lieder zu spielen. Aber wir haben kein Problem mit „Glass.“ Wir sind stolz darauf.

Ash: Für mich war es in gewisser Weise ein sehr spannendes Album. Jeder Tag im Studio war aufregend. Man wusste nie, was passieren würde. Es war toll, an diesem großartigem Album beteiligt gewesen zu sein.

Paul: Es hat sehr viel Spaß gemacht.

Ash: Wenn ich mir „Glass“ anhöre, kommen bestimmte Erinnerungen hoch. Wenn ich zum Beispiel ein bestimmtes Geräusch höre, denke ich: „Ach ja, da ist ja das und das passiert, als jemand diesen Knopf gedrückt hat...“ Das ist wirklich prima. Ich glaube, das ist wahrscheinlich überhaupt das Größte: Musik ruft Erinnerungen hervor. Deswegen sind wir Musikfans. Musik ist eine Verbindung zur Vergangenheit.

Soundmag: Ihr habt schon in verschiedenen Städten, wie New York oder London gewohnt. Jetzt lebt ihr wieder in Irland. Habt ihr euch anderswo nicht wohlgefühlt?

Paul: Es war gut. Wir haben es genossen. Aber unsere Heimat ist vermutlich doch Irland. Wir haben für eine Zeit gerne in London gewohnt. Aber ich bin eine Person, die weiterzieht, wenn sie gelangweilt ist. Weiterziehen, um neue Erfahrungen zu machen. Das hält mich frisch.

Soundmag: Es gibt eine deutsche Band namens „Fußgängerzone“, die einen Song über euch geschrieben hat: „I Love My Frank And Walters Long Sleeve T-Shirt.“

Ash: Sie geben nur vor, deutsch zu sein. Sie sind in Wirklichkeit eine englische Band.

Paul: Nein, sind sie nicht.

Ash: Ich glaube, dass es nur ein Scherz ist.

Paul: Aber die Bandmitglieder haben deutsche Namen.

Soundmag: Aber es sind komplett unsinnige Namen.

Ash: Es ist so wie (nennt einen völlig absurden irischen Namen, alle lachen.)

Soundmag: Aber ihr mögt das Lied so sehr, dass ihr es live spielt.

Paul: Seitdem wir es spielen, verkaufen wir viel mehr T-Shirts.

Soundmag: Dann ist es auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Eine letzte Frage noch. Könnt ihr uns ein paar irische Bands nennen, nach denen wir Ausschau halten sollten?

Ash: Es gibt eine Band namens Duke Special. Sie sind gut, weil ihre Musik sehr einzigartig ist. Sehr originell. Eine weitere Band nennt sich Daekim. Sie kann man ebenfalls mit keiner anderen vergleichen.

Paul: Vesta Varro und die Delorentos sind noch zu empfehlen.

Ash: Oh ja. Diese vier sind wahrscheinlich die besten im Moment.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview!

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