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Stereophonics

Stereophonics

 

06.06.03 - Arena / Nürnberg

Interview:  Stephan St.

Foto: Pressefoto

 

 

 

Von Glückspilzen, "Madame Helga" und Fußballstars
Die "Stereophonics" freuen sich über ihren Erfolg und ärgern sich über die Journaille/Interview bei Rock im Park

Deutsche Festivals scheinen den "Stereophonics" Glück zu bringen: Beim Osterrockfestival vor ein paar Jahren sprang eine ihrer Platten auf die Pole-Position der englischen Hitparade. Und just als sie bei „Rock im Park“ in Nürnberg angekommen waren, erfuhren Kelly Jones (Gesang), Richard Jones (Bass) und Stuart Cable (Schlagzeug), dass ihre aktuelle Scheibe „You Gotta Go There To Come Back“ auf die Spitzenposition der heimischen Charts gesprungen war. Spätestens seit ihrem Duett mit Weltstar Tom Jones sind die „Stereophonics“ auch in Deutschland keine Unbekannten mehr. Bei „Rock im Park“ bejubelten mehr als 10.000 begeisterte Fans ein erstklassiges Programm aus elektrisierenden Rocksongs und einfühlsamen Balladen. Vor dem Konzert plauderte Stephan Stöckel im Backstagebereich der Nürnberger „Arena“ mit Glückspilz Kelly Jones, der gut gelaunt, einen Einblick in das aktuelle Schaffen des walisischen Trios gab.

Soundmag: Im Unterschied zu den vorangegangenen Jahren wurde die Alternastage, die sich ganz am Anfang in einem Zirkuszelt und dann in der Eishockeyhalle „Arena“ befand, ins Freie verlegt. Was hälst Du von dieser Neuerung?

Kelly: Ich finde es toll, im Freien zu spielen. Das ist viel schöner, da kommt richtiges Open Air-Feeling auf. Die Atmosphäre ist einfach besser. Als wir vor ein paar Jahren bei „Rock im Park“ auftraten, spielten wir noch in einem stickigen Zirkuszelt.

Soundmag: Wie findest Du das Line-Up auf der Alternastage? Passt ihr gut zu den anderen Bands auf der Bühne?

Kelly: "Badly Drawn Boy", "Turin Brakes", Dave Gahan – das sind alles gute Bands und Interpreten. Das einzige was wir mit ihnen gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie alle aus Großbritannien stammen.

Soundmag: Was für eine Erfahrung war es für Dich, das neue Album selbst zu produzieren?

Kelly: Es begann rein zufällig. Ich ging ins Studio, um ein paar neue Songs zu schreiben. Während ich die Lieder komponierte, nahm ich Demos davon auf. Ich fing an, herauszufinden, in welche Richtung die neue Platten gehen wird. Ich hatte Demos von vierzehn verschiedenen Stücken aufgenommen und alle, die sie sich anhörten, mochten ihre Klangfarben. So beschloss ich, den nächsten Schritt zu wagen, und die Stücke selbst zu produzieren. Es war eine organische und für mich sehr erstaunliche Erfahrung, die ich sehr genoss. Ohne Kompromisse eingehen zu müssen, konnte ich die Ideen und Gedanken, die ich in meinem Kopf hatte, kreativ umsetzen.

Soundmag: Gab es Dir die kreative Freiheit, nach der Du dich sehntest

Kelly: Aber sicher. Ich hatte schon immer große Kontrolle über meine Lieder, da ich sie selbst schreibe. Bei meiner neuen Platte, musste ich aber keine Kompromisse mit anderen Leuten am Mischpult eingehen. Ich konnte meine Ideen eins zu eins umsetzen.

Soundmag: Deiner Ansicht nach sorgt der Siegeszug der kommerziellen Radiostationen dafür, dass heutzutage viele Platten gleich klingen. In Deutschland wurde anstelle des pulsierenden Hard-Rock-Songs “Madame Helga” die liebliche Ballade “Maybe Tommorrow” ausgewählt. Ist das nicht ein Zugeständnis an das Formatradio?

