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Blood Red Shoes

Blood Red Shoes

 

22.02.08 - White Trash / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Heiß, heiß, heiß! Blood Red Shoes erleben die große UK-Hype-Maschine gerade am eigenen Leib. Das Duo aus London und Brighton kann sich vor euphorischen Besprechungen ihres Albums „Box Of Secrets“ mit all seinen druckvollen Songs kaum noch retten, Verehrer warten an jeder zweiten Ecke. Da macht der an eine Abstellkammer erinnernde Backstageraum im Berliner White Trash-Club fast einen etwas zu schäbigen Eindruck. Trotzdem sitzen die kronischen Zuspätkommer Laura-Mary Carter und Steven Ansell höchst entspannt auf zwei Klappstühlen und lächeln. Das Fernsehen hat gerade die Kameras abgebaut, jetzt ist das Soundmag dran.

Soundmag: Steven, was ist so schlimm an Gitarren, dass du zum Schlagzeug gewechselt bist?

(Beide lachen.)

Steven Ansell (Vocals, Drums): Schöne erste Frage! Das einzige, was ich an meiner Gitarre nicht mochte, war die Tatsache, dass ich sie über neun Jahre lang gespielt habe. Ich wollte etwas anderes ausprobieren, mehr nicht. Ich bin sehr schnell gelangweilt.

Soundmag: Und was ist das tolle am Schlagzeug?

Steven: Na du kannst draufschlagen, ein sehr körperlicher Vorgang. Du schlägst sehr hart mit großen Holzstöcken auf sie ein. That’s fucking cool! (Beide lachen.) Es ist wahrscheinlich das dümmste, primitivste und körperlichste Instrument überhaupt. Und offensichtlich bin ich eine dumme, primitive Person! (lacht) Für mich funktioniert es also perfekt.

Soundmag: Laura, ich habe gelesen, dass du dich auch ab und zu hinter die Drumkits setzt.

Laura-Mary Carter (Vocals, Guitar): Ich probiere es manchmal in den Proben oder wenn wir eine kleine Pause haben. Das Schlagzeug würde ich sehr gern spielen können, also nutze ich jede Gelegenheit. Irgendwann wird vielleicht mal was aus mir, aber momentan habe ich nicht all zu viel Zeit zum üben.

Steven: Sie untertreibt, sie ist schon ziemlich gut.

Laura-Mary: Stimmt doch gar nicht. Ein bisschen kann ich’s. Aber ein guter Drummer bin ich sicher nicht.

Soundmag: Es gibt einen Satz, der in fast jedem Text über euch auftaucht: „Steven schlägt sehr hart auf die Trommeln.“ Wie oft geht da mal was kaputt? Müsst ihr das Equipment oft austauschen?

Steven: Ich brauche oft neue Drumsticks. Und die Trommelfelle muss ich auch sehr oft austauschen. Manchmal zerbreche ich sogar die Becken! Die zerbrechen sogar ziemlich oft.

Laura-Mary: Irgendwas ist immer kaputt.

Steven: Das kriege ich wirklich gut hin. Das Schlagzeug ist aber auch ein sehr destruktives Instrument.

Laura-Mary: Die Gestelle zerlegst du auch oft. Einmal ist es dir sogar gelungen, das Kick-Pedal zu zerstören! Eigentlich ist das komplett unmöglich!

Steven: Inzwischen habe ich Equipment gefunden, das hoffentlich etwas länger hält.

Laura-Mary: Trotzdem mache ich mir Sorgen wegen heute Abend. Die Bühne ist sehr klein. Steve schaut mich ja immer an, ich bin also sehr eingeschränkt, was meine Bewegungen angeht. Und da er sehr laut spielt, bin ich wahrscheinlich für die nächsten vier Tage schwerhörig. Obwohl ich versuche, soweit wie möglich von ihm entfernt zu sein.

Soundmag: Dann ist Stevens Schlagzeug also eine echte Gefahr!

Laura-Mary: Ohja, manchmal fängt er einfach an zu trommeln und es versetzt mir einen richtigen Schock. Die Becken sind am schlimmsten.

Steven: Ja, die Becken sind echt gesundheitsgefährdend.

Laura-Mary: Selbst wenn ich Gitarre spiele und er mit dem Trommeln beginnt, erschrecke ich mich regelmäßig.

Steven: Lou Reed hasste Becken ja so sehr, dass er dem Velvet Underground-Schlagzeugerin Maureen Tucker verbot, auf ihnen zu spielen. Und ich sehe ihr ähnlich! Wie gruselig ist das denn bitte?

Soundmag: Okay, eine Standardfrage muss leider sein: Wie habt ihr euch getroffen?

Steven: Wir haben uns mehrere Male getroffen. Aber das, woran wir uns meist erinnern, war ein Konzert in London, auf dem ich versucht habe, Lauras Hut zu klauen. Hat sogar geklappt. Ich sagte ihr, dass sie nach Brighton kommen müsse, wenn sie ihn wieder haben wolle. Es hat ein Jahr gedauert, bis das geschah. Dann spielten wir ein paar Songs zusammen und beschlossen, in einer Band zu sein.

