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Teitur

Teitur

 

30.03.08 - Roter Salon / Berlin

Interview:  Andreas

Foto: Pressefoto

 

 

 

Mit einem färöischen Pass in der Tasche genießt man in fast jedem Land dieser Welt einen gewissen Sonderbarkeits-Status. Menschen, die ähnlich den Isländern irgendwo weit draußen wohnen und den Kontakt zur modernen Zivilisation im Wesentlichen über Postschiffe halten. Natürlich erweist sich am Ende keines dieser Vorurteile als wahr, aber trotzdem halten sie sich hartnäckig. Teitur Lassen nennt einen solchen Pass sein eigen, hat in den letzten Jahren aber hart daran gearbeiteten, den Sonderling-Bonus hinter sich zu lassen. Aufnahmen in Paris, London und Los Angelas und Songs auf durchaus internationalem Niveau verhalten seinen beiden Alben „Poetry & Aeroplanes“ und „Stay Under The Stars“ zu beachtlichem Erfolg. Mit seinem neusten Werk ändert der Oft-Umzieher nun jedoch seine Strategie und erklärt eben diese entspannt in einem viel zu teuren Café am Berliner Rosa Luxemburg Platz.

Soundmag: Teitur, „The Singer“ unterscheidet sich für meinen Geschmack doch deutlich vom Vorgänger „Stay Under The Stars“. War es von Anfang an deine Absicht, etwas Besonderes einzuspielen?

Teitur: Ohja, die gab es. Vor allem, weil ich die Beschränkung auf Gitarre und Klavier in den Arrangements loswerden wollte und den Songs mehr Raum einräumen musste. Für mich war das der nächste logische Schritt: den Songs mehr Platz zu geben und sie so besser erzählen zu können. Ohne Gitarre und Klavier hat man plötzlich unglaublich viel Raum, mit dem man arbeiten kann. Anschließend suchten der Arrangeur und ich spezielle Instrumente für die einzelnen Songs aus, um die Geschichte so am besten erzählen zu können. Das genaue Gegenteil zum sich ins Studio stellen und die Songs dort einfach auf der Gitarre einzuspielen. Diese Richtung wollten wir einschlagen.

Soundmag: Obwohl ihr euch sicher viele Gedanken über die Instrumentierung gemacht habt, scheint am Ende doch vor allem deine Stimme im Mittelpunkt zu stehen. Viel mehr noch als auf deinen letzten Alben.

Teitur: Das ist ein weiterer Effekt, den das Entfernen dieses Fundaments aus Gitarre und Klavier hat: der Raum, der sich öffnet, wird sehr schnell und viel besser von der eigenen Stimme eingenommen. Außerdem heißt das Album „The Singer“, es macht also durchaus Sinn. Es war aber ganz klar unser Ziel, meine Stimme mehr in den Vordergrund zu rücken und so die Geschichten auch auf dieser Ebene besser erzählen zu können. Denn für mich geht es in der Musik genau darum: Das Erzählen von Geschichten mit Klängen - und natürlich auch mit Emotionen.

Soundmag: Als ich „The Singer“ die ersten Male gehört habe, hatte ich das Gefühl, dass es eine sehr raue, fast schon minimalistische Platte ist. Dann sah ich auf deiner Homepage das Video von den Aufnahmen und dem Haus auf Gotland. Es ist ein bisschen klischeehaft, aber der Ort hat sich schon sehr auf die Musik ausgewirkt, oder?

Teitur: Definitiv, es gab dort auf Gotland einen ganz speziellen Vibe. Ich wollte ja explizit in einem großen Raum aufnehmen, mit hölzernem Klang und dieser Saal dort war perfekt dafür. Es lief sehr gut, was auch daran lag, dass wir viel Zeit in die Planung der Aufnahmen investierten. Alles war bereits gut durchdacht und vorbereitet, der Aufnahmeprozess wurde so eher zu einer Ausführung des Geplanten. Als wir in Gotland ankamen, schien sich alles zusammenzufügen, die Atmosphäre war wunderbar. Natürlich spiegelt sich das jetzt in den Songs wieder, denn woanders hätten wir diesen spezifischen Klang gar nicht hinbekommen. Im Sommer des Vorjahres nahm ich auf Gotland schon einmal zehn Songs auf, allerdings nur mit Gitarre und Klavier, also pure Instrumentals. Mir war also bewußt, wie es klingen würde.

Soundmag: Unterschieden sich die Aufnahmen vielleicht auch gerade durch diese Vorausplanung von denen des letzten Albums?

Teitur: Irgendwie schon, aber auf eher detailierte, musikalische Art und Weise. Am Ende entscheidest du vor jedem Album, wie, mit wem und wo du aufnehmen möchtest. Für „Stay Under The Stars“ arbeiteten wir im traditionellen Stil der 60er Jahre. Du gehst mit deinen Freunden ins Studio, sie kennen die Songs bereits, ihr habt geprobt und spielt sie dort relativ schnell ein – bis sie sich richtig anfühlen. Das kann die richtige Arbeitsweise sein, weil man mitunter tolle Momente einfängt. Bei diesem Album aber war mir klar, dass ich etwas anderes tun wollte. Aber Ende sind es nur Prioritäten, wie du etwas tun möchtest. Ich halte keines meiner Alben für schlechter oder besser, sie sind einfach nur auf unterschiedliche Art und Weise entstanden.