Kelly: "Maybe Tomorrow" ist die Single, die weltweit veröffentlicht wird. Nur in England hatten wir uns entschieden, für eine kurze Zeit, uns mit einem Rock’n’Roll-Kracher ins Gedächtnis der Fans zurückzurufen, um ihnen zu zeigen, dass wir nach unserer doch eher softer ausgefallenen vorherigen CD „Just Enough Education To Perform“ noch in der Lage sind, treibende, harte Rocksongs zu schreiben. „Maybe Tomorrow“ wird demnächst ebenfalls in England veröffentlicht.

Soundmag: Wurde „Madame Helga“ von den englischen Radiostationen überhaupt gespielt...?

Kelly: Aber sicher. Es stand ganz oben auf jeder A-Liste, zu denen all jene Songs zählen, die sehr häufig gespielt werden.

Soundmag: Deutsche Radiostationen würden ein solches Lied nicht spielen...

Kelly: Richtig. Deshalb haben wir uns ja auch für „Maybe Tomorrow“ entschieden.

Soundmag: Womit wir wieder beim Ausgangspunkt meiner Frage angelangt wären: Steht Eurer Verhalten nicht im Widerspruch zu Deiner Kritik?

Kelly: Das denke ich nicht, denn ich bin stolz auf beide Songs. Ich denke es ist kein Kompromiss, sondern eher vernünftig. Warum sollten wir den Radiostationen Lieder geben, die sie nicht spielen? Alle Songs, die am Radio laufen, sind kostenlose Werbung für ein ganzes Album. Jeder Song ist für mich interessant, ich mache da keine Unterschiede.

Soundmag: Wie gelingt es Euch, nach drei erfolgreichen Alben nicht in Routine zu verfallen?

Kelly: Wir sind mit vielen unterschiedlichen Künstlern und Bands auf Tournee gewesen: mit Beck, “U2” oder den “Red Hot Chilli Peppers”. Dabei machten wir jede Menge Erfahrungen und entwickelten uns zu einer immer besseren Band. Auch das Leben und die persönlichen Erfahrungen, die wir dabei tagtäglich machen, inspirieren uns immer wieder zu kreativen Dingen. Ähnlich verhält es sich auch im Studio: Ich wusste nicht, woher ich die Ideen für ein neues Stück hatte, sie kamen mir einfach in den Sinn. Ich bin froh darüber, dass mir das passiert ist.

Soundmag: Handelt es sich bei Madame Helga um eine wahre Person?

Kelly: Das Lied erzählt von einer Frau, einer Animierdame, die ich in einem Hotel in Sri Lanka traf. Es war ein verrückter Ort und sie war eine interessante Persönlichkeit. Dann kam mir der markante Rock’n’Roll-Riff in den Sinn und ich dachte „Diese Story passt gut dazu!“.

Soundmag: Englische Journalisten kritisieren Eure neue Single als “emotionslos”. Wie gehst Du mit negativer Kritik um?

Kelly: Ich stimme damit nicht überein.

Soundmag: Nimmst Du Dir manchmal eine Kritik zu Herzen?

