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09.09.07 - 103 Club / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Andreas

 

 

 

Ein versteckter Club in Kreuzberg, darin ein Raum im Backstage-Bereich, zwei Tische voller Essen und ein ebenso hungriger wie müder James Chapman: „Entschuldige, aber ich muss erstmal etwas essen, wir haben gestern zu lang gefeiert.“ Mit zugekniffenen Augen belegt sich der Engländer ein Brötchen während unten gefühlte 15 Menschen die Bühne für das heutige Konzert aufbauen. „We Can Create“ – der Titel des Debütalbums von Chapmans Ein-Mann-Projekt Maps gilt in jeglicher Hinsicht. Seien es die eigenen Bretter, die die Welt bedeuten oder die im Schlafzimmer entstandenen Zutaten für sphärische Songs wie „It Will Find You“ oder „You Don’t Know My Name“. Nach fünf Minuten Fast Breakfast kaut der Maps-Mastermind die letzten Bissen herunter, schielt noch einmal zum kalten Buffet und gibt dann das Interview-Go!

Soundmag: James, du warst für den britischen Mercury Prize nominiert. Der beste Grund, warum es überhaupt kein Problem ist, dass du ihn am Ende nicht gewonnen hast und die Klaxons als Gewinner dastanden?

James Chapman: (lacht und überlegt) Ich habe inzwischen schon öfter gesagt, dass mich allein schon die Tatsache, dass ich auf der Liste stand, eine lange Zeit ziemlich umgehauen hat. So richtig begriffen habe ich es erst als wir an dem Abend der Preisverleihung im Saal ankamen und ich all die rausgeputzten Tische sah. Da wurde mir zum ersten Mal klar, dass es wirklich passiert - ein sehr surrealer Moment. Wir haben nicht wirklich erwartet, zu gewinnen. Obwohl es natürlich toll gewesen wäre. Aber für Maps und das Album war allein die Nominierung schon eine riesige Unterstützung.

Soundmag: Wann und wo hast du davon erfahren?

James: Am Abend vor der Bekanntgabe spielten wir in London als Support für The Bees. Wir blieben also sowieso über Nacht in der Stadt und am nächsten Tag erreichte mich der Anruf. Natürlich dachte ich erst, da will mich jemand veralbern. Aber ich musste sofort zur Pressekonferenz kommen, wo all die Nominierungen bekannt gegeben wurden. Das waren intensive und großartige Stunden, ich war fast durchgängig im Schockzustand.

Soundmag: Die Verkaufszahlen des Klaxons-Albums schossen nach dem Gewinn über 400 % in die Höhe. Hat sich „We Can Create“ auch besser verkauft?

James: Definitiv. Ich habe zwar keine genauen Zahlen, aber es hat sich auf jeden Fall einiges getan. Allein auf der Liste zu stehen, den Sticker auf dem Cover zu haben und im Plattenladen in einem eigenen Regal präsentiert zu werden hat die Leute dazu gebracht, sich meine Musik anzuhören. Selbst wenn sie vorher noch nie etwas von Maps gehört hatten.

Soundmag: Das ist wahrscheinlich das Beste am Mercury Prize – dass sie Bands nominieren, die den Durchbruch noch nicht hinter sich haben und ihnen so zu mehr Popularität verhelfen.

James: Das unterscheidet ihn wirklich von anderen Award-Zeremonien. Die Nominierung orientiert sich an der Qualität eines Albums, nicht an den Verkaufszahlen einer Band.

Soundmag: Maps sind ein One-Man-Projekt – obwohl du vorher schon in einigen Bands aktiv warst. Haben dich die damaligen Erfahrungen abgeschreckt? Wolltest du die komplette Kontrolle?

James: (lacht) Das hat sich einfach so ergeben. Mit 18 war ich Mitglied einer Band in Southampton und schrieb alle Songs für sie. Wir brachten es nicht wirklich weit, spielten einige Konzert in der Gegend und trennten uns dann aus irgendwelchen Gründen. Ich schrieb jedoch weiter Songs und hatte zu Hause diesen kleinen 4-Spur-Rekorder. Damit begann es und der Rest entwickelte sich von diesem Punkt aus. Im Laufe der Jahre kaufte ich ständig neues Equipment und so entstand in meinem Schlafzimmer ein kleines Studio.

