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Mumm-Ra

Mumm-Ra

 

10.03.07 - Arena / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

Mumm-Ra bei Festivals 2007

 

Hat das Ostseebad Boltenhagen eine nennenswerte Musikszene? Oder Sylt? Zweimal energisches Kopfschütteln. Zwischen Strandmuscheln, Kurtaxe und teuren Hotels scheint die Kreativität im feinen Sand zu versickern oder gleich in urbanere Gegenden abzuwandern. Ganz so weit sind Mumm-Ra noch nicht. Zwar beeindruckt auch ihre Heimatstadt vor allem durch gehöriges Urlaubspotential, doch der durch die Welt tourende Musiker zieht sich gern an einen Ort zurück, an dem die Zeit stehen geblieben und die letzte Veränderung ca. 1978 vor sich gegangen zu sein scheint. Vielleicht können die fünf Herren aus dem südöstlich von London liegenden Bexhill on Sea ihrer Stadt in den nächsten Monaten gar zu etwas Coolheit in der Zielgruppe 14 – 49 verhelfen. Potential wäre vorhanden, immerhin erscheint in Kürze das Mumm-Ra-Debüt „These Things Move In Threes“. Nach Support-Touren mit den Kaiser Chiefs, Coldplay und anderen müssten sich die Engländer selbst auf dem europäischen Festland einen Namen gemacht haben. Hinaus aus der Stadt am Meer also und ab in die große Welt. Klingt wie die perfekte Rock’n’Roll-Geschichte. Ein Gespräch mit Gitarrist und Sänger Oli Frost auf einer von zig Treppen der Berliner Arena, während weiter unten The Killers ihren Soundcheck absolvieren.

Soundmag: Ihr kommt aus Bexhill on Sea. Das klingt nach einem Ort, an dem man einen schönen, ruhigen Urlaub verbringen kann.

Oli Frost (Gitarre, Gesang): Es ist toll, wenn du 85 bist. Das ist das perfekte Alter, um in Bexhill zu wohnen. Die Leute setzen sich dort zur Ruhe und bleiben anschließend für immer. Bis sie schließlich sterben. Als junger Mensch kommt man sich dort schon komisch vor, wir hatten manchmal den Eindruck, als ob wir die einzigen wären. Aber wegen dieser überall zu spürenden Langeweile in der Stadt gründeten wir schließlich die Band. Wir wollten kreativ sein, denn es gab sonst nichts zu tun.

Soundmag: Also war zwingend vorauszusehen, dass ihr euch irgendwann treffen musstet.

Oli: Irgendwie schon. Wir alle gingen auf die gleiche Schule. Wegen der Musik, die wir hörten, wurden wir irgendwann Freunde. Es gab dort nicht viele Schüler, die Gitarrenmusik mochten. Verglichen mit den coolen Kids waren wir Aussätzige, die die gleiche Musik hörten. Da war der nächste logische Schritt, eine Band zu gründen. And the rest is history.

Soundmag: Die Band war quasi eure Chance, der Stadt zu entfliehen.

Oli: Am Anfang definitiv. Aber schon bald sahen wir ein, dass wir gerade wegen der Langeweile in Bexhill mit der Musik begannen. Also schulden wir der Stadt quasi etwas, denn nur wegen ihr gibt es die Band. Heute sind wir nicht mehr nachtragend und wir leben ja auch immer noch dort. So schlimm kann es also nicht sein, sonst wären wir längst weggezogen. Nach langen Touren kehren wir sehr gern dorthin zurück, denn es ist so wunderbar verschlafen, so gut wie niemand kennt uns dort als Band. Nach langen Touren bietet sich Bexhill geradezu als Erholungsort an.

Soundmag: Euren Bandnamen habt ihr laut Internetgerüchten aus der Trickfilmserie „Thundercats“. Allerdings habt ihr in Interviews auch schon gesagt, dass ihr die Serie damals gar nicht kanntet. Also?

