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The Hives

The Hives

 

17.09.07 - Universal Music / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

Fusseln im Mund und Knoten in der Zunge. Pelle Almqvist und Chris Dangerous – zusammen 2/5 von 100% The Hives - können ein Lied davon singen. Nach sieben Stunden Interviewmarathon im Konferenzraum mit Kuschelsofa wirken die schwarzen Lederjacken fast etwas fehl am Platz. Denn Almqvist und Dangerous liegen während des Interviews fast komplett ausgestreckt in den Polstern. Die Promotion des neuen Albums ist in vollem Gange, Mitte Oktober wird das stilecht „The Black And White Album“ getaufte, vierte Werk der Schweden in den Läden stehen. Die Vorab-Single „Tick Tick Boom“ schafft es schon eine Woche vorher in die Regale. Es könnte das Ende einer Ära sein. Schließlich sagt Sänger Almqvist voraus, dass dieses das letzte, bei einem Major-Label erscheinende Rock’n’Roll-Album sein könnte. The end is near? Oder rock’n’roll will never die? Es ist Zeit für finale Antworten!

Soundmag: Pelle, du hast mal gesagt, dass es bei Popmusik nicht ausschließlich um Musik ginge. Was sind die drei Dinge, die jede große Rock’n’Roll-Band braucht?

Pelle Almqvist (Sänger): Erstmal Musik - ohne das ist alles andere nutzlos. Aber du brauchst auch hervorragendes Timing. Denn selbst als die beste 60s-Band der Welt wirst du nur wenig erreichen, wenn du in den 80er Jahren aufschlägst. Und du solltest Charisma haben, wobei es nicht unbedingt darum geht, gut auszusehen. Du brauchst so einen gewissen X-Faktor. Nur mit guter Musik wirst du nicht weit kommen.

Soundmag: Muss es eine gute Live-Band sein?

Pelle: Das wäre vorzuziehen. Aber es muss nicht sein, Milli Vanilli waren schließlich auch enorm erfolgreich. Allerdings interessiert sich für die heutzutage niemand mehr. Darum denke ich schon, dass es dir hilft, eine gute Live-Band beisammen zu haben. Vor allem in dieser Zeit, wo du mit Platten kaum noch Geld verdienen kannst, bringen dich Live-Qualitäten sehr weit.

Soundmag: Welches Energielevel brauchst du, um auf der Bühne richtig gut zu funktionieren?

Pelle: Ein sehr, sehr hohes. Fast schon superheldengleich hoch.

Soundmag: Erreichst du das relativ einfach oder gibt es eine bestimmte Methode, mit der ihr euch aufputscht?

Pelle: Wir watschen uns manchmal gegenseitig ab wenn wir zu müde sind. Viel Kaffee ist gut und Red Bull natürlich.

Soundmag: Wie lang dauert es dann nach der Show, bis ihr wieder auf dem normalen Level seid?

Pelle: Wenn es eine richtig gute Show war, kommst du so schnell nicht mehr runter. Du fängst an zu trinken und entspannst dich dabei.

Chris Dangerous (Drums): Es ist wirklich enorm schwierig, sich nach einer Show wieder zu beruhigen – vor allem wenn du sehr spät gespielt hast. Dann verlässt du vielleicht erst gegen ein Uhr morgens die Bühne. Wenn du dann um zwei im Bett liegst, ist es schlicht unmöglich zu schlafen.

Pelle: Man sucht sich dann etwas, um weiterzumachen.

Chris: Das dauert in der Regel ein paar Stunden. Meist trinken wir noch ein Bier mit den anderen oder allein und lassen es uns gut gehen - bis das Adrenalin-Level wieder gesunken ist.

Soundmag: Eure neue Platte heißt “The Black And White Album”. Nun dreht sich bei den Hives vieles um diese beiden Farben. Ist das Album so etwas wie die musikalische Essenz eurer Band?

Pelle: Nein, denn viele Dinge auf diesem Album sind anders als auf seinen Vorgängern. Der Grund warum es „The Black And White Album“ heißt, ist die Tatsache, dass es ein schwarz/weißes Album ist. Es gab schon ein „Black Album“, auch ein „White Album“ existiert bereits, aber das Mittelding fehlte noch und der Titel war verfügbar. Da wir mindestens einmal ein schwarz/weißes Album machen wollten, griffen wir darum lieber schnell zu. Bevor sich ein anderen den Titel geschnappt hätte.