Soundmag: Wie darf man sich dieses ominöse Schlafzimmer, das in jedem Artikel über dich erwähnt wird, vorstellen? Steht alles voller Technik und in einer Ecke ist noch Platz für ein kleines Bett?

James: (lacht) Irgendwie schon, es ist ganz schön chaotisch, obwohl ich weiß, wo alles steht. Ich nutze am Ende gar nicht so viel Equipment, es beschränkt sich auf einen 16-Spur-Rekorder, einen Sequenzer und seit neuestem auch eine Drum-Mashine, die ich vor kurzem gekauft habe. Dazu kommen noch Effekt-Pedale und ein kleiner Sampler. Mehr ist auf den Demos für das Album nicht zu hören. Weil ich inzwischen schon so lange mit den Maschinen arbeite, weiß ich, wie ich das Beste aus ihnen heraus bekomme. Auch wenn ich also nicht das aktuellste High-Tech-Equipment habe, erhalte ich die Resultate, die mir vorschweben.

Soundmag: Gibt es – wie ich gelesen habe - immer noch keine Computer in diesem Raum?

James: Nicht wirklich. Als wir für die Aufnahmen in Island waren, nutzten wir natürlich Computer. Ich hatte meine Heim-Demos und wir fügten Streicher, Bläser und andere Instrumente hinzu, die mir zu Hause nicht zur Verfügung standen. Der Kern der Musik war jedoch computerfrei.

Soundmag: Wird das in Zukunft so bleiben?

James: Keine Ahnung, es war ja keine bewusste Entscheidung, die Aufnahmen ohne Computer zu machen. Ich hatte halt diesen 4-Spur-Rekorder und zog die Arbeiten auf ihm durch. Irgendwie ziehe ich es eher vor, mit Knöpfen und Reglern zu spielen, als auf einen Monitor zu starren. Im Moment denke ich, dass sich das auf dem zweiten Album nicht groß ändern wird. Die Basic-Tracks werde ich wieder allein erledigen. Meine Fähigkeiten im Bereich Produktion haben sich seit „We Can Create“ um einiges verbessert und so werde ich hoffentlich viel mehr allein erledigen können.

Soundmag: Wie bist du mit deinem Produzenten Valgeir Sigurösson (Björk, Sigur Ros) zusammen gekommen?

James: Auf Valgeir hat mich meine Plattenfirma gebracht, sie warfen diesen Namen in die Runde, von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Nachdem ich mir seine Arbeiten angehört hatte, trafen wir uns in London und verstanden uns hervorragend, vor allem weil unser Musikgeschmack fast komplett übereinstimmte. Also beschlossen wir, es zu versuchen und es funktionierte. Das Studio in Reykjavik befand sich vor den Toren der Stadt in einer sehr ruhigen Gegend – das glich der Situation, in der ich zu Hause arbeite, wo ich schon mal allein ganze Nächte durchwerkele.

Soundmag: In gewisser Weise war es die perfekte Umgebung für deine Musik?

James: Definitiv, ein sehr inspirierender Ort. Ich traf dort viele interessante Menschen und Künstler.

Soundmag: Der Waschzettel deiner Plattenfirma kommt mit der Info, dass deine Plattensammlung 1989 aufhört, es gäbe keine älteren Platten in ihr. Bereust du inzwischen, das gesagt zu haben? Du wirst immerhin in jedem Interview darauf angesprochen.

James: (lacht) Oh ja, vor allem weil ich es so gar nicht meinte. Schließlich höre ich durchaus viele ältere Sachen. Was ich ausdrücken wollte, war, dass mich aktuelle Musik aus dem Hier und Jetzt viel eher begeistert. Elektronische Musik, die neue Produktionswege geht, Klänge, die ich vorher noch nie gehört habe. Aber ich liebe auch Bob Dylan, die Beatles, Beach Boys und The Byrds.

Soundmag: Auf deiner Homepage gibt es seit kurzem das „You Can Create“-Projekt. Fans können dort Bilder, die deine Musik visuell ausdrücken, hochladen. Was erwartest du?

James: (lacht) Keine Ahnung, das ist ihre Sache. Aber ich bin wirklich gespannt, was für Bilder kommen. Ich finde einfach, dass es eine coole Idee ist, die Menschen, die meine Musik lieben, so stark wie möglich mit einzubeziehen.

