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The Go! Team

The Go! Team

 

29.07.07 - Arcotel Velvet / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

Als das Go-Team im Berliner Hotel eincheckt, bildet sich an der Rezeption eine Schlange, die nur aus den sechs festen Musikern und einigen zusätzlichen Musikern besteht. Am Abend steht der Auftritt beim Berlin-Festival auf dem Plan, der im Angesicht des verregneten Nachmittags noch mit eher verhaltener Begeisterung erwartet wird. Dennoch: es läuft gut für Ian Parton und sein Team. Schon gestern gab es einen enormen Interview-Marathon, heute wartet ein ähnliches Programm auf ihn und Rapperin Ninja. Als Grund für das enorme Interesse darf das neue Album „Proof Of Youth“ gelten, ein gewohnt vielfältiges und unterhaltsames Potpourri aus verschiedenen Musikgenres und Samples. Erhältlich ab dem 7. September beim Plattenhänder oder aber genau ab dem Vorabend des Interviews in zahlreichen Musikblogs.

Soundmag: Ian, ich habe mir gerade auf dem Weg hier her noch mal euer neues Album “Proof Of Youth” angehört. Jedes mal wenn der letzte Song zu Ende geht, überlege ich von neuem, wie um Gottes Willen ich eure Musik beschreiben soll.

Ian Parton (Bandleader, Guitar, Samples): Das kann ich verstehen. Ich versuche immer diese „Beschreib mal eure Musik“-Frage zu vermeiden, weil ich auch nur kolossal herumeiere. Der einfachste Weg für mich, das neue Album zu beschreiben, wäre, dass all meine Lieblingsdinge darauf vertreten sind, nur sind sie halt kreuz und quer in einem Song zusammen gemixt.

Soundmag: So einfach kann ich dich leider nicht davonkommen lassen. Du musst zumindest einige Dinge benennen, die auf dem Album durcheinander gewürfelt werden.

Ian: Na ja – ein bisschen Ennio Morricone, etwas DJ Shadow, ein wenig Bollywood, etwas Vince Guaraldi, der die Musik für die Snoopy-Trickfilme schrieb. Dann gibt es laute Gitarren, etwas MBV und Curtis Mayfield, Phil Spector-Girlgroups... und so könnte ich ewig weitermachen. (lacht) Diese Art von Musik ist drauf.

Soundmag: Also wenn jemand die erste Single „Grip Like A Vice“ hört und das der erste Song überhaupt ist, den er vom Go!Team wahrnimmt, könnte man fast denken, ihr währt ein Hip Hop-Projekt.

Ninja: (lacht) Da bin ich mir nicht so sicher, aber ich denke, man kann uns nicht auf ein Musikgenre beschränken. Klar, wir haben Hip Hop-Elemente in unserer Musik, aber das gilt für Einflüsse anderer Musikstile ebenso. Und spätestens wenn du uns mal live gesehen und gehört hast, wird dir dieser Hip Hop-Eindruck vergehen – schlicht und einfach weil Hip Hop-Musik in der Regel nicht von Bands gemacht wird. Man könnte uns also wahrscheinlich in jedes Genre-Schubfach stecken, allerdings nicht ausschließlich in eins und sicher nicht Hip Hop im speziellen.

Ian: Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass uns jemand mal mit Hip Hop vergleichen würde, in keiner Weise. Aber na ja, das gleiche gilt für dieses Indie-Genre. Ich sträube mich genauso dagegen, ein Indie-Act zu sein, wie ich es hasse, als Dance-Projekt beschrieben zu werden. In dem Punkt kann man mich wohl nicht glücklich machen.

Soundmag: Euer Label beschreibt das Album als „greller, härter, schnell und mit mehr verdammtem Spaß als alles andere, was in 2007 kommen wird“. Haben sie da Recht?

Ian: Haben sie das wirklich geschrieben? Was denkst du denn?

Soundmag: Nachdem ich das Album bis jetzt zwei Mal gehört habe, würde ich dem fast zustimmen, zumindest wenn ich das 2007 bis Ende Juli betrachte.

Ian: Wirklich? Na dann ist es jetzt offiziell. (grinst)

Soundmag: Der Albumtitel „Proof Of Youth“ – wie wichtig ist es im Musikbusiness heutzutage, ein junges, progressives Image zu haben?

Ian: Um ehrlich zu sein, hat der Titel keine große Bedeutung. Wir wollten damit nicht ausdrücken, dass wir Teenbopper wären, die gerade die Highschool verlassen haben. Aber am Ende trifft er es ganz gut, denn ich vermute, wir haben schon einen sehr jugendlichen Sound. Nicht speziell beabsichtigt, aber zumindest ich interessiere mich sehr für Aufregung und Action. Darum klingt das Album vermutlich schon sehr jung.

