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Blackmail

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08.02.08 - White Trash / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Nina Stiller

 

 

 

Soundcheck beendet, die Band steht an der Bar. Blackmail warten auf den Moment, wenn sie mitten in der Nacht auf die Bühne des White Trash in Berlin springen. Ein geheimes Konzert, das so geheim gar nicht mehr ist – schließlich steht der Name der Band groß über der Eingangstür. Dennoch ist die Musik im Lokal schon zu laut als dass man ein sinnvolles Gespräch aufzeichnen könnte. Sänger Aydo Abay schlägt darum wahllos örtliche Alternativen vor: die Toilette des White Trash, die Wäscherei auf der anderen Straßenseite, die Straße selbst. Schließlich drängt der Promoter seinen Schützling in die nächstbeste Pizzeria. Zwei Jahre sind vergangen seit mit „Aerial View“ das letzte Blackmail-Album erschien. Das neue Werk heißt „Tempo Tempo“ und geht mehr denn je in die Breite.

Soundmag: Du hast in einem Interview zu eurem letzten Album gesagt, dass man die aktuelle Platte generell für die beste hält. Wie würdest du „Aerial View“ zwei Jahre später einordnen?

Aydo Abay (Sänger): Es ist definitiv nicht das beste Album gewesen. Aber das ist als Mechanismus in einem drin, der Survival-Trieb, der dann immer sagt: Das ist das Beste. Aber es war schon auch ein gutes Album. Nur das neue jetzt ist besser und einige davor waren auch besser. Zwei würd ich sagen. (grinst)

Soundmag: Wenn man die erste, vorwiegend akustische Single „The Good Part“ hört, führt die einen erstmal auf eine falsche Spur, oder?

Aydo: Jein? Ich sehe das eher als Zwölfergeschichte. „Tempo Tempo“ ist eine Platte, die wirklich flüssig ist, ihre Höhen und Tiefen hat, in sich aber sehr, sehr geschlossen ist. Nicht unbedingt textlich, sondern musikalisch. Egal, was du da rausgerissen hättest, es hätte nicht alles erzählt. Ich fand, es ist eine sehr, sehr gute Nummer, um nochmal Hallo zu sagen. „False Medication“ hatten wir ja schon als Download draußen und dann haben wir gleich nochmal eine Facette hinterhergeschoben. Und mit der nächsten Single sind dann quasi schon drei Ebenen von dieser sehr abwechslungsreichen Platte abgedeckt.

Soundmag: Als ich „The Good Part“ das erste Mal gehört hab, dachte ich: ganz schön poppig. War das Absicht?

Aydo: Ist es ja auch. Wir waren das eigentlich schon immer, haben es aber ganz gut kaschieren können. Beziehungsweise haben wir es im Wuste untergehen lassen. Wust heißt jetzt Lautstärke.

Soundmag: Die Presseinfo spricht davon, dass ihr keinen Stillstand duldet. Tatsächlich?

Aydo: Nee, überhaupt nicht. Ich geh mal von mir selber aus und weiß das auch von den anderen. Wir sind da eher hyperaktiv. Das ist glaub ich so ein ASD-Syndrom, das komplett bei allen herrscht und bedient werden will. Wir machen ja sonst auch nichts anderes. Du gehst ja auch jeden Tag arbeiten und das müssen wir auch. Und wenn das eine fertig ist, geht das andere direkt weiter.

Soundmag: Und wohin ging es dieses mal?

Aydo: Es ging diesmal auf eine sehr abenteuerlustige Reise durch die Psyche, denn wir haben sehr krasse Sachen erlebt in der letzten Zeit, die verarbeitet werden wollten und auch mussten. Auch noch während der Produktion sind sehr, sehr negative, krasse Dinge passiert. Die spiegeln sich auf der ganzen Platte wieder.

Soundmag: Die waren aber eher privater Natur?

Aydo: Die sind immer privater Natur, denn was in der Band schief läuft, interessiert uns ja nicht. Wenn bei uns mal der Haussegen schief hängt, kommt halt der Klempner und richtet das dann. (lacht)

Soundmag: Habt ihr wieder selber produziert? Für das letzte Album hattet ihr euch ja Hilfe geholt.

Aydo: Wir haben wieder selber produziert. Dazu haben wir uns einen Engineer geholt, der dann – jetzt nicht direkt die Drecksarbeit – sondern eher die (denkt nach) Drecksarbeit gemacht hat. (lacht) So dass Kurt (Ebelhäuser, Gitarrist und Produzent der Band) seine Ruhe hatte und sich nur ums Produzieren kümmern konnte. Das war eine sehr angenehme Art zu arbeiten. Das kann sich aber auch wieder ändern. Es war für diese Platte genau richtig und gut.

Soundmag: In Interviews betont ihr oft, wie wichtig euch das Arbeiten ohne Druck von außen ist. Wie macht sich das im Studio bemerkbar?

