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Editors

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20.03.08 - E-Werk / Erlangen

Interview:  Eric

Foto: Pressefoto

 

 

 

Wenn die Soundmag-Konsensband schlechthin (mal wieder) auf Deutschland-Tour kommt, werden weder Kosten noch Mühen für ein Interview gescheut. Deshalb nicht wie üblich aus Berlin, sondern aus Franken die Antworten der Briten. Das Opfer diesmal: Bassist Russell Leetch, der das alte Klischee bestätigt, dass Bassisten nicht gerade die längsten Antworten geben – wenn er aber mehrere Sätze sagt, ist er durchaus auskunftsfreudig.

Soundmag: Was ist dein tägliches, „überlebenswichtiges“ Ritual auf Tour?

Russell: Erstmal aufstehen und duschen, dann ewig herumsitzen und Brot mit Schinken und Käse essen. Um vier Uhr ist dann Soundcheck, danach noch mehr Schinken-Käse-Brote und ein paar Bier. Das ist es im Großen und Ganzen.

Soundmag: Was war euer emotionalster oder inspirierendster Gig?

Russell: Da würde ich spontan denn Glastonbury-Gig vom letzten Jahr wählen. Das war auf der zweitgrößten Bühne, und wir hatten viel Spaß.

Soundmag: Glastonbury ist auch legendär. Das Ziel jeder britischen Band scheint ein Auftritt dort zu sein.

Russell: Auf jeden Fall.

Soundmag: Ich habe gelesen, dass ihr als einzelne Personen gar nicht so bekannt im UK seid – im Gegensatz zu eurer Band.

Russell: Das stimmt wirklich. Keiner erkennt uns auf der Straße, aber viele haben unsere Musik gehört. Das ist eigentlich ganz angenehm.

Soundmag: Ihr zieht es also vor, die Musik für euch sprechen zu lassen.

Russell: Ganz genau. Wir kommunizieren von der Bühne aus.

Soundmag: Das ist jetzt schon eure zweite Deutschland-Tour innerhalb weniger Monate – was ziemlich ungewöhnlich für eine englische Band ist. Normalerweise gibt es eine Tour zum Album und das war es dann.

Russell: Wir haben das Gefühl, dass wir uns hier eine Fanbase aufbauen, die Leute mögen unsere Musik. Also kommen wir genau dahin, wo uns die Leute haben wollen. Die Konzerte waren auch alle voll, was uns sehr freut. Vor allem in den nicht ganz so großen Städten, abseits von Berlin oder Hamburg, wo nicht so viele englische Bands hinkommen.

Soundmag: Eure Konzerte waren ja überall Wochen im Voraus ausverkauft. Ist es ein Unterschied, in kleineren Städten zu spielen? Lassen sich die Leute leichter begeistern?

Russell: Ja, meistens ist das so. Es kommen nicht so viele Bands in die kleineren Städte. In London gibt es an jedem Tag der Woche irgendein Konzert.

Soundmag: Wie viele Einflüsse von der „Back Room“-Tour findet man auf den Songs von „An End Has A Start“? Habt ihr da irgendwelche Geschichten verarbeitet?

Russell: „Escape The Nest“ und „The Racing Rats“ wurden davon beeinflusst. Wir sind viel herumgereist, waren an vielen Orten auf der Welt, an denen es hektisch und geschäftig zuging. Und diese beiden Songs spiegeln das wider.

Soundmag: Schreibt ihr viele Songs auf Tour?

Russell: Nein, nicht wirklich. Wir schreiben überhaupt keine ganzen Songs auf Tour, wir lassen nur Einflüsse davon in die Songs fließen.

Soundmag: Euer aktuelles Album hat einen sehr orchestralen und dramatischen Sound, mit all den Chören und Streichern. Wie viel davon war von euch vor den Aufnahmen geplant und wie viel war der Einfluss eures Produzenten Jacknife Lee?