Soundmag: Warum Bilder? Ist das die nahe liegende Ausdrucksform für deine Musik?

James: Wir nutzen auch in den Konzerten viele Projektionen und Bilder, die tatsächlich einen anderen, intensiveren Zugang zur Musik ermöglichen.

Soundmag: Aber warum bittest du die Menschen nicht um Remixe deiner Songs? Für mich wäre das der offensichtliche Weg.

James: (lacht) Ich habe nichts dagegen, wenn jemand einen meiner Songs remixt, aber das mit der Bezahlung gestaltet sich meist schwierig. Das ist vielleicht der Hauptgrund. Aber auch ich bin ja gut mit Remixen beschäftigt. Vor kurzem habe ich einen Song von Blonde Redhead bearbeitet und es steht noch einiges an.

Soundmag: Einige dieser Remixe erscheinen auf den so genannten „Regions“-CDs. Was hat es damit auf sich?

James: Sie repräsentieren die eher experimentelle Seite von Maps. Es begann mit der Idee, einen Quasi-Remix-Tauschring mit anderen Bands einzurichten. Es gab Aktionen mit The Longcut und Blonde Redhead und die nächsten Kandidaten sind M83. Die CDs sind ein Extra, die wir auf Konzerten kostenlos an Besucher verteilen, die sich das Album oder andere Sachen kaufen.

Soundmag: Wie unterscheiden sich diese Tracks vom Album?

James: Sie sind um einiges tanzbarer. Ich höre momentan viel elektronische Dancemusic, Trance und solche Sachen. Auf dem zweiten Album wird sich das sicher wieder finden – ohne dass es jetzt zur wummernden Dance-Platte zu mutieren droht. Viel eher schlägt sich diese Vorliebe auf den „Regions“-CDs nieder.

Soundmag: Deine neue Single heißt „You Don’t Know My Name“, für mich mit der beste Song auf “We Can Create”.

James: Das Stück begann mit zwei ganz unterschiedlichen Songs, die ich miteinander fusionierte. Ich schrieb zuerst den Refrain, der ja sehr poppig und erhebend daherkommt. Allerdings schwebte mir ein eher psychedelischer Touch vor und darum entstanden die Strophen als Gegengewicht. Am Ende packte ich beide in einen Topf und es klappte! Jetzt klingt er zwar immer noch ziemlich psychedelisch, aber der Pop-Appeal ist mehr als spürbar. „You Don’t Know My Name“ fasst das Album so auf eine sehr passende Art und Weise zusammen: die Ohrwurmmelodien auf der einen, die psychedelischen Elemente auf der anderen Seite.

Soundmag: Wirst du für das nächste Album mit anderen Musikern zusammenarbeiten oder bleibt Maps das Ein-Mann-Projekt von James Champman?

James: Den Anfang werde ich allein absolvieren, dann kommt aber sicher irgendwann meine Live-Band hinzu, um die entsprechende Atmosphäre zu schaffen. Das Ergebnis wird sich glaube ich sehr vom ersten Album unterscheiden, ich werde versuchen, mich weiterzuentwickeln. Es soll anders, aber immer noch nach Maps klingen. Ich freue mich schon jetzt auf das Songwriting.

Soundmag: Da du die Band jetzt ansprichst, wie war es die Songs zum ersten Mal von einer Band gespielt zu hören? Nachdem du sie allein aufgenommen hast.

James: Diese Bandgeschichte hat einige Zeit gebraucht. Am Anfang war ich mir nicht wirklich sicher, wie ich Maps live umsetzen wollte. Ich hätte mich natürlich allein mit einem Laptop auf die Bühne stellen können, aber das wäre sicherlich enorm langweilig geworden. Also entschloss ich mich für Live-Musiker, was für das Publikum und die Band selbst um einiges interessanter ist. Wir versuchen so oft wie möglich, live zu spielen, haben aber gleichzeitig einen Backing-Track für Samples und andere Elmente, die wir live nicht hinbekommen.

Soundmag: Letzte Frage: was hältst du von den Pet Shop Boys?

James: (kichert) They’re great! In meiner Jugend und Kindheit liefen sie immer irgendwo im Radio. Sie schreiben fantastische Melodien und großartige Popsongs. Ich bin kein riesiger Fan, aber sie sind definitiv tolle Songwriter.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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