Aydo: Wie man an die Sache rangeht, wie viel von außen bei der Produktion auf einen einprasselt, wie viele Menschen sich einmischen wollen. Wenn sich keiner einmischt und du einfach machen kannst, ist alles cool. So entsteht auch gar kein Druck. Es war ja schon im Vorfeld klar, dass wir die Platte bei CitySlang machen. Wenn die Plattenfirma für ein Album schon steht und alles andere nur noch von den Songs abhängt, dann gehst du auch ganz anders ran. Früher haben wir ja immer noch Labels gesucht. Wir mussten diesmal keinem etwas recht machen – außer uns selber. Das war super.

Soundmag: Und selbst habt ihr euch auch keinen Druck gemacht?

Aydo: Überhaupt nicht. Wir haben einfach nur gesagt, die Platte muss gut werden. Aber den Druck haben wir ja immer. Sprich: so ein bisschen Druck brauchst du ja auch. Sonst machst du es ja nicht oder lässt es schleifen. Keine Ahnung. Prost! (trinkt sein Bier)

Soundmag: Ihr habt auch ein eigenes Studio. Verleitet das nicht mitunter zum Trödeln?

Aydo: Nee, das stecken wir uns immer fest, in dem wir drum herum wie blöd andere Bands buchen und dann musst du halt zu bestimmten Termin wirklich fertig sein. Dann gibt es ja immer noch Abgabetermine von der Plattenfirma. Oder Wunschdaten, auch von einem selber, damit du gewisse Sachen wahrnehmen kannst. Das ist aber kein wirklicher Druck, eher so: wenn du das willst, musst du das halt so und so machen. Wir sind natürlich Inhaber des Studios und könnten zu anderen immer noch sagen: Nee, geht nicht. Aber das ist relativ uncool gegenüber den Bands, die danach kommen. Sprich: wir haben diesmal keiner… einer abgesagt, bzw. verschoben.

Soundmag: Jetzt habe ich gelesen, dass ihr euch auf erfolgstechnisch immer Ziele setzt.

Aydo: Wer sagt das denn?

Soundmag: Euer Gitarrist.

Aydo: Was sagt er denn, was diesmal passiert?

Soundmag: Das würde ich gern von dir wissen. Mit dem letzten Album wolltet ihr Skandinavien, Europa und Japan erobern.

Aydo: Skandinavien hat nicht geklappt, die waren zu… Dings. Europa hat zum Teil geklappt, die Platte ist zumindest überall rausgekommen, wir haben dann aber nur in Italien und Frankreich gespielt, was ein bisschen schade war. Aber egal, kommt noch. Japan hat beim letzten Mal geruht, weil es einfach nicht gepasst hat. Das wird jetzt wieder aktiv. Das Album wird da erscheinen… hoff ich doch?! Wir haben es denen zumindest schon mal hingeschickt. Aber das muss klappen.

Soundmag: Bei einigen Songs auf dem neuen Album habe ich überlegt, wie viele Spuren ihr dafür gebraucht habt. Was war das Maximum?

Aydo: Boah, das weiß ich nicht. Aber es waren teilweise schon 70, wo wir mitunter auch ordentlich geschichtet haben. Wir haben ja teilweise auch 27-mal Gesang aufgenommen, um Raum oder Breite zu schaffen. Oder wir hatten noch eine Spur drauf von der Gitarre und noch ein Effekt oben drauf. Auch die Gegen sind ja teilweise geachtfacht. Denn wir hatten nur zwei und mussten mit denen ein Orchester simulieren.

Soundmag: Bis wo geht man da denn? Ist der Himmel das Limit?

Aydo: Das sagt der Computer einem schon selber. Irgendwann sagt er: Limit. Du kannst es dann aber beliebig erweitern, glaub ich. Ist aber auch egal, denn wer braucht denn bitte 800 Spuren? Selbst 70 – das war ja schon totaler Schwachsinn, dass wir das gemacht haben.

Soundmag: Ist dann auch nicht mehr so weit bis 800.

Aydo: Stimmt, ist dann eigentlich auch egal.

Soundmag: Laut Presseinfo stammt der Titel des neuen Albums aus den ersten Aufnahmesessions, als ihr gemerkt habt, dass alle Songs ein ähnlich schleppendes Tempo hatten. Wurde „Tempo Tempo“ zu so einer Art Schlachtruf?

Aydo: So wie „Mer lasse de Dom in Kölle“? Nein, der Titel stand schon relativ lange fest, eigentlich war er schon im Sommer klar. Keine Ahnung, ob der jetzt durch die Produktion und das Tempo der Vorproduktionen entstand. Eigentlich hab ich das gar nicht mitbekommen. Ich wurde dann nur gefragt, was ich davon halte und ich fand es super. Besser als…. Nee, ich fand es direkt super, wir haben dieses Mal gar nicht nach Alternativen gesucht.

