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Veagaz

Veagaz

 

17.05.08 - Kult 41 / Bonn

Interview:  Martina

Foto: Nicole Heeke

 

 

 

Der Tag war warm und belanglos. Am Abend kühlte es sich etwas ab. Das aber nur für eine kurze Zeit. Dieser erneute Wärmeanstieg hatte weniger mit der Wetterlage zu tun, sondern mit dem bevorstehenden Ereignis. So eine Einladung wie an diesem Tag kann einen schon mal ins Schwitzen bringen. Natürlich nur aus Angst, den Veranstaltungsort nicht rechtzeitig zu erreichen und nicht vor Nervosität. Nach dem Betreten des Kult 41 in Bonn und der netten Begrüßung wird die Belanglosigkeit des Tages schlagartig zu einem imposanten Erlebnis. 22.40 Uhr. Nach einem großartigen Konzert verlassen Veagaz die Bühne. Eine halbe Stunde später befinde ich mich mit Sänger Tom Schindler eine Etage höher in einem, als Backstagebereich dienenden Raum. Von nebenan ist Gesang zu hören, der klingt als würde zu später Stunde noch jemand proben. Die herumliegenden Sachen im Zimmer erinnern ein wenig an ein Junggesellenapartment, inklusive der gesunden, unangerührten Lebensmittel auf dem Tisch. Daneben stehen zwei giftgrüne Stühle, auf denen wir die nächste Stunde verbringen werden.

Soundmag: Gibt es etwas, das du jetzt gerade unbedingt sofort loswerden möchtest?

Tom: Der Auftritt heute war klasse - auch vom Publikum her. Für uns ein ganz wichtiger Punkt, weil es der letzte Gig bis zum Herbst war und dazwischen viele komische Sachen passiert sind. Es ging immer rauf und runter, rauf und runter und es ist einfach motivierender, wenn man mit einem coolen Ding aufhört.

Soundmag: Wann wird die Tour fortgesetzt?

Tom: Im Herbst. In den letzten beiden Oktoberwochen plus einigen Terminen um den Wochenenden herum.

Soundmag: Vor Veagaz gab es Euch schon nur unter anderem Namen. Mit der gleichen Besetzung?

Tom: Wir hießen The Original Reverend Jones. Damals war noch ein zweiter Gitarrist dabei, der von Reverend Jones mit rüber gekommen ist. Das war so eine Phase von einem Jahr, in der wir uns ständig umkonstalliert und irgendwann gesagt haben, wir legen uns jetzt auch einen anderen Bandnamen zu.

Soundmag: Änderte sich damit auch der Stil?

Tom: The Reverend Jones war mehr Country und Americana, so dieses typische Singer/Songwriter-Ding, das man aus Amerika kennt, mit fiesem Feedbackeinschlag und ein bisschen Garagenkrach. Es war schon eine andere Art von Musik.

Soundmag: Hattet ihr auf diese Musik keine Lust mehr oder gab es andere Gründe für die Veränderungen??

Tom: Es gab Querelen mit Jörg und seinem damaligen zweiten Gitarristen. Die beiden hatten die Band auch gegründet. Wir haben auch bemerkt, dass wir weiter in Richtung Wave und Rock gehen. Das hat sich irgendwie anders angefühlt. Reverend Jones war eine Kunstfigur wie man sich das so richtig vorstellt. Der Schweinepriester. Der Prediger, der sich vor die Masse stellt und das Neue Testament predigt und selber ein ganz fieser Kerl ist und völlig daneben liegt. Das Ganze war eher comicartig aufgezogen. Was wir jetzt als Veagaz machen, ist wirklich das, was pur aus uns rausgerasselt kommt wenn wir Songs schreiben. Wir hatten das Gefühl, dass es ernster ist und uns selber mehr entspricht. Da ist kein konstruiertes Image oder sonst was mit im Spiel, von daher hat das Vorangegangene nicht mehr gepasst.