Russell: Er hat uns zwar beim gesamten Aufnahmeprozess begleitet, aber die letzte Entscheidung liegt eindeutig bei uns. Es war eine Art zweispuriger Prozess. Wenn er einen Vorschlag hatte, wie etwas klingen sollte, sagten wir entweder ja oder nein.

Soundmag: „An End Has A Start“ macht den Eindruck, dass es während der gesamten Arbeit daran, also während des ganzen Schreib- und Aufnahmeprozesses, ein hohes Maß an Konzentration forderte, da das Album so fokussiert klingt.

Russell: Wir hatten eine ziemlich konkrete Idee von dem, was wir machen wollten und wie das Album klingen sollte. Und am Ende war es dann genau so, wie wir es am Anfang haben wollten. Wir waren also auf jeden Fall ziemlich fokussiert.

Soundmag: War euer Plan, nachdem das erste Album abgeschlossen war, euch neue Soundspektren zu erschließen?

Russell: Es hat sich nicht sehr viel vom Sound verändert, aber es war trotzdem ein großer Schritt für uns. Für unser nächstes Album haben wir, denke ich, fast alle Freiheiten, wir könnten ein elektronisches Album genauso gut machen wie ein akustisches. Wir halten uns den weiteren Weg offen.

Soundmag: Die „Smokers Outside The Hospital Doors“ sind ein großartiges Bild. Sie tun alles, um ihre Gesundheit zu zerstören – können Menschen also so in ihren Gewohnheiten gefangen sein, dass sie etwas zerstören, was ihnen in Wahrheit helfen könnte?

Russell: Ja, ich denke viele Menschen sind von Natur aus destruktiv. Denk’ nur an all die Kriege auf der Welt.

Soundmag: Das Bild entbehrt aber auch nicht einer gewissen „dunklen“ Ironie. Ist das eure Art von „Band-Humor“?

Russell: Das ist etwas Zweischneidiges. Wir spielen auf der einen Seite viele Gigs und haben Spaß, andererseits sieht man viele schlechte Dinge passieren, genauso wie lustige Dinge. Und das muss man irgendwie in sein Werk einfließen lassen – obwohl wir uns mehr auf die destruktiven, denn auf die fröhlichen Seiten des Lebens beziehen. Ich denke, es ist interessanter, die dunkle Seite zu studieren – wie bei den Jedi-Rittern aus Star Wars. [grinst]

Soundmag: Müsst ihr euch wegen der eher dunklen Atmosphäre eurer Songs vor den Konzerten in eine bestimmte Stimmung bringen?

Russell: Wir versuchen uns eher in eine gute Stimmung zu versetzen, um eine energetische Performance abzuliefern. Außerdem singen drei aus der Band nicht, und wir müssen nicht jeden Abend versuchen, zu meinen, was wir singen, deshalb ist es für uns drei noch einmal anders. Wir versuchen einfach, eine so gute Show wie möglich zu spielen.

Soundmag: Ihr versucht auch, euren Zuhörern die Hand zu reichen und ihnen eine gewisse Wärme zu spenden, wie bei „Push Your Head Towards The Air“, bei dem es heißt: „Don’t drown in your tears babe, I will always be there“. Ihr wollt also niemanden in Hoffnungslosigkeit zurückzulassen.

Russell: Genau. Es ist einfach wie im Leben selbst. Du hast die dunklen Momente, und dann gibt es wieder die fröhlichen Ereignisse. Es gibt also immer irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels. Das wollen wir in unsere Songs einfließen lassen.

Soundmag: Bei „Bones“ gibt es die Zeile „In the end, all you can hope for is the love you’ve felt to equal the pain you’ve gone through“. Denkst du, dass dies die ultimativen bzw. prägendsten Dinge im Leben sind, Schmerz und Liebe?