Laura-Mary: Sehr spontan. Es war nicht unsere Absicht, eine Band zu gründen. Ich wusste schließlich nicht mal, welches Instrument Steven bei den Jams spielen würde. Dann schnappte er sich das Schlagzeug und ich hing mir die Gitarre um. Wir beide sangen zusammen und schrieben noch während dieser Probe einen Song. Dann fuhr ich wieder heim und sagte mir: „Hey, das hat Spaß gemacht. Vielleicht sollten wir es wiederholen.“ Ein paar Tage später ruft Steven: „Jemand hat uns im Proberaum spielen gehört und mich gefragt, ob wir bei ihrem nächsten Konzert den Support machen würden. Hast du Lust drauf?“ Meine Antwort war: „Naja, wir kennen uns fast nicht, haben nur diesen einen Song, es ist nur eine Woche Zeit, ich lebe in London und du in Brighton – alles klar, ich bin dabei!“

(Beide lachen.)

Laura-Mary: Also probten wir in der Woche noch einige male, schrieben drei weitere Songs, zu denen wir noch keine Texte hatten. Darum summten wir viel. Einen Namen besorgten wir uns auch noch schnell, nur für einen Bassisten reichte die Zeit nicht mehr. Als wir den Namen auf dem Flyer sahen, sagten wir uns, dass wir uns einen neuen suchen würden, wenn der Bassist dabei wäre. Der kam dann aber nie und so blieb alles beim Alten. Das ist die Geschichte.

Soundmag: Es war also keine bewusste Entscheidung, ein Duo zu gründen.

Steven: Nein, es war ein verrückter Zufall.

Laura-Mary: Ich habe schon noch überlegt, ob wir nicht einen Bassisten bräuchten. Aber Steve meinte immer, dass das nicht nötig sei und wir nicht so konventionell wie andere Bands sein müssten. Wir beide hatten ja vorher schon in normalen, konventionellen Bands mit Bassisten gespielt. Das hier fühlte sich aber anders an und brauchte das Altbekannte nicht mehr.

Steven: Wir hörten uns die ersten Demos an und sagten: Hey, das klingt cool. So lassen wir’s!

Soundmag: Was ist der größte Vorteil eines Duos?

Steven: Du kriegst viel mehr Geld!

(Beide lachen.)

Laura-Mary: Naja, nicht wirklich. Das Songwriting zusammen mit Steve ist einfacher als in meiner alten Band, denn es gibt nur zwei Personen die sagen, ob es ihnen gefällt oder nicht.

Steven: Du bekommst einen Instinkt dafür, wie du miteinander spielst.

Laura-Mary: Man kennt den anderen so gut, dass wir uns beispielsweise nie über Musik streiten. Wenn wir etwas nicht mögen, mögen wir es beide nicht. Wenn dem einen etwas gefällt, findet es der andere meist auch gut.

Steven: Die Kommunikation zwischen zwei Menschen ist viel direkter als zwischen fünf.

Laura-Mary: So ist es viel entspannter, miteinander Songs zu schreiben. Und das Reisen ist natürlich auch einfacher. Wir haben nicht soviele Mitglieder, mit denen wir uns ständig Hotelzimmer teilen müssen.

Steven: Vor allem das Touren wird viel einfacher. Fünf Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem Ort zu haben ist definitiv schwieriger als das gleiche mit zwei Personen zu erreichen. Aber naja, wir verspäten uns auch ständig.

Soundmag: Und hat dieses Line-Up auch Nachteile?

Laura-Mary: Auf der anderen Seite stehen hinter allem nur wir beide, da wir ja fast alles selber machen: wir kümmern uns um das Artwork, nehmen die B-Seiten selber auf und touren ständig. Im Prinzip sehen wir uns 24 Stunden am Tag.

Steven: So entsteht großer Druck.

Laura-Mary: Richtig. Bei Interview beispielsweise können wir uns nicht einfach aufteilen, weil wir alles zusammen machen wollen. So bleibt nicht viel Zeit übrig. Glücklicherweise sind wir dicke Freunde, wohnen ja auch zu Hause zusammen. Wahrscheinlich habe ich noch nie mit jemandem soviel Zeit verbrach wie mit Steven.

Steven: Wir treiben uns gegenseitig in den Wahnsinn, aber irgendwie funktioniert es. (lacht) Schau nochmal in einem Jahr nach uns. Wer weiß, wie es dann aussieht.

Soundmag: In einem Interview habt ihr selbst mal gesagt, dass ihr sehr gegensätzliche Charaktere seid. Aber über Musik streitet ihr euch trotzdem nie?

Steven: Nein, wir streiten über alles außer Musik.

Laura-Mary: Das ist echt verrückt.

Steven: Zu jedem anderen Thema, das du dir vorstellen kannst, streiten wir…

Laura-Mary: … all diese lächerlichen Dinge…

Steven: …meist einfach nur aus dem Grund, weil wir auf Tour zu viel Zeit gemeinsam in einem Lieferwagen verbringen.

Laura-Mary: Vor ein paar Minuten beispielsweise habe ich mir einen Drink auf mein Kleid gekippt. Glücklicherweise habe ich nicht sofort geschrien: STEVE! (Steve lacht) Denn eigentlich ist immer Steve schuld.