Soundmag: Was für eine Bedeutung hat der Name Veagaz oder ist es ein Wortspiel auf Las Vegas?

Tom: Teilweise. Wir haben am Anfang wirklich überlegt, ob wir uns schlicht Vegas nennen - wie die Stadt. Es existierten aber schon fünf Millionen Bands in sämtlichen Schreibweisen und Sprachen. Irgendwann ist dann jemand auf die Idee gekommen, einen Buchstaben auszutauschen und einen anderen reinzuschummeln. So entstand daraus einfach eine Art Fantasiename. Beim googeln haben wir festgestellt, es gibt wirklich keinen einzigen Eintrag zu dem Wort Veagaz und das war natürlich perfekt als Bandname. Es hat keinerlei Bedeutung in dem Sinne. Es hört sich gut an, darum sind wir dann einfach drauf hängen geblieben.

Soundmag: Gibt es in eurer Heimatstadt Hameln eine wirkliche Musikszene?

Tom: Momentan weniger, ich weiß nicht ob das dem Techno oder House geschuldet ist. In unserer Richtung gibt es gar nichts. Ein paar andere Bands sind nicht so aktiv wie wir, spielen nicht ständig auf Tour oder bemühen sich, Platten in die Zeitungen und Onlinemagazine zu bekommen. Es gab eine lange Zeit eine relativ aktive Rock- und Hardrock-/Metallszene. Im Punkbereich geht noch relativ viel.

Soundmag: Wie sind die Möglichkeiten live zu spielen?

Tom: Man muss sich etwas strecken. Ich habe das Gefühl, es wird immer schlimmer. Von den Clubs her steigen die Anforderungen. Du hörst immer häufiger von Bookern, wie viele Leute kommen denn für euch? Besonders wenn du wie wir vier Jahre Pause gemacht hast oder überhaupt das erste Mal mit einer neuen CD losziehst und dir dein Publikum erspielen willst. Das ist natürlich total blöd wenn du dann in guten und etablierten Clubs zu hören bekommst: „Ihr macht mir das Haus nicht voll. Hier könnt ihr nicht spielen.“ Dann wendest du dich an die Bookingagenturen, um als Support stattfinden zu können und die erzählen dir bei den für dich auch Sinn machenden Acts, was wir denn zahlen könnten? Bei größeren Bands ist es durchaus üblich, für Support-Slots zu zahlen und sich auch selbst um Hotels und Reisen zu kümmern. Viele Clubs haben auch weniger Geld, die Kulturzentren werden weniger gefördert und das merkt man auch, dass diese teilweise extrem auf dem Zahnfleisch gehen und weniger für Experimente offen sind. Das finde ich wieder cool an Clubs wie dem Substage in Karlsruhe. Die sagen: „OK, wir sind ein Laden, in dem Danko Jones oder Subway To Sally spielen, aber wir machen auch was mit kleineren Bands und bemühen uns auch, Sachen aufzubauen.“ Die meisten - das betrifft auch die Plattenfirmen - wollen etwas einkaufen, was schon einen Namen hat, damit sie es direkt vermarkten können. Das ist auch der Grund, dass wir unsere zweite Platte wieder selber raus gebracht haben. Es gab einfach keine Firma, die uns nehmen wollte und das obwohl wir wieder sehr gute Kritiken bekommen haben. Nur davon kannst du dir natürlich nichts kaufen. Bei der nächsten Platte rennst du dann wieder vor die Wand. Wir haben uns jetzt gedacht, wir versuchen es einfach mal im Ausland.

Soundmag: Wie erfolgreich ist euer Album „New Suburban White Trash Soul Music“? Nach dem Konzert fand es ja sehr viel Anklang.