Soundmag: Mit dem letzten Album habt ihr eure erste, so genannte Trilogie vollendet. Was sind die Pläne für die nächsten drei Platten?

Chris: Es existiert kein definitiver Plan, wie viele Alben wir noch machen werden. Ich denke, wir werden noch so lange weiter aufnehmen und touren, bis wir eine Band treffen, die wie wir Rockmusik macht, dabei aber besser ist. Dann wird es höchste Zeit. Sollte das nicht passieren, müssen wir fortfahren bis es nicht mehr weiter geht. Das ist jedenfalls meine momentane Vorhersage.

Soundmag: Okay, für das nächste Album gibt es also noch keinen Plan. Hattet ihr einen für dieses?

Chris: Es gab einen Plan, aber das Album ist ja noch nicht mal fertig, es ist noch nicht veröffentlicht. Darum fällt es schwer, schon über das nächste zu reden.

Pelle: Ich denke, der Plan für diese Platte war, nicht wirklich einen Plan zu haben. Wir erlaubten den Songs zu sein, was immer sie wollten. Keine Ahnung, wie das nächste Album klingen könnte, aber die Herangehensweise scheint ganz passabel zu sein. Vielleicht machen wir drei Alben ohne konkreten Plan. Das könnte interessant werden.

Soundmag: Eine sehr interessante Herausforderung war wahrscheinlich die Arbeit mit Pharell Williams, oder?

Pelle: Es hat Spaß gemacht.

Chris: Eine tolle Zeit! Eine komplett neue Erfahrung, die es uns ermöglichte, Musik auf eine Art und Weise zu genießen, wie wir es zumindest während der Aufnahmen schon lange nicht mehr getan hatten. Wir stellten einfach ein Schlagzeug auf, stöpselten die Gitarren ein - ohne uns darum zu scheren, wie man den perfekten Klang erzeugen könnte. Wir spielten und nahmen alles auf. Anschließend hörten wir noch mal drüber und entschieden, was gut genug war, um weiter damit zu arbeiten. Genau das hörst du jetzt auf dem Album. Eine ganz andere Arbeitsstrategie, zumindest für The Hives.

Soundmag: Zwei Songs aus den Pharell-Sessions haben es auf das Album geschafft und ich hatte beim Hören eben das Gefühl, dass sie sich schon sehr von den anderen Stücken unterscheiden.

Pelle: Nun ja, ich finde, dass einige Sachen, die wir selbst gemacht haben, sich noch viel mehr unterscheiden. „Well Alright“ klingt für mich beispielsweise viel eher nach einem Hives-Song wie „Giddy Up“. Andererseits stimmt es schon – „T.H.E.H.I.V.E.S.“ stellt eine andere Art von Musik dar, die wir ohne Pharell wahrscheinlich nicht aufgenommen hätten. Aber genau darum geht es am Ende ja, man soll uns beide heraushören. Wenn es darum geht, wie The Hives zu klingen, hätten wir es auch selber produzieren können.

Soundmag: Ihr habt auch an Timbalands Album mitgewirkt. Gibt es einen speziellen Grund, warum er nun nicht auf eurer Platte auftaucht?

Chris: Tatsächlich haben wir vier Songs mit ihm in Stockholm aufgenommen.

Pelle: Sie sind nur noch nicht fertig.

Chris: Genau. Aus verschiedenen Gründen sind wir nicht fertig geworden. Die Stücke sollten allerdings eigentlich auf das Album mit drauf.

Soundmag: Beide kommen aus dem Hip Hop/Black Music-Bereich. Haben diese Stile eure Musik beeinflusst?

Pelle: Es hat uns schon in der Vergangenheit sehr beeinflusst. Pelle Gunnerfeldt, der unsere letzten Alben produziert hat, erinnerte mich neulich noch mal daran, dass wir uns was die Produktion angeht, oft über Dinge unterhalten haben, die aus dem Hip Hop-Bereich stammen: die Art und Weise, wie wir mit dem Hintergrundgesang umgehen oder wie wir Tamburins für unsere Musik nutzen. Diese Elemente setzen wir so gut wie nie in typischer Rockmusik-Manier ein. Man kann also definitiv sagen, dass wir oft mit Leuten zusammen arbeiten, die nicht unbedingt für Rockmusik stehen.

Soundmag: Ist Pharell jetzt Rock-Fan? Oder war er es vielleicht schon vorher?