Steven: Wo andere Leute einfach „Shit“ sagen, ruft Laura sofort „STEVE!“ (Beide lachen.) Inzwischen ist es ein Running-Gag geworden.

Soundmag: Was sind denn eure Lieblingsstreitthemen.

Laura-Mary: Es geht ums Essen und wer mit dem Gameboy spielen darf.

Steven: Richtig, denn unser komplettes Unterhaltungsequipment für die Tour besteht aus diesem Gameboy.

Soundmag: Lasst uns noch kurz zum Album kommen. Ihr seid zu zweit, aber wie viele Menschen waren insgesamt an den Aufnahmen beteiligt?

Laura-Mary: Ich glaube vier.

Steven: Fünf – wir beide spielten die Musik. Es gab im Studio einen Techniker, einen Produzenten und auf einem Song spielte ein Mädchen die Geige. Fünf Menschen also.

Laura-Mary: Stimmt.

Steven: Und das war’s. Ziemlich bescheiden eigentlich. Im Prinzip standen wir für einen Monat in einem kleinen Studio in der Mitte des Nirgendwo. Vier Menschen, die sich gegenseitig verrückt machen – fast wie in „Shining“. Wir aßen Unmengen Käse und tranken viel Wein. Eigentlich sollten wir nach Frankreich auswandern. (Beide lachen.)

Soundmag: Denkt ihr beim Songwriting eigentlich schon im Duo-Modus oder gibt es da keine Beschränkungen?

Laura-Mary: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Wir improvisieren ja fast ausschließlich, am Ende schauen wir also einfach, was geschieht.

Steven: Wir haben schon Ideen, die über den Duo-Maßstab herausgehen. Und die packen wir nicht in die Schublade, weil wir sie zu zweit nicht spielen könnten. Der Kern eines Songs sollte schon so gestaltet sein, dass wir ihn live und zu zweit spielen können. Aber wenn wir bei den Aufnahmen eine Idee haben, probieren wir sie auch aus. Wenn wir also denken, eine zusätzliche Gitarre, eine Piano oder Gesangsharmonien, die wir zu zweit nicht hinbekommen, würden gut klingen, probieren wir es aus. Unsere Vorstellungskraft beinhaltet also Musik als Ganzes und ohne jegliche Einschränkungen.

Laura-Mary: Wir sind auch noch nie soweit gegangen, dass man live wirklich einen Unterschied gehört hätte. Meist handelt es sich ja um kleine Nuancen, die jemand unter Umständen gar nicht bemerkt.

Steven: Es gibt Elemente, die du live einfach nicht hinbekommst. Gleichzeitig aber investierst du im Konzert viel mehr Energie. Die Tatsache, dass du den Leuten im Gegensatz zur Studiosituation beim Spielen in die Augen blickst, verändert alles. Schlussendlich aber ist nur wichtig, ob es gute Musik ist oder nicht. Wir überlegen nie, was wir als Duo tun könnten. Wenn etwas in unseren Köpfen sagt, dass es gut klingen könnte, machen wir es.

Soundmag: „It’s Getting Boring By The Sea“ – handelt der Song von Brighton?

Laura-Mary: Es geht eher um Menschen und ihre kleinen Horizonte.

Steven: Solche Typen gibt es in Brighton aber auch überall sonst. Man muss nur die Augen aufmachen, sie sind überall.

Laura-Mary: Diese Einstellung ist das eigentlich Langweilige. Einige unsere Freunde betrachten uns schon jetzt als „Sell Outs“, weil wir vor mehr als zehn Leuten spielen.

Steven: Leute aus der so genannten Punk-Szene.

Laura-Mary: Und es ist einfach langweilig, sich das ständig anhören zu müssen.

Steven: Langweilig und beschränkt.

Laura-Mary: Darum dreht sich das Stück. Weil wir aus Brighton kommen, wird es schnell auf die Stadt gemünzt. Aber wir mögen Brighton eigentlich.

Soundmag: Letzte Frage: Was haltet ihr von den Pet Shop Boys?

Steven: The Pet Shop Boys?! Bloddy hell!

Laura-Mary: Sie sind wahrscheinlich auf meiner Top 10-Liste der von mir meistgehassten Bands.

Steven: (halt sich die Nase zu) Seine Stimme klingt als ob er sich ständig die Nase zuhalten würde. (singt) „Go West, life is peaceful there…“ Die beiden nerven!

Laura-Mary: Ohja! Sie sind definitive in meiner Top 10!

Steven: Ich habe sei mal live auf einem Festival gesehen und sie waren so langweilig! Neil Tennant ist quasi die Elektro-Version des Sängers der Cribs. (Beide lachen)

Laura-Mary: Und sie stehen auch nur regungslos auf der Bühne rum. Sie sind echt furchtbar! Gibt es einen Grund für diese Frage?

Soundmag: Ja.

Laura-Mary: Oh nein! (Alle lachen.)

Soundmag: Vielen Dank für das Interview. Und alles Gute für deine Ohren, Laura.

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www.bloodredshoes.co.uk

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