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Just Jack

Just Jack

 

09.03.07 - Universal Music / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

Ganz unauffällig und wie nebenbei schleichen sich die Songs von Just Jack ins Gedächtnis. Irgendwo schwirrt einem im Vorbeigehen „Starz In Their Eyes“ entgegen und fünf Minuten später geht das Ding nicht mehr aus dem Kopf. Scheint, als hätte Jack Allsopp seine Hausaufgaben gemacht. Und tatsächlich ist „Overtones“ nicht sein erstes Album. Just Jack bewegt sich darauf spielend zwischen Pop, Funk, Hip Hop, Soul, Jazz und circa zehn anderen Musikgenres, um aus ihnen die ganz spezielle Just Jack-Mischung herzustellen. Die reicht im Ergebnis von gefälligem Radiopop bis hin zu charmantem Feierabendfunk mit Grime-Einschlag. Das alles hat nichts mit The Streets zu tun, also keine Angst, denn es ist... Just Jack.

Soundmag: Jack, ohne dich tief verletzten zu wollen, aber mal ganz ehrlich: Weiße Jungs sollten nicht rappen, oder?

Jack: Na ja, ich sehe mich nicht wirklich als Rapper. Klar, ich rappe ein wenig auf dem Album, aber ich will kein Hip Hop-Star werden. Aber jeder, der so denkt, sollte einfach mal Eminem zuhören. Anschließend darf man so etwas nicht mehr sagen. Für mich ist er einer der besten MCs, der je gelebt hat. Also: Nonsens!

Soundmag: Du bist in Deutschland ein kompletter Newcomer. Ein kurzer Lebenslauf bitte.

Jack: Offensichtlich heiße ich Jack, bin 31 und wuchs in Camden-Town im Norden von London auf. Nach der Schule ging ich auf die Universität und machte meinen Abschluss. Mit Musik fing ich in meinem Schlafzimmer an, mit einem alten Keyboard, einem noch älteren Computer und EINEM Lautsprecher. Von dem Zeitpunkt an, entwickelte ich mich und brachte 2002 mein erstes Album raus, das leider nicht so erfolgreich war wie dieses hoffentlich werden wird. Und das war’s – in der Kurzfassung.

Soundmag: Deinen Abschluss hast du in Design gemacht. Wie kamst du dann zur Musik?

Jack: Ich hatte nie geplant, Musiker zu werden und schon gar nicht daran gedacht, damit mein Geld zu verdienen. Ich stellte mir immer vor, einen normalen Tagesjob zu haben und der Musik zum Spaß nachzugehen. Aber wenn du dich selbst nur stark genug drängst, gibt es die Chance, davon zu leben. Bei mir geschah es einfach so, weil ich zur damaligen Zeit nicht wirklich etwas anderes zu tun hatte. Ich war arbeitslos, überlegte, was ich tun könnte und traf zufällig jemanden, der einen Kurs in Musiktechnik gab. Alles sehr oberflächlich in der Art wie: das hier ist ein Sampler, so geht er an und so machst du ein Sample. Anschließend kaufte ich mir ein paar Geräte und begann in meinem Schlafzimmer Musik zu machen. Drei Jahre später hatte ich ein paar Demos und bekam damit tatsächlich einen Plattenvertrag.

Soundmag: Was geschah in den drei Jahren zwischen deinem Debüt und dem neuen Album „Overtones“? Ging es nur um musikalische Fortbildung?

Jack: Ja, fast ausschließlich. Ich zog nach Brighton an die englische Küste, wo es viel entspannter und ruhiger ist als in London. Dort sammelte ich meine Gedanken, hörte viel Musik und verbreiterte meinen Musikgeschmack. Ich experimentierte viel ohne jetzt wirklich einen Sack voller Songs zu schreiben. Außerdem probierte ich viel aus, fand heraus, was klappte und was nicht und dachte viel über die Musik nach und welchen Klang das neue Album haben sollte.

Soundmag: Du hast mit sehr minimalen, technischen Mitteln begonnen. Genießt du inzwischen die Möglichkeiten der neuen Technik und großer Computer?