Soundmag: Da du nun beide Herangehensweisen kennst, bevorzugst du eine von ihnen? Oder ist es schlicht und einfach eine Entscheidung?

Teitur: Die beste Musik entsteht, wenn ich mit Menschen arbeite, die ich kenne, und wenn es dieses aufgeregte Kribbeln gibt, wir also z.B. am einem ungewöhnlichen Ort aufnehmen oder die Songs erst im Studio kennenlernen. Gleichzeitig gibt es die Option, im Studio nach etwas zu suchen. Dieses Vorgehen kann sich als gefährlich erweisen. Musik hat für mich beides: sie sucht nach etwas, will aber auch gut durchdacht sein. Immer aber ist ihr der Moment des Gehenlassens eigen. Du kannst viel vorbereiten, aber im Studio musste du die Musik einfach geschehen lassen.

Soundmag: Du hast über „The Singer“ mal gesagt, dass es für dich einem Musical nicht unähnlich ist. Wie kann man das verstehen?

Teitur: Das beziehe ich auf die Songs, die ja doch sehr theatralisch daherkommen – besonders wenn du dir vorstellst, ich würde sie einfach auf der Akustikgitarre spielen. In diesem Punkt also kommt das Album einem Musical ziemlich nahe. Das ganze Projekt begann ja tatsächlich mit dem Bild, das jetzt auf dem Albumcover zu sehen ist. Irgendwann fotografierte ich mal ein Puppenhaus und als ich dann in diesem großen Haus aus den 1860ern auf Gotland stand, hatte ich das Gefühl, in eben so einem Puppenhaus zu stehen. Mit dem Sänger im Mittelpunkt des Bildes, bekommt es einen ganz bestimmten Ausdruck – so als ginge es ums Showbusiness. Genau das machte Sinn für mich.

Soundmag: Der Arbeitstitel des Albums war „Laughter In An Empty Room“, weil es am Ende genau so klingen sollte. Mission erfüllt?

Teitur: Definitiv. Dieser Konzertsaal, wo wir aufnahmen, hatte definitiv genau den Klang, den ich erreichen wollte.

Soundmag: Woher kam die Inspiration für die neuen Songs? Vor allem was die Texte angeht.

Teitur: Ich schreibe ständig Songs, haben einige Hundert angefangen. Irgendwann pack ich sie dann weg, um sie später wieder hervorzuholen, zu überarbeiten und zu verbessern. Für dieses Album suchte ich mir fünf davon aus, die den Kern bildeten und meinen Vorstellungen für diese Platte entsprachen. Die restlichen Songs mussten dann dazu passen und wurden auch mit diesem Ziel arrangiert. Einige von ihnen sind bereits sehr alt, das Stück allerdings, bei dem es Klick machte, war „The Singer“, der neueste Song auf dem Album. Als ich ihn geschrieben hatte, wusste ich, was ich wollte.

Soundmag: Wenn du zurückschaust, ist „The Singer“ vielleicht deine ambitionierteste Platte?

Teitur: Wahrscheinlich, denn ich habe gelernt, wer ich bin. Ich war 19 als ich mein erstes Album aufgenommen habe. Seit damals bin ich unglaublich viel getourt, habe die Welt gesehen, viele Freunde gefunden, viel über das Schreiben und Aufnehmen von Musik gelernt und erkannt, was es bedeutet als Sänger zu leben. Das neue Album ist also definitiv von den Erfahrungen der letzten Jahre beeinflusst. Es fühlt sich wahrscheinlich so ambitioniert an, weil ich jetzt die Kontrolle über meine Musik habe. Ich kann alleine, bzw. mit meinen Freunden aufnehmen – ohne Hilfe von außen. In diesem Punkt also schon, denn ich muss nicht mehr nach Paris oder Los Angelas fliegen, um dort mit einem Produzenten zu arbeiten. Gleichzeitig aber waren auch meine anderen Alben sehr ambitioniert. Sie kosteten viel Geld, sie wurden auf der ganzen Welt aufgenommen. Ich habe ein Album in Färöisch gemacht, dass außerhalb des Landes niemand verstehen dürfte. Jede Platte hat so ihre ganz eigene Ambition.

Soundmag: Wie werden die neuen Songs live umgesetzt? Beim Hören könnte man denken, dass es dafür viele Musiker braucht.

Teitur: Das war eine wirkliche Herausforderung. Mir war schnell klar, dass ich Sängerinnen, bzw. hohe Stimmen brauchen würde. Also holte ich zwei Mädchen in die Band und einen Freund, der hoch und hell singen kann. Glücklicherweise beherrschen alle drei verschiedenste Instrumente. Wir haben darum eine relativ komische Instrumentenkombination auf der Bühne: Trombone, ein Alt-Saxophon und eine Klarinette. Aber es funktioniert. Außerdem singen wir natürlich alle und jeder hat noch kleine Spezialitäten wie Marimbas, Glockenspiel, Keyboard und Gitarre auf Lager. Sie alle sind grandiose Musiker, die die Songs stützen. Außerdem sind natürlich mein Bassist und mein Schlagzeuger dabei, mit denen ich schon lange spiele. Wir alle mussten eine ganze Weile üben, bis wir die neuen Stücke drauf hatten. Das war wahrscheinlich das wirklich ambitionierte an diesem Album.