Tom: Das ist völlig unterschiedlich. Im Substage in Karlsruhe zum Beispiel ist das Publikum ähnlich wie heute sehr gut dabei gewesen. Am Ende haben wir dann drei oder vier CDs verkauft, obwohl um die hundert Leute im Club waren. Während der Tour 2004 haben wir sehr viel über unseren Onlineshop abgewickelt. Da kamen pro Stadt nach dem Auftritt noch 3-5 Bestellungen hinterher. Entweder von Leuten, die es bei Freunden gehört haben oder - was ich auch vermute - von Spätentschlossenen. Bis jetzt läuft es ok, aber 2004 war es besser. Da haben wir die CD allerdings für 5 Euro verkauft, darf man nicht vergessen. Heute verkaufen wir bei Konzerten beide zusammen für 15 Euro, ich denke das ist immer noch unschlagbar. Da bekommst du heute normalerweise nicht mal eine Neue für. Mir ist es lieber, die Leute nehmen die CD zu einem Preis mit nach Hause, mit dem ich noch klar komme. Ich finde, dass es auch eine gewisse Wertigkeit hat. Es ist auch bessere Werbung wenn die Platten irgendwo stehen als sie im Keller vergammeln zu lassen. Was uns bei dieser Band zum Glück noch nicht passiert ist. Bei Reverend Jones war es gar nicht möglich, weil wir die Platten immer vom Label kaufen mussten.

Soundmag: Ist es Zufall, dass ihr oft nach Madrugada klingt?

Tom: Das kommt relativ häufig als Querverweis. Aber wir kannten diese Band wirklich nicht bevor diese Vergleiche aufgetaucht sind. Wir dachten vorher immer nach Nick Cave und den Stooges zu klingen, was wiederum Madrugada wäre. Wir haben Madrugada das erste Mal 2004 gehört, da bekamen wir nach einem Auftritt in Chemnitz eine CD in die Hand gedrückt und gesagt, hört euch das an, es muss euch interessieren. Ich persönlich mag die „Industrial Silence“ am liebsten. Das war auch die CD, die wir damals bekommen haben.

Soundmag: Inwiefern unterscheiden sich eure beiden Alben?

Tom: Ich finde schon, dass es vom Charakter her sehr stark unterschiedliche Scheiben sind. Vom Gefühl, was die Songs ausdrücken, vielleicht eher nicht, sie passen schon sehr gut zusammen. Die „Gold“ ist wesentlich offener, verspielter, fließt mehr dahin und die Enden sind nicht so strukturiert. Die neue ist viel urbaner, natürlich auch vom Namen her, der gut dazu passt, weil die Stücke doch konkreter und definierter sind. Ich kann meine eigene Musik immer sehr schlecht beschreiben.

Soundmag: Eure Musik würde auch gut als Soundtrack zu einem Roadmovie ohne Happy End passen. Habt ihr in dieser Richtung schon mal was versucht?

Tom: Das Thema Roadmovie kam sehr oft bei der „Gold“ auf, weil sie dieses hinfliesende, ausufernde Element hat. Das wäre natürlich cool. Eigentlich müsste man es irgendwo hinschicken, vielleicht auch ein Ziel für sie nächste Platte.

Soundmag: Wie wäre es, wenn du morgens das Radio anstellst und hörst deine eigene Musik?

Tom: Das wäre Klasse aber ich höre kein Radio. Themen wie Radio oder Fernsehen sind schon extrem spannend. Weil man sich da selber noch nicht gehört oder gesehen hat.

Soundmag: Hörst du eure Musik auch zu Hause selber?

Tom: Ja. Jetzt mittlerweile wieder. Die erste Zeit nach dem Studio nicht. Wir haben die Platte ja insgesamt drei Mal aufgenommen, mit zwei verschiedenen Schlagzeugern. Teilweise legt man die Scheibe dann nicht mehr so gerne in den Player, weil eine gewisse Ermüdungserscheinung da ist. Das ist immer eine Situation, in der man sich die Musik selber auch kaputt machen kann.

Soundmag: Also wird vorerst nur noch mal das Endprodukt gehört.