Oli: (lacht) Das war wahrscheinlich ich selbst, der während eines anderen Interviews einfach ein bisschen rumgesponnen hat. Nein, wir haben schon von den „Thundercats“ gehört. Der Name stammt vom Bösewicht der Serie. Er heißt Mumm-Ra und terrorisiert die Thundercats in ihrer magischen Welt. Er ist unsterblich und dieses Feature fanden wir mit Blick auf unsere Band sehr passend. Aber wir nutzen die Thundercats nicht als Maskottchen oder ähnliches. Es ist einfach nur der Name, an den wir uns inzwischen so gewöhnt haben. Er gehört seit sechs Jahren zu uns und das wird sich auch nicht mehr ändern. (lacht)

Soundmag: Aber ihr habt ein anderes Maskottchen – die Ente Matthew!

Oli: Genau, eine Ente ist viel stärker! Sie heißt Mathew und wir fanden sie in unserem Proberaum, der sich in einer alten Baracke befindet. Dort gab es einen Sack voller Plastikenten und –tauben. Mathew haben wir aus diesem dunklen Ort befreit und jetzt begleitet er uns überall hin. So ist er zu unserem Maskottchen geworden und fast schon berühmt. Wir müssen aufpassen, dass man ihn uns nicht klaut. Aber ich sage jetzt schon: haltet eure Augen offen und schaut nach Mathew-Duck-T-Shirts!

Soundmag: Ich habe gelesen, dass ihr mit Ocean Colour Scene-Coverversionen angefangen habt. Richtig?

Oli: (lacht ausgiebig) Du bist echt gut informiert über unsere Anfänge und tastsächlich entspricht das fast der Wahrheit. Bevor wir zu Mumm-Ra wurden, arbeiteten die damaligen Mitglieder an... (ungläubig) ... einem Ocean Colour Scene-Song! Das war ganz klar ein Einzelfall. Anschließend stießen James (Arguille, Gitarre) und ich zur Band und begannen auch gleich, eigene Songs zu schreiben, die definitiv besser waren als die von Ocean Colour Scene. Aber um ehrlich zu sein haben wir schon etwas für sie übrig, denn wir mochten sie tatsächlich, bevor wir die Band gründeten. Heutzutage erscheint es komisch, sie auf der Bühne spielen zu sehen, aber sie waren zu ihrer Zeit eine große Band.

Soundmag: Wie viel eures Erfolgs verdankt ihr eigentlich dem NME?

Oli: Das werden wir noch sehen. (lacht) Der NME ist immer wichtig für eine aufstrebende Band, denn er wird von vielen Kids gelesen. Wir können wirklich froh sein, dass die Redaktion uns so sehr mag. Sie buchten uns für ihre NME-Tour, die vor ein paar Wochen zu Ende ging. Das war einerseits echt wahnsinnig, gleichzeitig manifestierte es unser Bild in der Öffentlichkeit. Die Aufmerksamkeit für unsere Band stieg mit der Tour enorm an, was für Mumm-Ra natürlich fantastisch ist.

Soundmag: In einem Interview stand, dass ihr schon jetzt keine Reviews mehr lest.

Oli: Unser Manager schickt uns ab und zu Kritiken, die wir dann auch überfliegen. Mitunter sind sie jedoch so absurd und lustig – speziell der Vergleiche für unseren Sound – dass wir etwas genervt sind. Ich klage niemanden dafür an, denn ich kann verstehen, dass Mumm-Ra nicht einfach so in irgendeine Kategorie passen. Unsere Musik unterscheidet sich stark von allem anderen, was es zurzeit gibt. Genau darum vergleichen es die Leute wohl mit jeder Art von Musik, die auch nur ein klein wenig nach uns klingt. Das macht mir jedoch nicht wirklich etwas aus und wir haben auch nicht aufgehört, die Kritiken zu lesen. Uns gefallen lediglich die Vergleiche mit Bands, die wir nicht mögen, nicht. Eigentlich gibt es nur einen Fall, in dem du die Presse meiden solltest: wenn sie schlecht über dich schreibt. Das will wirklich niemand lesen. Aber dankenswerterweise sind die Artikel über uns meist sehr zuvorkommend und gut. Mit dem Ignorieren fangen wir an, wenn’s schlimmer wird.