Soundmag: Vor ca. zwei Jahren haben wir uns im Interview etwas ausführlicher über Amerika und deine Bewunderung für dieses Land unterhalten. Hast du überlegt dort aufzunehmen oder vielleicht sogar dort hinzuziehen?

Teitur: Gute Frage. Ich habe noch nie daran gedacht, dort hinzuziehen. Ein Visa habe ich ja, kann also jederzeit ins Flugzeug steigen. Ich hatte immer diese Fantasie, irgendwann mal in New York zu leben. Aber alle Freunde, di e dort wohnen, sagen mir, dass ich spätestens nach einem Monat komplett ausflippen würde. Im Moment genieße ich es, zu Hause zu sein. Amerika scheint da sehr weit weg. Trotzdem ist es wie ein Abenteuer, ich freue mich schon darauf, während dieser Tour dorthin zurückzukehren, weil ich noch nie allein, sondern nur als Support für Katie Tunstall in dem Land unterwegs war.

Soundmag: Ist „zu Hause“ immer noch London?

Teitur: Nein, ich bin schon wieder umgezogen. (lacht) Momentan lebe ich in Schweden, weil meine Freundin von Gotland kommt. Also hat es mich nach Stockholm verschlagen, wo ich seit vier Monaten wohne. Es ist alles noch ziemlich neu, aber ich überlege schon wieder, von dort zu verschwinden. Mir scheint es nicht der richtige Ort für mich zu sein.

Soundmag: Obwohl du oft umziehst, ist die Beziehung zu deiner Heimat weiterhin sehr stark ausgeprägt. Du hast das Album, das du in färöischer Sprache aufgenommen hast, bereits erwähnt. Warum hast du das nach so vielen Jahren mit englischen Texten erneut gemacht?

Teitur: Es lag einfach daran, dass ich die Songs hatte und es immer mehr wurden. Sie schienen irgendwie zusammen zu passen und so wurde daraus eigentlich auch fast ein Konzeptalbum. „Káta Hornið“ ist eine Straßenecke im Zentrum unserer Hauptstadt Tórshavn. Eigentlich ist der Platz ziemlich enttäuschend, nicht so wie am Piccadilly Circus. Viele der Songs drehen sich um die Rückkehr auf die Färöer Inseln und so lebt auch die Hauptperson am Anfang ganz woanders, erzählt jedem, dass er an einen ruhigen Ort zurückkehren möchte, wo es keine Züge und all den Krach gibt. Irgendwann tut er das auch und findet sich quasi desillusioniert an dieser Ecke wieder. Anschließend kritisiert er die allgegenwärtige Stagnation und das Fehlen jeder moderner Entwicklung. Wir nahmen die Songs im 50er Jahre-Stil auf, was in der färöischen Popmusik sehr üblich ist. Es klingt also wie die alte Musik von den Inseln, aber die Message ist eine moderne, neue: alles ist so furchtbar nostalgisch. Für die Färöer macht das alles Sinn, aber wenn du die Sprache nicht sprichst, bleibt dir nur die Musik und es könnte etwas verwirrend wirken. Die Platte lebt sozusagen von der Geschichte der Färöer Inseln und darum war es auch sinnvoll, sie in der eigenen Sprache aufzunehmen. Gleichzeitig bricht für die Färöer gerade einen interessante Zeit an. Sie werden unabhängig von Dänemark und öffnen sich so für die Moderne.

Soundmag: Zwei letzte Fragen: hast du jemals die Videos auf youtube gesehen, in denen deine Songs nachgespielt werden?

Teitur: (lacht) Ja, es gibt ein Mädchen, die „Josephine“ spielt. Das fand ich sehr lustig.

Soundmag: Wie empfindest du es, dass deine Songs jetzt dort draußen sind und von den Menschen aufgenommen, nachgespielt und vielleicht verändert werden?

Teitur: Das ist wundervoll, denn genau dafür sind Songs doch da. Genau darin liegt der Unterschied zwischen dem Schreiben eines Songs und z.B. eines klassischen Stücks. Die Menschen übernehmen es und erzählen die Geschichte in ihrem eigenen Stil. Guten Songs gelingt das, sie sind nicht an einen bestimmten Sound oder Menschen gebunden. Tatsächlich habe ich ja genau so Klavier und Gitarre gelernt.

Soundmag: Erinnerst du dich an den ersten Song, den du gespielt hast?

Teitur: Puh, das ist schwer. Aber es war definitiv ein färöischer Song und ich habe ihn auf der Orgel meines Vaters gespielt – mit zwei Fingern.

Soundmag: Vielen Dank für das Interview.

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