Pelle: Er hört schon seit einigen Jahren Rock. Allerdings hat er noch so viel zu entdecken, dass man fast schon neidisch auf ihn werden könnte. Es gibt so viele tolle Rockbands, von denen er noch nicht mal gehört hat. In der Zeit als wir bei ihm waren, entdeckt er gerade Creedence Clearwater Revival und Deep Purple für sich. Er war wirklich begeistert. Im Fernsehen lief nachts einmal die Stunde ein Werbespot für eine CCR-Compilation und er blieb die ganze Nacht auf, um sie nur kein einziges Mal zu verpassen.

Soundmag: Im Infoschreiben eures Labels steht, dass dieses Album das erste wäre, dass Bass hat. Wer ist dafür verantwortlich?

Pelle: Alle unsere früheren Alben klangen eher dünn, denn genau das war der Klang, den wir liebten. Wir mögen die fetten Bässe auf Rockalben nicht besonders, denn wenn man nicht aufpasst, klingt man ganz schnell wie Creed. Wenn du uns allerdings live siehst, haben wir einen richtig fetten und sehr dicken Klang. Bei diesem Album wollten wir die Songs zum ersten Mal genau so klingen lassen: dick und wie ein fetter Brocken.

Soundmag: Zwei Songs sind mir besonders aufgefallen. Zum einen das Instrumental in der Mitte des Albums. Wer hatte die Idee dazu?

Pelle: Wir haben schon immer Instrumentals aufgenommen, nur schafften sie es meist nicht auf das Album. Dieses Stück wurde tatsächlich von Nicholaus Arson (Gitarrist der Hives) zu Hause mit einem Diktiergerät aufgenommen. Es klang sehr cool, darum wollten wir es definitiv auf der Platte haben. Es ist auch mal ganz angenehmt, wenn du nach vier Rocknummern kurz durchatmen kannst. Wir sind ja auch nicht mehr 19 und können keine 15 Rocksongs am Stück spielen. So viele hintereinander können wir uns nicht mal mehr anhören.

Soundmag: „Puppet On A String“ klingt für mich wie vom Soundtrack eines Tim Burton-Films.

Pelle: Ja, ich glaube, das ist ein Screamin' Jay Hawkins-Einfluss. Ich liebe dieses Stück, obwohl einer der Journalisten heute sagte, es sei der einzige miese Song auf dem Album. Aber hey, wen interessiert das. Ich mag ihn.

Chris: Der Typ ist nicht in der Position, um zu entscheiden, ob das Stück auf die Platte gehört oder nicht. Wir mögen es.

Pelle: Genau das macht „The Black And White Album“ ja so interessant. Es sind halt nicht nur typische Rockelemente darauf vertreten, sondern auch abwegiges. Das gefällt mir.

Soundmag: Schert ihr euch um die Meinung anderer oder ist euch das schnuppe?

Pelle: Inzwischen schon. Es gefällt uns, wenn die Leute unsere Musik mögen. Wir gaben uns in der Vergangenheit mitunter sehr genervt, weil uns niemand zu verstehen schien. Wenn jemand sagte, dass wir toll seien, antworteten wir, dass er doch keine Ahnung von uns hätte. Wenn ein anderer meinte, wir seien schlecht, gaben wir ihm die gleiche Antwort. Irgendwann waren wir echt genervt und fragten uns, was so verdammt schwierig zu verstehen sei. Es ist Rockmusik! Und wenn es dir gefällt – toll!

Chris: Ich bin wirklich gespannt auf die Albumkritiken, denn mir scheint, als hätten wir dieses Mal etwas abgeliefert, was man nicht unbedingt von uns erwartet hat. Mich interessiert, was die Menschen davon halten. Klar weiß ich, dass wir es mögen, aber was heißt das schon? Wir haben nicht die Perspektive von außen.

Soundmag: The Hives sind eine der Bands, die es in den letzten Jahren von Skandinavien aus bis nach England und Amerika geschafft haben. Habt ihr eine Erklärung für diese Bandexplosion?