Tom: Produkt ist eine gutes Stichwort dabei. Man sitzt ja wirklich davor und hat die Wellenform auf seinem Display und schneidet, mischt und hört es sich immer wieder an. Du hörst jedes Instrument einzeln, im Nachhinein musst du es für dich wieder dekonstruieren, damit du es mit der ursprünglichen Intention hören kannst. Die Konzerte haben auch sehr geholfen, Abstand zu kriegen und es wieder als Ganzes zu betrachten. Das ist vielleicht noch so eine Sache, die für mich wichtig wäre. Bei der nächsten Platte hätte ich wirklich gerne jemanden, der da einfach nur steht und dafür da ist, den Kram aufzunehmen und wir, bzw. ich spiele und singe es einfach nur, habe mit der Technik nichts zu tun. Das kenne ich gar nicht mehr. 1994 habe ich die letzte Platte mit einer Band aufgenommen, bei der ich im Studio einfach nur gespielt habe. Das ist schon verdammt lange her, seitdem habe ich jedes zweite Jahr den Kram selbst produziert und das ist schizophren. Das kann man eigentlich nicht wirklich gut heißen oder machen. Trotzdem bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Soundmag: Lass uns noch mal auf die Tour zurückkommen. Wie zufrieden seid ihr bisher?

Tom: Durch dieses auf und ab hatte es leider keine Kontinuität. 2004 war das besser. Da haben wir auch wesentlich mehr gespielt, insgesamt 40 Auftritte. Es gab auch völlige Aussetzer, wo Leute vergessen hatten, ein Mischpult zu organisieren und andere ganz komische Sachen. Da mussten wir in verschimmelten, unter Wasser stehenden Kellern unter irgendwelchen Studios pennen. Man musste über Paletten zu seiner Matratze rüber springen und dabei noch zusehen, dass man sich komplett in den Schlafsack begibt, um auch keinen Millimeter Kontakt zur Matratze mehr zu haben. So richtig eklige Sachen einfach, dass haben wir diesmal glücklicherweise nicht gehabt.

Soundmag: Eine Erfahrung die sich nicht wiederholen muss.

Tom: Nee, dass ist so grausam. Vor allem wenn man sechs oder sieben Tage am Stück unterwegs ist und weiß, es ist erst Tag zwei und du bist schon völlig im Eimer am nächsten Morgen - nicht auf Grund von Party und Alkohol sondern wegen schlechter Übernachtung und beschissenem Essen. In Kusel mussten wir in einem Jugendhaus auf so Judomatten im Gemeindesaal übernachten, der auch für Schwangerschaftsgymnastik genutzt wird. Um 18 Uhr wurden die Heizungen abgestellt. Es war Mitte November, bitterkalt und mitten im Gebirge. Als wir um drei Uhr Nachts schlafen gehen wollten, hangen schon die Eiszapfen kreuz und quer. Am nächsten Morgen bin ich dann aufgewacht und wusste: alles klar, jetzt kannste nach Hause fahren. Das war schlimm. Über so was machen sich die Leute oft keine Gedanken. Wir sind keine Diven, die im 3-Sterne-Hotel pennen müssen, aber es sollte zumindest etwas ordentlich sein. Keine Ratten, kein Schimmel und kein fließend Wasser unter dem Bett.

Soundmag: Was für Pläne habt ihr in der Zukunft?

Tom: Die eigene Musik weiter zu entwickeln und als Band zu wachsen. Wir sind da auf einem guten Weg. Es macht einfach einen höllischen Spaß mit den Jungs zu spielen. Ich freu mich auch wieder auf den Proberaum, die neuen Songs und die Aufnahmen. Dafür lebe ich. Alles andere findet bei mir im Kopf gar nicht mehr statt.

Soundmag: Für wann ist das neue Album geplant?

Tom: Erstmal müssen wir mit den Aufnahmen dafür beginnen, Songs auswählen und so weiter. Wir werden es jedenfalls nicht wieder so lange hinziehen wie nach „Gold“. Vier Jahre, dass war ein bisschen heftig. Ich vermute nächstes Frühjahr. Das fänd ich super.

Soundmag: Viel Erfolg und vielen Dank für das Interview.

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