Soundmag: Wie wichtig sind Samples für eure Musik?

Ian: Oh, sie sind superwichtig. Unser erstes Album war – verglichen mit diesem – viel tanzbarer – zumindest wenn es um Copy-and-Paste-Samples geht. Aber ich nähere mich einem Sample nicht auf die gleiche Art und Weise an, wie ein Dance-Act es tun würde. Für mich ist es eher wie ein Werkzeug, mit dem ich die Musik schizophrener machen kann, vielschichtiger und verrückter. Es ist eine Möglichkeit, sehr abwechslungsreiche Dinge zu vereinen. Man nimmt Bollywood-Streicher und mixt sie mit dem Sample einer TV-Dokumentation, passt die Zeit an, pitcht das eine etwas in die Höhe. Solche Collagen und dieses ganze Copy-And-Paste-Ding interessieren mich sehr. Schizophrene Songs, von denen du nicht weißt, wohin sie sich in der nächsten Sekunde entwickeln werden.

Soundmag: Wie gestaltet sich das Klären der Rechte für solche Samples?

Ian: Das ist wie ein Minenfeld. Ich versuche, gar nicht daran zu denken. Aber es gibt ja schließlich Leute, deren Job es ist, den ganzen Tag herumzutelefonieren und zu fragen, ob man dies und das verwenden dürfte. Also überlasse ich es ihnen. Der Vergleich mit einem Minenfeld trifft es ganz gut. Hinzu kommt, dass die ganze Welt des Samplings eine sehr neblige ist, es gibt kaum wirkliche Regeln und Gesetze. Jemand kann dich plötzlich um 100% der Einnahmen eines Songs bitten und du kannst nichts dagegen tun. Das ist am Ende alles andere als fair, aber wenn du diese Musik machen willst, musst du dich daran gewöhnen.

Soundmag: Du bist ja ganz vorn dabei, wenn es um sampeln geht. Hast du mal von einem Song gehört, in dem einer deiner Songs verwendet wurde?

Ian: Nein, nichts dergleichen.

Soundmag: Gibt es eine Geschichte hinter der ersten Single „Grip Like A Vice“?

Ian: Wie bei jedem Song sind auch bei diesem vier oder fünf Ideen aufeinander gestapelt worden. Es hat mich interessiert, wie man 80er Jahre-Elektro mit 60er Jahre Garage-Rock und dreckigen Gitarren mixen könnte. Eine Kombination, die mir bis jetzt so noch nie untergekommen ist. Musikalisch ist dieser Song also unbetretenes Gelände und etwas, das du so noch nicht gehört hast.

Soundmag: Eine der B-Seiten auf der Single ist ein Cover des Sonic Youth-Songs „Bull In The Heather“. Wie groß ist ihr Einfluss auf dich und die Band?

Ian: Einige von uns sind große Fans und im letzten Jahr waren wir bei einigen Konzerten sogar ihre Vorband, was sehr cool war. Sie haben sich über die Jahre der Trash-Pop-Kultur angenähert, was mich schon irgendwie beeinflusst hat. Dann gibt es diese bestimmte Art, wie sie ihre Gitarren benutzen, wie sie sie stimmen. Sie bekommen so einen superaufregenden Sound aus ihnen heraus, machen aus ihrer Gitarre einfach mal einen U-Bahn-Zug oder ähnliches! Das ist definitiv ein wichtiger Einfluss.

Soundmag: Wie war es, sie zu treffen?

Ian: Gut, sie sind ziemlich schwer zu erreichen. Aber wir konnten kurz mit ihnen reden und Fotos machen. (lacht)

Soundmag: Ian, du wirst ja oft als der Bandleader bezeichnet. Wie dogmatisch bist du in deinen Ansichten, wie sehr reden die anderen Go! Team-Mitglieder mit?

Ian: Da fragst du doch am besten mal Ninja.

Ninja: Na ja, das Go! Team ist wie der Name schon sagt ein Team. Das heißt: jeder bringt etwas ein, jeder entscheidet mit, alles was passiert geht jeden in der Band etwas an. Wir machen Kompromisse und kommen als Band am Ende zu einer Entscheidung. Aber letztendlich sind es natürlich Ians Einflüsse und seine Samples, die den Go! Team-Sound erschaffen. Dennoch hat Ian nicht eine Eingebung und zwingt uns dann, dies und das zu tun. Wir sind sechs Leute in der Band und jeder von uns bestimmt mit, in welche Richtung das Go! Team geht.

Soundmag: Das heißt, alle Mitglieder schreiben Songs?

Ninja: Wir schreiben nicht die Go! Team-Musik, denn die hängt nun mal von Ians Sound ab. Aber jeder von uns hat natürlich eigene Talente und schreibt neben der Band selbst Songs.