Soundmag: Wer von euch ist eigentlich der schlechte Tänzer, über den in „Now Or Never“ gesungen wird?

Oli: (lacht ziemlich dreckig) Damit ist niemand aus der Band gemeint. Wir sind alle verflixt schwungvoll auf dem Tanzparkett. James schrieb die Zeile wahrscheinlich über sich selbst, weil er wohl keine so hohe Meinung von seinen Tanzkünsten hat. Schade.

Soundmag: Zur Veröffentlichung von “These Things Move In Threes” soll es auch einen Kurzfilm geben. Richtig oder komplett erfunden?

Oli: Richtig, wir haben am letzten Wochenende einige Szenen dafür gefilmt. Es gibt noch keine fertigen Ergebnisse und ich weiß auch nicht, wann und wie er rauskommen wird. Aber sicher nicht zusammen mit der Albumveröffentlichung. Aber er wird erscheinen und es ist definitiv etwas, auf das man gespannt sein darf. Denn der Film ist brillant!

Soundmag: In Deutschland tourt ihr bis jetzt nur als Supportband. Irgendwelche schlechten Erfahrungen in dieser Rolle?

Oli: Als Vorband hast du es immer schwer. Wenn ich an die Shows hier denke, weiß in der Regel kaum jemand, wer wir sind. Wir fangen gar nicht erst an, uns vorzustellen, dass Leute Tickets wegen uns kaufen. Wir müssten verrückt sein, so zu denken. Wenn du also auf der Bühne stehst und weißt, dass keiner der Menschen wegen dir hier ist, hemmt dich das schon etwas. Aber richtig schlechte Erfahrungen haben wir bis heute noch nicht gemacht. Du musst wissen, was du tust und du musst wissen, dass du der kleine Fisch im Teich bist. Wir schauen uns die Show der Killers jeden Abend an. Sie sind fantastisch, eine brillante Band, die lange und hart dafür gearbeitet hat, dass sie jetzt auf diesem Level angekommen ist. Das ist eine wertvolle Erfahrung für uns, wir lernen von ihnen und können gleichzeitig zu jemandem aufschauen, der das, was wir erreichen wollen, bereits hinter sich hat. Und wir werden jeden Abend besser.

Soundmag: Ihr wart Vorband für die Kaiser Chiefs und die Killers. Wenn Mumm-Ra das nächste Mal nach Deutschland kommen, spielt ihr dann eigene Shows oder...

Oli: Nein, das nächste mal kommen wir mit U2!

Soundmag: Verrückt, genau das habe ich hier auf meinem Zettel zu stehen!

Oli: (lacht) Nein, nicht wirklich. Obwohl wir es natürlich tun würden, insofern die Anfrage käme. Wir haben jetzt zwei Mal großartige Bands unterstützt und es waren tolle Konzerte und Menschen im Publikum. Bevor das Album endlich im Mai veröffentlicht wird, kommen wir sicher nicht noch mal nach Deutschland. Denn wir wollen, dass die Menschen unsere Musik und Mumm-Ra als Band beim nächsten Mal kennen. Es wird wohl auf eine eigene kleine Clubtour hinauslaufen, denn Europa ist so aufregend! All die verschiedenen Städte und die Zuschauer scheinen auch interessierter und aufgeregter zu sein. Aber wer weiß, vielleicht gibt es auch noch eine Support-Tour vorher. Das wird sich zeigen.

Soundmag: Bei so vielen Touren... werdet ihr jemals aus Bexhill wegziehen?

Oli: Sicher nicht im Laufe des nächsten Jahres. Denn wie schon gesagt, es ist einfach zu perfekt, um sich zurückzuziehen. Irgendwann muss es jedoch passieren, denn wir vier wohnen zusammen und das ist sicher kein Zustand, der für immer anhalten wird. Irgendwann werden wir wohl getrennte Wege gehen – zumindest was das Wohnen angeht. (lacht)

Soundmag: Viel Spaß dabei und danke für das Interview.

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www.mumm-ra.com

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