Kelly: Bei den ersten Alben habe ich das getan. Aber seit dem ich den Song „Mr. Writer“ geschrieben habe, habe ich keine Kritik mehr gelesen, die sich mit einem Lied von uns auseinandersetzt, sondern nur noch mit mir als Person. Es ist lächerlich und ignorant, was die Journalisten über unsere neue Scheibe geschrieben haben. Wir sind eine der erfolgreichsten Bands, die Großbritannien in den vergangenen acht Jahren hervorgebracht hat. Wir waren es, die in den vergangenen vier Jahren die meisten Tickets im Vereinigten Königreich verkauft haben. Dafür erhalten wir nicht den nötigen Respekt, den wir aufgrund dieser Tatsache verdient hätten. Das liegt daran, dass die Kritiker von Musikmagazinen wie dem "NME" unsere Musik nicht in eine bestimmte Schublade stecken können: Pop, Rock, Punk, Indie? Das ist frustrierend. Es bereitet mir jedoch keine schlaflosen Nächte. Wir haben von unserer aktuellen CD in einer Woche 100.000 Stück verkauft, das ist mehr als der „NME“ in zwei Wochen an Exemplaren verkauft. Es geht darum, was die Leute hören wollen. Ich habe mir noch nie eine Platte gekauft, nachdem ich eine Kritik gelesen hatte, sondern immer nachdem ich ein Lied am Radio gehört oder eine Band live im Konzert gesehen hatte.

Soundmag: Was für ein Gefühl war es, gemeinsam mit Tom Jones den alten „Guess Who“-Klassiker “Mama Told Me Not To Come” zu singen?

Kelly: Er ist ein großartiger Kerl und mit uns gut befreundet. Es war eine große Ehre für uns, mit einem Superstar zu singen, der seit vier Jahrzehnten im Showbusiness ist. Außerdem war es eine walisische Zusammenarbeit. Für uns ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Wir durften mit dem Idol unserer Eltern singen.

Soundmag: Von Fußballstar Mehmet Scholl, der bei Bayern München spielt, gibt es einen Sampler mit seinen Lieblingsliedern. Darauf befindet sich auch Euer Song “Not Up To You” von Eurer ersten Scheibe “Word Gets Around”. Wie berührt es dich, wenn eine prominente Persönlichkeit sich als “Stereophonics”-Fan outet?

Kelly: Es ist ein gutes Gefühl, wenn berühmte Musiker sagen, dass sie Deine Musik mögen, wie Jimmy Page von „Led Zeppelin“, Roger Daltrey von den „Who“ oder etwa Paul Weller von „The Jam“. Denn deren Platten haben dich dazu animiert, eine Band zu gründen. Wenn sie sagen, dass sie deine Musik mögen, dann ist das das beste Kompliment, dass man haben kann. Es berührt einen viel mehr, als wenn ein bekannter Fußballer dich in den Himmel hoch lobt. Aber selbstverständlich fühle ich mich ein bisschen geschmeichelt, wenn er meine Musik gut findet. Zu unseren Fans zählt übrigens auch David Beckham. Er hatte sich unsere zwei Shows in Manchester angesehen und wünschte mir vor dem Konzert in meiner Garderobe „Alles Gute für den Gig“.

Soundmag: Ihr seid zwar bekannt und beliebt in Deutschland, doch der große Durchbruch, verglichen mit England lässt noch auf sich warten. Woran liegt’s, dass die Deutschen so zögerlich sind?

Kelly: Das hat viele Ursachen. Es ist in Deutschland viel schwieriger am Radio gespielt zu werden als in England. Es gibt hier keine nationale Radiostation, die in ganz Deutschland sendet, sondern in jedem Bundesland und jeder größeren Stadt Sender mit unterschiedlichen Formaten. MTV beginnt allmählich, unsere Videos immer häufiger zu spielen. Bei „Rock am Ring“ spielten wir gestern Abend vor 20.000 Leuten. Seit 1996 touren wir regelmäßig durch Deutschland. Ich denke mehr kann man nicht tun. Ich hoffe, dass uns mit unserer neuen Platte auch in Deutschland der ganz große Durchbruch gelingt.

Soundmag: Das wünsche ich Euch aus vollem Herzen. Wann werdet ihr wiederkommen auf große Deutschland-Tournee, um dann die letzten Zweifler von Euren Qualitäten zu überzeugen?

Kelly: In der zweiten Oktoberwoche werden wir fünf Konzerte in Deutschland geben, bevor wir nach Frankreich und Skandinavien weiterreisen, um dort unsere Fans zu beglücken.

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www.stereophonics.com

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