Soundmag: Wenn man mal kurz über eure Karriere schaut: ihr wart bei einem Majorlabel, seid jetzt bei einem Indie unter Vertrag. Wie siehst du die momentane Situation der Musikindustrie?

Aydo: Also die Musiklandschaft ist ja zu Recht am Klagen – über alles und jeden. Ich habe keine Ahnung, wie lange das noch gut geht. Ob es nochmal eine Wende gibt. Wir sind eine Band, uns ist das relativ egal, denn wir können live spielen und so weiter und so fort. Wir können das Internet als Tool nutzen. Aber ob es das in dieser Form noch Jahre lang gibt, kann ich überhaupt nicht beurteilen. Plattenfirmen sind für mein Verständnis wichtig, weil sie dir extrem viel Arbeit wegnehmen und sich kümmern. Ich könnte dir meine Platte jetzt nicht so verkaufen wie Leute, die das beruflich tun. Ich hätte da irgendwann eine Hemmschwelle. Das ist schon alles sehr wichtig und hängt auch gut zusammen. Andere aber sagen, es geht auch komplett ohne. Nimm die Arctic Monkeys. Die sind zwar ohne große Hilfe durch das Internet bekannt geworden. Den letzten Stempel aber hat dann doch eine Plattenfirma draufgesetzt.

Soundmag: Anfang nächsten Jahres feiert ihr euer 15jähriges. Wie fühlt sich das an?

Aydo: Boah. Total gut eigentlich. Nenn mir Bands, die so lange durchhalten. Das sind wir echt ein bisschen stolz drauf, immerhin waren wir immer mit der gleichen Besetzung unterwegs. Jubiläen interessieren uns jetzt nicht wirklich, aber als ich das zum ersten Mal realisiert habe, musste ich echt sagen: Absoluter Wahnsinn, dass wir seit 15 Jahren zusammen sind. Das ist ja bis zur Pubertät. Und dass man die überlebt, ist eigentlich auch schon ein Wunder. Wir wollen uns da auf jeden Fall ein Denkmal setzen. Mit einer DVD oder einem Film – so ganz genau ist das noch nicht raus.

Soundmag: Vorhin hast du gesagt, ihr macht neben der Musik nichts anderes. Das heißt, ihr könnt davon leben?

Aydo: Wir leben davon – nicht besonders gut aber auch nicht besonders schlecht. Unser Vorteil ist das eigene Studio, das ja auch immer noch Einkünfte bringt. Irgendwie geht das schon. Ich lebe nicht schlecht, fahre aber auch nicht vier Mal im Jahr in den Urlaub. Würd ich aber gern, hätte ich auch verdient! (lacht)

Soundmag: Ihr wohnt also auch alle noch in Koblenz?

Aydo: Ich bin vor zwei Jahren nach Köln gezogen, weil Koblenz nicht meine Stadt ist und ich dort auch nicht geboren oder groß wurde. Für die Stadt musst du schon geboren worden sein oder im Alter hinziehen, wenn man Kinder hat und den ganzen Entspannungskram braucht.

Soundmag: Und die anderen?

Aydo: Die sind da ja aufgewachsen. Die Stadt hat eigentlich alles, was man braucht. Fünf mal im Jahr kommt eine Band vorbei, es gibt mehrere Kinos und eine Einkaufspassage. Und man kann in Kneipen gehen. Ich brauche mehr. Halle ist so ähnlich, Ingolstadt auch. Kassel ebenfalls, die gibt es ja zuhauf diese Städte. Muss man halt mögen.

Soundmag: Was machen eure Nebenprojekte?

Aydo: Scumbucket haben jetzt gerade ihr erstes Album nochmal komplett neu aufgenommen, so zum 10jährigen Jubiläum. Mit Ken arbeiten wir seit zwei Jahren an der Platte, machen immer mehr, haben aber irgendwie den Faden verloren. Keine Ahnung wie das weitergehen soll.

Soundmag: Da fehlt der Druck!

Aydo: Da fehlt tatschlich der Druck! Weil alle immer sagen: macht, wenn ihr Bock habt. Ich finde noch nicht den Schlüssel zu der Platte. Ich habe mit sauvielen Leuten Sachen aufgenommen, aber da ist noch nicht das dabei, wo ich sage: so muss die Platte sein. Fünf Songs sind wunderbar, aber um das rund zu machen fehlt noch der richtige Vibe.

Soundmag: Auf eurer letzten Tour habt ihr ständig „BUZZ“ auf der Playstation gespielt. Gibt es schon einen Favoriten für die kommenden Reisen?

Aydo: Boah, ich hab keine Ahnung. Poker ist schon seit zwei Jahren ganz groß. Computerspiele zockt man ja auch lieber allein – ich zumindest. Oder vielleicht die Wii? Ist die lustig auf Tour? Keine Ahnung. Mal gucken. Wir wissen uns schon zu beschäftigen. Man kann ja auch mal ein Buch lesen.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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www.blackmail-music.com

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