Soundmag: Ian, nach dem ersten Hören der neuen Platte hab ich mich gefragt, ob du gern mit einer Big Band auftreten würdest?

Ian: Eine Big Band? (lacht) Keine Ahnung. Wir haben schon mal mit der Idee geflirtet, Bläser auf die Bühne zu holen. Aber ich bin kein Fan davon - wie das aussehen würde, lauter Typen mit Schlips in einer Linie. Das schaut vielleicht etwas spießig aus. Aber wenn es einige Möglichkeit gäbe, es interessanter aussehen zu lassen...

Ninja: ... mit Zwergen...

Ian: ...ja, zum Beispiel mit Zwergen. (lacht) Dann vielleicht.

Soundmag: Was denkt ihr, wie wird sich Musik in 50 Jahren anhören? Wird es noch CDs geben, ganze Alben oder einzelne Songs?

Ninja: Also: in 50 Jahren wird es keine CDs mehr geben, generell keine physischen Tonträger mehr. Nur Vinyl wird übrig bleiben, weil es sehr selten sein wird. Das Öl wird teurer und darum wird Vinyl ein großes Geschäft. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Vinylverkäufe immer weiter steigen. Das wird sich fortsetzen und so muss man für Vinyl viel Geld bezahlen und wird reich sein, wenn man alte Platten gesammelt hat. Vielleicht gibt es anstatt MP3 ein Format MP200 – irgendeine Form von digitaler Musik mit modischem Gerät, auf dem du die Songs herumträgst. Aber physische Musikformate werden nicht mehr existieren.

Ian: Jeder wird ein Hologramm des Sängers in seinem Raum haben!

Ninja: Genau, du drückst einen Knopf und die holographische Band spielt, inklusive Publikum. Außerdem glaube ich daran, dass sich die Menschen der Vergangenheit zuwenden werden. Es gibt nicht viele Leute, die neue, futuristische Dinge wagen. So wie Timbaland, der überhaupt keine Samples benutzt! Er macht alles selber, die ganzen Effekte! Ich halte ihn darum für ein echtes Genie. Dennoch denken nicht viele Menschen wie er, viel einfacher ist es in die Vergangenheit zu schauen und Sachen zu recyceln. In 50 Jahren werden wir uns also fragen: Oh, wie klang Musik eigentlich im alten Rom? Ich zweifle, dass wir dann überraschend Neues hören werden, viel eher werden wir in der Zeit zurückgehen.

Soundmag: Aber schon jetzt können sich die Leute ja schon einzelne Songs herunterladen. Glaubt ihr, dass das Albumkonzept verschwinden wird?

Ian: Ja, ich glaube, das Album neigt sich seinem Ende zu. Es geht um den einzelnen Song. Die Singleverkäufe haben sich in letzter Zeit um 50 Prozent gesteigert, die der Alben hingegen sind die Toilette runtergerauscht – über 30 Prozent glaube ich. Das entwickelt sich ganz natürlich und damit wird das Album sterben – unglücklicherweise. Eine echte Schande, aber ich sehe keinen Ausweg. Plattenfirmen könnten ebenfalls ihrem Ende entgegen sehen. Das wäre die logische Folgerung

Soundmag: Wie wichtig ist das Internet denn für eure Band? Das neue Album kann man ja bereits in zahlreichen Musik-Blogs herunterladen.

Ian: Oli von unserem Label schickte uns gestern eine Email. Im Betreff stand nur: Euer Album ist durchgesickert! Er hatte Panikattacken, denn als kleines Label frisst es dir die Einnahmen weg, die du vor ein paar Jahren noch bekommen hättest. Jeden Tag frisst es ein Stück vom Leben der kleinen Labels. Aber gleichzeitig verdanken wir dem Internet viel: in Amerika waren wir auf einer ausverkauften Tour, bevor unser erstes Album überhaupt veröffentlicht war. Das geht zu 100% aufs Konto des Internets und all der Blogs. Ich mag das Konzept des „Tipgebens“ – all die Blogs, wo dir Leute empfehlen, doch mal hier oder dort reinzuhören. Die Kehrseite davon ist dann aber, dass niemand mehr Geld damit verdienen kann. Aber solange die Menschen überleben, wird es immer Musik geben.

Soundmag: Und ihr könnt davon leben?

Ian: Im Moment schon, was natürlich auch der gerade explodieren Live-Szene zu verdanken ist. Vor allem in England geht die gerade richtig durch die Decke und vielleicht wird das unsere Rettung.

Soundmag: Dann wünsche ich euch alles Gute für die Zukunft und das neue Album. Vielen Dank für das Interview.

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