Jack: An einem bestimmten Punkt begann ich tatsächlich zu denken, ich bräuchte unbedingt mehr Software, mehr Plugins, all den anderen Kram und wurde richtig frustriert, dass ich dieses ganze Zeug nicht habe. Aber dann ging ich in ein anderes Zimmer und hörte mir eine dieser alten Blues-Platten an, die mit einem steinalten, schlechten Mikro aufgenommen wurden. Es klang unglaublich! Also dachte ich: Moment, was willst du mit dem ganzen neumodischen Schnickschnack, wenn es auch so geht! Die neue Technik verführt einen sehr schnell. Du denkst, dass du sie brauchst, um gute Ideen zu haben. Aber tatsächlich hängen die Ideen und die eigene Kreativität nicht von den technischen Möglichkeiten ab. Mein Studio etwa war vorher eine Werkstatt, dort hängen viele Werkzeuge rum. Manchmal schnappe ich mir einfach zwei davon und spiele mit ihnen - ohne zu überlegen, ob das jetzt old-fashioned ist. Mit gefällt die Idee, dass einige Dinge wie der Beat einer Drum-Machine fast schon perfekt sind, gleichzeitig murkst du aber mit der Perkussion herum. Diese Mischung mag ich.

Soundmag: Du bist ein ganz passabler Skateboarder. Wo hast du als Jugendlicher mehr Zeit verbracht? Auf dem Skateboard oder in Discos und Clubs?

Jack: (lacht) Mit dem Skaten begann ich sehr jung war, so zwischen meinem 8. und 11. Lebensjahr. Damals ging ich noch nicht wirklich in Discos, es war quasi ein anderer Lebensabschnitt. Aber meine große Schwester schmuggelte mich dann relativ schnell auch in die Clubs mit herein. House und andere Clubmusik war und ist für mich ein sehr wichtiger Einfluss. Ich werde immer nostalgisch, wenn ich an diese Zeiten denke. Es war toll. Mein Rock’n’Roll-Lebensstil bestand im Prinzip darin, DJs in Clubs zu sehen. Das war die Musik, die ich hören wollte.

Soundmag: Was war das Highlight, das du jemals in einem Club erlebt hast?

Jack: An die meisten von ihnen kann ich mich gar nicht mehr erinnern. (lacht) Aber ich war oft im Ministry Of Sound, noch bevor es richtig bekannt wurde. Viele Technopioniere spielten dort und ich sah Helden wie Derrick May, Eddie (Flashin) Fowlkes und an einem Abend sogar Laurent Garnier. DAS war ein echtes Highlight. Und ich sah die Chemical Brothers als sie noch Dust Brothers hießen. Sie spielten ein Live-PA und es war das erste mal, dass ich jemanden sah, der diese Art von Musik live in einem Club spielte. Grandios! Es waren so viele tolle Nächte!

Soundmag: In deinen Songs erzählst du viel. Ist alles selbst erlebt oder denkst du dir manchmal Geschichten aus?

Jack: Jeder Text, in dem ein „ich“ vorkommt, handelt auch von mir. Ich würde nie erzählen, dass ich etwas erlebt hätte, das ich nicht auch wirklich erlebt habe. Die Songs, die von anderen Menschen handeln, sind ganz offensichtlich nicht biografisch. Sie drehen sich normalerweise um Typen, die ich getroffen habe oder Geschichten, die mir andere erzählt haben. Es ist gut, die Umwelt im Auge zu haben und nicht nur auf sich selbst konzentriert zu sein. Denn rund um dich selbst passieren oft Dinge, die viel interessanter sind als das eigene Leben.

Soundmag: Wie kam es zu „Starz In Their Eyes“?

Jack: „Starz In Their Eyes“ dreht sich recht offensichtlich um die Luftleere des Lebens als Celebrity. Es geht um Musik-Reality-Shows, von denen ich nicht viel halte. Der Anstoß zum Schreiben des Songs war ein Mädchen, die eine dieser TV-Shows gewann. Sie war etwas korpulenter und niemand hatte ihr den Gewinn zugetraut, weil sie eben nicht der üblichen Vorstellung von Schönheit entsprach. Als es dann doch geschah, freute sich natürlich jeder mit ihr. Nur einen Monat später jedoch sah man Fotos von ihr im Badeanzug am Strand und alle beschwerten sich, dass es eklig aussähe. Das empfand ich fast schon als bizarr – erst wirst du in den Himmel gelobt und ein paar Wochen später bist du wieder zurück auf der Erde. Für einige Menschen ist das psychologisch sicher nur schwer zu verkraften und verdammt gefährlich.

Soundmag: Auf „Overtones“ spielst du mit so ziemlich jedem Musikstil. Was hältst du von Genregrenzen?

