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Richard Hawley

Richard Hawley

 

13.08.07 - per Email / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Joe Dilworth

 

 

 

Irgendetwas ist passiert im Hause Hawley – zumindest wenn man der Vorabsingle seines neuen Albums glauben darf. In „Tonight The Streets Are Ours“ gibt sich der Engländer so luftig und fröhlich wie noch nie. Die Gründe dafür sind ebenso simpel wie Richard Hawleys Begeisterung für Musik. Von Vater, Onkel und dem Rockabilly sozialisiert, spielte er anfangs bei den Longpigs, wurde dann zum dicken Freund von Pulp-Frontmann Jarvis Cocker und versackte im Laufe dieser Freundschaft etwas zu tief im Drogensumpf. Doch nie war das Licht am Ende des Auswegs ganz verdunkelt und so schaffte Hawley den Ausstieg, wurde zum begehrten Session-Gitarristen und schließlich konnte Freund Cocker ihn sogar überreden, eine Solokarriere zu starten. Seine getragenen bis elegischen Reminiszenzen an frühere Jahrzehnte fanden auf dem letzten Album „Cole’s Corner“ ihren Höhepunkt. „Lady’s Sleep“, das Mitte August erscheint, zeigt Richard Hawley von einer neuen Seite – ohne das bewährte Rezept komplett ad acta zu legen.

Soundmag: Richard, wo bist du und was machst du gerade?

Richard: Ich bin zu Hause und höre Little Walter (eines von Richards Kindern) zu.

Soundmag: Als ich vor zwei Wochen zum ersten Mal deine neue Single „Tonight The Streets Are Ours“ gehört habe, fragte ich mich, was dich so glücklich macht. Kannst du mir die Antwort geben?

Richard: Klar: zu Hause sein und Little Walter zuhören.

Soundmag: Selbst wenn der Song sehr euphorisch klingt, hat er doch einen ernsten Hintergrund, richtig?

Richard: Ganz genau. Die britische Regierung hat vor kurzem ein Gesetz eingeführt, das es ihnen erlaubt, Kinder in deren Zuhause einzusperren, wenn diese sich schlecht benehmen. Sie versuchen also nicht wirklich das Problem selbst zu lösen, fragen nicht nach den Ursachen für das schlechte Benehmen - Gründe wie fehlendes Geld, eine fehlende Zukunft oder eine miese Familie. Sie belegen das Kind einfach mit einer ASBO (Anti-Social Behaviour Order) und sperren es weg. Kompletter Müll, wenn du mich fragst. Ich schrieb diesen Song also, weil ich einerseits von der Grobheit unserer Regierung und gleichzeitig auch von den nutzlosen Eltern, die sich nicht um ihre Kinder scheren, genervt war.

Soundmag: Nachdem ich das Video zur Single gesehen habe – was ist deine Lieblingssendung im Fernsehen? Schaust du überhaupt oft TV?

Richard: Nur sehr selten – it’s shit! Ich liebe Les Dawson, der mal ein großer britischer Comedian war. Der Text von „Tonight The Streets Are Ours“ dreht sich auch um die Auswirkungen, die inhaltsloses Fernsehen auf uns alle hat. Denn es schmälert die eigenen Visionen und Ziele jedes einzelnen.

Soundmag: “Lady’s Bridge” – der Titel des neuen Albums ist mal wieder eine Referenz an deine Heimatstadt Sheffield. Welche Erinnerung verbindest du mit der besagten Brücke?

Richard: Ich bin früher jede Woche über sie gegangen, um Kennys Plattenladen auf der anderen Seite des Flusses zu erreichen und dort jede Menge Rockabilly und Rock`n´Roll-Scheiben zu kaufen. Er war ein Freund meines Vaters und kannte sich hervorragend aus. Außerdem überquerten wir die Brücke, um Castle-Market zu erreichen, wo wir wöchentlich Lebensmittel und Kleidung kauften. Das Sharons Cafe, das man auf meinem „Late Night Final“-Album sieht, liegt ebenfalls auf dieser Seite des Flusses. Wenn ich richtig gut gelaunt war, besuchte ich außerdem einen Süßigkeitenladen in der Gegend. Jarvis (Cocker) arbeitete dort für ein Jahr in einem Krabben-Shop – ich nehme mal, dass sie in diesem Jahr nicht allzu viele Krabben verkauft haben.

Soundmag: Beim Hören von “Roll River Roll” habe ich mich gefragt, wie wichtig Jazz für dich und deine Musik ist.

Richard: Ich liebe jegliche Art von Musik. Es gibt einige fantastische Jazz-Musiker, aber hauptsächlich höre ich Rockabilly. Die Pianoelemente in diesem Song entstanden während eines Jams und John Trier spielte ein so fantastisches Piano, dass wir es eins zu eins aufnahmen und auf die Platte pressten.

Soundmag: „Serious“, der nächste Song auf dem Album, geht eher in Richtung Rockabilly. So wie viele deiner Songs scheint er starke Verbindungen in die Vergangenheit zu haben. Ist deiner Meinung nach... sagen wir mal später als 1975 musikalisch noch etwas Interessantes passiert?