Pelle: Wir waren eine der ersten schwedischen Bands, die in England und Amerika Erfolge feierten. Es ist wahrscheinlich das gleiche Phänomen, das auch Bands aus Island oder Neuseeland passiert, wenn jemand von dort den Durchbruch schafft: die Leute suchen weitere gute Bands aus dem Land. So war es auch bei uns. Uns war immer klar, dass es in Schweden jede Menge toller Bands aus ganz unterschiedlichen Genres gibt, von denen die Leute einfach nur noch nichts gehört hatten. Wir waren eine der ersten Gruppen, die sich nicht darum geschert haben, was die einheimische Presse über uns schrieb. Als schwedische Band musst du dich erst in Stockholm bei den Journalisten und Labels beliebt machen, bevor es dann wirklich losgeht. Wir tourten stattdessen einfach im Ausland, spielten in Deutschland und bauten uns eine Fanbasis auf. Plötzlich merkten die Schweden, dass da eine ihrer Bands im Ausland erfolgreich ist und interessierten sich für uns. Wir gingen immer unseren eigenen Weg und das zeigte anderen Bands vielleicht, dass man den Erfolg in der Heimat auch über den Umweg im Ausland erreichen kann.

Soundmag: Wenn ihr heute auf eure Anfänge mit 14 Jahren zurückschaut, überrascht euch das, was in den letzten Jahren passiert ist?

Chris: Das ist eine schwierige Frage. Wir spielen inzwischen schon so lange in dieser Band. Wenn der Erfolg ausgeblieben wäre, hätten wir uns andere Jobs suchen müssen. Wenn ich versuche, mich an die damalige Zeit zu erinnern, so hat sicher niemand von uns gedacht, dass wir mal mehr als 500 Platten verkaufen würden. Der Plan war, drei Alben zu veröffentlichen, auf die Leute 20 Jahre später zurückblicken würden und sagen...

Pelle: Das war eine fantastische Band, die ich damals verpasst habe.

Chris: Genau das haben wir uns damals vorgestellt. Aber dann kam die Popularität. Wenn du 14 Jahre alt bist und denkst, du würdest berühmt werden, halten dich die Leute wahrscheinlich für einen Tagträumer. Darum denke ich, dass keiner von uns damals dachte, dass wir mit 29 in Berlin sitzen würden, um unser viertes Album in Interviews vorzustellen.

Pelle: Und dass wir Millionen Platten verkauft hätten – das hatte sicher niemand auf dem Schirm. Auch nicht, dass wir superschnellen Punkrock spielen würden.

Soundmag: Bei einigen Songs auf dem neuen Album kann man das Publikum in den Konzerten schon fast mitsingen hören. Habt ihr diese Situationen schon im Hinterkopf, wenn ihr Songs schreibt?

Pelle: Na ja, bei einigen Sachen weiß man natürlich, ob sie funktionieren werden, dass das Publikum darauf abfahren wird. Aber darum machen wir es nicht.

Chris: Trotzdem ist es schon passiert. In diesem Sommer spielten wir bereits auf einigen Festivals in Europa und dank YouTube und anderen Quellen kannten die Fans schon die Texte der neuen Songs. Manchmal sogar besser als Pelle.

Pelle: Einige der Texte waren noch nicht mal fertig. (lacht)

Chris: Genau das ist fantastisch.

Pelle: Wir lieben unsere Fans!

Soundmag: Ihr habt gesagt, dass „The Black & White Album“ wahrscheinlich das letzte große Rock’n’Roll-Album eines Major-Labels sein wird. Warum?

Pelle: Ich bin kein Weltuntergangsprophet, schließlich gehen immer mehr Menschen in Konzerte. Aber ich denke, dass niemand mehr in nennenswertem Umfang Rock’n’Roll-Alben kaufen wird. Menschen, die Rockmusik lieben, finden schnell andere Wege, um an die Songs zu kommen. Sie laden sie sich herunter. Wenn du als Label Geld verdienen willst, wirst du es darum lieber in schlechte Popmusik investieren. Denn genau das kaufen die Leute. Mit Rockbands Geld zu machen wird für die Label immer schwerer, schon jetzt verlieren sie ja jede Menge durch sie. Darum bin ich nicht so sicher, ob es in Zukunft noch Rock’n’Roll-Alben von Majors geben wird. Jedenfalls nicht Rock in der Art und Weise, wie wir ihn spielen und nicht im Stil von Nickelback.

Soundmag: Und wo bitte wird dann das nächste Hives-Album erscheinen?

Chris: Wir kümmern uns jetzt erstmal um dieses Album.

Pelle: Wir werden einfach noch eins auf einem Major-Label veröffentlichen – wenn wir Lust drauf haben. Ich habe keine Ahnung, was passieren wird.

Chris: Wahrscheinlich aber nicht vor 2010 oder 2011.

Soundmag: The Hives leben also für den Moment?

Pelle: Oh ja!

Chris: Definitiv.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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