Jack: Nicht viel, wie du sicher beim Hören des Albums festgestellt hast. Es gibt sie zwar, aber ich habe keine Ahnung, warum. Oft werden sie von den Medien kreiert, denn sie brauchen etwas, über das sie schreiben können. Manchmal ist es eine neue musikalische Bewegung oder eine vermeintlich innovative Band. Ich zum Beispiel werde ja gern in einen Topf mit Lilly Allen, Jamie T. und Mike Skinner geworfen. Was uns alle verbindet ist, dass wir mit Hip Hop aufgewachsen sind. Wir bringen den textlichen Fokus des Hip Hop in andere Musikgenres. Aber musikalische Grenzen beachte ich generell nicht. Wenn ich im Studio sitze, tue ich, was mir gerade durch den Kopf geht und denke nicht daran, ob sich Leute darüber beschweren könnten. Meistens funktioniert es ja auch und mir gefällt die Idee, Elemente, die normalerweise nicht zusammen passen, miteinander zu kombinieren und daraus ein stimmiges Ganzes entstehen zu lassen.

Soundmag: Bei so vielen Einflüssen, was sind die drei wichtigsten Zutaten, die ein guter Song definitiv braucht?

Jack: (denkt zehn Sekunden nach) Das Wichtigste ist offensichtlich eine Bassline. Oder warte... vorher brauchst du noch einen Beat. Aber vielleicht funktioniert die Bassline auch allein, keine Ahnung. Perkussion solltest du auch haben, ich begeistere mich im Moment sehr dafür. Shaker, ein Tambourin, Congas – all so was. Mit Beat, Bassline und etwas Percussion bringst du die Menschen für ein paar Stunden zum Tanzen.

Soundmag: Ich weiß, dass Musiker sich immer schwer damit tun, ihre Musik zu labeln. Darum will ich einen Versuch wagen. Für mich klingt dein Album wie The Streets ohne Wut, die in die 70er zurückreisen und dort in einer Disco auf Jamiroquai treffen.

Jack: Der Vergleich mit The Streets ist meiner Meinung nicht komplett richtig. Aber ich kann ihn verstehen, denn es gibt einfach nicht viele Musiker, die Ähnliches tun. Mike Skinners Songs sind viel eher rapbasiert, wo ich hingegen stärker mit Songstrukturen arbeite. Die Menschen scheinen sehr auf die Rapparts auf „Overtones“ fokussiert zu sein, tatsächlich jedoch stellen sie nur einen sehr kleinen Teil des Albums dar. Offensichtlich kommen wir aus dem gleichen Land und sprechen teilweise über ähnliche Themen. Auch bei Jamiroquai ist es ähnlich. Ich bin nicht wirklich beeinflusst von ihm, aber viele seiner Einflüsse gehören sicher auch zu meinen – etwa Bands aus den 70ern und frühen 80ern. Ich habe aber auch viel House gehört, französische Musik von Daft Punk und Air. Aber natürlich gefällt es mir nicht, wenn man meine Musik auf eine einzige Formel reduzieren will, denn es gibt sehr viel mehr in ihr, als dass man es mit einem Satz beschreiben könnte.

Soundmag: Am Ende eine Frage mit Blick auf deinen „Bandnamen“. Ist Just Jack really just Jack?

Jack: Als ich mit der Musik anfing, gab es nur mich, kein anderer war daran beteiligt. Mir gefiel die Idee, dass außer mir niemand Kontrolle über die Musik hat. Außerdem war an Fehlern und Problemen immer ich selbst schuld, es gab niemand anderen, den ich vollmotzen konnte. Ich kontrolliere die Dinge gern bis zu einem gewissen Maß. Inzwischen arbeite ich jedoch mit Jay Reynolds zusammen, der mein Album co-produziert hat. Die Beats und viele der Instrumente arrangiere ich in meinem Studio und gehe anschließend damit zu ihm. Er hat einen starken Pop-Hintergrund, also diskutieren und streiten wir lange über die Songs und bringen unsere Einflüsse mit ein. Gleichzeitig ist er ein großartiger Techniker. Er lässt mein rudimentäres Livegedudel viel besser klingen! Neben ihm waren viele Sessionmusiker an dem Album beteiligt. Sie alle waren großartig und ich bin glücklich, sie dabei gehabt zu haben. Es beginnt also mit mir und dann stoßen immer mehr Menschen dazu. Natürlich gibt es auch noch meine Live-Band, aber das ist noch mal eine ganz andere Geschichte.

Soundmag: Die hören wir dann beim nächsten Mal. Vielen Dank.

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Offizielle Website

www.justjack.co.uk

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