Russell: Sie sind auf jeden Fall ziemlich wichtig. Es kommt immer darauf an, was man für sich selbst fühlt, aber Schmerz und Liebe können beide sowohl schmerzvoll als auch lohnend sein.

Soundmag: Bei eurem Debüt hieß es noch, ihr würdet wie Joy Division oder Echo & The Bunnymen klingen. Jetzt sind die Editors selbst ein Referenzpunkt für neue, junge Bands. Bist du von der Geschwindigkeit dieser Entwicklung überrascht?

Russell: So etwas passiert immer wieder. Vielleicht werden in zwanzig Jahren neue Bands mit uns verglichen.

Soundmag: Aber das passiert jetzt schon.

Russell: Ich widme solchen Sachen nicht viel Aufmerksamkeit, es interessiert mich nicht. [lacht]

Soundmag: Würde es dir gefallen, in fünfzehn bis zwanzig Jahren einen Film wie „Control“ über die Editors zu sehen? Natürlich ohne den Selbstmord.

Russell: Ich will sicher nicht, dass jemand Selbstmord begeht. Der Film dreht sich auch mehr um einen Mann, der sich selbst umbringt. Er war wohl nicht sehr glücklich.

Soundmag: Also keinen Band-Film?

Russell: Nein, eher nicht. Vielleicht eines Tages ein Live-Konzert.

Soundmag: Die Öffentlichkeit romantisiert oft Musiker, die Selbstmord begangen haben…

Russell: …wie Kurt Cobain.

Soundmag: Und die Presse ist von solchen Geschichten besessen.

Russell: Ich denke, sie ist jetzt so besessen von dieser Celebrity-Kultur wie nie zuvor. Es ist ziemlich verrückt. Wir widmen dem aber nicht viel Aufmerksamkeit.

Soundmag: Was hältst du von der neuen Veröffentlichungs-Politik mancher Bands wie Radiohead, bei der man so viel für ein Album zahlen kann, wie man möchte?

Russell: Ich bin damit nicht hundertprozentig einverstanden, weil nur große Acts wie Radiohead oder Madonna sich so etwas leisten können. Es ist vor allem ein Problem für neue Bands. Sogar Bands wie wir oder Bloc Party könnten sich so etwas nicht leisten. Außerdem mag ich es, eine echte Platte in den Händen zu halten.

Soundmag: Du hältst so etwas also mehr für einen Promo-Gag, denn einen wirklichen Veröffentlichungsweg?

Russell: Ja. Jeder hat nämlich darüber gesprochen.

Soundmag: Das Internet hat aber durchaus seine Vorteile. Die Arctic Monkeys z.b. wurden durch myspace.com erst groß.

Russell: Bei uns war das anders, wie waren mehr ein Mundpropaganda-Ding – was eine gute Sache ist, uns hat das so gefallen.

Soundmag: Habt ihr schon neue Songs für das neue Album aufgenommen?

Russell: Nein, noch überhaupt nichts. Aber nach der Tour wollen wir langsam damit beginnen.

Soundmag: Gäbe es dafür ein paar Kollaborationen, die du schon immer mal machen wolltest?

Russell: Nein, nicht wirklich. Wir haben schon über ein paar Produzenten gesprochen und haben eine „Wunschliste“ erstellt. Flood und Alan Moulder oder Nigel Godrich wären cool. Aber als Band sind wir uns selbst genug.

Soundmag: Könntest du dir vorstellen, mit einem HipHop-Produzenten zu arbeiten, wie die Hives mit Timbaland?

Russell: Nein. Ich denke, das würde für uns nicht funktionieren.

Soundmag: Letzte Frage: Wie viele Journalisten hast du schon umgebracht, weil sie das Wort Interpol erwähnten?

Russell: Nicht viele. Wenn eine Frage danach kommt, beantworten wir sie einfach. Nach ein paar Jahren hat man sich daran gewöhnt.

Soundmag: Dann habe ich ja noch mal Glück gehabt. Vielen Dank für das Interview.

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