Richard: Aber natürlich. Ich bin ja nicht komplett in der Vergangenheit versumpft. Klar, ich liebe die Pistols, Echo & The Bunnymen und fast alles, was jemals auf dem Creation-Label erschien. Gleichzeitig aber mag ich auch die Arctic Monkeys, Amy Winehouse und The Coral. Mit dem Rock`n´Roll bin ich groß geworden, aber meine Interessen sind mannigfaltig. Am Ende geht es um die Musik, nicht um das Jahrzehnt, in dem ein Song entstanden ist.

Soundmag: Apropos Arctic Monkeys – dein erster Gedanke, als sie dir den Mercury Prize vor der Nase wegschnappten und ihre Dankesrede mit den Worten „Ruft die Polizei, jemand hat Richard bestohlen!“ begannen?

Richard: I just pissed myself laughing. Und dann trank ich noch ein Bier.

Soundmag: Hast du momentan noch andere Favoriten unter den jungen Bands?

Richard: The Maccabees höre ich ganz gern. The Sugars sind toll und auch Micah P Hinson kann ich nur empfehlen. Wenn ich allerdings an einem Album arbeite, versuche ich alle anderen Einflüsse außen vor zu lassen. Ich höre dann so gut wie keine andere Musik, einfach um meinen eigenen Geist fokussiert zu halten.

Soundmag: Zitat Richard Hawley: “Ich bin auf der Suche nach etwas Wunderbarem: Melodien, die perfekt klingen. Es ist schwer zu erklären, weil es sich so einfach anhört.“ Wann und woran merkst du, dass eine Melodie perfekt klingt und funktioniert?

Richard: Das kann man wie schon gesagt nicht erklären, es passiert dir einfach. So wie bei „Cole’s Corner“ – dieser Song kam mir in den Kopf als ich meine Kinder schaukelte. Er war schon in der ersten Minute fertig, ich musst nur noch nach Hause rennen und ihn aufnehmen. Genau so geschah es auch bei diesem Album: fast alle Songs erreichten mich in makellosem, perfekten Zustand. Lediglich „Valentine“ spukte schon einige Jahre in meinem Kopf herum, bevor mir jetzt die passenden Verse dazu einfielen.

Soundmag: Wie lang muss man auf solche Songs warten?

Richard: Das variiert ganz offensichtlich. Es ist wie wenn du auf den Bus wartest. Manchmal stehst du zwei Stunden an der Haltestelle und dann plötzlich kommen zwei hintereinander.

Soundmag: Spielst du deine Songs eigentlich Verwandten und Bekannten vor, um mehrere Meinungen zu bekommen?

Richard: Na ja, eher der Band. Aber eigentlich suchen sich die Songs ganz von allein aus. Außerdem weiß ich selbst ganz gut, was mir gefällt und was ich erreichen möchte.

Soundmag: Schreibst du manchmal auch Songs, die dir so wichtig sind, dass du sie unbedingt auf dem Album behalten möchtest aber am Ende musst du feststellen, dass sie einfach nicht gut genug sind?

Richard: Das passiert ab und zu, manchmal funktioniert es aber auch anders herum. So wie bei „Dark Road“, den ich Dummkopf zur B-Seite deklassiert hatte, nur um später festzustellen, dass er zwingend auf das Album gehört. Er passt so unglaublich perfekt dazu. Manchmal verliebst du dich in ein Stück, musst aber einsehen, dass es nicht zu den anderen Liedern passt. Wir nehmen von jedem Einfall ein Demo auf und entscheiden dann, welche Songs am besten miteinander harmonieren.

Soundmag: Wie viele Songs hattest du am Ende der Aufnahmen für “Lady’s Bridge” zusammen?

Richard: Das dürften so um die 40 gewesen sein. Wahrscheinlich sogar mehr.

Soundmag: Stehst du in deinen wildesten Träumen mit einem kompletten Orchester auf der Bühne und spielst jeden Abend deine Songs?

Richard: Ich nehme die Tage so wie sie kommen und liebe es, mit genau der Band zu spielen, die ich jetzt habe. Wenn es sich eines Tages richtig anfühlen sollte, wird es vielleicht genau so passieren. Viel eher jedoch träume ich davon, Rockabilly in den Hinterräumen kleiner Pubs zu spielen – zusammen mit meinem Onkel Frank und seinen Freunden.

Soundmag: Vor ein paar Monaten standst du für den Film „Flick“ auch zum ersten Mal vor der Kamera. Wie war die Erfahrung?

Richard: Sehr harte Arbeit, aber ich hab es genossen. Faye Dunaway hat sich sehr rührend um mich gekümmert und mir das Schauspielern wirklich erleichtert. Auf dem Weg zum Set redete ich mir nämlich immer selbst ein, dass ich nicht besonders gut sei. Ich traf dort einige tolle Menschen und will das definitiv weiterverfolgen.

Soundmag: Eine vorletzte, nicht ganz so ernst gemeine Frage unter Wissenden: Brillenträger sind die besseren Menschen, oder?

Richard: Keine Ahnung, neulich habe ich sogar überlegt, mir Kontaktlinsen zuzulegen. Aber irgendwie gebe ich gern den etwas fleckigen Trottel.

Soundmag: Letzte Frage, zu der wir bei unserem letzten Gespräch in Berlin nicht mehr kamen. Was hältst du von den Pet Shop Boys?

Richard: .........

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www.richardhawley.co.uk

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